Читать книгу 75 Geschichten aus dem Zettelkasten - Gisela Matzke - Страница 11
Mein Männerchor
Оглавление„Männer, die Bässe sind das Fundament. Ob die Tenöre darauf ein Hochhaus bauen oder aber nur im ersten Stockwerk stehen bleiben, liegt ganz an euch!“
Ist das eine freundliche Aufforderung zum Gesang, die unser Chorleiter gibt! Unser – mein Männerchor und ich, ein Männerchor mit 6Ojähriger Tradition, ohne Nachwuchssorgen, und ich – Zufallsansager zunächst und seit 4 Jahren Gast bei Proben und regelmäßigen Konzerten.
Unser Chorkonzert als Kurkonzert, einmal im Monat. Die Singestunden sind freiwillig. Freitags, auch für mich, denn wie sollte ich Sangeslust an „Waldeslu-u-ust“ verspüren, wenn nicht leibhaftig? Wer da sagt, freitags schmecke das Bier beim Wirt besonders und deshalb auch die Proben dort, der liegt schon vorm ersten Glas schief. Wirt klingt übrigens viel zu anonym, Adam heißt er, heißt sein Sohn, heißen dessen Kinder und die beiden Frauen in der Küche. Beide Tenöre. Strahlend – die Stimmen und die Gesichter aller Männer. Ich stelle sie auf der Bühne vor: Gastwirt und Landwirt, Wasserwerker und Pumpenwerker – wie Rudi, der seit mehr als 25 Jahren Vorstand ist, Gestalt und Charakter handfest, wortfest im Dialekt der Rhönheimat, Walzwerker und Elektriker, Maler und LKW-Kapitäne, Schneider und Steinmetz, Polsterer und der Lokführer, der Mundharmonika in seinen Schienenpausen spielt. Fast alle Meister ihres Faches und des Gesanges nach Feierabend. Ich stelle den Kräftigen vor, der Schäfer heißt und Kaltwalzwerker ist, und den Schmalen mit Vollbart, der Schäfer ist in dem Dorf, aus dem so gut wie alle stammen. Den lasse ich immer raten vom Publikum – wie sieht ein Rhönschäfer aus: romantisch, rotwangig, freundlich – schwer zu erraten, weil alle meine Männer so ausschauen. Viele tragen Bart, einige Vollbart, die Alten glatt rasiert. Und der Schäfermeister mit Bart – er verheimlicht nicht seinen Tipp zum Einschlafen unseren Kurgästen: ein Schäfer zählt nie Schafe – er würde glatt einschlafen dabei – er zählt die Beine seiner Schäfchen und teilt durch 4! Punkt! Schluss! Applaus für meinen Männerchor.
PS:
Der Männerchor ist jetzt 93, dirigiert von einer Frau, hat inzwischen auch Nachwuchssorgen, singt aber noch immer gut.