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4. Kapitel

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Kissenfüllung, Innentasche, Wegbiegung, wegbiegen, ankleben, zurückschneiden, Zuneigung, Abneigung. ** Nur weil Menschen lieben, lenkt Erato die Gedanken. Erato ist die Göttin der Liebeslyrik und durch ihren Einfluss entstehen schwülstige, inbrünstige Liebesgedichte, wegen der wahnsinnigen Emotionen, die wie wild ranken. Und die Magie, die Leidenschaft, tanzt dazu den Reigen. Pythia, die Seherin, soll lieber schweigen, um die Illusionen nicht zu zerstören. Dadurch geht ganz gewiss der Lichtengel Seraphin verloren und dann wird womöglich die Lethargie, die schreckliche Gleichgültigkeit, geboren. Heinrich Heine ließ hören: „Die Engel nennen es Himmelsfreud’, die Teufel, die nennen es Höllenleid, die Menschen nennen es Liebe“. In der Liebe hatte die Frau bisher kein Glück. Es ist ein Glücksspiel, bei dem sie aus welchen Gründen auch immer, stets verlor. Dabei wünschte sie sich so sehr, auch einmal in den Glückstopf zu greifen. Aber für sie schien es tatsächlich keinen zu geben. Der letzte Versuch war ein Glücksflop, dem das vorher aber leider nicht anzusehen war. Und sie ließ sich nicht warnen und wollte selbst ergründen, doch er konnte sich gut tarnen und fand in ihr ein geduldiges Opfer. Der vermutete Glückstopf war kein Glücksfall, es war ein harter Aufprall, den die Frau niemals vergisst. Wie wir wissen, ist sie um die Vierzig, und auch sie wird, wie alle anderen, aus Schaden nicht klug. Und wie sagt Faust: „Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein. ** Lachfalten. Die kann man sich schön reden, wie die anderen Knitterchen. Die Tatsache „alt“, aber bleibt und hässlich ist Ansichtsache. Fürstentum, Regentonne, in die Tonne treten, Verlogenheit, Hinterlist. Die List, die hinterrücks kommt, ist ganz besonders schlimm. ** Es geschah einmal vor langer Zeit in einem prunkvollen Schloss, als die Hoffnung und die Liebe zu sterben begannen. Da machte eine alternde Regentin bei der Frau ihres Sohnes ihrem Unmut mit der Bemerkung Luft, dass es an der Zeit wäre, endlich wieder einmal das viele Gold und das Silber zu zählen und nach Münzen zu sortieren, damit wieder Ordnung in der Schatzkammer im Kellergewölbe herrschte. So gefiele es ihr nicht, und sie hätte sich das Zusammenleben mit Sohn und Schwiegertochter unter dem Dach ihres Schlosses anders vorgestellt. Sie sähe sich sonst gezwungen, einen Schatzmeister einzustellen, wenn der Sohn nicht seiner Pflicht nachkäme. Die zukünftige Königin schwieg betroffen. Um eine gute Atmosphäre bemüht, unterrichtete sie ihren Prinzen von der Klage seiner Mutter, der sie mit einer lässigen Handbewegung gleichgültig abtat. Tags darauf, entsprach die Zeit des Prinzen, ohne anderweitige Verpflichtungen, der aufwendigen Aktion des Gold- und Silberzählens. Das überschaute die aufmerksame Prinzgemahlin, als die drei Akteure im großen Spiegelsaal das Frühstück einnahmen. Die zukünftige Königin glaubte, dass es der alten Regentin gefallen würde, wenn sie mit ihr am selben Strang zöge und schlug ihrem Prinzen vor, die freie Zeit doch endlich zum Zählen der Gold- und Silbermünzen zu nutzen. Die Regentin aber war hinterlistig und sah erneut eine Chance, einen Keil zwischen die Liebenden zu treiben und winkte entrüstet mit den Worten ab: „Nein, nein, was redest Du da, es hat absolut keine Eile, das Gold kann warten, warum gönnst Du meinem geliebten Sohne nicht, dass er sich in Muße in der Schatzkammer umsieht und Gefallen daran findet, meinen Reichtum zu bestaunen. Ich wünsche, dass er den herrlichen Tag genießt und die Zeit nicht mit dem Zählen meines Gold- und Silberschatzes vergeudet“. Die zukünftige Königin schwieg bestürzt, und ihr Leben begann an Glanz zu verlieren. Der Prinz aber, der tat nur all zu gern, was seine Mutter ihm Gutes wollte. Seiner Frau warf er vor, Intrigen zu schmieden und seine Mutter in ein schlechtes Licht rücken zu wollen. Seine Gattin jedoch litt Seelenqualen, ohne dass er es wahrnahm. Die alternde Königin, der Thronfolger und die zukünftige Königin lebten noch lange unglücklich unter dem Dach des prunkvollen Schlosses bis zum bitteren Ende der Regentin. Die Wiege des Prinzenpaares blieb leer. Geboren wurden über viele Jahre jedoch Eifersucht, Lieblosigkeit, Missgunst und Hass. ** Rückgrad, Zusammenhalt, Kummerkasten, Doppelleben, Schamlosigkeit, Lebensrest. ** Damit ist die Zeit bis zum Tod alter Menschen gemeint, die unweigerlich ins Nichts wandern, jeden Tag ein Stück weiter in Richtung Endlichkeit. Eine undefinierbare Sehnsucht zieht sie in die ewige Stille. ** Spucktüte, Flugreise, Flugangst, Sanftmut, Petersiliensoße, lebensmüde, Volkstanz, luftgetrocknet. Fisch, Schinken. Würste, deren Name meistens mit „Beißer“ endet. Beißerchen nennt man auch die Milchzähne, wenn man sie nicht ganz so ernst nimmt, wie die Bleibenden. Kau- und Knabberleiste oder Kauwerkzeug heißen sie und viel später einfach nur die „Dritten“. Hasskappe, zielgerichtet, Sommerfrische, Webkante, feindliche Gesinnung, Hassliebe, hitzebeständig. Das sind garantiert nicht die beschichteten Bratpfannen. Eine Eisenpfanne, die hält enorme Hitze aus, rostet aber, wenn sie nach dem Gebrauch nicht eingeölt wird und bis zum nächsten Einsatz eine Weile warten muss. Wer rastet, der rostet, sagt ein altes Sprichwort. Während Rast eine verdiente oder nötige Ruhepause ist, wird Rastlosigkeit als innere Unruhe gedeutet und somit negativ besetzt. Und es gibt auch ohne lange zu warten, Grasflecken, wenn ohne Wolldecke auf einer Wiese Rast gemacht wird, weil keine Raststätte in der Nähe ist. Und dann rastet jeder aus, weil Grasflecken in einer weißen Hose viel schlimmer sind als Rost in einer Pfanne. ** Vielschichtig, Vielseitigkeit, Moorleiche, Schleppnetz, Lederhaut, Gruselkabinett, Gipfelstürmer, Belegbetten, die können für Gesunde gefährlich werden, wenn sie nicht belegt und nutzlos sind. Wie ein brachliegender Acker, der keine Ernte bringt. ** Kneippkur, Großhirn, Altpapier, Buchdeckel, Vorfreude, Kanalisation. Ratten. Rattenscharfe, aus Asien verschleppte, außerordentlich unbeliebte Nager, die sich im feuchten Abwasser-Labyrinth unter der Erde, ungeniert und ungebremst vermehren, als wären sie in einem Schlachthaus. ** Nahrungsvielfalt, Altersarmut, Tierwohl, Dauerparker, Eintrittskarte, Knotenpunkt, zeitlos, Klammerbeutel, damit soll man unter bestimmten Voraussetzungen sogar pudern können. Sonderposten, Hormonhaushalt, Freudentränen, Endstücke, Sofaecke, Handschuhfach. Das ist die Klappe in Kniehöhe vor dem Beifahrersitz im Auto. Es gibt darin aber meistens keine Handschuhe. Zerfledderte Papiertaschentücher vielleicht und alte Bonbons, die sich in dickflüssig aufgelöst haben und unnachgiebig an der Ersatzbrille festhalten. Absperrband, ist auffällig rotweiß gestreift, stramm gespannt oder hängt durch und flattert, wenn es windig ist. Da geht es nicht weiter, aber dahinter ist etwas in Bewegung. Manchmal monatelang. Absperrgitter halten auch über lange Strecken eisern fern.

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