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Kapitel 13
ОглавлениеWinter 1060 (452 seit Hegirae), hinter den Mauern von Qasr Yanna
Es war nur ein Tag und eine Nacht vergangen, seit Mohammed Ibn al-Thumna den Rabaḍ verwüstet und Nadira entführt hatte. Die Boten von Ali ibn al-Ḥawwās waren vom Berg gestiegen, um die Ursache der Brände zu überprüfen, die während der Nacht entdeckt wurden, aber sie hatten nichts ausrichten können. Auch die zehn Männer des Qā’id, die unmittelbar danach auf der Suche nach Nadira und ihren Entführern losgezogen waren, konnten nichts tun.
Als diese armen Zwölf von den Halsabschneidern der Qā’id von Catania, hauptsächlich Späher und Wachmänner, mit dem Schwert getötet wurden, begann die gesamte Bevölkerung, in der allgemeinen Psychose ihre Koffer zu packen. Eine lange Prozession von Männern, Frauen und Kindern, aber auch von Tieren und von Hand oder Maultieren gezogene Karren, stieg zu den Mauern von Qasr Yanna an, wo sie den Schutz finden konnten, den sie im Rabaḍ nicht gehabt hatten. Innerhalb der Mauern begannen sie, sich so gut wie möglich einzurichten: Wer einen Verwandten hatte, bat um Asyl im Haus, wer keinen hatte, ließ sich an der Häusergrenze nieder und baute sich einen Schutz, mit dem was er fand. Auch Alfeo folgte der Masse und zog es vor, die Hacke liegen zu lassen, um Zuflucht in Qasr Yanna zu finden.
Corrado, der geschwächt war und sich noch nicht vollständig erholt hatte, sah sich den Folgen des Fiebers gegenüber. Nun hatte er, überzeugt von Apollonia, seinen Wunsch nach Rache beiseitegelegt, um allem, was für die neue Unterkunft zu tun war, Vorrang zu geben. Alfeo und seine Kinder, wie die geschickten Beduinen, bauten die Zelte neben den Gemüsegärten auf, die innerhalb der Mauern angebaut wurden, und auf der Rückseite von einem der berühmten Gärten von Qasr Yanna. Genau hier erhielt Corrado am Nachmittag einen Besuch.
Umar trat arrogant und überheblich vor, und als er sich dem Zelt der Christen des Rabaḍ näherte, zerstörte er einen Teil davon, um es zu betreten, ohne sich die Mühe zu machen, um Erlaubnis zu bitten.
“Corrado, komm raus!” schrie er.
Der andere wollte das Feuer entzünden, während die Familie ihn umgab und darauf wartete, endlich die einigen Hände wärmen zu können.
Corrado hob die Augen, sah ihn an und antwortete ruhig:
„Die Zeit, die ich brauche das Feuer anzuzünden.“
“Komm raus… sofort!” befahl Umar wieder, diesmal fasste er sich am Kopf dort, wo er zwei Tage zuvor geschlagen worden war.
„Warte auf mich an den Gärten.“
Umar stapfte wütend davon.
“Was will er noch von uns?” fragte Caterina verängstigt.
“Das ist der Grund, warum ich dir sagte, dass du mit deiner Geste unsere Ruhe zerstört hast.” wiederholte Alfeo.
“Offensichtlich war die Tatsache, dass Michele ihm das Leben gerettet hat, für ein solches Tier nicht ausreichend!” antwortete Corrado.
„Pass auf was du sagst und zeige dich unterwürfig!“ sagte Alfeo.
Corrado ergriff jedoch das Messer, mit dem seine Mutter eine bittere Orange aus den unteren Tälern schälte, steckte es in den Hosenbund und befreite sich von Apollonia, die ihn besorgt am Arm festhielt.
“Bleibt hier!” befahl er der ganzen Familie, bevor er das Zelt verließ.
Umar wartete in der Nähe einer Mandel auf ihn, während ein Dutzend Schritte hinter ihm der Rest seiner Familie stand.
“Hat es dir nicht gereicht, dass mein Bruder dir das Leben gerettet hat? Was willst du noch von mir?”
„Michele hat deine vergangenen Verbrechen bezahlt, aber seine Geste kann deine heutigen nicht zurückzahlen.“
“Und die zwei Tage, die du mich an einem Pfahl gefesselt hast sterben lassen, haben sie sich bezahlt gemacht?”
“Das diente nur dazu, dir klarzumachen, welchen Platz ungläubige Schweine wie du einnehmen sollen!”
Corrado führte instinktiv seine Hand an den Hosenbund, aber sobald er den Griff unter den Fingern verspürte, ließ er es sein.
„Sag mir, warum du mich gesucht hast.“
„Die Männer eines gewissen Salim haben meine Schwester entführt.“
„Das wissen alle, Umar. Denk mal nach… du, der auf Nadira so eifersüchtig war, hast sie dir unter der Nase wegschnappen lassen… gerade du, der nur erlaubt hat, dass man ihre Augen sieht… Was hast du dir dabei gedacht, als du diesen Schurken im Haus aufgenommen hast? Dachtest du, mit Nadira bei einem Fremden anzugeben, ohne Konsequenzen tragen zu müssen? Sogar ich würde meine Schwester vor dem Blick eines Fremden verstecken. Du legst die Beute vor das Maul des Wolfes und dann beschwerst du dich, dass er sie sich wegnimmt? Umar… Umar… großer und dummer Umar!”
Umar zog den Krummsäbel, der an seiner Gürtelschlaufe hing, heraus und war hin und her gerissen, auf die Provokation zu reagieren.
„Machs doch, Umar… machs! Und dann fragst du die Füchse, die sich letzte Nacht im Rabaḍ herumtrieben, was mir dieser Mann sagte. Ich bin mit nämlich sicher, dass du heute deswegen nach mir gesucht hast.»
Umar steckte seine Waffe wieder ein und antwortete:
„Warum bist du dann nicht gestern schon zu mir gekommen, um es mitzusagen?“
„Ich glaubte, dass dein Qā’id dir bereits gesagt hat, was du wissen willst. Oder ich muss glauben, dass er dich nicht einmal empfangen hat…”
„Ich habe mit dem Qā’id gesprochen und er wird alles tun, um Nadira nach Hause zu bringen. Er wird das Lösegeld bezahlen und dann den Männern, die diesen Affront gewagt haben, die Jagd geben!»
„Hat er Sie das so gesagt? Hat er von Lösegeld gesprochen?» fragte Corrado verdutzt.
„Das, was ich mit dem Qā’id besprochen habe, geht dich nichts an. Sag mir nur, was dieser verdammte Salim zu dir gesagt hat.»
„Ich schude dir nichts… das weißt du.“
“Du schuldest mir dein Leben, denn wenn du noch atmest, ist es Dank meiner Gnade.”
„Wenn du willst, dass ich dir sage, was ich weiß, möchte ich etwas dafür.“
Umar, legte seine Hand ungeduldig wieder an seinen Krummsäbel, aber Corrado ergriff den Griff zusammen mit ihm und verhinderte, dass er reagieren konnte. Umar packte daraufhin mit seiner anderen Hand den Hals Corrados und versuchte ihn zu erdrosseln, ließ aber wieder los, als er das Messer bemerkte, das an seinen Bauch drückte.
„Ich sollte dich aufschlitzen, Umar…, aber ich möchte das Haus meines Vaters nicht in den Ruin treiben.“
Jala, die die ganze Szene gesehen hatte, rannte ihnen entgegen.
„Nein, Umar, nicht so!“
Corrado versteckte das Messer wieder und Umar machte zwei Schritte zurück, wobei er sich bewusst war, dass es wirklich knapp gewesen war.
„Lass mich mit dem Christen sprechen, allein.“ bat Jala.
„Bist du verrückt?“
„Bitte, Umar. Corrado wird sich nicht weigern, das Wort einer Mutter anzuhören.“
„Er ist bewaffnet!“
Aber Corrado griff ein:
“Und glaubst du, dass ich deiner Mutter Schaden zufügen könnte? Würde ich Umar heißen, oder würde ich den Namen eines deiner Schergen tragen, vielleicht hätte ich auch eine Frau schlagen können; Apollonia trägt noch die Prellungen!»
„Umar, geh bitte zu deiner Frau.“
Der Schuldeintreiber des Qā’id ging weg und ließ seine Mutter, wenn auch mit Enttäuschung, allein.
„Junge, es tut mir leid für deine Schwester… Ich weiß, dass ein Feigling gemeint hat, er müsse sie züchtigen. Umar hat damit aber nichts zu tun… er war es nicht. Und dann, du kannst die Prellungen deiner Schwester noch sehen… wenn wir doch nur noch ein gezüchtigtes Mädchen heilen können!»
„Es tut mir leid für deine Tochter.“
„Die Leute beginnen zu sagen, dass die Toten des Rabaḍ die Folge der Augen von Nadira sind und dass die Kuriosität dieser ungewöhnlichen Augen in dieser Nacht ihre Früchte geerntet hat; dass Sheitan59 die Augen von Nadira mit dem Tor zur Hölle verbunden hat! Jetzt sehen sie uns alle mit Misstrauen an.“
„Um was machst du dir Sorgen? Wir leben seit jeher mit dem Misstrauen der Leute.“
„Corrado, bitte! Ich habe mit meinen Augen gesehen, wie dieser Fremde mit dir sprach, bevor er in der Nacht verschwand.”
Corrado hätte diese Wahrheit nicht einer verzweifelten Mutter vorenthalten, doch angesichts der Tatsache, dass seine Familie seit jeher sozial bestraft worden war, war er sicher darüber, im Gegenzug etwas verlangen zu können.
„Wo seid ihr untergebracht?“
„Der Qā’id hat uns erlaubt, uns in einem kleinen, möblierten Haus einzurichten. Warum fragst du?»
„Für das, was ich dir sagen werde, verlange ich, dass meine Familie Unterkunft in einem Haus wie eures findet. Die Nächte sind kalt, und wir haben nicht genug Holz und Decken, um uns zu wärmen.“
„Das, worum du mich bittest, ist unmöglich. Was gehört uns zwischen diesen Mauern, dass wir jemandem so etwas gewähren könnten?”
„Dort, wo euch der Qā’id aufgenommen hat, habt ihr sicher genug Platz.“
“Das Gesetz des Propheten verbietet es, das gleiche Dach länger als drei Tage mit den Dhimmis zu teilen.”
„Also dann drei Tage… und dann wirst du den Qā’id, deinen zukünftigen Schwiegersohn, bitten, dir einen anderen Ort zu suchen, an dem du bleiben kannst.“
„Wären die Ställe auch in Ordnung?“ fragte Jala und wollte wissen, ob es für Christen annehmbar wäre, eine solche Unterkunft zu finden.
„Wenn euer Gesetz nichts über die gemeinsame Nutzung desselben Dachs mit den Maultieren sagt, sind auch die Ställe gut.“
Jala blieb sprachlos und nahm zur Kenntnis, dass Corrados Arroganz keine Grenzen kannte.
“Willst du uns demütigen? Warum? Reicht dir nicht, was du mir angetan hast?”
Die Frau hatte jetzt glänzende Augen.
Corrado überkam eine merkwürdige Scham, als er diese Tränen sah und diese Worte hörte. Er drehte sich um und starrteeine andere Richtung, weit weg von von Jalas Gesicht.
“Ich habe dir nichts getan.” antwortete er, während er auf eine Gruppe von Kindern starrte, die zum Spiel hinter einer Henne herjagten.
“Ich weiß, du warst da… und du weißt auch, dass ich dich gesehen habe. Schau mir in die Augen; lüge mich nicht an! Seit ich dich das erste Mal im Rabaḍ sah, ein Jahr nach dem ersten Mal, wünschte ich mich sehr, dass du sterben würdest. Wenn ich erzählt hätte, was passiert war, dann bin ich sicher, dass meine Wünsche erfüllt worden wären, aber was wäre dann mit Nadira und aus ihrem inneren Frieden geworden? Und dann hattest du Umars Alter und schlecht von einem zehnjährigen Kind zu denken, machte mir vor Allah mehr Schande, als die Scham, dein Gesicht auf der Straße zu sehen. Ich habe dich mit der ganzen Seele gehasst, Corrado! Und auch heute noch kann ich dich nur hassen… Du repräsentierst meine Schande!”
„Es sind die Augen von Nadira, auf die du dich beziehst, und ich bin sicher, dass der Verdacht wegen dieser dieser seltsamen Farbe in allen im Rabaḍ gekeimt ist.“
“Aber dein Blut steht für den Ursprung dieser Schande… über die Verdächtigungen habe ich mich noch nie gekümmert.”
Nun fand Corrado den Mut, in ihr Gesicht zu sehen und er bemerkte, dass sie weinte und zitterte.
„Jala, meine Herrin, hör mir zu! Deine Schande ist, als hätte ich sie in diesen langen Jahren getragen. Vielleicht ist es die Strafe dafür, dass ich mich von meinen Leuten getrennt habe und ich mich in den Bergen verlaufen habe.“
„Sag mir, was ich wissen möchte, mein Kind, und reden wir nicht mehr darüber… Aber erpresse mich nicht mehr und stelle mir keine absurden Forderungen, denn mir bleibt nur noch, sich auf Knien zu bitten und ich bin sicher, dass Umar das nicht gefallen würde. Ich werde tun, was mir möglich ist, um deiner Familie zu helfen, aber bitte mich nicht als Lösegeld für die Worte darum, die du zurückhältst.”
“In diesem Moment sehe ich vor meinen Augen den guten Teil von Nadira, den reinen und unschuldigen von allem Bösen. Nun, ich sage dir alles, aber ich bitte dich, mir zu vertrauen, denn was ich dir sagen werde, mag absurd erscheinen.”
“Du weißt sicher, wo meine Tochter gelandet ist!” rief sie aus und griff nach Corrados Arm.
„Der Qā’id hat euch belogen: Niemand wird um Lösegeld für Nadira bitten.“
„Warum hätte er sie dann entführen sollen? Sie wissen, dass sie Ali Ibn al-Ḥawwās versprochen ist, und werden daran verdienen wollen.”
“Er weiß genau, wer sie entführt hat und warum… und er weiß auch, wie er sie befreien kann.”
“Und warum würde er uns anlügen?”
“Weil er nie dem Wunsch des anderen nachgehen wird; er kann nicht, weil er sein eigenes Blut verraten würde.”
Jala begann zu schluchzen und schüttelte Corrado an den Schultern.
“Bitte, was haben sie dir gesagt?”
„Wer sie entführt hat, der den ihr nicht Salim rufen wollt, ist niemand anderes als Mohammed Ibn al-Thumna, Qā’id von Catania und Syrakus, und er wird Nadira nur freilassen, wenn Ibn al-Ḥawwās ihm seine Frau zurückgibt. Ich wurde am Leben gelassen, um diese Nachricht zum Qā’id zu bringen, aber er weiß alles, und er weiß warum Ibin al-Thumna an diesem Abend aus Qasr Yanna hinabstieg, dort, wo sein Schwager seine Forderungen nach seiner Frau abgelehnt hatte.”
Jala kannte die Angelegenheit sehr gut, da es ihr Maimuna selbst erzählt hatte. Als Zeuge der Entschlossenheit der Frau, nicht zu ihrem Mann zurückzukehren, selbst wenn sie Gefahr laufen würde, ihre Kinder nicht mehr zu sehen, entglitt Jala ein verzweifelter Aufschrei.
Corrado hatte den Zweck dieses Gesprächs erfüllt, so dass er zu seinem Zelt zurückkehrte. Unterdessen erhob sich der typische Nebel, der häufig den Berg Qasr Yanna umhüllt, und verbarg die Tränen der Gegenwart und die unsagbaren Erinnerungen an die Vergangenheit.