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GHANTAPA
ОглавлениеDer Mahasiddha Ghantapa lebte tief in einem Wald bei Odivisha (heute Orissa) in Indien, wo er sich mit intensiver Meditation über Heruka und Vajrayogini beschäftigte. Da er an einem so abgeschiedenen Ort lebte, war seine Kost sehr kärglich und sein Körper magerte ab. Eines Tages, als der König von Odivisha im Wald jagte, begegnete er zufällig Ghantapa. Als er sah, wie dünn und schwach er war, fragte der König Ghantapa, warum er im Wald bei solch karger Kost lebe. Der König ermunterte Ghantapa, mit ihm zur Stadt zurückzukehren, wo er ihm Nahrung und Obdach geben würde. Ghantapa antwortete, daß er nicht von den Reichtümern eines Königs in Versuchung geführt werden könne, den Wald zu verlassen, genausowenig wie es möglich sei, einen großen Elefanten mit einem dünnen Faden aus dem Wald zu führen. Wütend über Ghantapas Zurückweisung, kehrte der König zu seinem Palast zurück und schwörte Rache.
Die Wut des Königs war so groß, daß er einige Frauen aus der Stadt einlud und ihnen von dem überheblichen Mönch im Wald erzählte. Er bot jeder von ihnen großen Reichtum an, die den Mönch verführen und ihn dazu bringen könne, seine Gelübde des Zölibats zu brechen. Eine der Frauen, eine Weinhändlerin, prahlte damit, daß sie dazu imstande sei; und sie ging in den Wald, um nach Ghantapa zu suchen. Als sie ihn schließlich fand, fragte sie ihn, ob sie seine Gehilfin werden könne. Ghantapa hatte keine Gehilfin nötig, aber er erkannte, daß sie aus früheren Leben eine starke Beziehung zueinander hatten, und so erlaubte er ihr zu bleiben. Ghantapa gab ihr spirituelle Anweisungen und Ermächtigungen, und sie schulten sich aufrichtig in Meditation. Nach zwölf Jahren erlangten beide die Vereinigung des Nicht-mehr-Lernens, die volle Erleuchtung.
Eines Tages entschlossen sich Ghantapa und die frühere Weinhändlerin, die Leute in der Stadt zu ermutigen, ein größeres Interesse am Dharma zu entwickeln. Deshalb kehrte die Frau zum König zurück und berichtete, daß sie den Mönch verführt habe. Zuerst zweifelte der König an der Wahrheit der Geschichte, doch als sie erklärte, daß sie und Ghantapa nun zwei Kinder hätten, einen Sohn und eine Tochter, war der König über diese Neuigkeit höchst erfreut und befahl ihr, Ghantapa an einem bestimmten Tag in die Stadt zu bringen. Dann gab er eine öffentliche Bekanntmachung heraus, die Ghantapa erniedrigte, und befahl seinen Untertanen, sich am verabredeten Tag zu versammeln, um den Mönch zu beschimpfen und zu demütigen.
An besagtem Tag verließen Ghantapa und die Frau mit ihren Kindern den Wald. Der Sohn war zu Ghantapas Rechten und die Tochter zu seiner Linken. Als sie die Stadt erreichten, lief Ghantapa, als wäre er betrunken, und hielt eine Schale in den Händen, in welche die Frau Wein einschenkte. Alle Leute, die sich versammelt hatten, lachten und verhöhnten ihn und schleuderten ihm Beleidigungen und Beschimpfungen entgegen. «Vor langer Zeit», warfen sie ihm höhnisch vor, «lud dich unser König in die Stadt ein, doch du lehntest die Einladung hochmütig ab. Nun erscheinst du betrunken und mit einer Weinhändlerin. Was für ein schlechtes Beispiel von einem Buddhisten und Mönch du doch bist!» Als sie geendet hatten, schien Ghantapa wütend zu werden und warf die Schale auf den Boden. Die Schale versank in der Erde, zerteilte den Boden und ließ eine Wasserquelle erscheinen. Ghantapa verwandelte sich augenblicklich in Heruka, und die Frau verwandelte sich in Vajrayogini. Der Junge verwandelte sich in einen Vajra, den Ghantapa in seiner rechten Hand hielt, und das Mädchen verwandelte sich in eine Glocke, die er mit seiner linken Hand hielt. Dann umarmten sich Ghantapa und seine Gefährtin und flogen zum Himmel hinauf.
Die Leute waren erstaunt und entwickelten augenblicklich großes Bedauern für ihre Respektlosigkeit. Sie verbeugten sich ehrfürchtig vor Ghantapa und baten ihn und die Ausstrahlung von Vajrayogini zurückzukehren. Ghantapa und seine Gefährtin lehnten jedoch ab; sie sagten aber zu den Leuten, daß sie Bekenntnisse vor Mahakaruna, der Verkörperung von Buddhas Großem Mitgefühl, ablegen sollten, wenn ihr Bedauern aufrichtig sei. Aufgrund der starken Reue der Menschen von Odivisha und der Kraft ihrer Gebete entstand aus der Wasserquelle eine Mahakaruna-Statue. Die Menschen von Odivisha wurden sehr hingebungsvolle Dharma-Praktizierende, und viele von ihnen erlangten Realisationen. Die Mahakaruna-Statue kann auch heute noch betrachtet werden.
Aufgrund der reinen Heruka- und Vajrayogini-Praxis, die Ghantapa im Wald ausübte, sah Vajrayogini, daß für ihn der richtige Zeitpunkt gekommen war, ihre Segnungen zu erhalten, und so manifestierte sie sich als Weinhändlerin. Durch das Zusammenleben mit ihr erlangte Ghantapa den Zustand des Reinen Dakinilandes.