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Cholesterin – ein Stoff aus dem Leben

Welche Assoziationen haben Sie beim Wort Cholesterin? Blockierte Arterien? Herzinfarkt? Schlaganfall? Wir verbinden Unheilvolles mit Cholesterin. Cholesterin ist schlecht. Weiß doch jeder!

Das Cholesterin ist für mehrzellige Organismen ein Grundbaustein ihrer Zellen. Die Evolution von Cholesterin nahm seinen Angang vor rund zwei Milliarden Jahren. Der zunehmende Sauerstoff in der Atmosphäre förderte die Entstehung von freien Radikalen. Die Theorie schätzt, dass Cholesterin die ersten Membranen vor Sauerstoffradikalen schützte. Cholesterin ist ein Antioxidans. Bis heute schützt Cholesterin unsere Zellen vor oxidativen Schäden.

In unserem Körper kommt Cholesterin in zwei Pools vor: Das Gehirn macht ca. 20 % aus. Der Rest, die Peripherie, ca. 80 %. Insgesamt weist der Körper rund 2,2 g Cholesterin pro Kilogramm Körpergewicht auf. Der Durchfluss von Cholesterin in der Peripherie liegt bei rund 10 mg/kg Körpergewicht pro Tag. Das Gehirn setzt rund 0,09 mg/kg pro Tag um. (1)

Die geringere Menge und der niedrigere Umsatz von Cholesterin im Gehirn im Vergleich sollen nicht täuschen. Das Gehirn besteht vorrangig aus Cholesterin, Fett und Wasser. Cholesterin ist der wichtigste Baustein der Myelinscheiden der Axone – ca. 70 % des Hirnpools – und somit essenziell für die Kognition. Es ist erstaunlich, die Produktion von Cholesterin im Gehirn beginnt im Mutterleib und endet erst mit Angang zwanzig.

Bei Multipler Sklerose (MS) werden cholesterinreiche Myelinscheiden abgebaut, was zu den Symptomen dieser Krankheit führt. In einem gesunden Organismus verhindert die Bluthirnschranke den Austausch von Cholesterin zwischen Hirn und Peripherie. MS schädigt die Bluthirnschranke. Sie wird durchlässiger. Eine Studie an MS-Mäusen untersuchte die Funktion der Bluthirnschranke während einer cholesterinarmen und einer cholesterinreichen Fütterung. Das erstaunliche Ergebnis war, dass Cholesterin aus der Nahrung, aufgrund der beschädigten Bluthirnschranke, ins Gehirn durchsickerte. Dort unterstützte das Cholesterin die Reparatur der beschädigten Myelinscheiden. Den Tieren ging es besser. (2)

Cholesterin ist kein Substrat, aus dem wir Energie gewinnen. Cholesterin gehört chemisch zu den Lipiden, zur Gruppe der Sterine. Es ist ein Baustoff für alle Membranen im Körper: den Myelinscheiden der Nervenzellen, Hormone, Gallensäuren und Lipoproteine. Wir synthetisieren und recyceln Cholesterin. Und nehmen es aus der Nahrung auf. Wir haben kein System, das Cholesterin abbaut. Wir scheiden den Überschuss aus.

Die Membranen von eukaryotischen Zellen sind im Grundbau gleich. Eine Doppelschicht aus Phospholipiden (Fette mit einer Phosphatgruppe) bildet eine wasserundurchlässige Hülle. Cholesterin festigt die Membranen und schafft Zonen mit unterschiedlichen Dichten, die den Transfer von Molekülen regeln. Diese Cholesterinflöße (rafts) wirken wie Treffpunkte für Membranproteine. Ein Beispiel sind die Untereinheiten des Insulinrezeptors. Diese liegen verstreut in einem solchen Cholesterinfloß. Die Bindung von Insulin, initiiert die Montage der Untereinheiten. Fehlt das Cholesterin, bleiben die Untereinheiten solo und das Insulin wirkt nicht. Die Zelle reagiert nicht auf Insulin, sie ist insulinresistent.

Eine andere Aufgabe des Cholesterins ist die Synthese von Hormonen. Cholesterin ist der Baustein für Glukokortikoide (Kortisol und Kortikosteron), für Mineralkortikoide und von Sexualhormonen. In der Haut ist Cholesterin der Ausgangsstoff für Vitamin D.

Aus Cholesterin synthetisiert die Leber Gallensäuren, die Nahrungsfette emulgieren und deren Verdauung erst ermöglichen.

Cholesterin ist ein Baustein von Lipoproteinen, die Triglyceride und Vitamine transportieren und Teil der Immunantwort sind. Alle Lipoproteine enthalten Cholesterin. Das low-density lipoprotein (LDL) beinhaltet den größten prozentualen Anteil an Cholesterin, rund 50 %. Gesamtcholesterin schließt das Cholesterin aller Lipoproteine ein. Davon sind rund Zweidrittel LDL (Abb. 2).


Abb. 2 Triglyceride und Gesamtcholesterin setzen sich aus den TG und Cholesterin aller Lipoproteine zusammen.

Wenn der Körper mehr Fett verstoffwechselt, steigt der Verkehr an Lipoproteinen. Wie beim Fasten oder in der ketogenen Ernährung. Das Gesamtcholesterin und konsequenterweise das LDL nehmen innerhalb von Tagen zu. (3) Eine Fastenstudie an zehn Menschen ohne Übergewicht berichtete, dass das Cholesterin von durchschnittlich 114 mg/dl auf 189 mg/dl anstieg. Ein Zuwachs von 66 % innerhalb einer Woche. (4) Bei Menschen mit Übergewicht scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Das Cholesterin sinkt. (5) Fasten erhöht das LDL und dasselbe gilt für die ketogene Ernährung.

Cholesterin ist ein essenzielles Molekül. Einen Kampf gegen Cholesterin empfände ich als eine Verachtung meines eigenen Körpers.

Quellenangaben

1. Dietschy JM. Central nervous system: cholesterol turnover, brain development and neurodegeneration. Biol Chem. 2009 Apr;390(4):287-93.

2. Berghoff SA, Gerndt N, Winchenbach J, Stumpf SK, Hosang L, Odoardi F, Ruhwedel T, Böhler C, Barrette B, Stassart R, Liebetanz D, Dibaj P, Möbius W, Edgar JM, Saher G. Dietary cholesterol promotes repair of demyelinated lesions in the adult brain. Nat Commun. 2017 Jan 24;8:14241.

3. Ende N. Starvation studies with special reference to cholesterol. Am. J. Clin. Nutr. 1962. 11:270-280

4. Sävendahl L, Underwood LE. Fasting increases serum total cholesterol, LDL cholesterol and apolipoprotein B in healthy, nonobese humans. J Nutr. 1999 Nov;129(11):2005-8.

5. Jackson IM. Effect of prolonged starvation on blood lipid levels of obese subjects. Metabolism. 1969 Jan;18(1):13-7.

Das LDL-Orakel und die ketogene Ernährung

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