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DIE GÜTE ANDERER

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Alle Lebewesen verdienen es, wertgeschätzt zu werden, da sie uns unglaublich viel Güte erwiesen haben. All unser vorübergehendes und endgültiges Glück entsteht aus ihrer Güte. Sogar unser Körper ist das Ergebnis der Güte anderer. Wir brachten ihn nicht aus unserem vergangenen Leben mit, sondern er entwickelte sich aus der Vereinigung des Spermas unseres Vaters und der Eizelle unserer Mutter. Nachdem sie uns empfangen hatte, erlaubte uns unsere Mutter aus Güte, in ihrem Schoß zu bleiben, nährte unseren Körper mit ihrem Blut und ihrer Wärme, ertrug großes Unwohlsein und uns zuliebe schließlich die schmerzhafte Tortur der Geburt. Nackt und mit leeren Händen kamen wir in diese Welt und uns wurde sofort ein Zuhause gegeben, Nahrung, Kleidung und alles, was wir brauchten. Als wir ein hilfloser Säugling waren, beschützte unsere Mutter uns vor Gefahren, sie fütterte uns, wusch uns und liebte uns. Ohne ihre Güte wären wir heute nicht am Leben.

Indem wir ständig Essen, Trinken und Zuwendung erhielten, entwickelte sich unser Körper von dem eines winzigen, hilflosen Säuglings nach und nach zu dem Körper, den wir jetzt haben. All unsere Nahrung wurde direkt oder indirekt von zahllosen Lebewesen bereitgestellt. Deshalb ist jede Zelle unseres Körpers das Ergebnis der Güte anderer. Sogar diejenigen, die ihre Mutter nie gekannt haben, erhielten Nahrung und liebevolle Fürsorge von anderen Menschen. Die bloße Tatsache, dass wir heute am Leben sind, ist der Beweis für die große Güte anderer.

Nur weil wir diesen jetzigen Körper mit menschlichen Fähigkeiten haben, können wir die Freuden und Möglich­keiten eines menschlichen Lebens genießen. Selbst einfache Freuden, wie spazieren zu gehen oder einen schönen Sonnen­untergang zu sehen, können als Folge der Güte unzähliger Lebewesen angesehen werden. Unsere Fertigkeiten und Fähig­keiten entspringen allesamt der Güte anderer. Uns musste beigebracht werden, wie man isst, geht, spricht, liest und schreibt. Sogar die Sprache, die wir sprechen, ist nicht unsere eigene Erfindung, sondern das Werk vieler Generationen. Ohne sie könnten wir uns nicht mit anderen unterhalten oder Ideen austauschen. Wir könnten dieses Buch nicht lesen, keinen Dharma lernen, ja noch nicht einmal klar denken. Alle Einrichtungen, die wir für selbstverständlich halten wie Häuser, Autos, Straßen, Läden, Schulen, Krankenhäuser und Kinos, entstehen nur aus der Güte anderer. Wenn wir mit dem Bus oder Auto fahren, halten wir die Straßen für selbstverständlich, doch viele Menschen arbeiteten sehr hart, um sie zu bauen und sicher zu machen, damit wir sie benutzen können.

Die Tatsache, dass manche Menschen, die uns helfen, gar nicht die Absicht dazu haben, ist ohne Belang. Da ihre Hand­lungen uns zugute kommen, ist es von unserem Standpunkt aus gesehen eine Güte. Anstatt über ihre Motivation nachzudenken, die wir ohnehin nicht kennen, sollten wir uns auf den praktischen Nutzen konzentrieren, den wir erhalten. Jeder, der in irgendeiner Art und Weise zu unserem Glück und Wohlergehen beiträgt, verdient unsere Dankbarkeit und unseren Respekt. Müssten wir alles zurückgeben, was andere uns gegeben haben, bliebe uns nichts übrig.

Wir könnten jedoch einwenden, dass wir nichts kostenlos erhalten, sondern dafür arbeiten müssen. Kaufen wir etwas, müssen wir dafür bezahlen, und essen wir in einem Restaurant, müssen wir die Rechnung begleichen Vielleicht haben wir ein Auto, doch das mussten wir kaufen und müssen nun für Benzin, Steuer und Versicherung aufkommen. Wir bekommen nichts umsonst. Woher aber kommt das Geld? Es ist richtig, dass wir im Allgemeinen für unser Geld arbeiten müssen. Doch es sind andere, die uns Arbeit geben oder unsere Ware kaufen und somit sind sie es, die uns indirekt mit Geld versorgen. Außerdem können wir eine bestimmte Arbeit nur verrichten, weil wir die dazu nötige Ausbildung oder Bildung von anderen erhalten haben. Wohin auch immer wir schauen, wir sehen nur die Güte anderer. Wir sind alle in einem Netz der Güte miteinander verbunden, aus dem wir uns unmöglich lösen können. Alles, was wir besitzen und an dem wir uns erfreuen, einschließlich unseres Lebens, entspringt der Güte anderer. In Wirklichkeit entsteht jegliches Glück, das es in der Welt gibt, als Ergebnis der Güte anderer.

Auch unsere spirituelle Entwicklung und das reine Glück der vollen Erleuchtung hängen von der Güte der Lebewesen ab. Buddhistische Zentren, Dharma Bücher und Meditationskurse fallen nicht vom Himmel, sondern sind Ergebnisse der harten Arbeit und Hingabe vieler Menschen. Dass wir Buddhas Lehren lesen, über sie nachzudenken und meditieren können, hängt vollkommen von der Güte anderer ab. Außerdem können wir, wie noch erklärt wird, ohne Lebewesen, denen wir etwas geben, die unsere Geduld auf die Probe stellen oder für die wir Mitgefühl entwickeln, nie die tugendhaften Eigenschaften entwickeln, die wir brauchen, um Erleuchtung zu erlangen.

Kurz gesagt benötigen wir andere für unser körperliches, emotionales und spirituelles Wohlergehen. Ohne andere Lebewesen sind wir nichts. Unser Gefühl, eine Insel, ein unabhängiges, autarkes Individuum zu sein, hat nicht das Geringste mit der Wirklichkeit zu tun. Die Vorstellung, eine Zelle im unermesslichen Körper des Lebens zu sein, die zwar individuell und doch innig mit allen Lebewesen verbunden ist, kommt der Wahrheit schon näher. Ohne andere können wir nicht leben und sie wiederum sind von allem, was wir tun, betroffen. Der Gedanke, dass es möglich ist, unser eigenes Wohl zu sichern, während wir das der anderen vernachlässigen oder es sogar auf ihre Kosten geht, ist gänzlich unrealistisch.

Indem wir über die unzähligen Arten nachdenken, wie andere uns helfen, sollten wir einen festen Entschluss fassen: «Ich muss alle Lebewesen wertschätzen, weil sie so gütig zu mir sind.» Aufgrund dieses Entschlusses entwickeln wir ein Gefühl der Wertschätzung, ein Gefühl, dass alle Lebewesen wichtig sind und dass ihr Glück von Bedeutung ist. Wir versuchen, unseren Geist einsgerichtet mit diesem Gefühl zu vermischen und es so lange wie möglich zu halten, ohne es zu vergessen. Wenn wir uns aus der Meditation erheben, dann versuchen wir, dieses Gefühl der Liebe zu bewahren, sodass wir immer, wenn wir jemandem begegnen oder uns an jemanden erinnern, ganz spontan denken: «Dieser Mensch ist wichtig. Sein Glück ist wichtig.» In dieser Weise können wir das Wertschätzen der Lebewesen zu unserer Hauptpraxis machen.

Acht Schritte zum Glück - Neuausgabe

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