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Glücksmomente fürs Herz

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Meine Großmutter war eine Seele von Mensch und eine der glücklichsten Frauen, die ich gekannt habe. Das Glück wurde ihr mit Sicherheit nicht in die Wiege gelegt. Sie war die Erstgeborene, und nach ihr kamen noch acht weitere Geschwister. Neben der Schule, der Stallarbeit und den Haushaltstätigkeiten musste sie sich noch zusätzlich um die kleineren Geschwister kümmern.

Meine Großmutter war eine sehr schöne Frau, und die schwere Arbeit sah man höchstens ihren rauen Händen an. Sie war auch eine begnadete Köchin, und ihre Backkünste waren weit über die Gemeindegrenze hinaus bekannt. So war es auch nicht verwunderlich, dass, als sie im heiratsfähigen Alter war, etliche Väter auf den Hof kamen, die sie gerne als Braut für ihren Sohn heimgeführt hätten. Meine Großmutter aber lehnte alle Bewerber ab, denn sie hatte sich in einen kleinen Häuslbauer verliebt. So nannte man damals die Männer, die nur einen ganz kleinen Hof zu bewirtschaften hatten und daher meist arm waren. Die Liebe war meiner Großmutter eben schon damals viel wichtiger als der materielle Reichtum.

Mitgift bekam sie keine, denn ihr Vater tobte, als sie sogar den Antrag des Bauers, der den größten Hof in der ganzen Gemeinde besaß, ausschlug und stattdessen den Häuslbauern heiratete!

Nichtsdestotrotz war meine Großmutter glücklich mit ihrem geliebten Mann, auch wenn die Zeiten damals schwer waren. Luxus war ein Fremdwort, es gab viel Arbeit, keine Verhütungsmittel und entsprechend viele Kinder. Die erste Geburt war ein harter Schlag für meine Großeltern, denn das Kind starb drei Tage später. Dafür kam im Folgejahr ein zauberhaftes Zwillingspärchen auf die Welt. Wieder ein Jahr später, meine Großmutter war gerade hochschwanger, brach der Krieg aus, und ihr Mann musste an die Front. Er hat seinen prächtigen Sohn nie zu Gesicht bekommen, da er im Krieg fiel.

Meine Großmutter musste nun alleine den Hof bewirtschaften und zudem die drei kleinen Kinder versorgen. So ist es kein Wunder, dass sie dem Werben eines Witwers mit vier Kindern, dem seine Frau im Kindsbett verstorben war, nachgab. Auch wenn diese Beziehung eine Vernunftsehe war, so erwuchsen aus ihr dennoch viele gute Jahre, wenngleich sie auch mit sehr viel Arbeit verbunden waren. Meine Oma hatte niemals Erwartungen und musste daher auch keine Enttäuschungen erleben. „Man muss das Leben so nehmen, wie es kommt, und immer das Beste daraus machen“, meinte sie immer. „Man muss ganz viele Glücksmomente sammeln – die Glücksmomente fürs Herz!“

Ich weiß noch gut, dass sie mir, wenn ich als kleines Mädchen traurig war, über den Kopf streichelte und mich daran erinnerte. „Aber Omi, ich kann keine Glücksmomente sammeln, wenn ich doch so traurig bin!“ Die Ältere entgegnete dann: „Genau aus diesem Grund. Je mehr Glücksmomente du im Leben sammelst und dankbar bist für diese Stunden – desto mehr ziehst du weitere Glücksmomente an, und du wirst viel seltener traurig sein. Denn Dankbarkeit ist Glück!“

Immer wenn ich traurig war, eine schlechte Note schrieb oder später Liebeskummer hatte, beherzigte ich ihren Rat.

Ich habe in meinem Leben viele Höhen und etliche Tiefen erlebt. Aber ich habe unzählige Glücksmomente sammeln dürfen. Und je mehr ich sammelte, desto mehr vergaß ich meine Enttäuschung und Traurigkeit. Denn die Glücksmomente wogen immer schwerer.

Ist es nicht so, dass das große Glück aus vielen kleinen Glücksmomenten besteht?

Vielleicht sollten wir zu Sammlern dieser kleinen Glücksmomente werden.

Fahrplan ins Glück

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