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1. Kapitel

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Gloria Fröhlich

Denksäule

Wo sich Realität und Wahnvorstellung kreuzen…

Ja, doch. Hin und wieder denke ich schon darüber nach, mich zu trennen. Nein, besser gesagt, mich zu lösen. Und trotzdem ist der Wunsch, verbunden zu bleiben, ungebrochen. Wenn man mich fragen würde, von wem und mit wem, dann ist das nicht so ganz einfach zu erklären. Und für mich auch fraglich, ob das überhaupt möglich ist. Es wäre die Befreiung von diesem anderen, das alle in sich haben und es mehr oder weniger spüren, je nach Sensibilität. ** Meins ist mir in letzter Zeit zu eigenwillig. Es geistert mehr als sonst herum und stört mich empfindlich, wegen der Emotionen, die mir viel von meiner Kraft nehmen und die mir dann an anderer Stelle fehlt. Die schlimmste ist Trauer. Außerdem sorgt es in letzter Zeit auffällig für mehr Ängste und Sorgen, verursacht Unsicherheit, macht sich als Moralapostel wichtig und mir ein gutes oder schlechtes Gewissen, das mich dann umtreibt, manchmal sogar ziemlich quält. Fingerzeig! Selbstverständlich kenne ich auch Demut, Stolz, Reue und Scham. Erwarten würde ich, dass es mich unterstützt oder mich einfach auch mal in Ruhe lässt. Im Gegensatz zu mir, scheint es sich ziemlich gut zu fühlen, wähnt sich sozial, tolerant und empathisch und erwartet das auch dauerhaft von mir. Doch es gelingt mir häufig nicht. Vielleicht bin ich zu schwach oder mir fehlt in mancher Beziehung die Einsicht, das Verständnis oder ich will einfach nicht. Das ist wie im Gleichschritt gehen sollen, dann spüre ich den Herdentrieb und wehre mich dagegen. Mein Bedürfnis, ein Individuum zu sein, ist stärker, und das finde ich absolut legitim. Das Gleiche gilt für Meinungen. Schon Sokrates hat gesagt, dass die Meinungen der Masse Gespenster sind, mit denen man Kinder erschrecken kann. Und Walter Lippmann, ein amerikanischer Journalist und Schriftsteller war der Meinung: „Wo alle das Gleiche denken, denkt keiner viel“. ** Sehr eng verbunden fühle ich mich allerdings mit den beiden anderen, die mir ständig Eindrücke vermitteln. Viel mehr gute als schlechte, und dafür bin ich sehr dankbar. Verträumt schweifen sie über Feld und Flur und möchten nichts versäumen. Sie suchen das Geheimnisvolle in Hecken, an Graben- und anderen mit Schilf umwachsenen Wasserwelten, die Verschwiegenheit der Heide und des Waldes und genießen das Gefühl der Freiheit der oberen Äste der Baumkronen. Sie verlieren sich in der Ferne am Horizont, auch am Meer oder sie bohren sich in die unendliche Tag- und Nacht-Himmelshöhe. Dort fliegen sie über Wolkenberge, über den Sternenhimmel und bleiben in den Vollmondnächten extrem lange und fasziniert auf dem leuchtenden Trabanten hängen, um dann weiter überall neugierig suchend alles einzufangen und zu speichern, mal mehr oder weniger aufmerksam und zufrieden. Sie beschäftigen mich im Schlaf, sind allgegenwärtig, wenn ich entspannen möchte und sogar wenn ich ohne feste Absicht in der Sonne liege. Und ich liebe sie dafür. Ich versuche, sie zu beruhigen, damit wir gemeinsam still werden können und ich bilde mir ein, sie mit ihren eigenen, natürlichen Schutzmechanismen vor dem grellen Sonnenlicht zu schützen, obwohl ich darauf keinen Einfluss habe. Dann ist die Welt für eine Weile rosarot. Doch es geht trotzdem ununterbrochen weiter. Nachts wird das Denken von guten und schlechten Träumen mit sonderbaren Bildern und Geschehnissen abgelöst, die ich zu analysieren versuche. Die Personen, die darin vorkommen, kenne ich meistens nicht und kann mich nicht mehr daran erinnern, ob die Bilder in Farbe oder Schwarz-Weiß zu mir kamen. Aber alles hat wohl so seine Richtigkeit. Aber wenn ich mir vorstelle, dass gar nichts mehr geschehen würde, wäre ich sehr unglücklich und garantiert nicht mehr auf diesem Planeten. ** Aber ich lebe und das sehr intensiv. In meinem Kopf türmt sich die Denke zu einem Berg von Begriffen. Im Wachzustand gibt es zu keinem Wort, das in meinem Kopf herumgeistert und auch manche Erinnerung wachruft, fertige Geschichten, die mich mit Spannung fesseln und unterhalten, mich wegtragen, aus meinem Alltag in die Leben anderer stecken und an fiktiven Schicksalen teilnehmen lassen, und die mit dem letzten Satz eines Buches enden, das ich gerade zuklappe. Es gibt ein Wort und dann blitzschnell meine Gedanken dazu. Was es fix und fertig gibt, sind Zitate von fabelhaften und nicht weniger, aber unbekannten Denkern, weit vor meiner Zeit, die mir dann einfallen, und deren geistiges Eigentum ich hier einfließen lasse, damit sie nicht vergessen werden. Aber ich kann mich nicht dagegen wehren, bei einigen Wörtern auch selbst aktiv zu werden und etwas daraus zu machen. Begriffe werden zu Protagonisten, denen ich ein Umfeld gebe. Ein Wort gibt mir mehr oder weniger einen Impuls. Manches sorgt für eine Vorstellung oder eine Idee, die mich überrascht. Ich assoziiere sofort, und ganz banale Dinge bekommen eine Würde. Manchmal auch etwas Lächerliches, Absurdes, Skurriles, Fiktives. Und es gibt hier ganz viel zwischen den Zeilen zu lesen.

DENKSÄULE

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