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»Hi, Simon.« Nicola kam im Bademantel, auf nackten Füßen und das kurze rote Haar vom Schlaf zerzaust, auf die Terrasse, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu Simon in den Schatten unter den Sonnenschirm. »Machst du mir einen Cappuccino?«, fragte sie, streckte die Beine lang aus, gähnte ungeniert und strich dem Hund über das Fell. Buffon war hinter ihr her getrabt, hatte sich auf dem warmen Steinboden eingerollt und schlief weiter.

»Ist wohl spät geworden?« Simon hatte Nico am Abend vorher nicht mehr gesehen, war jedoch mitten in der Nacht von einem Bellen geweckt worden und hatte gehört, wie die Haustür aufging. Aber bestimmt würde er sich nicht erkundigen, wo sie gewesen war.

Nicola sah ihn verschlafen an. »Ist das eine Antwort auf meine Frage?«

»Natürlich mache ich dir einen Cappuccino. Ich habe übrigens eine Frittata gemacht. Die ist noch lauwarm. Willst du etwas davon?«

Simons Frittata war ein Crossover von deutschem Frühstücksrührei mit einem italienischen Antipasto. Er liebte die Mischung aus in Olivenöl gebratenen Eiern mit geriebenem Parmigiano, gehacktem Salbei und Zwiebeln, die kein Italiener schon am frühen Morgen verspeisen würde. Auch Nicola lehnte dankend ab.

Als er mit zwei Tassen Cappuccino und ein paar Keksen zu ihr zurückkam, saß sie an seinem iPad und schaute sich die Schlagzeilen von Il Giorno an.

»Hast du das gesehen? Der Mann gestern hat das nicht überlebt.«

Simon nickte. Er hatte den Bericht, den sein Freund und Kollege Gianluca verfasst hatte, schon gelesen. Allerdings war darin noch keine Rede davon, dass der Reis-Unternehmer wohl vergiftet worden war. Noch hatte Carla die Presse anscheinend darüber nicht informiert. Und Simon würde auch Nicola nichts davon sagen.

Sie tranken schweigend ihren Cappuccino.

»Wo ist eigentlich Daphne?«, brach Nico schließlich das Schweigen.

»Unterwegs im Dorf.«

Daphne war eine Katze. Schwarz und zierlich, mit sehr hellen Augen. Sie hatte einem Priester gehört, den Carla und Simon im Winter vor einem Jahr mit einem Schwert im Rücken in seiner Küche aufgefunden hatten, der zweite Mord nach dem an der jungen Nonne. Seitdem lebte Daphne bei Simon.

»Wie, unterwegs im Dorf? Mitten unter diesen Raubkatzen?«

Ronco war tatsächlich voll von halbwilden Katzen, die meisten groß und gut genährt, da ihnen eine Tierfreundin einmal in der Woche riesige Mengen Futter an die Piazza stellte, wofür sie extra von weither gefahren kam. Sogar vor Buffon hatten die Biester keine Angst, im Gegenteil, wenn er sich ihnen näherte, schlugen sie mit ihren Krallen nach ihm, und er nahm so schnell es ging Reißaus.

»Ich habe mich auch gewundert. Aber die anderen lassen sie in Ruhe. Sogar die fette Rote.«

»Kanntest du diesen Borletti eigentlich?«, kam Nico doch wieder auf den toten Reis-Unternehmer zurück.

»Nein, woher auch. Aber er scheint kein besonders angenehmer Zeitgenosse gewesen zu sein.« Dass man über Tote nicht schlecht reden sollte, war ein Anstandsgebot, an das zu halten Simon sich während seiner langen Tätigkeit als Polizei- und Gerichtsreporter abgewöhnt hatte. Angesichts der menschlichen Abgründe, denen man in diesem Job begegnete, empfand er das überwiegend als pure Heuchelei.

»Den Eindruck habe ich allerdings auch«, sagte Nicola. »Der war anscheinend ein strammer Rechter, außerdem hat er verunreinigten Reis ausgeliefert.«

»Ja, aber das mit dem Reis, das ist bisher nicht nachgewiesen, im Moment also reine Spekulation.« Simon hatte nie versucht, Nico zu erziehen, dazu ohnehin kaum Gelegenheit gehabt, weil sie ausschließlich bei ihrer Mutter aufgewachsen war und inzwischen sowieso zu alt dafür. Aber vorschnelle Urteile gingen ihm gegen den Strich und die ließ er ihr niemals durchgehen. Ganz erfolgreich war er dabei nicht, dafür war seine deutsche Ziehtochter zu engagiert und zu impulsiv und daher zuweilen voreilig – fast wie Luisa. Die war mit ihrem Temperament und ihren überschießenden Gefühlen meist ebenfalls schnell mit Urteilen bei der Hand. Nico war seiner italienischen Freundin ohnehin viel ähnlicher als ihm und als ihrer deutschen Mutter, jedenfalls wie Simon sie in Erinnerung hatte.

Nico klappte das iPad zu. »Meine Güte, ist das schon wieder heiß. Haben wir tatsächlich April? Am liebsten würde ich ins Wasser springen.«

»Nur zu, Nico. Luisa macht das bei solchen Temperaturen auch. Ich schätze, um die vierzehn Grad hat der See …«

Als Luisas Name fiel, hellte sich Nicolas Miene sofort auf und auch Buffon sprang hoch, als er den Namen von Simons Freundin hörte und rannte erwartungsvoll zur Haustür. »Wo bleibt Luisa eigentlich?«, fragte Nicola munter. »Die wollte doch auch über Ostern kommen?«

»Sie hat gestern abgesagt.«

Damit war für Simon das Thema abgehakt. Was ihm auch anzusehen war. Nico war jedoch nicht so rücksichtsvoll wie Carla und insistierte. »Wie abgesagt? Warum denn?«

»Warum wohl schon. Ist doch immer dasselbe. Sie hat zu tun.«

»Über Ostern?«

»Hochhausbau kennt anscheinend keine Feiertage.«

Nicola schwieg. Die Munterkeit war wie weggeblasen, Skepsis lag in ihrem Blick. Und es war offensichtlich, dass sie mit sich kämpfte, ob sie noch mehr dazu sagen sollte. Schließlich gab sie sich einen Ruck. »Wenn ihr beiden so weitermacht, ist bald Ende Gelände.«

»Sag das Luisa.«

»Bullshit, Simon. Das liegt mindestens genauso an dir. Eher mehr. Und das weißt du auch. Aber macht doch, was ihr wollt.«

Sie trank den Rest ihres Cappuccinos, erhob sich so abrupt aus ihrem Stuhl, dass der fast nach hinten umkippte und verschwand ins Badezimmer.

Simon nahm sich noch einen Keks, kaute nachdenklich darauf herum. Vom Steg, der neben seiner Terrasse ins Wasser führte, wehte ihm der süßliche Duft seiner Magnolien entgegen. Vor wenigen Tagen erst waren die Knospen aufgegangen. Die in leuchtendem Rosarot blühenden Pflanzen hatte er im letzten Frühjahr gemeinsam mit Luisa für die Terrasse gekauft und mit dem Boot in großen Tontöpfen über den See nach Ronco transportiert. Unterwegs hatten sie die Route eines der Verkehrsschiffe gekreuzt und der Wellengang hatte Simons Boot so heftig ins Torkeln gebracht, dass die Pflanze beinahe über Bord gegangen wäre. Luisa reagierte sofort, griff entschlossen nach dem Kübel, wäre ihm wahrscheinlich sogar in voller Kleidung ins kalte Wasser hinterhergesprungen. So etwas war ihr zuzutrauen. Aber dann war es gerade noch einmal gut gegangen. »Meno male! Gott sei Dank!«, hatte sie gerufen, ihre Arme um ihn geschlungen, ihn angestrahlt und geküsst. Luisa war begabt für das Glück. Konnte sich auch über Kleinigkeiten wie die Rettung einer Pflanze diebisch freuen. Aber war das denn eine Kleinigkeit? Luisa hätte Simon heftig widersprochen. Dafür liebte er sie.

Jetzt bloß nicht sentimental werden, mahnte er sich. Aber wahrscheinlich hatte Nico recht, auf Dauer forderte das getrennte Leben zwischen Frankfurt und Italien eben seinen Preis. Vielleicht mussten er und Luisa sich doch irgendwann wieder für ein Zusammenleben an einem dieser beiden Orte entscheiden, wenn sie sich nicht verlieren wollten. Aber wie sollte das gehen? Luisa liebte das Leben in der Stadt, wollte Frankfurt und ihren guten Job dort nicht aufgeben, er nicht das Leben in Italien und seinen wunderbaren See.

Simons Blick schweifte über das silbrig glitzernde Wasser. Noch lag der Lago d’Orta in einem milchigen Morgendunst, der die Hügelketten um ihn herum weichzeichnete und alle Details, die Dorfhäuser, Kirchen und Palazzi an den Hängen verschluckte. An einer etwas höher gelegenen Stelle auf der anderen Uferseite stieg Qualm auf, wahrscheinlich verbrannte jemand dort seine Gartenabfälle. Das war zurzeit strikt verboten. Denn nach der langen Trockenheit, seit Dezember war kein Regen mehr gefallen, konnte schon ein Funke genügen, um einen verheerenden Brand zu entzünden. Und auch dieser Tag würde wieder sehr heiß werden, zu heiß für die Jahreszeit, auch wenn es schon fast Mai war.

In den letzten Monaten hatte das Wetter wieder alle Kapriolen geschlagen, die es hier zwischen Meer und Alpen im Angebot hatte. Im November hatte es drei Wochen lang sturzbachartig geregnet, fast ohne Pause, und Simon war mit seinem quasi im See gelegenen Haus nur knapp an einer Überschwemmung vorbeigekommen. Gerade mal dreißig Zentimeter fehlten noch, dann hätte sein Wohnraum unter Wasser gestanden. An einem einzigen Tag war der See um einen halben Meter gestiegen. Simon stellte sich die enorme Wassermenge vor, die dafür vom Himmel fallen musste; der Lago d’Orta, der Cusio, wie die Einheimischen ihn nannten, war immerhin dreizehn Kilometer lang und bis zu zweieinhalb Kilometer breit. Da kam schon etwas zusammen, wenn der Wasserspiegel so beträchtlich stieg. Und der See hatte nur einen Ablauf, die Nigoglia, die in Omegna gen Norden floss – also kurioserweise eigentlich in die falsche Richtung, nämlich erst einmal auf die Alpen zu und über den Fluss Toce schließlich in den Lago Maggiore – il fiume che va in su, sagten die Einheimischen und waren stolz auf den Eigensinn ihres Flusses, der sozusagen nach oben floss. Dort, wo die Nigoglia vom See abging, gab es eine Schleuse, mit der man den Abfluss regulieren konnte. Womit man bei Hochwasser im besten Fall eine gerechte Verteilung der Wassermassen auf die Seen und damit schließlich auch auf den Po und die an ihm liegenden Städte bewirkte. Ein kompliziertes Wassermanagement, über das eine Kommission entschied, aber wie genau die zusammengesetzt war und wie der Abgleich funktionierte, hatte Simon bisher nicht herausbekommen. Er ahnte, dass das eine sehr komplexe und von vielen unterschiedlichen Interessen geleitete Angelegenheit sein musste.

Im letzten Jahr war es dann gerade noch einmal gut gegangen und Simon war von einer Überschwemmung verschont geblieben. Ende November hatte der Regen schlagartig aufgehört und das übliche kalte und sonnige Winterwetter war gekommen und über Monate geblieben, sodass der See wieder auf seinen tiefsten Stand gefallen war und die Böden nun im Gegenteil vollkommen ausgetrocknet waren.

Simon musste an die vom Hochwasser freigelegten Wurzeln am Strand bei Lagna denken, wo am Tag zuvor der vom Gift schon geschwächte Borletti gestürzt war. Er sah die Szene wieder vor sich. Wie der Mann da am Boden gelegen hatte. Wer hatte es wohl auf ihn abgesehen? Hatte Carla bereits die Ermittlungen aufgenommen? Ob er sie anrufen sollte? Nein, besser nicht, so aufdringlich wollte er nicht sein.

In diesem Moment meldete sich sein Handy. Er war sofort dran. Es musste Gedankenübertragung gewesen sein. Es war Carla.

»Salve, Simone. Ich habe Sie doch hoffentlich nicht geweckt?«

»Nein, natürlich nicht, ich bin schon eine ganze Weile auf den Beinen. Gibt es denn etwas Neues?«

»Das würde ich Ihnen lieber persönlich erzählen. Haben Sie Zeit? Fahren Sie mit mir nach Vercelli? Ich könnte Sie mal wieder an meiner Seite gebrauchen.«

»Ja klar, natürlich fahre ich mit. Sehr gerne. So gut kennen Sie mich doch inzwischen. Und worum geht es?« Es musste einen konkreten Grund geben, warum sie ihn einbezog, das war Simon klar.

»Ich will mir das Unternehmen von Borletti ansehen, mit den Leuten da sprechen, aber auch mit der Frau, mit der er zusammengelebt hat.«

»Also mit seiner Frau?«

»Nein, die sind getrennt. Er hatte eine Geliebte, die seit einiger Zeit bei ihm wohnt. Die kommt aber ursprünglich aus Hamburg. Eine Sonia Berger. Stefano hat mit der Ehefrau telefoniert, von ihr wissen wir das«, fuhr Carla fort. »Diese Sonia Berger und Borletti sind, also waren seit ein paar Monaten zusammen. Sie ist anscheinend seinetwegen aus Deutschland hierhergekommen. Und spricht wohl nur rudimentär Italienisch.«

Wieder mal beglückwünschte sich Simon innerlich zu seiner Entscheidung, sich nach anfänglichem Zögern doch um eine Zulassung als Dolmetscher bemüht zu haben. Das ermöglichte Carla, ihn ganz offiziell in ihre Ermittlungen einzubinden. Was sie aber nicht allein aus diesem Grund tat, davon war er inzwischen überzeugt. Es war jedenfalls eine Allianz, von der sie beide profitierten, in vielerlei Hinsicht. »Und wie hat sie sich dann mit Borletti verständigt?«, fragte er.

»Keine Ahnung. Vielleicht war bei denen was anderes wichtiger, als miteinander zu reden …«, sagte Carla, und Simon sah sie vor sich, das ironische Lächeln in ihren Augen. »Wir werden es vielleicht erfahren. Sie kommen also mit?«

»Holen Sie mich ab?«, fragte Simon und die gespannte Erwartung war unüberhörbar.

»Ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen in Ronco, oben auf dem Parkplatz, und rufe Sie kurz an, dann kommen Sie hoch, va bene

»Va benissimo, Sie brauchen mich aber nicht anzurufen. Ich erwarte Sie oben. Bis gleich also.«

Auf dem Parkplatz standen nur wenige Autos. Um diese Zeit des Jahres war in Ronco noch nicht viel los. Der Osteransturm an den Lago d’Orta erreichte zwar stets auch das kleine, am Ende einer Sackgasse gelegene und ziemlich aus der Welt gefallene Dorf mit seinen gerade mal sechzig Einwohnern, hielt sich aber gemessen an dem Auftrieb in Orta San Giulio auf der anderen Seeseite in Grenzen. Zwar kamen in den letzten Jahren doch mehr Touristen in das wunderschöne Dorf und die wenigen noch unbewohnten Häuser waren nach und nach fast alle verkauft worden, durchweg an Deutsche und Schweizer. Die neuen Besitzer renovierten sie aufwendig, kamen dann aber meist nur für ein paar Wochen und mit Vorliebe im Sommer an den See. Italiener interessierten sich nur selten für die alten Gemäuer. Sie waren ihnen zu teuer, außerdem hatten sie den in ihren Augen erheblichen Nachteil, dass man nicht mit dem Auto bis vor die Haustür fahren konnte, sondern es oben im Dorf auf dem Parkplatz abstellen musste. Und im Sommer fuhren die meisten Italiener ohnehin lieber ans Meer oder ins Gebirge.

Es dauerte keine fünf Minuten, bis Carla mit dem dunkelblauen Polizei-Jeep in Ronco ankam, auf dem Parkplatz zügig wendete, Simon die Seitentür aufhielt und ihn mit einer fast herrischen Geste zum Einsteigen aufforderte. Ganz fremd waren ihr die zuweilen strengen Allüren der italienischen Polizei auch nicht, dachte Simon. Dann aber, als er neben ihr saß, strahlte sie ihn an: »Danke, dass Sie mitkommen, Simone.«

Sie fuhr los, beschleunigte kräftig und Simon schwieg, obwohl er es kaum erwarten konnte, von ihr die Neuigkeiten in dem Fall zu erfahren. Aber er wusste, dass sie ohnehin gleich von sich aus zur Sache kommen würde. Und so war es auch.

»Borletti ist wirklich vergiftet worden, daran gibt es keinen Zweifel«, berichtete sie, kaum dass sie die erste Kurve auf der Uferstraße genommen hatten. »Die Gerichtsmedizin hat das bestätigt. Aber die genaue Analyse läuft noch. Es scheint ein sehr spezieller, nicht sehr verbreiteter Wirkstoff zu sein, aber mit einer schnellen toxischen Wirkung. Es hat ja nach seinem Zusammenbruch nicht einmal eine Stunde gedauert, bis der Mann tot war.«

»Und haben Sie denn schon eine Idee, wie das mit dem Gift passiert ist? So bringt man sich doch nicht selbst um, jemand muss ihm also das Zeug untergemischt haben.«

»Ich vermute, es war in einer Wasserflasche. Also entweder hat er die selbst dabeigehabt und das Gift war da schon drin, oder jemand, ein Zuschauer oder ein Ordner, hat ihm die Flasche mit dem Gift zugesteckt. Wahrscheinlich irgendwo auf der Strecke zwischen Pella und der Stelle am Strand, wo er dann gestürzt ist. Wenn wir mehr über den Giftstoff und seine Wirkung wissen, können wir das vielleicht noch genauer lokalisieren. Jedenfalls haben wir alle Flaschen eingesammelt, die wir unterwegs finden konnten, auf der Strecke und in den Abfalltonnen am Rand. Und die untersuchen wir jetzt. Wenn wir Glück haben, finden wir das Corpus Delicti.«

»Das müssen ja einige sein …«

»Sie sagen es. Leider. Stefano war heute Morgen schon sehr früh damit beschäftigt, dafür zu sorgen, dass die alle eingesammelt werden. Ich habe ihn lieber nicht gefragt, wie viele das sind. Seiner Miene nach zu urteilen, ein ganzer Berg.«

Stefano war so etwas wie Carlas Assistent. Simon war dem Carabiniere schon einige Male begegnet und von seinen Fähigkeiten nicht ganz überzeugt. Aber Stefano war Carla sehr ergeben und versuchte immer, es ihr recht zu machen. Wahrscheinlich war so eine Fleißaufgabe bei ihm in guten Händen.

Wie am Tag zuvor war es heiß, der Himmel wieder fast wolkenlos, die Sonne grell. Carla hatte die Klimaanlage eingeschaltet und ihre Sonnenbrille aufgesetzt, fuhr schnell und konzentriert, und schon nach zehn Minuten erreichten sie die Auffahrt zur Autobahn Richtung Genua. Auf den letzten Kilometern waren sie beide verstummt und hingen ihren Gedanken nach. Carla war generell nicht besonders redselig, und es gehörte zu den angenehmen Seiten ihrer Beziehung, fand Simon, dass sie sich in Ruhe lassen und gut miteinander schweigen konnten.

»Und wer könnte Borletti nach dem Leben getrachtet haben? Haben Sie denn vielleicht schon eine Idee?«, fragte er schließlich, als sie die Mautstelle passiert hatten.

»Da fragen Sie mich etwas. Konkretes habe ich bisher nicht, aber eines steht fest: Der Mann hatte viele Feinde. Wer ihm allerdings so übel gesinnt war, um ihn zu vergiften, keine Ahnung.«

»Feinde?«, fragte Simon nach.

»Ich würde sogar sagen, er war umstellt von Feinden«, antwortete Carla. »Er war ja mit seinem Unternehmen in Schwierigkeiten und hat ziemlich viel Mist gebaut. Aber davon habe ich Ihnen ja gestern schon erzählt, und heute Morgen stand es ja auch in der Zeitung. Ihr Freund Gianluca Rossi, der den Artikel verfasst hat, ist natürlich wie immer gut informiert … Ich schätze, Sie haben seinen Artikel gelesen?«

Simon nickte.

»Und außerdem haben wir noch eine verlassene Ehefrau und eine Geliebte. Jedenfalls muss der Mörder oder die Mörderin das von langer Hand geplant haben. An so einen Giftstoff, egal, was es war, kommen Sie nicht so einfach heran.«

Simon fiel auf, dass Carla betont von einer möglichen Mörderin sprach, und sie hatte natürlich recht: Giftmorde gingen, wenn sie nicht vom russischen Geheimdienst verübt wurden, statistisch eher auf das Konto von Frauen. Würden sie in Vercelli Borlettis Mörderin begegnen?

Acqua Mortale

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