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Kapitel 2

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Herbst 1060 (452 seit Hegirae), Rabaḍ von Qasr Yanna

Es war noch Anfang Oktober, also noch ein paar Monate hin, bevor Umar sich wegen der Unverschämtheit des Sohnes der Christen rächt, indem er ihn an den Hofpfosten fesselt und Nadira mit ihrem Bruder streiten würde.

Unter der Sonne des Nachmittags rannte Khalid, ein zwölfjähriger Junge, der Umar so nahestand, dass der Schuldeintreiber des Qā’id ihm seine persönlichen Herden anvertraute, schnell in das Dorf. Bald erreichte er Umars Haus und lief so schnell, dass er einem Windstoß im November glich. Noch außer Atem, so dass er sich auf die Knie und den Stock stützen musste, rief er:

„Umar!“

Es dauerte nicht lange, dass einige der Diener aus dem Haus kamen, da sie um diese Uhrzeit mit den Hausarbeiten beschäftigt waren. Sobald er gerufen wurde, kam der Hausherr, der in der lauwarmen Geborgenheit des Frühherbstes geschlafen hatte, verschlafen zum Eingang.

„Was willst du? Was schreist du zu dieser Stunde? Ich und meine Kinder haben geschlafen… und jetzt hast du uns alle aufgeweckt!»

„Umar, verzeih mir! Die Ziegen…» und unterbrach sich, um wieder Luft zu schnappen.

„Was ist mit meinen Ziegen passiert? Haben Sie sie dir gestohlen?» fragte er den Jungen voller Sorgen.

„Nein, ich habe sie im Stall eingeschlossen.“

„Du hast sie unbeaufsichtigt zurückgelassen?“

„Ich hätte gern eine Fartasa-Ziege11 schicken wollen, aber du hättest ihr Meckern nicht verstanden.“

Khalid lachte; es war klar, dass der Junge seinen Meister auf den Arm nahm.

Umar packte ihn am Ohr und stieß ihn mit einem gezielten Fußtritt in den Hintern zu Boden.

„Ich hoffe, dass du mir etwas Wichtiges mitzuteilen hast, oder ich sperr dich im Stall ein!“

Der Junge stand auf und erwiderte:

„Der Qā’id, Herr… der Qā’id kommt in den Rabad und fragt nach dir.“

„Ali Ibn12 al-Ḥawwās kommt in mein Haus?“ fragte Umar überrascht, und ordnete mit einer Hand sein Haar, als ob der Fürst von Gergent13 und Qasr Yanna bereits vor ihm stünde.

„Er wird von seinen Getreuen begleitet und hat mir gesagt, dass er mit guten Absichten kommt.“

Umar schweifte mit seinen Augen und bemerkte die Karawane, die durch die gewundenen Kurven des Berges Qasr Yanna hinabstieg.

„Geh zurück zu deinen Ziegen!“ befahl er dem Jungen, bevor er schnell im Inneren des Hauses verschwand.

Im Haus entstand viel Verwirrung, und mit großer Leidenschaft versuchte man, alles so vorzubereiten, dass es für den Besuch des Qā’id würdig wäre. Auch im ganzen Dorf entstand nun Unruhe und Geschäftigkeit: Die Frauen rannten zum Eingang des Rabad, und einige der Männer, die davon informiert wurden, kehrten aus den näher gelegenen Gemüsegärten zurück.

Michele und Apollonia, Bruder und Schwester von Corrado, kamen heran, um die Szene mit Neugier zu beobachten. Sie würden dem Qā’id ebenso Tribut zollen wie alle anderen; es war nicht wichtig, wer sie befehligte, er war ebenfalls ihr Herr. Ginge es nicht um die Fetzen, die Michele trug und sein rasiertes Haar, Zeichen, die seinem christlichen Wesen auferlegt wurden, würde niemand sie als Ungläubige der Worte des Propheten bezeichnen. Mit Ausnahme der markanteren Gesichtszüge gab es keinen Unterschied zwischen Apollonia und den Sarazenischen Frauen14 des Dorfes. Der Rabad wurde schon in der frühen Zeit ausschließlich von Berbern besiedelt. Anderswo jedoch überwogen die Islamisten mit dem europäischeren Aussehen - weil sie von unterschiedlicher Herkunft waren oder weil sie konvertierte Ureinwohner waren – und so gab es keine körperlichen Unterschiede zu den Christen. Darüber hinaus haben sich seit zweihundert Jahren die Berber-, die Arabische und die indigene Abstammung regelmäßig vermischt um sich zu einem Volk mit homogeneren Merkmalen zu vereinen.

In all dem war der Rabad eine Ausnahme.

Es gab nur einen Begriff, um die Bewohner der nicht-arabischen, nicht-berberischen, nicht-indigenen Bewohner der Insel zu identifizieren… Sizilianer. Sarazenische und sizilianische Griechen, also Christen - sowie es auch jüdische Sizilianer gab - die aber dennoch alle als Sizilianer bezeichnet wurden. Aus dem Konzept der Sizilianer wurden diejenigen ausgenommen, die aus Afrika zu Zeiten der Invasion der Ziriden-Dynastie nach Sizilien kamen. Dies, bis Abd-Allah von dem anderen Teil des Mittelmeerraumes zurückkehrte. Diese, wie andere Anhänger des Islams, von berberischer Volkszugehörigkeit, wurden als Afrikaner bezeichnet, gerade weil sie aus dieser Region stammten, die die arabische Welt als Ifrīqiya bezeichnete15. Die letzten Afrikaner waren nur ein paar Jahre zuvor angekommen. Sie flohen vor den Verwüstungen, die in ihrem Heimatland wüteten. Die Schaffung eines Volkes zwischen Sizilianern und Afrikanern, obwohl alle an Allah glaubten, war ein viel komplizierteres Unterfangen - und in der Vergangenheit hatte das auch zu Unruhen geführt -, als Christen und Juden in die Gewebe der islamischen Gesellschaft zu integrieren16 . Die Gesetzgebung der Scharia17 über letztere war in der Tat klar, und wenig oder nichts konnte interpretiert werden; sie waren die Dhimmen, die Vasallen, die gezwungen waren, die Jizya, die Steuern zu bezahlen, hatten aber dennoch das Recht, ihrem eigenen Glauben nachzugehen. Die Afrikaner hingegen waren die wahren Antagonisten, diejenigen, mit denen die sizilianischen Sarazenen um die Vorherrschaft der Dominatoren wetteifern mussten.

Im Rabad jedoch, hatte man Afrikaner noch nie gesehen. Das wahre Problem des Tages schien, eine schöne Figur vor dem Qā’id Ibn al-Ḥawwās, dem Emir von Qasr Yanna, zu machen, der unerklärlicher Weise einen seiner Schuldeintreiber besuchte.

„Wenn nur Corrado da gewesen wäre!“ rief Apollonia aus, sobald sie die Karawane sah, die jetzt in den Weiler einbog.

Apollonia war eine schön aussehende, etwas mehr als 20-jährige Frau mit gewelltem, kastanienbraunem Haar und Haselnuss-Augen. Der reine Teint ihrer Haut machte sie nur noch attraktiver, da die Araber Mädchen mit europäischem Einschlag vorzogen. Wenn es nicht wegen ihrer Religion gewesen wäre, hätten sie sie schon umworben, und wenn es nicht um die Kleinheit des Rabad und seine familiäre Atmosphäre gegangen wäre, hätte sie sicher jemand, mit dem Versprechen, eine vorteilhafte Ehe zu erlangen, dazu veranlasst, sich zu bekehren.

Michele war etwas kleiner als Corrado und war seinem Vater sehr ähnlich. Der Junge schien zur Arbeit geboren zu sein, und obwohl er nicht sehr groß war, war er robust und unermüdlich. Es fehlten ihm auch ein paar Zähne, die abgebrochen waren, als er im Alter von zehn Jahren versuchte, einen großen Nagel aus einem Balken zu ziehen.

„Corrado hat die Nachricht sicher schon gehört und wird mit unserem Vater aus dem Gemüsegarten kommen.“ antwortete Michele.

„Was für ein Mann ist wohl der Qā’id?“ fragte Apollonia mehr sich selbst als ihren Bruder.

Michele sah sie verwirrt an und antwortete eifersüchtig:

„Vielleicht solltest du im Haus bleiben, wie es viele Mohammedanische Frauen tun.

„Ich kenne niemanden hier im Rabad, der seine Schwester einsperrt.“

„Die Schwester von Umar sieht man schon eine Weile nicht mehr und wenn, dann ist ihr Gesicht bedeckt.“

„Das bedeutet, dass es einen Bruder gibt, der eifersüchtiger ist als du. Und dann reichen ja schon Nadiras Augen aus, um die Männer anzuziehen.“

Die letzten Worte von Apollonia waren der Dreh- und Angelpunkt vieler Dinge, die von da an passieren würden, …

Der Qā’id schlängelte sich durch die engen Gassen zwischen dem allgemeinen Jubel der Menschenmenge. Ali Ibn Ni’ma, im Allgemeinen bekannt als Ibn al-Ḥawwās, war sehr beliebt bei den Menschen. Sein Name bedeutete „der Demagoge”, der die Gefälligkeiten des Volkes auf sich zieht. Andererseits hatte sein eigener Aufstieg nur dank der Unterstützung des Volkes und seiner charismatischen Gaben stattfinden können; ein befreiter Berber-Sklave, der schließlich zum Qā’id des gesamten mittleren Siziliens aufgestiegen war.

Ibn al-Ḥawwās ritt auf einem wunderschönen braunen Pferd, gespannt mit gelbem und grünem Geschirr. Apollonia war enttäuscht als sie bemerkte, dass Qasr Yanna nicht so jung und ansehnlich war, wie sie es sich vorgestellt hatte, sondern mittleren Alters, mit grauem Haar und leicht übergewichtig. Allerdings kann man nicht sagen, dass sein Aussehen unangenehm war; sicher würden viele jener Mädchen, die ihm zujubelten, alles tun, um seine Aufmerksamkeit zu erwecken.

Neben den zwanzig bewaffneten Männern, die den Qā’id eskortierten, erregte eine Frau in einem schwarzen Kleid die Aufmerksamkeit. Diese ritt wie eine Amazone auf dem Pferd hinter Ihrem Herrn und wurde von einigen Dienstmädchen begleitet. Darüber hinaus gab es einen gut gekleideten Fremden, der nach Ibn al-Ḥawwās im Luxus an zweiter Stelle stand.

Umar stand am Eingang, machte ihm seine Aufwartung und lud seinen Herrn ein, seine „unwürdige Wohnung” zu betreten; so nannte er sein Haus. Und Ali, der Qā’id, stellte auch gleich, nachdem er vom Pferd gestiegen war, sein Gefolge vor.

„Meine Schwester Maimuna und Bashir, mein Wesir18.“

Umar machte daraufhin mit der Hand ein Zeichen, um seiner Familie, die sie von der Tür aus beobachteten, anzudeuten, näher zu kommen.

„Meine Mutter, Jala… meine Frau Ghadda, meine Kinder Rashid und Fatima und das ist meine Schwester, Nadira.“

Jede dieser Frauen verneigte sich mit gefalteten Händen vor dem Qā’id und dieser antwortete:

„Ich werde Geschenke schicken, um die Schönheit dieses Hauses zu belohnen.“ wobei er mehr als mit nur einem Blick auf den Augen von Nadira verweilte.

Die schönsten Teppiche und die feinsten Kissen waren schnell auf dem Boden des größten Raumes vorbereitet worden, damit sich die Männer hinsetzen konnten, um sich miteinander zu unterhalten. In den Küchen war sogar der tannūr19 zum Backen von Focaccia wieder entzündet worden, während die jungen Leute zur nächsten Quelle rannten, um den Gästen frisches Quellwasser zu bringen. Sie setzten sich alle in die Mitte des Raumes, während die Hausfrauen Maimuna einluden sich auf der anderen Seite, der Rückseite, unter einer Art Vordach das durch eine Rosenhecke abgegrenzt wurde, zu ihnen zu gesellen.

Eine Reihe von weiblichen Dienstboten begann, Nahrung, Früchte, aber auch Honigsüßwaren, Brot, frisch geerntete Datteln und Granatapfelsaft zu bringen. An diesem Punkt begann der Wesir, der sich den merkwürdig spitz geformten Bart glättete, mit seinen Überlegungen und technischen Fragen über die Dorfverwaltung:

„Der Ort ist schön und die Menschen sind ihrem Qā’id treu; ist das dein Verdienst?“

„Er geht an jeden Einwohner des Rabad und an das angenehme Joch, das ihnen von unserem geliebten Qā’id vorbehalten wurde.“

„Welche ist die Anzahl des Giund20?“

„Einundvierzig Männer, die bereits bewaffnet sind.“

„Sind dir die Dhimmi untergeben?“

„Es gibt nur eine Familie von Christen… sanftmütige Bauern.“

„Nur eine? Anderswo im iqlīm21 von Mazara werden Christen in Gemeinschaften zusammengefasst, wenn auch oft bescheiden.“

„Die Plünderer… habt ihr Angriffe erlitten?“ fragte an diesem Punkt Ali Ibn al-Ḥawwās.

„Wir haben seit den Zeiten meines Vaters keine Angriffe erlitten. Der letzte war, als Jirjis Maniakis vor mehr als zwanzig Jahren an der Ostküste wütete. Warum fragst du mich, mein Herr?“

„Die Untertanen von Mohammed Ibn al-Thumna, meinem Schwager, sind nicht so sanft wie die Bewohner dieses Dorfes… und der Rabad ist ein zerbrechlicher Ort am Fuße von Qasr Yanna, wo ich wohne.“

„Müssen wir uns auf etwas vorbereiten, mein Qā’id?“

„Ich sage dir nur, dass du die Wachen und ein Signalfeuer organisieren solltest, um unsere Späher alarmieren zu können.“

Unter dem Vordach unterhielt Jala unterdessen ihren berühmten Gast mit derselben Behandlung, die ihrem Bruder vorbehalten war. Auf Hockern sitzend, sprachen sie über Frivolitäten und Banalitäten.

„Wann ist die Geburt?“ fragte Maimuna und schaute auf den Bauch von Ghadda.

„In drei Monaten… Inshallah22!“

„Und du… Nadira… es ist wirklich ungewöhnlich, dich noch immer im Haus deiner Mutter anzutreffen. Ist vielleicht die Kleinheit dieses Dorfes die Ursache dafür, dass du keine Verehrer hast?»

„Ehrlich gesagt, meine Herrin, gab es viele Verehrer…, aber Umar war der Meinung, dass sie meiner nicht würdig waren.“

„Wegen deiner Schönheit? Dein Bruder hat Recht.“

„Ich habe nichts, was die Hälfte von dir nicht hat.“

Dann entblößte Maimuna ihre Handgelenke, indem sie die Ärmel aufschlug; Narben erschienen, kaum geheilt und immer noch voller Rötungen.

„Du hast diese nicht, die ich habe…“

Nadira und die anderen sahen sie verwirrt an, sie dachten sofort, dass die Schwester des Qā’id ihre Adern aufgeschnitten hatte. Aber Maimuna erklärte:

„Denkt nicht, dass ich eine Sünderin bin; es war jemand anderes, der mir die Handgelenke zeichnen ließ.“

„Wer, meine Herrin?“ fragte Nadira, die an jenem Tag ein kleines palmenförmiges Gemälde auf dem Kinn trug, eine minutiöse Arbeit, die mit Henna23 gemacht wurde, fast mit Tränen in den Augen.

„Mein Mann, Mohammed Ibn Al-Thumna, Qā’id von Catania und Syrakus.“

„Warum meine Herrin? Was hast du ihm getan?» fragte Nadira, beugte sich nach vorne und packte sie an den Händen.

„Gibt es etwas, für das eine Frau so behandelt werden muss?“

Nadira löste ihren Griff und fühlte die Antwort fast wie einen Vorwurf.

„Ich gehörte zu Ibn Meklāti, Herr von Catania, mit dem ich verheiratet war, aber Mohammed nahm ihm sein Leben und stahl ihm die Stadt und die Frau. Und als ob es nicht genug wäre, dass ich mit dem Mörder meines ersten Mannes verheiratet wurde, wollte Mohammed mir dieses Geschenk machen, indem er mir die Handgelenke zum Zweck der Ausblutung aufschneiden ließ. Darüber hinaus wisst ihr, wie mein Bruder aus eigener Kraft vom Sklaven zum Qā’id aufstieg… und Mohammed hatte nichts Besseres zu tun, als mich immer wieder an meinen plebejischen Status zu erinnern.“

„Gehörst du noch immer dem Qā’id von Catania, meine Herrin?“ fragte Ghadda.

„Er bat mich um Verzeihung, als der Rausch des Weins vom Vorabend verging… Mohammed gehört zu denen, die trinken und sich Exzessen hingeben, welche sie am nächsten Tag bereuen und die ihnen dann leidtun. Ich habe ihn jedenfalls gefragt, ob ich zu meinem Bruder gehen könnte, und er erlaubte es… aber wenn der junge Mann aus der Dienerschaft nicht gewesen wäre, der mich retten wollte, dann wäre ich heute nicht hier, um mich mit Euch, liebe Schwestern, zu unterhalten.»

„Hast du keine Angst, zu ihm zurückzukehren?“

„Ich werde nicht zurückkehren, mit der Gewissheit, meine Kinder nicht mehr sehen zu können… aber ich kehre nicht zurück!“

„Du bist mutig!“ rief Ghadda aus.

„Ich bin nicht mutig, ich bin nur die Schwester des Qā’id von Qasr Yanna. Wenn ich eine der Frauen in diesem Dorf gewesen wäre, wäre ich sicher als gute Ehefrau zurückgekehrt.“

„Und dein Bruder wird dich nicht zurückschicken?“ sagte Jala, erstaunt darüber, dass Maimuna hoffte, dass ihr Bruder sie in ihrem Verhalten unterstützen könnte, das ihrer Meinung nach unanständig war.

„Ali hat es mir geschworen.“

Es gab einen Moment der Stille, als ob die Luft mit Sorge um die Worte der Frau aufgeladen wäre.

„Nadira, Schwester, euer Bruder tut gut daran, Euch nicht irgendjemandem zu gewähren. Habt ihr meine Handgelenke gesehen? Habt ihr das Ende gesehen, dem man entgegen geht, wenn man in den Armen des falschen Mannes endet? Und ja, du verdienst mehr… viel mehr als das, was du hier im Rabad erhalten könnest. Gewöhnliche Männer verdienen dich nicht, meine Tochter.»

„Wer könnte sich für ein Mädchen des Volkes interessieren?“

„Sogar ein berühmter Qā’id!“ sagte Maimuna ungewöhnlich schnell, als hätte sie von Anfang an darauf gewartet, diese Antwort zu geben.

Nadira lachte bescheiden und sagte dann:

„Es gibt nicht viele wichtige Qā’id in Sizilien, außer deinem Mann, deinem Bruder und…“

Sie hatte noch nicht aufgehört zu reden, als sie von einem seltsamen Bewusstsein übermannt wurde: Maimuna war für sie und im Auftrag ihres Bruders hier. Sie wurde von Angst, Besorgnis und einer Spannung überfallen, die ihr die Sprache verschlug.

„Nadira, Liebste, was verwirrt dich?“ fragte Maimuna, wobei sie ihre Wange streichelte.

Im Gegensatz dazu war Jala, die die Anspielung schon vor ihrer Tochter verstanden hatte, außer sich.

„Nadira, es scheint, als ob Maimuna’s Komplimente dich stören.“, schalt die Mutter.

„Warum bist du hier?“ fragte stattdessen das Mädchen ernst und schluckte.

„Um herauszufinden, ob das, was über Nadira aus dem Rabad gesagt wird, wahr ist. Tut es dir leid?“

„Nein!“ antwortete die junge Frau und lächelte nervös.

Es war zwischen Maimuna und ihrem Bruder vereinbart worden, wenn das Urteil über das Mädchen positiv ausfallen würde, dass Nadira dann die Männer im anderen Raum und vor allem den Qā’id selbst von eigener Hand bedienen sollte.

„Glaubst du, dass der Qā’id von Qasr Yanna ohne Grund zum Rabad kommt? Nadira, Ali wäre sehr glücklich, wenn du ihm das Essen persönlich servieren würdest.»

Nicht nur zögerlich in sich selbst, nicht weil sie mit dem Vorschlag nicht einverstanden war, sondern weil die Geste ernst war, bedeckte sich Nadira das Gesicht, nahm von einer Magd die Süßigkeiten aus Mus, die mit Honig und Senf vermischt waren, entgegen und brachte sie in den Raum, in dem die Männer diskutierten.

Der Qā’id unterbrach die Rede, sobald er Nadira zu sich kommen sah; es war das Signal, dass das Mädchen Maimuna’s Prüfung bestanden hatte.

Umar war verwirrt, doch jetzt verstand er sofort den Grund für den Besuch seines Herrn.

Als Nadira im Angesicht des Qā’id kniete und ihre Hand mit dem Essen seinem Mund näherte, umfasste er leicht ihr Handgelenk – so sehr, dass sie befürchtete, etwas falsch gemacht zu haben – und starrte intensiv in ihre weit geöffneten Augen und begann zu rezitieren:

„Kennst du diese Quellen von lebendigem, reinem und Saphir-farbigem Wasser?

In dem man sich spiegeln, seine eigene Seele finden kann.

Wo die Reiher landen und die Jungfrauen ihre Haare entblößen.

Kennst du, oh mein Herr, die Grenzen seines Reiches?

Kennst du das schockierend wunderbare Meer?

So tief und reich an Fischen mit geschuppten Flossen.

So türkis und blau und hellblau, wo sich die Netze vereinen.

Kennst du, Favorit des Höchsten, die Grenzen Siziliens?

Kennst du diesen Himmel von unvergleichlicher Schönheit und Unschuld?

Aus dem der Regen in der Jahreszeit der frühen Feigen und der Melonen fällt.

Durch den sich der Hibiskus, die Orangeblüte und die Rosen erfrischen.

„Kennst du, oh mein Herr, den Himmel von Nadira, die Grenzen ihrer Augen?”

Auf dem Gesicht von Nadira erschienen schnell zwei Tränen, die sich hinter dem Schleier des Niqab24 versteckten. Sie konnte sich nicht erklären, wie es möglich war, dass der Ruhm ihrer Augen die Grenzen des Rabad überschritten und sogar die Ohren des Qā’id erreicht hatten.

„Hast du diese Worte jemals gehört, meine Liebe?“ fragte Ali, obwohl er bereits wusste, dass die Antwort negativ war.

„Nein, mein Herr. Aber die Nadira, der du sie gewidmet hast, muss sehr glücklich sein.“

Die Qā’id lächelte und war von der Bescheidenheit des Mädchens positiv beeindruckt.

„In diesem Sommer gab ich einem Wanderpoeten, der nach einem Hof suchte, mit dem Namen Mus’ab, eine Audienz, und dieser erfreute mich zwei Monate lang mit seinem poetischen Geschick. Eines Tages pries er eine Blume solch unermesslicher Schönheit, dass ich damit endete, ihn anzuflehen mir zu sagen, um wen es sich handelte. Diese Blume hatte einen Namen: Nadira; sie lebt im Rabad und ist die Schwester des‘āmil. Die Verse, die ich rezitiert habe, meine Liebe, habe ich nur auswendig gelernt… der Genie-Preis geht allein an den Dichter Mus’ab, aber der Preis für die Schönheit dieser Worte geht an dich. Wenn ich jedoch deine Augen gesehen hätte, bevor ich diese Worte hörte, hätte ich vielleicht Mus’ab für seine Eitelkeit bestraft, das unbeschreibliche beschreiben zu wollen. Allah hat euch zum unerreichbaren und unerklärlichen gemacht, meine Liebe! Ich habe einen Monat gewartet, die ganze Dauer des Ramadans25, bevor ich kam, um „den Himmel von Nadira, die Grenze ihrer Augen” kennenzulernen, auch wenn ich jetzt weiß, dass diese Grenze nicht existiert.“

Jetzt sah Ali Umar an und sagte zu ihm:

„Bruder, ich bitte Euch um die Hand von Nadira, um jeden Preis, den ihr mir auferlegt.“

Umar verstummte und Nadira verließ den Raum, da sie verstand, dass die Angelegenheit von den Männern besprochen werden musste.

Umar stimmte in seinem Herzen sofort zu, und er hätte ihm Nadira auch ohne Preis gewährt, da er zum Schwager des Qā’id werden würde, doch er versteckte seine Gefühle und seine Zustimmung, auf dass der andere sein Angebot erhöhen würde. Ali versicherte, dass er Nadira zu einer seiner Frauen machen wolle und dass er sie nicht wegen ihrer niedrigen Herkunft wie eine Konkubine behandeln würde. Er versprach auch Geschenke und Vorteile für die gesamte Familie. Umar sah Rashid an, seinen ältesten Sohn von nur acht Jahren, und er konnte nicht umhin zu überlegen, wie sich dank der blauen Augen seiner Schwester sein Leben ändern würde.

Unterdessen rannte Nadira an den Ort, wo sie als kleines Mädchen unter den Zweigen eines großen Maulbeerbaums auf dem Grundstück des Hauses Zuflucht gesucht hatte. Sie verstand nicht, warum gerade ihr so etwas wichtiges passieren sollte. Sie fühlte sich nicht dazu bereit, da sie glaubte, dass sie nichts getan habe, um die Aufmerksamkeit des Qā’id und einen solchen Antrag zu verdienen. Sie weinte und zitterte… Dann lehnte sie ihren Rücken an den Baumstamm und erinnerte sich mit geschlossenen Augen an die Ursachen der Ereignisse des heutigen Tages.

Der Himmel Von Nadira

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