Читать книгу Butler Parker Paket 2 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 10
ОглавлениеSteven Crane war so etwas wie Privatsekretär und Quartiermacher und im Lauf der Zeit hart genug geworden, sich jeder Lage gewachsen zu fühlen. Engster Mitarbeiter von Big Boß Hartley zu sein, nun, das bedeutete schon etwas. Dazu gehörten Intelligenz, Härte, schnelle Reaktionsfähigkeit und eine dicke Haut. Dazu gehörte aber auch, sich niemals aus der Fassung bringen zu lassen.
Doch an diesem späten Nachmittag erlebte er eine Überraschung, von der er sich eigentlich nie wieder richtig erholte.
Steven Crane saß in seinem Mustang und rollte über den Highway in Richtung Las Vegas. Er kam aus Los Angeles und hatte es eilig. Seine Durchschnittsgeschwindigkeit betrug etwa 150 Stundenkilometer, was schließlich bedeutete, daß er hin und wieder wesentlich schärfer aufzudrehen hatte. Crane fuhr in seiner Eigenschaft als Privatsekretär und Quartiermacher. Es galt, eine interne Konferenz vorzubereiten, die Big Boß Hartley veranlaßt hatte.
Crane war nicht allein in dem sportlichen Wagen. Auf dem Beifahrersitz saß eine langbeinige Blondine mit einem relativ ausdruckslosen Puppengesicht. Crane hatte sich diese Gespielin mitgenommen, um nicht so allein zu sein. Sie hoffte übrigens, in einem der vielen Spielsaloons von Las Vegas eine Anstellung zu bekommen. Crane hatte sich dafür freundlicherweise stark gemacht.
Cranes Überraschung hing aber keineswegs mit dieser Blondine zusammen. Sie entwickelte sich aus einem kleinen schwarzen Punkt, der weit hinter ihm auf der breiten, sonst leeren Straße plötzlich zu sehen war.
Crane entdeckte ihn eigentlich zufällig im Rückspiegel seines Mustangs und dachte sich zuerst nichts dabei. Dann jedoch, als dieser Punkt von Sekunde zu Sekunde größer wurde, erwachte sein Interesse.
„Scheint ein schneller Schlitten zu sein“, sagte er zu der Blondine, die zuerst nicht begriff, sich dann aber umdrehte und nach dem näher kommenden Wagen Ausschau hielt, der inzwischen recht gut zu erkennen war.
„Der holt aber auf“, sagte sie mit etwas schriller Stimme, „können wir nicht schneller …?“
„Natürlich können wir“, gab Crane lächelnd zurück. Schließlich wußte er, welche Pferdestärken unter der langen Motorhaube staken, „lassen wir den Wagen aber erst mal ’rankommen.“
Er beobachtete den sich nähernden Wagen im Rückspiegel und wurde in diesen Minuten zu einem großen Jungen, der seine Kräfte messen will. Er verlangsamte sogar absichtlich das Tempo, um sich mit dem Verfolger besser auseinanderzusetzen.
Die langbeinige Blondine sah nur noch nach hinten.
„Nein, so was …!“ meinte sie plötzlich gedehnt und lachte ungläubig, „sehen Sie sich mal diesen ulkigen Wagen an …!“
Crane brauchte sich nicht umzuwenden, denn der bewußte, ulkige Schlitten überholte gerade.
Cranes Unterkiefer fiel leicht herunter. Sein Gesicht nahm den Ausdruck maßloser Verblüffung an. Solch einen Wagen hatte er bisher noch nie gesehen.
Das überholende Gefährt war hochbeinig wie eine alte Kutsche. Es rollte auf Reifen, die an die von mittelgroßen Lastwagen erinnerten. Der Wagenaufbau war kastenförmig, eckig. Und er schien seine besten Jahre längst hinter sich zu haben. Es gab Trittbretter wie bei kleinen Lieferwagen und einen Ersatzreifen, der in einer Mulde rechts vom Motor stand.
Für Bruchteile von Sekunden konnte Crane den Fahrer sehen.
Crane zwinkerte ungläubig mit den Augen. Auch der Fahrer war alles andere als gewöhnlich.
Ein vollkommen schwarz gekleideter Mann saß stocksteif am Steuer. Er trug eine schwarze Melone, einen Eckkragen und eine dunkle Krawatte. Zusammen mit seinem Wagen schien dieser Mann einem Museum für Verkehrskunde entsprungen zu sein.
„Wie ein richtiger Butler“, hauchte die Blondine andächtig, die sich an einen englischen Gesellschaftsfilm erinnerte, in dem ein Butler mitgespielt hatte.
„Und verdammt flott“, sagte Crane und schüttelte verwirrt den Kopf, „ich möchte bloß wissen, woher er die Schnelligkeit nimmt …!“
Inzwischen hatte das hochbeinige Monstrum sich vor den Mustang gesetzt und fraß die breite Straße förmlich in sich hinein. Crane gab seinem Mustang die Sporen und versuchte aufzuholen. Er warf einen schnellen Blick auf den Drehzahlmesser und wunderte sich, wie hoch die Nadel kletterte.
„Der ist aber schnell“, kommentierte die Blondine, „können wir den nicht einholen …?“
„Natürlich können wir“, antwortete Crane. Um seinen Mund bildete sich ein etwas verbissener Zug, „werden wir gleich haben!“
Er gab noch mehr Gas und machte sich zum Überholen bereit. Er spürte, wie der Motor des Mustangs willig das Gas annahm und beschleunigte.
Doch aus dem Überholen wurde nichts.
Das hochbeinige Monstrum fuhr unbeeindruckt weiter, wurde schneller, ließ es sich aber kaum anmerken. Der kastenförmige Aufbau lag satt und fest auf dem Chassis und schluckte die steigende Geschwindigkeit.
„Der wird ja immer schneller“, sagte die Blondine und beugte sich vor.
„Na, und …?“ gab Crane gereizt zurück, „wir jetzt auch!“
Nun wollte der Privatsekretär und Quartiermacher des Big Boß Hartley es wissen. Er trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch und duckte sich dabei unbewußt ab. Er und seine Begleiterin wurden förmlich in die Rücklehnen gepreßt, soviel hatte der Mustang noch an Kraft zuzusetzen.
Das hochbeinige Monstrum nahm dieses gesteigerte Tempo gelassen hin.
Es wurde schneller und ließ in Crane erst gar nicht den Gedanken aufkommen, jetzt überholen zu können. Crane schielte nach dem Tachometer. Er schluckte trocken, denn die Nadel pendelte um 190 Stundenkilometer.
Der Mustang, keineswegs ein schlechter Wagen, wurde etwas schwammig in den Federn und ließ sich nicht mehr so gelassen steuern wie eben noch. Er tänzelte nervös und zeigte damit ah, daß er keineswegs ein reiner, hochklassiger Sportwagen war.
„Jetzt aber!“ stieß die Blondine aus, „jetzt schaffen wir ihn!“
Sie konnte recht behalten.
Das hochbeinige Monstrum schien etwas müde zu werden. Aus dem dicken Auspuff quollen leicht dunkle Wolken.
„Er wird sauer“, stellte Crane zufrieden fest, „mußte dieser Trottel auch den Motor überziehen?“
Crane scherte nach links aus. Nun wollte er das hochbeinige Monstrum endgültig packen. Er merkte nichts von den kleinen Schweißperlen auf seiner Stirn. Das Steuern des tänzelnden Mustangs nahm ihn mehr mit, als er dachte.
In diesem Moment passierte es.
Das Monstrum tat plötzlich einen wahren Panthersatz nach vorn, wurde schneller und schien erst jetzt wach zu werden. Aus dem mächtigen Auspuff drangen dunkle Rauchwolken.
Crane traute seinen Augen nicht. Er hechelte unwillkürlich vor Aufregung. Die langbeinige Blondine keuchte und glaubte an einen bösen Traum.
Das hochbeinige Monstrum auf seinen Lastwagenrädern hatte sich in eine Art
Düsenjäger auf Rädern verwandelt. Innerhalb weniger Sekunden schmolzen die Ausmaße dieses seltsamen Wagens zu einem Medizinball zusammen, der blitzschnell zu einem dunklen Punkt am Horizont wurde. Dann war der Wagen in der sirrenden Hitze des Nachmittags verschwunden.
Crane war entnervt.
Er bremste den Mustang ab, fuhr an den Straßenrand und starrte in dumpfer Trauer auf die jetzt leere Straße. Er wußte nicht, ob er nur geträumt hatte. Ihm erging es dabei wie seiner blonden Beifahrerin, die unentwegt und monoton den Kopf schüttelte.
*
Josuah Parker hatte die Vorgänge um und in dem überholten Mustang überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Er hatte nach seiner Auffassung völlig normal einen Wagen überholt und war dann schnell weitergefahren. Da sein junger Herr nicht neben ihm saß, brauchte er sich hinsichtlich der Schnelligkeit und seines Fahrstils keine Beschränkungen aufzuerlegen. Ihm ging es darum, in vertretbarer Schnelligkeit nach Las Vegas zu kommen, wo Mike Rander auf ihn wartete. Sein junger Herr beriet dort den Besitzer einiger Motels, der sein Eigentum an eine Firmengruppe verkaufen wollte. Mike Rander war mit einer kleinen Reisemaschine vorausgeflogen. In Las Vegas wollte er in Parkers Monstrum übersteigen. Die Fahrt — so war es geplant — sollte dann hinauf nach Nordosten gehen.
Irgendwelche Kriminalfälle standen nicht zur Debatte. Sie zeichneten sich auch keineswegs ab. Parker hatte das Gefühl, daß auf diesem Gebiet sich so etwas wie eine Flaute abzeichnete. Was ihm natürlich auf keinen Fall paßte. Er haßte Untätigkeit auf diesem speziellen Gebiet, war ihm doch stets klar und bewußt, daß die großen und kleinen Gauner und Verbrecher niemals die Hände in den Schoß legten.
Nach etwa einstündiger Fahrt verspürte der Butler das Verlangen nach einer Tasse Tee. Als original englischer Butler bevorzugte er dieses Getränk, obwohl er sich stets immer wieder mit jenem abscheulichen Gebräu auseinanderzusetzen hatte, das die Amerikaner in Verkennung ihrer Sachlage Tee nannten.
Parker bog also von der breiten und schnurgeraden Straße ab und hielt vor einem Schnellimbiß, der ihm vertrauenswürdig vorkam. Würdevoll und gemessen stieg er aus seinem hochbeinigen Monstrum und schritt auf den Eingang zu.
Vorn am Tresen saßen auf hohen Barstühlen Lastwagenfahrer, die sich stärkten. Sie schauten hoch in den Spiegel über dem Gläserschrank und grinsten wie auf ein geheimes Kommando. Solch einen komisch und seltsam aussehenden Mann hatten sie lange oder nie gesehen. Sie ließen ihre Stühle herumwirbeln und starrten den Butler ungeniert an.
Genauso ungeniert wurde Parker auch von den übrigen Gästen beobachtet, die an kleinen, viereckigen Tischen saßen. Es handelte sich um nette Leute, die einen Trip nach Las Vegas unternahmen, um dort Bargeld mit tödlicher Sicherheit loszuwerden.
„Ich erlaube mir, einen guten Tag zu wünschen“, sagte Parker mit vertraut wohlklingender Stimme, lüftete seine schwarze Melone und nahm an einem freien Tisch in der Nähe des Fensters Platz.
Die Gäste des Schnellimbiß wußten nicht, was sie sagen sollten. Daher verzichteten sie darauf, Parkers Gruß zu beantworten. Sie grinsten sich belustigt an und widmeten sich dann wieder ihren Getränken und Abendessen.
„Kochend heißes Wasser, wenn ich höflichst bitten darf“, sagte Parker zu dem Barkeeper, der sich herabgelassen hatte, zu ihm an den Tisch zu kommen, um sich diesen seltsamen Gast einmal aus der Nähe anzusehen. „Ein Kännchen, wie ich hinzufügen möchte …!“
„Is’ das alles …?“ erkundigte sich der Barkeeper.
„In der Tat“, erwiderte der Butler achtunggebietend, „ich werde Ihnen die entstandenen Unkosten selbstverständlich vergüten!“
Parker sah bereits gelangweilt zum Fenster hinaus und schien den verdutzten Barkeeper vergessen zu haben. Anschließend befragte er seine unförmig aussehende Zwiebeluhr, die an einer soliden Nickelkette hing. Er erfuhr, daß er bis zum vereinbarten Zeitpunkt noch drei Stunden Zeit hatte.
Als der immer noch verdutzte Barkeeper mit dem kochenden Wasser erschien, öffnete der Butler eine kleine Schachtel, die er aus einer seiner vielen unergründlichen Taschen hervorgezogen hatte und entnahm ihr einen kleinen Teebeutel.
Beobachtet von allen Gästen, die wie fasziniert zu ihm hinüberstarrten, bereitete Parker sich seinen Tee und genoß ihn anschließend Schluck für Schluck.
Er wußte zu diesem Zeitpunkt keineswegs, daß es bei diesem ungestörten Genuß nicht bleiben würde.
*
Vor dem Schnellimbiß hielt ein Lincoln, aus dem vier durstige Männer fielen.
Sie waren unterwegs, kurz vor dem Schnellimbiß, von Parkers hochbeinigem Monstrum überholt worden und hatten alles versucht, sich an ihn zu hängen. Es war bei diesem Versuch geblieben, und sie hatten sich darüber ausgiebig geärgert.
Jetzt sahen sie den eckigen, altertümlichen Wagen vor sich und blieben andächtig stehen. Es handelte sich um vier mittelgroße, schlanke, durchtrainierte Männer, die wie seriöse Handelsvertreter aussahen.
Wenigstens auf den ersten Blick.
Auf den zweiten, dritten und vierten Blick hin verwandelten sich diese Männer allerdings in handfeste Typen, denen man mit viel Nachdruck wohl einige Manieren beigebracht hatte.
Sie kamen zu dem Schluß, daß es sich um einen mehr als komischen Schlitten handelte und waren versessen darauf, sich mit dem Fahrer zu unterhalten. Darüber vergaßen sie eindeutige Instruktionen, die man ihnen mit auf den Weg gegeben hatte. Darüber vergaßen sie einen gewissen Steven Crane, zu dem sie gehörten und der sie vorausgeschickt hatte.
Sie gingen eilig hinüber zum Schnellimbiß und sahen sich in dem Lokal prüfend um.
Der Barkeeper, der in jungen Jahren in einschlägigen Nachtlokalen gearbeitet hatte, wußte sofort Bescheid. Er sah nur einmal kurz hinüber und erkannte in den vier Männern harte Schläger, Profis, denen man besser aus dem Weg ging.
„Wem gehört der komische Wagen da draußen?“ fragte Freddy, der Wortführer der vier Männer. Er sah sich dabei ironisch in der Runde um, doch in den Augen war ein gefährliches Funkeln, wie es sich für solche Typen gehört.
Bevor Parker überhaupt antworten konnte, deutete der Barkeeper verstohlen in seine Richtung und suchte sich nach einer passenden Deckung um.
Freddy zwinkerte seinen drei Freunden zu und stakste wichtigtuerisch auf den kleinen Fenstertisch zu, an dem der Butler saß und seinen Tee trank.
„Gehört Ihnen der komische Schlitten da draußen?“ fragte Freddy und baute sich breitbeinig vor Parker auf.
„Ich möchte als fast sicher annehmen, daß Sie mit mir zu sprechen wünschen“, sagte Parker gemessen. „Parker mein Name, Josuah Parker …“
„Reden Sie keinen Quatsch! Ich will wissen, ob Ihnen die Mühle da draußen gehört?!“
„Welche Mühle meinen Sie?“
„Diesen eckigen, alten Schrottschlitten … Hören Sie mal, wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“
„Sie überschätzen Ihre Wichtigkeit“, gab der Butler zurück. „Was den dunklen Wagen allerdings angeht, den Sie ja offensichtlich meinen, möchte ich mich entschieden zu ihm bekennen!“
Freddy brauchte ein paar Sekunden, bis er diesen Satz zerlegt und verstanden hatte. Dann pumpte er sich auf.
„Sie haben uns geschnitten“, behauptete er gereizt, „um ein Haar wären wir im Graben gelandet.“
„Sollte dies wirklich der Fall gewesen sein, so bitte ich in aller Form um Entschuldigung“, gab Parker höflich, aber sehr distanziert zurück. Er hatte längst herausgefunden, daß dieser Mann Streit suchte.
„Auf Ihre Entschuldigung pfeife ich“, sagte Freddy und dämpfte seine Stimme gefährlich. Seine Augen nahmen einen lauernden Ausdruck an. Er glaubte zu wissen, wen er da vor sich hatte. Dieser komische Bursche undefinierbaren Alters bedeutete keine Gefahr. An ihm konnte er seinen drei Freunden mal richtig zeigen, wie hart er noch zuschlug.
„Ich möchte Sie an Ihrer musikalischen Unterhaltung keineswegs hindern“, beantwortete Parker den Hinweis des Schlägers.
„Wohl noch frech werden, wie?“
„Dies liegt keineswegs in meiner Absicht“, stellte der Butler richtig, „haben Sie sonst noch Wünsche?“
Statt zu antworten, wollte Freddy nach der schwarzen Krawatte des Butlers greifen und ihn daran vom Stuhl hochziehen. Bruchteile von Sekunden später brüllte er überrascht auf, was keineswegs unverständlich war.
Parker hatte sich erlaubt, den brühheißen Teebeutel auf den Handrücken des Schlägers zu legen.
Freddy schüttelte ihn ab und starrte auf seine schmerzende Hand.
„Das werden Sie mir büßen“, sagte er und trat nach Parker, was an sich bereits mehr als unfein war.
Seine drei Partner hatten sich halbkreisförmig aufgebaut und warteten darauf, daß Parker nach diesem Fußtritt erschüttert wurde. Doch es kam anders.
Parker hatte plötzlich wie durch Zauberei seinen Universal-Regenschirm in der Hand, den er aus dem Wagen mitgenommen hatte. Wie er sich ja nur äußerst selten von ihm trennte, zumal er wußte, wie umfassend er zu gebrauchen war.
Der bleigefüllte Bambusgriff schoß wie eine Viper vor und … legte sich wie ein Lasso um das Fußgelenk des Schlägers. Dann ein kurzer Ruck, und Freddy schlug einen halben Salto. Krachend landete er zwischen auseinanderspritzenden Stühlen.
Der Barkeeper ging halb in Deckung. Die Lastwagenfahrer, die ebenfalls wußten, was die Glocke geschlagen hatte, setzten sich in Richtung Waschraum ab. Die übrigen Touristen drängten sich in einer Ecke des Lokals zusammen und erinnerten an eine Herde verdrängter Schafe.
„No, der ist für mich reserviert“, sagte Freddy verbissen. Er hatte sich erhoben und rieb sich den leicht schmerzenden Hinterkopf, „jetzt kann der Gauner was erleben … Harmlose Menschen anzugreifen. Das haben wir gern …!“
Er schleuderte ein paar hindernde Stühle zur Seite und ballte die Hände zu kräftigen Fäusten. Dann nahm er die Schultern hoch, schnaufte einige Male und griff überraschend an.
Sein Vormarsch wurde allerdings entscheidend gestoppt.
Der bleigefüllte Bambusgriff legte sich auf seine ausgeprägte Stirn. Freddy schielte etwas benommen, seufzte innig und begab sich zu Boden, als hätte er dort plötzlich etwas Wichtiges zu suchen. Dann rutschte er in sich zusammen, zog die Beine an und schlief ein.
Die drei Partner wollten die Ehre ihrer Crew retten.
Nach einer Blitzverständigung durch Blicke rückten sie zum konzentrierten Angriff vor. Der Barkeeper, der die Nase etwas höher genommen hatte, gab dem Butler keine Chance. Die Lastwagenfahrer waren sich klar darüber, daß diesem schwarz gekleideten Mann nun sämtliche Knochen im Leibe gebrochen wurden, und die Touristen rechneten bereits mit einem Mord.
Parker hingegen nicht.
„Einen Moment, meine Herren“, sagte er zu den drei Angreifern, „sie haben etwas vergessen …!?“
Die drei Schläger stoppten und sahen den Butler verdutzt an. So waren sie noch nie angeredet worden.
„Sehen Sie doch bitte einmal hinauf zur Zimmerdecke“, redete der Butler weiter und deutete mit dem bleigefüllten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms nach oben.
Die drei Schläger gehorchten und schauten hinauf zur Zimmerdecke. Sie sahen nichts. Es war verständlich, denn dort gab es wirklich nichts zu sehen, wenn man von einem Spinnennetz einmal absah.
Wenig später hingegen fühlten sie etwas.
Nämlich nacheinander und sehr ausführlich dien Bambusgriff, der sich auf ihre Köpfe senkte. Parker erledigte das mit einer geradezu selbstverständlichen Leichtigkeit.
Die drei Schläger gingen wortlos zu Boden und suchten nun ihrerseits dort nach Gegenständen, die nicht vorhanden waren.
„Die Rechnung, wenn ich bitten darf“, sagte Parker laut und deutlich. Er erhob sich und nickte dem zögernd herankommenden Barkeeper höflich zu.
„Sie … Sie brauchen nichts zu bezahlen“, stotterte der Barkeeper und schielte verstohlen nach dien vier schlafenden Schlägern. „Aber geben Sie …! Hauen Sie ab, bevor die Burschen wieder Zu sich kommen …! Die machen Hackfleisch aus Ihnen …!“
„Nehmen Sie diesen Dollar“, meinte Parker großzügig, „machen Sie sich einen netten Tag, wenn es sich eben einrichten läßt …!“
Er lüftete höflich seine Melone, legte den Griff des Regenschirms über den angewinkelten, linken Unterarm und schritt davon. Er strahlte solch eine Würde und Autorität aus, daß die Lokalgäste für Augenblicke das Luftholen vergaßen.
Parker hatte gerade den Parkplatz erreicht, als ein Mustang vom Highway aus einbog.
Steven Crane war wesentlich friedlicher als die vier Männer, mit denen er sich hier treffen wollte.
„Sagen Sie, was ist bloß mit Ihrem Wagen los?“ fragte er, nachdem er zusammen mit seiner Bekannten ausgestiegen war, „so was Heißes hab’ ich noch nie gesehen.“
„Dieser Wagen wurde, um genau zu sein, nach meinen speziellen Wünschen umgebaut“, erwiderte der Butler höflich, „habe ich übrigens das Vergnügen, Sie zu kennen?“
„Steven Crane“, stellte der Quartiermeister und Privatsekretär sich lächelnd und arglos vor.
„Steven Crane, Sir?“ Parker schien zu überlegen. „Sind Sie möglicherweise mit jenem Mann identisch, der als Privatsekretär eines gewissen Big Boß Hartley fungiert?“
„Stimmt …!“ Crane wurde sofort vorsichtig, „sagt Ihnen der Name Hartley etwas?“
„Aber gewiß doch“, gab der Butler gemessen zurück, „in meinen Augen handelt es sich bei Mr. Hartley um einen der ganz großen Gangsterbosse, die die USA kennen. Oder sollte ich mich irren?“
„Und wer sind Sie?“ fragte Crane, ohne auf diese Frage einzugehen.
„Parker mein Name, Josuah Parker“, stellte der Butler sich vor, „ich darf Ihnen versichern, daß ich mich jetzt auf Las Vegas freue, darf ich doch hoffen, daß unsere Wege sich dort kreuzen werden. Meine Empfehlungen an Mr. Hartley. Weiß er übrigens, daß seine Zeit abgelaufen ist? Sie sollten ihm diesen diskreten Hinweis zukommen lassen, finde ich …!“
„Wieso sollte seine Zeit abgelaufen sein?“ Crane erinnerte sich dumpf, den Namen Josuah Parker schon einmal gehört zu haben. Er wußte im Moment nur nicht, wo er ihn unterbringen sollte.
„Ich bin der sehr subjektiven Meinung, daß Mr. Hartley schon längst hinter Schloß und Riegel sitzen müßte … Aber was noch nicht ist, kann ja sehr schnell werden.“
Parker lüftete seine schwarze Melone und schritt fast feierlich hinüber zu seinem Wägen.
Crane starrte dem Butler nach und knabberte gedankenverloren, an seiner Unterlippe. Normalerweise hätte er sich solch einen Ton bestimmt nicht gefallen, lassen. In diesem Fall aber spürte er instinktiv, daß Vorsicht geboten war. Und zudem grübelte er darüber nach, in welch einem Zusammenhang er den Namen Josuah Parker schon einmal gehört haben könnte.
„Was wollte denn dieser ulkige Kerl?“ fragte die Blondine, die überhaupt nichts verstanden hatte, „eigentlich ein netter Bursche, wie?“
Crane sah die Blondine finster an, wandte sich wütend ab und beeilte sich, in den Schnellimbiß zu kommen. Er wußte nicht, daß er dort auf vier leicht lädierte Mitarbeiter stoßen würde …!
*
„Okay, Parker, Sie haben Crane gesehen und gesprochen … Und Big Boß Hartley hält sich möglicherweise in Las Vegas auf … uns soll das nicht kratzen, um es mal sehr deutlich zu sagen … Heute noch schließe ich für Harris den Kauf ab, dann fahren wir auf dem schnellsten Weg zurück an die Ostküste. Ärger mit Gangstern will ich diesmal nicht haben. Ich hoffe, Sie haben mich genau verstanden.“
„Sehr wohl, Sir …!“ Parkers Gesicht blieb maskenhaft starr.
„Und keine Tricks, Parker …! Provozieren Sie nichts … Aber auch gar nichts! Ich will hier meine Ruhe haben. Für Gangsterbekämpfung gibt es schließlich die einschlägigen Behörden.“
„Sehr wohl, Sir“, lautete Parkers nächste Antwort.
„Und noch einmal, Parker, keine Tricks!“
„Sie können sich fest auf meine Loyalität verlassen, Sir.“
„Hoffentlich …“, seufzte Mike Rander, der seinen Butler schließlich nur zu gut kannte. Er hielt sich mit ihm in seinem Kleinstbungalow des Motels auf und war irgendwie nervös geworden. Parkers diskreter Hinweis auf Gangster hatte den jungen Anwalt alarmiert. Er wußte aus Erfahrung, was das zu bedeuten hatte. Sein Butler war förmlich versessen darauf, Gangster zu bekämpfen. Und leider waren dann gewisse Auseinandersetzungen unvermeidlich.
Rander schüttete sich gerade eine Zigarette aus der Packung, als angeklopft wurde. Parker versorgte seinen jungen Herrn mit Feuer, dann erst schritt er langsam und feierlich hinüber in den kleinen Korridor und öffnete die Tür des Bungalows.
Ein mittelgroßer, etwas vollschlanker Mann von etwa 50 Jahren sah den Butler verblüfft an.
„Hier wohnt doch Mr. Rander, oder?“ fragte er mit nervöser, etwas heiserer Stimme.
„Wen darf ich melden, Sir?“
„Walt Harris“, antwortete der vollschlanke Mann mit dem runden Gesicht und dem schütteren Haar, der einen teuren, grauen Anzug trug, „ich muß unbedingt Anwalt Rander sprechen …!“
„Was ist denn, Harris?“ fragte Rander, der in den kleinen Korridor gekommen war, „herein mit Ihnen … Moment mal, ist was?“
Mike Rander sah Walt Harris prüfend an. Seine Frage war nicht unangebracht. Harris machte einen fahrigen, ängstlichen und nervösen Eindruck. Er ging an Mike Rander vorbei und ließ sich im Salon in einen der Sessel fallen. Dann tupfte er sich mit einem Ziertuch den Schweiß von der Stirn.
„Aus meinem Verkauf wird nichts … Sie müssen alles abblasen … Sagen Sie dem Käufer Bescheid …! Ich weiß, Kendall wird toben und mich unter Druck setzen, aber es hilft alles nichts … Ich kann nicht an ihn verkaufen.“
„Nun mal hübsch der Reihe nach“, sagte Rander und nahm neben Harris Platz, „was ist denn passiert?“
„Darf ich Ihnen einen Drink servieren?“ schaltete Josuah Parker sich höflich ein.
„Scotch … No, lieber ein Glas Milch. Mein Magen spielt nicht mehr mit!“ Walt Harris starrte zu Boden und war einem mittleren Nervenzusammenbruch äußerst nahe.
„Was ist passiert?“ wiederholte Mike Rander seine Frage, während Parker die verlangte Milch besorgte.
„Ich … ich kann nicht an Kendall verkaufen“, antwortete Harris, „fragen Sie mich nicht nach den Gründen …! Ich möchte verkaufen, aber ich kann nicht. Das muß Ihnen genügen, Rander!“
„Das genügt mir aber nicht …! Hat man Sie von irgendeiner Seite aus unter Druck gesetzt?“
„Wenn ich darauf antworten würde, wäre es schon zuviel“, gab Harris zurück, „stellen Sie keine weiteren Fragen, Rander, bitte …! Ich habe keine Lust, irgendwo in der Wüste zu verenden!“
„Ich verstehe kein Wort.“
„Ist auch nicht nötig, Rander. Informieren Sie Kendall … sagen Sie ihm, daß ich an ihn nicht verkaufen kann! Von mir aus soll er mich regreßpflichtig machen … ist mir alles egal!“
„Die Milch, Sir!“ Parker stand vor Harris und senkte das silberne Tablett, auf dem das milchgefüllte Glas stand.
„Danke … aber ich bekomme jetzt keinen Schluck herunter“, sagte Harris und beschäftigte sich erneut mit seinen Schweißtropfen, die in erstaunlicher Menge auf seiner hohen Stirn standen. Dann wandte er sich wieder Rander zu: „Ich wende noch in dieser Stunde Las Vegas verlassen.“
„Sie verkaufen also überhaupt nicht!?“ Rander ahnte, was vorlag, wollte aber nicht deutlich werden.
„Das habe ich nicht gesagt … Ich … habe schon verkauft! Das heißt, ich werde gleich, unterschreiben …“
„Hoffentlich haben Sie einen guten Preis bekommen“, sagte Rander vorsichtig.
„Der Preis spielt für mich jetzt keine Rolle mehr, Hauptsache, ich kann nachher losfliegen … Also, danke für die bisherige Beratung, nennen Sie mir Ihren Preis, ich werde Ihnen einen Scheck schreiben.“
„Das erledigt mein Büro in Chikago“, antwortete Rander, „zudem hat das Zeit. Sie Sind sicher, daß Sie richtig gehandelt haben, Harris?“
„Und ob ich sicher bin. Walt Harns stemmte sich aus dem tiefen Sessel hoch und nackte Rander zu, „vergessen Sie nicht, meinen Freund Kendall zu informieren, er wird zwar toben, mich später aber mal verstehen! Hoffe ich wenigstens.“
„Parker, bringen Sie Mr. Harris zur Tür“, sagte Rander und nickte seinem Klienten verabschiedend zu. Sekunden später merkte er, daß Josuah Parker nicht mehr im Salon war. Er hatte es vorgezogen, den Raum zu verlassen.
Rander schüttelte etwas erstaunt den Kopf, zumal Parker es doch gerade war, der auf solche Formen den größten Wert legte. Rander brachte seinen Gast also zur Tür und verabschiedete sich dort von ihm.
Ihm fiel überhaupt nicht auf, daß vor der Front eines gegenüberliegenden Motel-Bungalows ein offener Sportwagen parkte, in dem zwei sportlich gekleidete Männer saßen, die etwas betont nicht herüberschauten.
Walt Harris setzte sich in seinen großen Wagen, winkte Rander zu und fuhr dann los, als säße ihm der Teufel im Nacken …
*
Die beiden Männer im offenen Sportwagen wollten ebenfalls losfahren, doch der hintere rechte Reifen machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Er war flach und platt wie eine Flunder geworden. Fluchend sahen die beiden Männer sich den rätselhaften Schaden an.
„Kannst du dir das erklären?“ fragte Ronny, der breitere der beiden Männer. Er kniete neben dem schadhaften Reifen nieder und suchte nach dem Leck. Er fand eine Art Gummiblase, die abscheulich roch, ja, fast sogar stank.
„Wie nach Säure“, kommentierte Ray, der andere Sportwagenfahrer, „sieh’ doch mal, die ganze Außenwand ist zerfressen. Und es arbeitet immer noch!“
„Darf ich mir erlauben, den Herren behilflich zu sein?“ bot in diesem Augenblick ein gewisser Josuah Parker seine Hilfe an. Würdig wie ein Haushofmeister stand er neben den beiden Männern, die sich jetzt auf richteten und ihn verdutzt anschauten.
„Wir kommen allein zurecht“, sagte Ray abweisend und musterte den Butler kritisch und mißtrauisch.
„Wenn mich nicht alles täuscht, dürften Sie, das heißt, Ihr Wagen, einen Reifenschaden haben. Nur auf dieser Seite …?“
Ronny und Ray sahen sich kurz an, dann gingen sie schnell um den Wagen herum und begutachteten die übrigen Reifen. Dabei ließen sie den Butler für wenige Sekunden aus den Augen, was Parker vollkommen reichte, einen kleinen Gegenstand unter dem Wagenchassis anzubringen.
„Dann möchte ich auf keinen Fall weiter stören“, entschuldigte der Butler sich. Er lüftete die Melone und zog sich gemessen zurück. Ronny und Ray sahen ihm nach.
„Ich traue diesem komischen Kerl nicht“, sagte Ronny, „hast du den schon mal hier in Las Vegas gesehen?“
„Bestimmt nicht, der wäre mir sofort aufgefallen.“
„Ob der was mit dem platten Reifen zu tun hat?“
„Unsinn! Wie denn? Wir waren doch die ganze Zeit über hier im Wagen. Wir hätten bestimmt was gemerkt. Vielleicht sind wir auf dem Hinweg durch irgendeine Säure gefahren.“
„Ist ja jetzt gleichgültig. Auf jeden Fall können wir uns nicht mehr an Harris hängen!“
„Den schnappen wir uns in seinem Motel. Der geht uns nicht durch die Lappen. Los, wechseln wir den Reifen aus.“
„Sollen wir nicht besser den Chef benachrichtigen?“
„Wozu denn? Dann handeln wir uns höchstens Ärger ein! Nee, komm schon, den Reifen haben wir in ein paar Minuten geschafft!“
Ronny und Ray machten sich an die Arbeit. Sie zogen sich ihre Jacketts aus, krempelten sich die Hemdsärmel hoch und betätigten sich als Mechaniker.
Sie wußten nicht, daß sie bei dieser Tätigkeit von einem gewissen Josuah Parker beobachtet wurden.
*
„Was treiben Sie denn da?“ fragte Mike Rander erstaunt, als er den Raum betrat, den Parker bewohnte. Er runzelte die Stirn und schaute auf das lange Blasrohr aus Plastik, das der Butler in seiner Hand hielt.
„Eine, wenn ich so sagen darf, vergleichsweise harmlose Spielerei, Sir!“
„Was verschießen Sie denn?“
„Kleine Spezialkapseln, Sir.
„Die was enthalten?“ Randers Stimme klang etwas schärfer. Er ahnte, daß sein Butler ungefragt auf einem Gebiet tätig war, das er überhaupt nicht schätzte.
„Ich verschieße eine an sich völlig harmlose Säure, Sir!“
„Ich verstehe!“
Rander grinste wider Willen.
Er sah durch das nur etwas angehobene Fenster hinaus auf den Parkplatz zwischen den Bungalows des Motels. Und er sah die beiden sportlich gekleideten Männer, die gerade einen Reifen ausgewechselt hatten und nun zurück in ihren kleinen Sportwagen stiegen. Sie machten einen durchaus zufriedenen Eindruck und sahen aus wie Männer, die eine komplizierte Arbeit geschafft hatten.
*
„Warum fährst du nicht?“ erkundigte sich Ray, der sich gerade eine Zigarette angezündet hatte.
„Du, Ray“, sagte Ronny mit leicht bebender Stimme, „ich glaube, wir haben schon wieder ’ne Panne?“
„Du bist verrückt!“
„Hör doch mal!“ Ronny fuhr an, um sofort das Bremspedal tief einzutreten. Der rechte, vordere Reifen rumpelte und hüpfte luftleer auf den Felgen.
„Das darf doch nicht wahr sein“, sagte Ray und fuhr wütend hoch, „da stimmt doch was nicht!“
„Wem sagst du das?“ Ronny und Ray fielen förmlich aus dem kleinen Sportwagen und sahen sich die Bescherung näher an. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Der rechte vordere Reifen war platt wie eine Flunder. Und an einer ganz bestimmten Stelle trieb der Reifen dicke Gummiblasen, denen ein pestilenzartiger Gestank entströmte.
*
„Was sollen diese komischen Späße“, fragte Rander seinen Butler, der gerade das Blasrohr auseinandernahm und in einem schwarzen Koffer verstaute, „ich hatte Ihnen doch gesagt, daß ich keinen Ärger haben will.“
„Sir, ich bitte zu bedenken, daß Ihr Klient sich offensichtlich in bösen Schwierigkeiten befindet.“
„Harris?“
„In der Tat, Sir! Während er Ihnen auseinandersetzte, daß er von seinem Verkauf der Motels Abstand nehmen will, beobachtete ich jene beiden Herren, die Mr. Harris eindeutig beschatteten.“
„Reine Vermutung. Vielleicht ein Zufall!“
„Bestimmt nicht, Sir … Bitte, beachten Sie die Gesichter jener beiden Herren. Es dürfte sich, wie ich gleich festgestellt habe, um sogenannte hartgesottene Profis handeln. Sie tragen zudem kurzläufige Schußwaffen in ihren Hosentaschen. Sie zeichneten sich während des ersten Reifenwechsels deutlich ab!“
Rander zündete sich eine Zigarette an und warf seinem Butler einen eigenartigen Blick zu. Dann schaute er wieder hinaus zum Sportwagen, an dem die beiden Sportsleute bereits wieder herumhantierten. Nun entdeckte auch der junge Anwalt, daß die beiden Männer Schußwaffen trugen.
„Mit anderen Worten, wir, das heißt, Sie, Parker, haben es wieder einmal geschafft!“
„Gewisse Männer, Sir, die einen Ihrer Klienten unter Druck setzen und einschüchtern.“
„Unterstellen wir einmal, daß Sie recht haben, Parker. Wie soll es jetzt weitergehen?“
„Man müßte diskret feststellen, Sir, in wessen Diensten jene beiden Männer stehen. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß Big Boß Hartley, wie er genannt wird, sich in Las Vegas aufhält. Die Erfahrung lehrt, daß immer dort, wo Mr. Hartley sich befindet, Ungesetzlichkeiten geschehen …
„Also schön, Parker, tun Sie, was Sie nicht lassen können. Ich werde mich noch einmal mit Walt Harris unterhalten. Vielleicht ist er inzwischen etwas ruhiger geworden. Wir sehen uns dann wieder hier im Motel!“
Rander sah noch einmal zum Sportwagen hinüber.
Die beiden Männer waren gerade damit beschäftigt, die Radmuttern zu lösen. Sie taten es nicht ohne Schimpfworte, wie man ihren Gesichtern leicht ablesen konnte.
*
Joe Clemetti sog nachdenklich an seiner schwarzen Zigarre und starrte ausdruckslos hinüber zum nahen Schwimmbecken des Ranchhauses. Dieses Ranchhaus war neuester Bauart und hatte sehr viel Geld gekostet. Es lag außerhalb von Las Vegas und befand sich eigentlich schon in der Wüste. Es stand auf einem großen Plateau, das nach drei Seiten hin ziemlich steil abfiel. Hinter dem Haus erhob sich ein fast senkrecht ansteigender Felsen.
Überraschend waren die Grünanlagen, die zu diesem Ranchhaus gehörten. Sie zauberten eine Art unwirklicher Oase in die ausgebrannte, gelblich-rote Steinwelt. Bei Nacht waren die Lichter von Las Vegas noch deutlich zu erkennen. Auch optisch gesehen befand man sich hier keineswegs in einer wilden Einöde.
„Wieso zwei Pannen so kurz hintereinander?“ fragte er dann und sah zu Ronny und Ray hoch, die wie zwei begossene Pudel vor ihm standen. „Das ist doch nur eine faule Ausrede. Gebt schon zu, daß ihr euch nicht genügend um Harris gekümmert habt!“
„Es waren zwei Pannen“, sagte Ronny, „Ehrenwort, Chef! Ganz eigenartige Pannen übrigens.“
„Wieso eigenartig?“ wollte Clemetti wissen. Der schwere, massige Mann mit dem südländischen Aussehen schüttelte unwillig den Kopf.
„Sah aus und roch nach Säure“, schaltete Ray sich schnell ein. „Ich glaube immer noch, daß man uns einen Streich gespielt hat.“
„Und wer sollte das getan haben?“
„Keine Ahnung, Chef“, sagte nun wieder Ronny und hob hilflos die Schultern. „Wir sind die ganze Zeit über nicht aus dem Wagen gegangen. Die Sache passierte, als Harris bei seinem Anwalt war.“
„Wer war das?“ Clemettis Fragen waren kurz und knapp. Er glaubte noch immer, daß seine beiden engsten Mitarbeiter ihm etwas vormachen wollten.
„Ein gewisser Rander … Mike Rander. Er stammt aus Chikago. Haben wir so ganz nebenbei ’rausbekommen.“
„Mike Rander? Aus Chikago?“ Clemetti richtete sich plötzlich steil auf. „Habt ihr euch auch nicht getäuscht?“
„Sagt Ihnen der Name was?“ wollte Ray wissen.
„Hat dieser Anwalt einen Butler?“ wollte Clemetti schnell wissen.
„Ja, stimmt. Er kam bei der ersten Panne zu uns an den Wagen und wollte sogar noch helfen.“
„Ein Bursche undefinierbaren Alters? Schwarz gekleidet? Mit Melone? Sieht wie ein Leichenbitter aus?“
„Genau, Chef“, antwortete Ronny und nickte fast begeistert, „Sie kennen diesen Burschen?“
„Dann war es Butler Parker“, stellte Clemetti fest, „ich habe schon von ihm gehört! Jetzt geht mir langsam ein Licht auf. Er ist nicht rein zufällig hier in Las Vegas. Ich wette, Harris hat sich Hilfe geholt. Das wird der Kerl mir büßen.“
„Wer ist Butler Parker?“ fragte Ray interessiert. „Ist der Bursche überhaupt gefährlich?“
„Habt ihr eine Ahnung!“ Clemetti sog scharf die Luft ein. „ihr wißt überhaupt nicht, mit wem ihr gesprochen habt. Und jetzt glaube ich auch, daß diese beiden Pannen nicht rein zufällig passierten. Wie ich den Butler kenne, hat er dabei wieder mal seine Hand im Spiel gehabt.“
„Dieser komische Bursche?“ Ronny grinste amüsiert und ungläubig zugleich.
„Dieser komische Bursche ist gefährlicher als das halbe FBI“, schnauzte Clemetti, „er steckt bis zum Rand voller Tricks. Ich muß sofort mit Hartley und mit Vance sprechen. Na, die werden Augen machen!“
Ronny und Ray wurden nicht klug aus ihrem Chef. Clemetti war nie aus der Ruhe zu bringen. Und nun schien er durchdrehen zu wollen. Und das alles wegen einer ulkigen Figur, die ihrer Meinung nach aus einem Witzblatt gesprungen zu sein schien.
„Sollen wir uns diesen Butler mal kaufen, Chef?“ schlug Ronny jetzt vor. „Wir wissen schließlich, wo er wohnt. Kleinigkeit, ihn aufs Kreuz zu legen.“
„Ihr ahnungslosen Engel“, gab Clemetti fast verächtlich zurück, „seid ihr scharf darauf, für ein paar Jahre aus dem Verkehr gezogen zu werden? Genau das wird euch blühen, wenn ihr euch mit Parker anlegt. Das haben schon ganz andere Leute versucht! Nein, ich muß erst mit Hartley und Vance reden. Aber diesen Harris, den könnt ihr euch vorknöpfen. Scheint im letzten Moment noch Zicken machen zu wollen.“
Clemetti ging auf schnellen, stämmigen und kurzen Beinen zurück in das geräumige Ranchhaus und beschäftigte sich anschließend mit dem Telefon. Er rief seine beiden Freunde Hartley und Vance an. Er brannte darauf, ihnen eine interessante Neuigkeit zu erzählen.
*
Parkers hochbeiniges Monstrum stand am Fuße des Plateaus und wirkte hier am Rande der Wüste besonders deplaciert. Der eckige Wagen schien noch aus den Zeiten des vorletzten Goldrausches zu stammen. Er war im Grund ein blechgewordener Witz, der fast Mitleid erregte.
Der Wagen war übrigens geschickt abgestellt worden und konnte vom asphaltierten Zufahrtsweg nicht eingesehen werden. Parker hingegen beobachtete den kleinen Sportwagen, der vom Plateau heruntertobte und dann mit heulendem Motor in der flimmernden Hitze der Wüste verschwand.
Das Peilsignal des Haftsenders, den Parker am Chassis des Sportwagens befestigt hatte, war für ihn der Leitstrahl gewesen. Parker wußte nun, wo die beiden Sportsmänner zu Hause waren. Es interessierte ihn zu erfahren, wer der Besitzer der Ranch war. Er ahnte bereits im vorhinein, daß er es mit einem Gangsterboß zu tun hatte.
Parker brachte seinen Wagen hinüber zur Asphaltstraße und fuhr hinauf zum Plateau, das zur Wüste hin von einem dichten Kranz grüner Bäume und Büsche umgeben war. Vor diesem Grüngürtel gab es einen hohen und soliden Zaun aus Drahtgeflecht. Porzellan-Isolatoren deuteten daraufhin, daß dieser Zaun ganz nach Belieben unter Starkstrom gesetzt werden konnte. Hundegebell zeigte weiter an, daß das gesamte Terrain ungemein scharf bewacht wurde. Wahrscheinlich von einer Meute auf den Mann dressierter Hunde.
Das Zufahrtstor war geschlossen. Rechts hinter dem Torpfosten befand sich eine Art Wache. Es handelte sich um einen niedrigen, flachgedeckten Steinbau.
Parker hupte.
Die Posaunen von Jericho mußten dagegen ein lindes Säuseln verursacht haben. Die Hupe, mißtönend und krächzend wie ein Schwarm ausgehungerter Geier, brachte die Fensterscheiben der Wache zum Beben und zum Zittern. Die beiden Wachmänner stürzten entsetzt hinaus ins Freie und hoben erst einmal sicherheitshalber die Arme hoch in die Luft. Sie wollten mit dieser Geste zu verstehen geben, daß sie an Kampfhandlungen nicht sonderlich interessiert waren.
„Ich werde als Butler erwartet“, sagte Parker würdevoll aus dem Wagen heraus, „worauf warten Sie denn noch, meine Herren?“
Sein Ton war reine Autorität.
Die beiden Wachmänner beeilten sich, das Tor zu öffnen.
„Ist der Herr des Hauses anwesend?“
„Mr. Clemetti ist im Haus“, erklärte einer der beiden Wachmänner.
„Man dankt“, erwiderte der Butler gemessen zurück und gab Gas. Da er vorher einen ganz bestimmten Hebel auf dem reichhaltig ausgestatteten Armaturenbrett umgekippt hatte, verschwanden die beiden Wachmänner in einer fast schwarzen Dieselwolke. Hustend und nach Luft schnappend flüchteten die beiden Männer zurück in ihren Bau und sahen sich entsetzt an. So etwas hatten sie bisher noch nie erlebt.
Parker rollte inzwischen auf das Ranchhaus zu.
Er nahm sich Zeit.
Er beobachtete die spielenden Hunde auf dem kurz geschorenen, sattgrünen Rasen, nahm das große Schwimmbecken zur Kenntnis und die niedrigen Nebengebäude, rechts hinter dem Herrenhaus. Er fuhr vorbei an üppig wuchernden Rabatten und Strauchgruppen. Da er sich unbeobachtet fühlte, weil der Auspuff seines Wagens reichlich Qualm entwickelte, nutzte er die günstige Gelegenheit, einige Plastikbälle in der Größe von Salatköpfen in diese Rabatten und Büsche zu werfen. Er tat es derart zielsicher, daß sie sofort verschwanden und nicht mehr zu sehen waren.
Dann erreichte er das eigentliche Haus und sah sich zwei handfesten Männern gegenüber, die ihn bereits erwarteten. Sie starrten ihn zweifelnd und unsicher an. Besuch dieser Art hatte es hier oben bisher noch nie gegeben.
„Zu Mr. Clemetti“, sagte Parker, nachdem er würdevoll ausgestiegen war und sich den bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den linken Unterarm gelegt hatte, „haben Sie bitte die große Freundlichkeit, mich zu ihm zu führen.“
Sie führten.
Sie ließen Parker in der großen, anderthalbstöckigen Halle des Ranchhauses warten und informierten ihren Chef. Und wieder hatte der Butler Zeit und Gelegenheit, sich recht seltsam zu benehmen. Er inspizierte Blumenvasen, altes Zinngeschirr auf den Borden links und rechts des Kamins und kontrollierte sogar die Sauberkeit unter Schränken, Sideboards und Sitzgruppen. Dabei vergaß er nicht, einige Kugelschreiber zu verstecken, die er aus seiner Brusttasche her vorzog.
Sie verschwanden in Vasen, in Zinngeschirr, sie rollten unter die Schränke, verschwanden in den Sitzpolstern und sahen dabei eigentlich recht harmlos aus. Nur ein aufmerksamer Beobachter hätte bemerkt, daß Parker diese Kugelschreiber vor dem Ablegen kurz und energisch in der Mitte anknickte. Warum dies geschah, sollte sich erst viel später zeigen.
*
Paul Vance erinnerte an einen leicht angetrockneten Buchhalter, der sich nie traut, einen unnötigen Dollar auszugeben. Er war sparsam bis zum Geiz und wohnte in einem kleinen Hotel der Mittelklasse, das ihm eigentlich noch viel zu teuer erschien. Vance war mittelgroß, schlank und hatte ein habgieriges Gesicht. Er trug Anzüge von der Stange, schmuddelige Hemden und rauchte stets nur billige Zigarren, die entsetzlich stanken.
Unter diesen Zigarren litten hauptsächlich seine beiden Leibwächter Steve und Clive. Es handelte sich um wahre Muskelpakete, die sonst keine Ansprüche stellten. Sie waren ihrem Boß Vance hündisch ergeben und ließen sich von ihm herumschubsen als seien sie Roboter ohne eigenen Willen.
Vance stand am Telefon seines billigen Hotelzimmers und unterhielt sich gerade mit Clemetti.
„Wenn Parker und Rander in Las Vegas sind, blasen wir die Konferenz besser ab“, sagte er gerade, „ich weiß nicht, woher sie davon wissen, ist auch gleichgültig, Clemetti, aber sie sind wegen uns gekommen, darauf gehe ich so ziemlich jede Wette ein, wenn sie nicht höher ist als fünf Dollar.“
„Aber wir müssen uns doch über Portlands Erbe unterhalten“, sagte Clemetti eindringlich, „die Zeit brennt uns doch auf den Nägeln, Vance. Wenn wir uns jetzt nicht einigen, fliegt seine ganze Organisation auseinander. Dann drehen die kleinen Kläffer auf und schnappen uns jeden Bissen vor der Nase weg. Denk doch mal an den Profit, der da auf uns wartet!“
„Ich denke an Rander und an Parker.“
„Willst du dir Millionen entgehen lassen?“
„Natürlich nicht, aber ich weiß schließlich, wer Parker und Rander sind. Ich bin nicht lebensmüde!“
„Was soll schon passieren, Vance? Wir treffen uns in meinem Ranchhaus. Dort sind wir sicher wie in Abrahams Schoß. Ich kann das gesamte Gelände hermetisch abschließen lassen. Und hinzu kommen unsere Jungens. Die setzen wir auf Rander und Parker an. Glaubst du wirklich, dagegen könnten sie was ausrichten? Sie können höchstens froh sein, wenn sie gerade noch mit dem Leben davonkommen. Und selbst das ist nicht notwendig!“
„Ich muß mir die Sache überlegen“, erklärte Vance ausweichend.
„Dann einige ich mich eben nur mit Hartley“, drohte Clemetti, „der spielt mit, verlaß dich drauf!“
„Also gut, ich werde kommen!“ Vance dachte an den Profit und wurde zusehends weich. „Ist man bei dir da oben auch wirklich sicher?“
„Wie in einer Festung“, prahlte Clemetti, „du wirst dich wundem, Vance.
Sag du Hartley Bescheid. Bei Sonnenuntergang werden wir uns dann sehen. Und denk doch mal daran, was du an Hotelkosten sparen wirst, Vance. Reizt dich das nicht?“
„Natürlich“, antwortete Vance, der die Ironie überhaupt nicht mitbekam, „ich werde also kommen und mit Hartley reden. Ich bringe natürlich meine beiden Jungens mit.“
„Glaubst du etwa, ich wollte dich ’reinlegen?“
„Was ich glaube, interessiert nicht, Clemetti, ich bin nur vorsichtig. Ich möchte nicht wie Portland von der Bildfläche verschwinden.“
„Bring’ deine beiden Gorillas mit“, räumte Clemetti ein, „kann ja nicht schaden … Bis dahin also …!“
„Bis dahin … Und kontrolliere deine Sicherheitsmaßnahmen. Parker darf keinen Fuß auf dein Grundstück setzen, ist das klar?“
„Du kannst dich fest auf mich verlassen“, schloß Clemetti optimistisch das Gespräch.
Vance legte auf und trat an das Fenster seines billigen Hotelzimmers. Er witterte Unheil, aber er witterte auch ein großes Geschäft. Er hatte das Gefühl, falsch reagiert zu haben.
*
„Seid ihr wahnsinnig, einen Fremden einfach so ’reinzulassen?“ schimpfte Clemetti und schüttelte fassungslos den Kopf. „Habt ihr euch wenigstens vergewissert, ob der Mann sauber ist?“
„Der trägt nur ’nen Regenschirm“, sagte einer der beiden handfesten Männer und grinste dazu.
„Und ’ne Melone“, sagte der zweite Mann und grinste spöttisch, „sieht aus wie ’n Butler aus ’m Film!“
„Wie ein Butler?“ Clemetti schluckte und bekam plötzlich Luftschwierigkeiten. „Wie ein Butler sieht der Kerl aus? Und so was laßt ihr ’rein?“
„Der Bursche ist garantiert harmlos“, behauptete der erste Sprecher mit Überzeugung, „sieht man ihm direkt an …
„Der schlottert vor Angst“, behauptete der zweite Mann und zog ein abfälliges Gesicht, „der sieht aus wie ’ne Witzblattfigur!“
„Packt eure Kanonen aus“, befahl Clemetti ohne jeden Übergang, „wir werden uns diese Witzblattfigur mal aus der Nähe ansehen, Boys. Paßt höllisch auf! Kann sein, daß es Ärger geben wird!“
Bevor Clemetti den Raum verließ, bewaffnete er sich mit einer 22er, lud sie durch und entsicherte sie. Er ahnte, daß es sich nur um Josuah Parker handeln konnte, der in der großen Eingangshalle des Ranchhauses auf ihn wartete.
„Wo steckt er denn?“ fragte Clemetti, als er zusammen mit seiner Leibwache in der großen Halle stand. Er schaute sich mißtrauisch um und wurde von Sekunde zu Sekunde immer nervöser.
„Eben war er noch da“, bekam er zu hören.
„Eben … eben!“ äffte Clemetti gereizt nach. „Er kann sich ja nicht in Luft aufgelöst haben. Los, sucht nach ihm, vielleicht hat er sich irgendwo im Haus versteckt! Das sage ich euch, wenn er nicht in den nächsten Minuten hier vor mir steht, könnt ihr euch auf was gefaßt machen!“
Die beiden Männer stoben davon und machten sich an die Durchsuchung der Räume. Clemetti ließ sich in einen Sessel rutschen und wartete auf Ergebnisse. Dabei übersah er, daß sich die Tür eines großen Schrankes hinter ihm vorsichtig öffnete.
„Ich erlaube mir, Ihnen einen guten Abend zu wünschen“, sagte eine angenehme Stimme. „Sie verzeihen gewiß, daß ich meine bescheidene Person erst einmal aus einer eventuellen Schußlinie bringen wollte.“
Clemetti saß wie versteinert.
Er wollte aufspringen, sich zur Seite werfen, wollte schießen und die Initiative an sich reißen, doch er war wie gelähmt. Ohne den Butler zu sehen, wußte er doch, wer hinter ihm stand.
„Sind Sie sicher, daß Sie diese häßliche, kleine Waffe benötigen?“ fragte die Stimme weiter. Dann, ohne Gegenwehr, ließ Clemetti sich die Waffe aus der Hand nehmen. Er starrte auf eine Hand, die in schwarzen Zwirnshandschuhen stak.
„Wer … wer sind Sie?“ fragte Clemetti endlich und erwachte aus seiner Betäubung. Er fragte, obwohl er doch längst Bescheid wußte.
„Parker mein Name, Josuah Parker, wenn ich mich vorstellen darf. Ich habe die Ehre und das unbestreitbare Vergnügen, Mr. Rander als Butler dienen zu dürfen.“
„Was … was wollen Sie?“ fragte Clemetti. Er war in diesen Sekunden und Minuten keineswegs der überlegene und raffinierte Gangsterboß, der die Situation beherrscht.
„Ich interessiere mich für gewisse Geschäfte, die abzuschließen Sie im Begriff stehen. Sagt Ihnen der Name Walt Harris etwas?“
„Harris?“ Clemetti hatte das Gefühl, als habe seine Zunge sich in einen großen, ausgetrockneten Schwamm verwandelt.
„Ein Hotel- und Motelbesitzer hier aus Las Vegas“, fuhr der Butler fort. „Mir scheint, Sie interessieren sich für seinen Besitz.“
„M… m… möglich“, stotterte Clemetti weiter herum und sehnte seine beiden Mitarbeiter herbei.
„Hoffentlich sind Sie auch in der glücklichen Lage, Mr. Harris ein faires Angebot zu unterbreiten“, führte der Butler weiter aus, „falls nicht, Mr. Clemetti, wäre ich äußerst unglücklich. Sie würden meine bescheidene Person dann zwingen, gewisse Maßnahmen zu ergreifen.“
„Ich … ich …
„Mehr wollte ich Ihnen eigentlich nicht sagen“, schloß Parker gemessen und lüftete grüßend die schwarze Melone. „Sie sind gewiß einverstanden, zwei Ihrer Mitarbeiter abzuziehen. Ich meine jene Männer, die sich in einem kleinen Sportwagen fortbewegen und offensichtlich auf Mr. Harris angesetzt wurden.“
„N … na … natürlich“, stotterte Clemetti, dem das Entsetzen im Genick saß.
„Ich wünsche einen vergnüglichen Abend“, sagte Parker, nickte andeutungsweise und verließ die Halle.
Clemetti holte tief Luft. Dann rieb er sich die Augen und zwickte sich ausgiebig in den Unterarm. Als er Schmerz verspürte, wußte er eindeutig, daß er nicht geträumt hatte.
Die Lähmung löste sich.
Clemetti sprang hoch und brüllte wie irr herum. Seine Stimmung überschlug sich dabei.
„Macht ihn fertig! Schnappt ihn euch! Wo steckt ihr denn?!“
Die beiden Leibwächter erschienen leicht verwirrt auf der Bildfläche.
„Parker war hier … Beeilt euch! Er muß noch draußen vor dem Haus sein. Schießt ihn zusammen!“
Die beiden Männer spritzten aus der riesigen Wohnhalle und rasten auf die große Doppeltür zu. Sie hielten ihre Schußwaffen feuerbereit in Händen.
Sie hatten die Tür noch nicht erreicht, als es passierte. Clemetti, der ihnen nachsah, bekam jede Einzelheit mit.
Der erste Leibwächter brüllte plötzlich auf, warf die Beine wie ein Ballettänzer hoch in die Luft und landete dann krachend auf dem Rücken. Er blieb regungslos liegen.
Der zweite Mann schien plötzlich auf Rollen zu laufen.
Er trat auf der Stelle, rasend schnell, suchte sein Gleichgewicht, fand es aber nicht, warf die Arme hoch und griff verzweifelt in die Luft hinein. Dann verlor auch er das Gleichgewicht und landete auf dem Boden. Im Gegensatz zu seinem Partner allerdings auf dem Bauch. Auch er blieb dann regungslos liegen, als sei er von einer plötzlichen Müdigkeit erfaßt worden.
Clemetti verstand die Welt nicht mehr.
Er rannte zum Eingang hinüber, wollte sich um seine beiden Mitarbeiter kümmern und spürte Bruchteile von Sekunden später, daß er sich waagerecht in der Luft befand. Von einer plötzlichen Bö erfaßt, praktizierte er anschließend eine gekonnte Bauchlandung und fiel auf seinen zweiten Mitarbeiter, der daraufhin einen halb erstickten Kiekser ausstieß. Dann wurde es Clemetti schwarz vor den Augen. Mit einem fast wohligen Seufzer streckte er sich aus …
*
Mike Rander hörte schweigend zu.
Walt Harris, der Besitzer einer Hotel- und Motelkette in Las Vegas stand hinter einem Sessel und redete sich seine ganzen Sorgen vom Herzen herunter.
„Clemetti will mich zwingen, an ihn zu verkaufen“, sagte er, „zu einem Preis natürlich, über den wir erst gar nicht zu diskutieren brauchen. Im Grunde soll ich alles an ihn verschenken.“
„Welche Druckmittel wendet er an?“ Rander rauchte eine Zigarette und war froh, daß sein Klient endlich redete.
„Welche schon?“ Harris lachte gequält auf. „Dunkle Andeutungen, und Drohungen. Ich weiß doch Bescheid. Wenn ich nicht mitspiele, werden Clemettis Leute mich abschleppen und irgendwo in der Wüste absetzen. In welch einem Zustand, dürfte ebenfalls auf der Hand liegen. Nein, Rander, ich will noch eine Zeitlang leben, wenn es sich eben einrichten läßt. Ich werde an ihn verkaufen. Noch heute abend. Ich unterschreibe, was er mir auch vorlegen wird.“
„Um welchen Wert handelt es sich? Er muß ihnen doch einen Preis genannt haben!?“
„Er will 100 000 Dollar zahlen. Ein lächerliches Trinkgeld. Sie wissen ja, daß ich an Kendall für gut und gern eine Million verkaufen könnte. Aber was mache ich mit einer Million, wenn ich tot bin?“
„Dann lag Parker also wieder mal richtig“, sagte Rander leise, „es wird höchste Zeit, diesem Clemetti auf die Finger zu klopfen.“
„Sie ahnungsloser Engel!“ Harris schüttelte fast aufgebracht den Kopf. „Wissen Sie denn nicht, wer Clemetti ist? Einer von den ganz großen Gangstern! Er hat sich hier in Las Vegas eingenistet und zieht die Fäden, wie er will. Nehmen Sie einen guten Rat an, Rander, vergessen Sie, daß ich Ihr Klient war! Setzen Sie sich schleunigst in den Wagen oder in das nächste Flugzeug und verschwinden Sie! Nur so haben Sie eine echte Chance, mit dem Leben davonzukommen.“
„Wie mein Butler habe auch ich etwas gegen Gangster“, antwortete der junge Anwalt. „Haben Sie doch Vertrauen, Harris. Sie werden an Kendall verkaufen können. Lassen Sie uns nur machen.“
„Sie sind größenwahnsinnig“, stellte Harris verzweifelt fest, „gegen Clemetti ist kein Kraut gewachsen. Ich kenne mich hier in Las Vegas aus, ich weiß genau, wer Clemetti ist!“
Während er noch sprach, war er aufgestanden und absichtslos ans Fenster gegangen. Genauso absichtslos schaute er auch auf die Straße hinunter. Er zuckte plötzlich zusammen und wandte sich zu Rander um.
„Da sind sie schon“, sagte Harris dann mit heiserer Stimme, „Ronny und Ray, zwei ganz harte Burschen von Clemetti! Sie steigen gerade aus ihrem Wagen … Glauben Sie, die würden mir Blumen bringen wollen?! Verschwinden Sie, Rander, solange noch Zeit ist. Ich werde den angeblichen Kaufvertrag auf jeden Fall unterschreiben. Falls ich überhaupt noch darf!“
„Okay“, sagte Rander und drückte seine Zigarette aus. „Ich kann Sie nicht zwingen, hart zu bleiben. Viel Glück! Ich warte unten in der Hotelbar auf Sie. Harris.“
Er nickte Harris zu und verließ den Salon der Suite. Er schloß die Tür zu dem kleinen Vorkorridor hinter sich und ließ anschließend die eigentliche Haupttür laut und deutlich ins Schloß fallen.
Doch er blieb in der Suite.
Mike Rander wollte gewissen Leuten die Suppe versalzen!
*
Die Sonne war schon nicht mehr zu sehen. Es wurde schnell dunkel. Die eben noch unerträgliche Hitze kühlte sich rapide ab. Hinter den Bergen der Wüste war nur noch ein violetter Lichtschimmer zu sehen. Parker liebte diese Tageszeit und genoß sie. Er fuhr relativ langsam zurück nach Las Vegas und achtete kaum auf den großen Cadillac, der ihm entgegenkam.
Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn er sich für die Insassen dieses Wagens interessiert hätte. Diese Insassen hatten ihn nämlich sehr gut erkannt. Und sie wußten, mit wem sie es zu tun hatten.
*
„Das war er!“ stieß Steven Crane wie elektrisiert hervor und richtete sich in seinem Sitz auf, „bestimmt, Boß, das ist er gewesen. Ich habe ihn genau erkannt! Und dann dieser Wagen. So was vergißt man nicht!“
Privatsekretär und Quartiermacher Crane saß neben seinem Boß Hartley im Fond des Wagens. Der Cadillac wurde gefahren von einem gewissen Freddy, der zusammen mit drei Partnern eine peinliche Niederlage in einem Wüsten-Schnellimbiß hatte hinnehmen müssen. Man war auf dem Weg zu Clemetti.
„Das ist Parker gewesen“, sagte Big Boß Hartley, ein schlanker, gut aussehender Mann von etwa 50 Jahren. Er sah aus wie ein weltgewandter Sportsmann, der auf allen Golfplätzen der Welt zu Hause ist. Golf war tatsächlich sein privates Hobby. Dieses Hobby pflegte er, wenn er nicht gerade dabei war, sein Gangster-Imperium weiter auszubauen.
„Parker?!“ fragte Crane nachdenklich zurück. „Diesen Namen habe ich schon mal gehört!“
„Und ob Sie ihn schon mal gehört haben, Crane“, sagte Hartley lächelnd und überlegen, „ein Detektiv-Amateur. Aber vielleicht auch mehr. Es heißt, er würde zusammen mit seinem Chef hin und wieder für die Zentrale arbeiten. Und was das bedeutet, brauche ich Ihnen ja wohl nicht zu sagen.“
„Richtig … Parker … Mein Gott, daß ich nicht daran gedacht habe!“
„Als mein Privatsekretär denken Sie eigentlich sehr wenig“, tadelte Hartley. Er liebte den verbindlichen Ton und pflegte ihn geradezu. Er wollte mehr sein als nur ein großer Gangsterboß. Doch wenn es darauf ankam, konnte er brutal und primitiv sein wie ein Steinzeitmensch. Wenn es galt, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, ging er keinem Mord aus dem Weg …
„Sollen wir ihn hochnehmen?“ fragte Crane hastig. Kritik von seinem Boß, mochte sie auch noch so beiläufig oder harmlos vorgebracht werden oder klingen, konnte tödlich sein.
Statt zu antworten, griff Hartley nach dem Hörer des Funktelefons und drückte die Kontakttaste ein. Jetzt konnte er direkt mit einem Begleitwagen sprechen, der eine knappe Meile hinter dem Cadillac herfuhr.
„Stoppt einen hochbeinigen Wagen! Sieht aus wie ein altes Taxi. Ich möchte den Fahrer sprechen!“
Mehr brauchte Hartley nicht zu sagen. Er wußte, daß er sich auf seine Mitarbeiter verlassen konnte. Er wußte allerdings nicht, daß diese Mitarbeiter den Butler bereits kannten. Es waren jene Männer, die im Schnellimbiß mit einem Regenschirm Bekanntschaft gemacht hatten. Crane und Freddy hatten die Begegnung mit Parker verständlicherweise in den rosigsten Farben geschildert und keineswegs zugegeben, daß sie von Parker nachdrücklich abserviert worden waren.
Crane, der dies im Gegensatz zu seinem Boß alles sehr gut wußte, biß sich auf die Lippen. Er ahnte, daß es bald einen Riesenärger geben würde. Hoffentlich ließen die drei Mitarbeiter — Freddy steuerte den Cadillac und zählte jetzt nicht — sich nicht ein zweites Mal ausschalten.
„Wo mag dieser Parker nur gewesen sein?“ Hartley dachte laut und schien trotz seiner Beherrschtheit irritiert. „Er kam aus der Richtung des Ranchhauses. Na, Clemetti wird uns vielleicht mehr sagen können!“
„Natürlich, Boß“, antwortete Crane hastig.
„Solange wir Parker und seinen jungen Chef nicht ausgeschaltet haben, dürfte die Dreierkonferenz nicht gerade friedlich verlaufen“, dachte Hartley jetzt laut. „Ich möchte nur wissen, was ihn in diese Gegend gebracht hat.“
„Könnte ja Zufall gewesen sein, Boß. „Unsinn“, erwiderte Hartley ungnädig. „Bei Parker und Rander ist niemals etwas zufällig. Ob durchgesickert ist, daß wir Portlands Erbe aufteilen wollen?“ „Wie denn, Boß?“
„Dies frage ich mich auch, Crane. Vance ist dicht wie ein Tresor. Er würde niemals reden oder mit Andeutungen um sich werfen. Bei Clemetti ist das anders. Der redet gern und oft.“
„Darf ich mal eine Frage stellen, Boß?“
„Sie dürfen, aber nennen Sie mich nicht immer Boß. Ich heiße Hartley. Also, was wollen Sie fragen?“
„Warum wollen Sie Portlands Erbe eigentlich mit Vance und Clemetti teilen … Haben Sie das nötig?“
„Eigentlich nicht.“ Hartley lächelte etwas arrogant. „Vergessen wir aber nicht, daß Vance und Clemetti starke Organisationen besitzen. Wir können uns keinen Streit leisten. So etwas würde ohne Schießereien niemals klappen. Sind Sie scharf darauf, die Behörden aufmerksam zu machen?“
„Natürlich, nicht, Boß … äh, ich meine, Mr. Hartley.“
„Sehen Sie, Crane, aus diesem Grund wollen wir uns friedlich einigen und unsere Interessengrenzen neu abstecken. Ich frage mich nur, warum dieser Parker sich in der Gegend herumtreibt … Na, das werden wir ja gleich wissen. Meine Mitarbeiter werden ihn mir ja in ein paar Minuten präsentieren …!“
Hoffentlich, dachte Crane und seufzte. Er mußte wieder an die Szene im Schnellimbiß denken. Freddy und drei weitere harte und routinierte Mitarbeiter hatten schließlich schlafend auf dem Boden des Lokals gelegen und einen ziemlich mitgenommenen Eindruck gemacht …
*
Parker hatte das Licht seines hochbeinigen Monstrums bereits eingeschaltet und näherte sich Las Vegas. Schon von weitem sah er einen quer zur Fahrbahn stehenden Wagen, der offensichtlich eine Reifenpanne hatte. Hilfsbereit wie er war, minderte er das an sich bereits geringe Tempo und rollte an den querstehenden Wagen heran. Im Licht der Scheinwerfer machte er einen Mann aus, der dabei war, eine Radkappe zu lösen.
Genau in diesem Moment, als der Butler seinen Wagen bereits verlassen wollte, schrillte seine innere Alarmklingel. Irgend etwas stimmte nicht. Bruchteile von Sekunden später erkannte er genau, was nicht stimmte.
Der Mann am Rad benahm sich au unauffällig, gab sich zu gleichgültig. Er schien es darauf angelegt zu haben, sein Gesiebt zu verbergen. Zudem fiel dem Butler auf, daß gerade jetzt die Radkappe entfernt werden sollte. Was hatte der Fahrer des Wagens denn bisher getan? Nur hoffnungsvoll auf Hilfe gewartet?
Parkers Hände glitten sicherheitshalber über das reichhaltig ausgestattete Armaturenbrett seines Wagens. Dann kurbelte er die Wagenscheibe herunter und beugte sich ein wenig hinaus.
„Irre ich mich in der Annahme, daß Sie Hilfe brauchen?“ rief er dem Fahrer zu.
„Ich komme mit dem Rad nicht klar“, antwortete der Fahrer des querstehenden Wagens und richtete sich langsam auf, „scheint sich was verklemmt zu haben.“
„Ich werde, wenn Sie erlauben und einverstanden sind, dem Straßendienst einen entsprechenden Hinweis geben“, entgegnete der Butler, „gedulden Sie sich ein wenig …!“
Das schien das Stichwort für den Fahrer des Wagens gewesen zu sein. Er fürchtete wohl, Parker würde jetzt weiterfahren. Er riß blitzschnell und durchaus gekonnt eine Schußwaffe aus der Schulterhalfter und richtete die Waffe auf den Butler.
Zusammen mit dieser energischen Bewegung erschienen zwei weitere Männer auf der Bildfläche. Sie hatten sich bisher hinter dem Wagen verborgen gehalten. Sie trugen im Gegensatz zu ihrem Partner kurzläufige Maschinenpistolen.
„Aussteigen!“ rief der Fahrer Parker zu, „los, beeilen Sie sich, oder sollen wir Ihnen Beine machen!?“
Parker hatte die drei Männer inzwischen wiedererkannt. Es handelte sich um jene Sportsleute, denen er bereits im Schnellimbiß auf der Fahrt nach Las Vegas eine eindeutige Lektion erteilt hatte. Er wußte also, woran er mit diesen drei Männern war. Er vermißte zwar den vierten Mann, doch darauf kam es jetzt im Augenblick nicht an. Er mußte erst einmal dafür sorgen, daß sein Wagen nicht unnötig beschädigt wurde. Ihm lag sehr viel daran.
Parker schob also seinen rechten Fuß vor bis an die Spritzwand des Bodenbretts und löste mit der Schuhspitze einen Kontakt aus. Der Effekt war frappierend.
Ein überaus grelles Blitzlicht zuckte aus den präparierten Scheinwerfern seines hochbeinigen Monstrums hervor. Heller als tausend Sonnen hätte man dazu sagen können. Die Dunkelheit wurde völlig vernichtet und ausgeleuchtet.
Die drei bewaffneten Schläger erstarrten zu Salzsäulen und waren nicht in der Lage, irgendwie zu reagieren. Sie waren geblendet und hilflos. Sie waren zudem derart überrascht, daß sie völlig vergaßen, wenigstens ihre Waffen sprechen zu lassen.
Parker griff in das Handschuhfach seines Wagens und holte eine Plastik-Eierhandgranate hervor. Er riß den Sicherungsstift heraus und warf den explosiven Gegenstand in Richtung der drei Salzsäulen, die sich noch immer nicht zu regen vermochten.
Die Detonation erfolgte augenblicklich.
Mit einem orangefarbenen Lichtblitz platzte die Eierhandgranate auseinander und verursachte dabei einen Lärm, der durchaus geeignet war, diverse Trommelfelle in peinliche Schwingungen zu versetzen.
Die drei Salzsäulen verschwanden. Sie wurden von einer tiefgelben Rauch- und Nebelwolke verschluckt. Mehr tat sich nicht. Die Eierhandgranate enthielt selbstverständlich keinen Sprengstoff, sie löste sich auch keineswegs in lebensgefährliche Stahlsplitter auf. Solche Waffen verschmähte Josuah Parker. An Blutvergießen war er noch nie interessiert gewesen. Dies widersprach seinen Prinzipien.
Während die drei Schläger in der Qualm- und Nebelwolke nun jede Orientierung verloren, ließ Parker sein hochbeiniges Vehikel wieder anrollen und dirigierte es neben den querstehenden Wagen. Er nahm sich trotz der Gefährlichkeit der Situation noch die Zeit, eine kleine Metallkapsel vorn am Kühler festzukleben. Dann gab er Gas und rauschte davon.
Die drei völlig verwirrten Schläger brauchten genau zweidreiviertel Minuten, bis sie sich endlich wieder zu orientieren vermochten. Sie hatten sich zurück zu ihrem Wagen getastet und ließen sich völlig erschöpft in die Polster sinken.
„Das können wir dem Boß niemals erklären“, sagte einer von ihnen und wischte sich die tränenden Augen aus, „drei Männer … aber dieser, verdammte Bursche legt uns alle ’rein …!“
*
Ronny und Ray, die beiden Mitarbeiter Clemettis, befanden sich bereits in der Suite von Walt Harris und spielten sich als harte Profis auf.
„Ich glaube, wir machen jetzt mal ’ne hübsche, kleine Ausfahrt“, schlug Ronny in schleppender Sprechweise vor, die er einem Leinwandgangster abgehört hatte, „und unterwegs unterhalten wir uns über gewisse Verkaufsabsichten …!“
„Aber wieso denn?“ sagte Harns, dem der kalte Angstschweiß wieder einmal auf der Stirn stand, „es bleibt doch dabei, daß ich an Clemetti verkaufen werde!“
„Und wie war das mit diesem komischen Anwalt aus Chikago?“ Nun war Ray an der Reihe, den kalten Routinier zu spielen, „will Mr. Harris etwa aussteigen? Oder krumme Sachen machen?“
„Wer hier krumme Sachen macht, müßte erst noch festgestellt werden“, sagte Mike Rander in diesem Moment und betrat den Salon der Suite. Nicht unbewaffnet natürlich. Er hielt eine 38er in der Hand. Und diese Waffe machte sich in seiner Hand recht gut. Sie paßte zu dem jungen, sportlichen Mann. Man brauchte nicht eine Sekunde lang daran zu zweifeln, daß er sie zu handhaben wußte.
Ronny und Ray, völlig überrascht, hoben spontan und freudig erregt die Arme. Sie starrten leicht perplex auf den jungen Anwalt. Harris hingegen war mit den Nerven fertig. Er rutschte in einen herumstehenden Sessel und beschäftigte sich mit seinem Angstschweiß.
„Zupft eure Waffen aus den Halftern“, sagte Rander, „und, bitte, keine Dummheiten! Denken Sie an den Teppich! Der ist bestimmt nicht so leicht zu reinigen!“
Ronny und Ray verstanden.
Sie waren sehr vorsichtig, als sie ihre Waffen zu Boden fallen ließen. Dann aber juckte Ronny das Pell. Er wollte sich beweisen und stürzte sich auf Rander.
Er hätte es besser nicht getan.
Der junge Anwalt nahm fast lässig das linke Knie hoch und ließ Ronny auflaufen.
Der Gangster kickste erschreckt auf, verdrehte die Augen und stürzte zu Boden. Ray, der seinem Partner nachfolgen wollte, konnte seinen Schwung gerade noch im letzten Augenblick bremsen. Er grinste verlegen und hob verlegen die Schultern.
„Ist auch besser so“, meinte der junge Anwalt lächelnd, „kümmern Sie sich um Ihren Partner … Fahren Sie zurück zu Clemetti und richten Sie ihm aus, daß Harris nicht verkaufen wird, haben Sie das mitbekommen!?“
„Das ist doch Wahnsinn!“ antwortete Ray hastig und fast vermittelnd, „gegen unseren Chef haben Sie doch niemals eine Chance, Rander.“
„Aha, man kennt uns also bereits! Dann dürfte Clemetti auch wissen, daß aus seinem Geschäft nichts werden wird!“
„Unterschätzen Sie Clemetti nicht“, beschwor Ray den Anwalt, „der läßt sich so was doch nicht bieten … Gerade jetzt nicht!“
„Ich verstehe kein Wort“, erwiderte Rander vorsichtig, „warum gerade jetzt nicht? Hängt das etwa mit Big Boß Hartley zusammen?“
Seine Frage war ein Schuß ins Blaue.
„Nicht nur wegen Hartley“, antwortete Ray arglos und eifrig zugleich. Ihm ging es darum, den Anwalt einzuschüchtern, das Beste aus der Situation zu machen, „auch Vance ist hier!“
„Interessant“, meinte der junge Anwalt lächelnd. Er wußte mit dem Namen Vance sehr viel anzufangen. In der Gangsterhierarchie kannte er sich schließlich aus, „handelt sich wohl um ein Dreiertreffen, oder?“
„Verstehen Sie jetzt?“ gab Ray zurück und nickte, „gegen unseren Chef und Vance und Hartley kommen Sie niemals an! Ich mache Ihnen einen Vorschlag.“
„Ich höre …!“
„Kümmern Sie sich nicht weiter um Harris. Ihm wird nichts passieren, wenn er unterschreibt. Und Sie und Ihr Butler … nun ja, Sie sollten lieber umgehend verschwinden, bevor Clemetti ruppig wird.“
„Vielen Dank für die freundlichen Hinweise“, sagte Rander lächelnd, „demnach haben wir es also mit Clemetti, Vance und Hartley zu tun!“
„Die ,Großen Drei‘ also, wie sie in Fachkreisen genannt werden … Meinen Butler wird das sehr freuen.“
„Freuen Sie sich, wenn Sie Las Vegas hinter sich gebracht haben“, warnte Ray noch einmal.
„Wie wäre es damit, wenn Sie die günstige Gelegenheit nutzen?“ schloß Rander die Unterhaltung, „noch haben Sie Zeit und Gelegenheit, sich in Sicherheit zu bringen.“
„Sie wollen wirklich gegen die ,Großen Drei‘ vorgehen?“ Ray sah den Anwalt ungläubig an.
„Möglich, aber darüber muß ich erst mit meinem Butler sprechen“, sagte Rander, „so, schnappen Sie sich jetzt Ihren Partner und gehen Sie …! Noch habe ich es mir nicht anders überlegt!“
*
Die „Großen Drei“ hatten es sich in der riesigen Wohnhalle des Ranchhauses bequem gemacht. Sie waren unter sich. Ihre Leibwächter, Schläger, Gorillas und Privatsekretäre befanden sich im Seitentrakt der modernen Ranch und störten nicht weiter. Clemetti zog Bilanz.
„Wir wissen also, wer Rander und Parker sind! Zufällig können sie nicht hier in Las Vegas auf getaucht sein … Ich möchte wetten, daß die ,Zentrale‘ sie auf uns angesetzt hat. Wir müssen uns also etwas einfallen lassen!“
„Die ,Zentrale‘ befaßt sich nicht mit Kriminaldingen innerhalb der Staaten“, wandte Hartley kopfschüttelnd ein, „das dürfte sich inzwischen doch herumgesprochen haben. Aber gut, Parker und Rander halten sich in der Stadt auf! Wegen uns? Dann muß man ihnen zugesteckt haben, daß wir uns hier treffen wollten.“
„Wer denn?“ Clemetti sah Hartley scharf an, „selbst unsere Jungens wissen ja noch nicht einmal, um was es geht. Und wissen erst seit heute, daß wir uns hier bei mir treffen wollten!“
„Ich habe auf jeden Fall nichts gesagt. Ich würde mich hüten.“ Hartley lächelte überlegen.
„Ich habe selbstverständlich auch nichts gesagt“, erklärte Vance ruppig, „und Clemetti scheidet natürlich auch aus! Wir sitzen ja alle in einem Boot! Also doch Zufall!?“
„Bleiben wir mal dabei“, sagte Hartley, „aber es paßt mir nicht, daß die beiden Schnüffler hier in der Stadt sind. Sie haben schon genug Unheil angerichtet. Clemetti, denk an deine beiden Spezialisten Ronny und Ray!“
„Und denk du an deine drei Schläger, die draußen vor der Stadt von Parker hochgenommen wurden!“
„Ihr braucht euch gegenseitig nichts vorzuwerfen“, schaltete Vance sich ärgerlich ein, „wundert mich überhaupt nicht, daß eure Leute aufs Kreuz gelegt worden sind. Parker und Rander stecken voller Tricks. Überlegen wir besser, wie wir die beiden Schnüffler ausschalten können.“
„Richtig“, warf Hartley ein, „bevor wir das nicht geschafft haben, können wir nicht in aller Ruhe tagen.“
„Wie lange soll das überhaupt dauern?“ wollte Vance wissen.
„Ich denke, wir werden uns schnell einig werden.“ Clemettis Optimismus war unüberhörbar, „Portlands Organisation ist ja kein Geheimnis. Wir wissen doch, um was es sich handelt.“
„Wissen wir eigentlich auch, von wem Portland seinerzeit umgebracht wurde?“ warf Hartley lächelnd und überlegen ein, „er starb ziemlich überraschend, nicht wahr?“
„An verdorbenen Austern!“ sagte Vance schnell.
„An vergifteten Austern“, fügte Clemetti grinsend hinzu, „aber ist es denn überhaupt wichtig, woran Portland starb? Es geht jetzt darum, seine Organisation aufzuteilen. Das große Syndikat in New York ist mit der Aufteilung einverstanden, sofern wir die Verpflichtungen Portlands übernehmen und pünktlich einhalten.“
„Worauf warten wir noch?“ Vance stand auf, „ich möchte so schnell wie möglich wieder weg. Mir sitzen Rander und Parker im Magen. Würde mich überhaupt nicht wundem, wenn wir bereits belauert und beobachtet würden.“
„Ich mache folgenden Vorschlag.“ Auch Hartley war aufgestanden. „Wir hetzen unsere Leute auf die beiden Schnüffler. Noch in dieser Nacht. Sie müssen in aller Stille aus dem Verkehr gezogen werden. Unauffällig und für immer.“
„Und wo finden wir Rander und Parker?“ Vance hob nichtwissend die Schultern.
„Ich weiß es“, antwortete Clemetti, „sie wohnen in einem Bungalow am Rande der Stadt!“
„Interessant! Und woher weißt du das?“ Hartley lächelte nicht mehr. Vance lächelte schon seit geraumer Zeit nicht mehr, aber das war man an ihm so gewohnt.
„Keine Sorge, ich kann das schnell erklären.“ Clemetti spürte das Mißtrauen seiner beiden Geschäftspartner. Also berichtete er von Harris und seiner Absicht, dessen Motel- und Hotelkette zu einem Niedrigstpreis zu erwerben.
„So ist das also!“ Hartley war irgendwie erleichtert, „demnach sind Rander und Parker gar nicht wegen uns gekommen!“
„Wegen Clemetti! Und das kommt auf dasselbe heraus“, erklärte Vance nachdrücklich, „wir sind schließlich hier seine Gäste. Wie konntest du zu solch einem Zeitpunkt ein privates Geschäft aufziehen? Damit hast du uns ungewollt die beiden Schnüffler auf den Hals geladen. Ich bin dafür, die Konferenz zu vertagen. Der Boden ist einfach zu heiß.“
„Und die Zeit für eine Vertagung ist zu knapp“, meinte Hartley eindringlich, „wenn wir uns nicht in den nächsten zwei, drei Tagen einigen, gibt das Syndikat anderen Interessenten eine Chance. Und dieses Geschäft hier will ich mir nicht entgehen lassen. Bei mir in Los Angeles saß Portland ganz schön drin!“
„Bei mir in Las Vegas ebenfalls“, stellte Clemetti fest, „und bei dir, Vance, ist es doch nicht anders. Gerade in Milwaukee hatte Portland sich doch ganz schön ausgeweitet, oder?“
„Also gut, bringen wir es schnell hinter uns.“ Vance nickte. „Schicken wir unsere Jungens los. Noch in dieser Nacht müssen Rander und Parker erledigt werden. Aber wir werden natürlich nicht alle Leute losschicken. Wir brauchen hier eine ständige Wache. Ich traue den beiden Schnüfflern nicht, ich kann es immer nur wiederholen.“
*
„Einen heißeren Fall hätten wir uns gar nicht aussuchen können“, stöhnte Mike Rander in komischer Verzweiflung auf und sah seinen Butler kopfschüttelnd an, „Clemetti, Vance und Hartley! Die ,Drei Großen‘. Ich fürchte, wir werden noch eine Menge Ärger bekommen.“
„Eine Gefahr, so lehrt ein altes Sprichwort, Sir, die man erkannt hat, stellt bereits keine Gefahr mehr dar“, erwiderte Parker gemessen und holte Hand über Hand das lange, dünne Kabel ein, an dem ein leistungsstarkes Rundum-Mikrofon hing.
Zusammen mit seinem jungen Herrn stand er auf dem schmalen Felsgrat weit oberhalb des Ranchhauses. Nachdem sie sich getroffen hatten, waren sie auf dem schnellsten Weg hinaus zur Ranch Clemettis gefahren, um dort Informationen zu sammeln.
Dank der reichhaltigen, technischen Ausstattung, über die der Butler ja stets verfügte und die sich im Kofferraum seines Wagens befand, war dies gelungen. Das herabgelassene Mikrofon hatte die Unterhaltung der „Großen Drei“ wortwörtlich wiedergegeben. Nun wußten Rander und sein Butler genau Bescheid. Nun wußten sie, was sie erwartete.
„Sind Sie soweit?“ fragte Rander ungeduldig.
„Nur noch wenige Minuten, Sir!“
„Eigenartig, daß Clemetti diese Steilwand nicht bewachen läßt“, redete Rander leise weiter, „das ist doch Leichtsinn. Er muß doch damit rechnen, daß er hier verwundbar ist.“
„Bisher hatte Mr. Clemetti wahrscheinlich noch niemals Schwierigkeiten gehabt“, erwiderte der Butler. Er hatte inzwischen das Mikrofon geborgen und verstaute es zusammen mit dem langen Kabel in einem kleinen Koffer. „Gangster von der Art Mr. Clemettis können sich einfach nicht vorstellen, daß man gegen sie angeht. Er wird, so glaube ich, umdenken müssen.“
Rander nickte und schob sich noch einmal an den Steilhang heran. Er legte sich flach nieder und schaute nach unten. Am Fuß der glatten Felswand war tief unten das Dach des Ranchhauses zu sehen. Das Mondlicht war ausreichend genug, die Szenerie zu beleuchten.
„Wieviel Meter mögen das sein?“ fragte er, sich zu Parker umwendend.
„Ich würde annahmen, Sir, daß es sich schätzungsweise um 100 bis 120 Meter handelt.“
Rander wollte weiterreden, als er plötzlich den Kopf anhob und nach unten deutete.
Parker beigab sich neben seinen jungen Herrn und sah nach unten.
Vom Ranchhaus löste sich ein Wagen, der in schneller Fahrt hinunter zum Tor fuhr.
„Das Mordkommando“, sagte Rander, „Clemetti und seine beiden Freunde scheinen es verflixt eilig zu haben.“
„Darf ich mir erlauben, Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten, Sir?“
„Sie dürfen. Ich ahne schon, worauf Sie hinauswollen.“
„Könnte man die Herren dort unten im Ranchhaus nicht ein wenig beschäftigen, Sir?“
„Und wie, wenn ich fragen darf?“
„Ich habe mir erlaubt, einige Feuerwerkskörper im Park zu verteilen.“
„Wie bitte? Wann denn?“
„Als ich Mr. Clemetti einen kurzen Besuch abstattete, Sir. Die ballgroßen Knallkörper befinden sich unter diversen Blumenrabatten und im Gesträuch des Parks. Ich brauche sie nur fernzuzünden!“
„Was ist denn das wieder für eine Überraschung? Die kenne ich ja noch gar nicht.“
„Es handelt sich um das Ergebnis einer Freizeitgestaltung, Sir. Ich beschäftigte mich mit dem Problem, Feuerwerkskörper immer dann zünden zu können, falls es meinen Absichten entspricht. Ich kam nach dieser Fragestellung auf einen Funkzünder, technisch übrigens leicht zu erstellen.“
„Sie können die Feuerwerkskörper also nach Belieben in die Luft gehen lassen? Per Funkimpuls?“
„In der Tat, Sir!“
„Gehen nicht alle Knallfrösche in die Luft, wenn Sie den Impuls aussenden?“
„Jeder Feuerwerkskörper, Sir, spricht auf eine andere Frequenz an.“
„Ganz schön aufwendig, wie?“
„Keineswegs, Sir. Ich besorgte mir die Bauteile in Spezialgeschäften für Funkbastler. Es handelt sich dabei um niedrige Dollarbeträge, die leicht zu verschmerzen sind.“
„Okay, dann überraschen Sie mich mal!“
Parker nickte höflich und holte ein schmales, kleines Transistorradio aus dem kleinen Spezialkoffer. Er stellte eine bestimmte Frequenz ein und deutete nach unten.
„Wenn Sie erlauben“, sagte er dann gemessen und fast feierlich, „werde ich jetzt mit meinem Experiment beginnen. Ich darf gestehen, daß ich selbst erwartungsvoll bin, wie meine kleine technische Spielerei funktionieren wird.“
*
Clemetti, Vance und Hartley hatten es sich bequem gemacht. Sie saßen vor dem Kamin, in dem ein mächtiges Feuer flackerte. Die große Glasfront zur Terrasse hin war im Boden versenkt worden. Die kühle, schon fast kalte Nachtluft drang in die Wohndiele ein, wurde aber aufgefangen vom Kaminfeuer.
Clemetti ließ saftige, magere Steaks servieren, die auf einem Grill geröstet worden waren. Dazu gab es kühles, herbes Lagerbier. Clemettis Hausgangster waren gut gedrillt. Sie bewegten sich schnell und unauffällig.
Vance genoß die Nacht.
Er hatte sich etwas beruhigt und dachte daran, was er durch seine Umsiedlung hierher zu Clemetti an Hotelkosten sparte. Hartley fühlte sich ebenfalls wohl. Er stand ja dicht vor einem tollen Geschäft. Sobald er sich mit Vance und Clemetti geeinigt hatte, könnte er sein Imperium noch weiter ausbauen.
Clemetti war ebenfalls bester Stimmung. Er hatte seine beiden großen Konkurrenten hier bei sich im Haus. Gewiß, sie waren nicht ohne ihre Leibwächter gekommen, doch die stellten kaum ein Problem dar. Mit etwas Geschick und Raffinesse ließen die beiden Gäste sich bestimmt ausschalten. Clemetti dachte nicht im Traum daran, Portlands Erbe mit ihnen zu teilen. Dazu war er viel zu gierig und zu machthungrig.
„Greift doch zu, Freunde“, rief er Vance und Hartley lächelnd zu, „nach den Steaks kommt noch eine Überraschung … frische Erdbeeren mit Schlagsahne!“
Vance nickte und sah sich nach den Erdbeeren um, die bereits hereingetragen wurden. Er füllte sich eine Glasschale und versorgte sich ausgiebig mit Schlagsahne. Hartley stand nicht zurück. Auch er ließ sich ausgiebig reichen. Clemetti streckte gerade die Hände nach seiner gefüllten Glasschale aus, als es passierte.
Donnerartig ging draußen im Park eine Art Bombe los.
Ein greller Feuerschein durchschnitt die Nacht, Fensterscheiben klirrten und zitterten.
Vance riß abwehrend die Hände hoch.
Die Schlagsahne landete prompt in seinem Gesicht und sahnte ihn vollkommen ein. Gurgelnd und spuckend, nach Luft ringend und aufbrüllend, warf Vance sich aus dem Sessel und ging in volle Deckung.
Dabei stieß er Clemetti um, der ebenfalls aufgesprungen war. Clemetti fiel so unglücklich, daß sein Gesicht in der Sahneschüssel landete.
Clemetti gurgelte, warf sich zurück und strich sich die eisgekühlte Schlagsahne mit Vehemenz aus dem Gesicht. Dabei bediente er Hartley, der selbstverständlich auch aufgesprungen war und bereits seine Schußwaffe gezogen hatte.
Irritiert zuckte Hartley zusammen, als eine Ladung Schlagsahne sein Gesicht traf. Er wollte sich zurückwerfen, als er ausrutschte und mit dem Gesäß in der Erdbeerschüssel landete.
Was den Erdbeeren überhaupt nicht bekam.
Sie wurden zu weichem Mus, quatschten und spritzten unter dem Druck seines Gesäßes auseinander und bespritzten Vance und Clemetti. Auf diesem etwas ungewöhnlichen Umweg kamen so Vance und Clemetti doch noch zu den ersehnten Erdbeeren.
Die „Großen Drei“ sahen in diesen Sekunden und Minuten nicht gerade furchteinflößend aus. Sie erinnerten an Klamottenkomiker aus der Zeit der Stummfilme. Sie erinnerten an begossene Pudel und kämpften mit Erdbeeren und Schlagsahne.
Clemettis Männer stürzten in die große Wohndiele und blieben erst einmal wie erstarrt stehen. Sie stierten auf ihre großen Bosse, die gerade dabei waren, sich die Gesichter freizuschaufeln. Und dann konnten sie nicht umhin, breit zu grinsen. Bilder solcher Qualität hatten sie bisher noch nicht gesehen.
„Schert euch zum Teufel“, brüllte Hartley, der noch am besten sprechen konnte, „seht, was es draußen gibt. Los, macht schon! Legt alles um, was Ärger macht!“
Die Männer beeilten sich, die Wohnhalle zu verlassen. Kaum aber hatten sie die Terrasse verlassen und den Garten erreicht, als der zweite Feuerwerkskörper in die Luft dröhnte.
Nun war es mit der noch mühsam aufrechterhaltenen Fassung vorbei.
Die Gangster schossen aus allen Rohren in die Dunkelheit hinein. Um die Clemetti-Ranch schien eine mittelschwere Gefechtstätigkeit entbrannt zu sein …
*
„Sehr schön!“ meinte Anwalt Rander lächelnd, „Sie haben sich wieder einmal selbst übertroffen, Parker. Unsere Freunde dort unten auf der Ranch scheinen nervös geworden zu sein.“
„Wenn Sie erlauben, Sir, würde ich diese Nervosität noch etwas steigern.“
„Grundsätzlich einverstanden, Parker, aber was versprechen Sie sich davon? Wollen Sie die „Großen Drei“ derart in Panik versetzen, daß sie die Ranch für immer verlassen?“
„Daran müßte man die Herren selbstverständlich hindern, Sir.“
„Und wie soll das geschehen?“
„Auf dem Umweg über kleine Überraschungen, wenn ich mich so ausdrücken darf.“
„Einzelheiten, Parker, Einzelheiten!“
Rander und Parker schritten zurück zum hochbeinigen Monstrum, das tief unten zwischen Felsblöcken versteckt war. Sie konnten sich ungeniert unterhalten. Eine Entdeckung oder Überraschung hier draußen war vorerst nicht zu befürchten.
„Ich gehe von folgenden Voraussetzungen aus, Sir … Die ,Großen Drei‘ möchten das Erbe des Gangsters Portland unter sich aufteilen. Dies ging aus dem belauschten Gespräch ja eindeutig hervor. Meiner bescheidenen Ansicht nach müßte dies verhindert werden. Ein weiterer Machtzuwachs dieser drei Gangster könnte sich auf die Sicherheit friedliebender Bürger verheerend auswirken.“
„Schön … stimmt schon, Parker. Aber was erreichen Sie, wenn die ,Großen Drei‘ sich absetzen und erst einmal verkriechen?“
„Die Gier nach Macht und Geld wird größer sein als die Angst, Sir. Meiner bescheidenen Ansicht nach werden die ,Großen Drei‘ auf der Ranch bleiben. Zumal dann, wenn man sie dazu ermuntert.“
„Ermuntert? Was haben Sie sich einfallen lassen?“
„Man müßte die ,Großen Drei‘ belagern, Sir.“
„Wer soll das schaffen? Sie und ich allein? Ausgeschlossen! Das wird niemals klappen. Jetzt übernehmen Sie sich.“
„Man sollte es auf einen kleinen bescheidenen Versuch ankommen lassen, Sir.“
„Angenommen, die ,Großen Drei‘ lassen sich festhalten. Was ist damit erreicht? Früher oder später werden sie Portlands Gangsterimperium doch unter sich auf teilen.“
„Falls die ;Großen Drei‘ sich inzwischen nicht gegenseitig außer Gefecht gesetzt haben, Sir.“
„Psychologische Kriegsführung?“
„In der Tat, Sir. Dieser Kampfweise dürften die ,Großen Drei‘ nicht gewachsen sein. Ich möchte sie dazu bringen, Farbe zu bekennen. Bisher ist es den einschlägigen Behörden nicht gelungen, den Herren Clemetti, Vance und Hartley Ungesetzlichkeiten nachzuweisen. Die Schmutzarbeit wurde immer von ihren Handlangern erledigt. Nun aber sollte man sie dazu zwingen, selbst gegen die Gesetze zu verstoßen. Das wäre eine Handhabe, sie endlich hinter Schloß und Riegel zu bringen.“
„Hört sich gut an, Parker. Aber ich glaube, da werden wir uns eine Menge einfallen lassen müssen. Wir haben es immerhin mit drei sehr cleveren Gangsterbossen zu tun. Die werden nicht so leicht aufstecken.“
„Ich freue mich, wenn ich gestehen darf, auf diese Auseinandersetzung. Sir.“
„Hoffentlich kann ich das später auch von mir sagen.“ Randers Stimme klang skeptisch, „aber gut, versuchen wir es. Über eines sind Sie sich ja hoffentlich klar, Parker: An die Ranch kommen wir jetzt nicht mehr heran. Nach den Explosionen läßt Clemetti das Grundstück hermetisch absperren.“
„Darf ich auf meine Spezialausrüstung verweisen, Sir?“ Parker deutete auf den Kofferraum seines Monstrums, das sie inzwischen erreicht hatten. „Ich möchte doch als sicher unterstellen, daß sich Mittel und Wege finden lassen werden, die Füchse im Bau aufzuspüren.“ „Möchte ich gar nicht abstreiten, Parker, aber wie würden Sie reagieren, wenn Sie einer der großen Drei wären?“ „Unbedingt zum Gegenangriff übergehen.“
„Eben. Und mit dieser Möglichkeit müssen wir umgehend rechnen, Parker. Clemetti, Vance und Hartley legen ganz sicher nicht die Hände in den Schoß. Vielleicht sollten wir unsere Lebensversicherungen etwas anheben lassen!“
*
Es wurde hell.
Clemetti, Vance und Hartley hingen in den tiefen, bequemen Sesseln, aber sie sahen übernächtigt und nervös aus. Den Rest der Nacht hatten sie fast schweigend verbracht.
Sie wußten bereits von dem ausgeschickten und zurückgekehrten Mordkommando, daß Mike Rander und Josuah Parker mit unbekanntem Ziel Las Vegas verlassen hatten. Sie hatten das zur Kenntnis genommen, weigerten sich innerlich aber, daran zu glauben. Sie ahnten, daß die beiden Männer, die sie so sehr haßten, irgendwo in der Nähe waren.
„Ich glaube, wir sollten einen Schluck Kaffee trinken“, schlug Clemetti als Gastgeber vor und stemmte sich aus dem Sessel hoch. „Es ist doch sinnlos, wie ein hypnotisiertes Kaninchen auf die Schlange zu starren. Haben wir doch nicht nötig.“
„Ich weiß, was wir brauchen“, schaltete Hartley sich ein, „wir brauchen Rander und Parker. Und zwar verpackt in einem Sarg. Und zwar so schnell wie möglich. Clemetti, Sie sind doch hier in Las Vegas zu Hause. Sie müssen es doch schaffen, die beiden Schnüffler ausfindig zu machen. Wozu haben Sie Ihre Organisation?“
„Die Suche nach den beiden Kerlen läuft bereits auf Hochtouren“, antwortete Clemetti, „alle Highways werden von meinen Freunden bereits überprüft und abgeschirmt. Kann nur noch eine Frage der Zeit sein, bis wir sie aufgespürt haben.“
„Und sobald wir wissen, wo sie stecken, müssen sie ausgeschaltet werden.“ Vance stand ebenfalls auf und wirkte plötzlich überraschend energisch. „Wenn es sich ’rumspricht, daß wir vor diesen beiden Schnüfflern ausgerissen sind, sind wir doch erledigt.“
Clemetti nickte. Gleichzeitig aber sah er Vance mißtrauisch und überrascht an. Warum, so fragte er sich, ist Vance auf einmal dafür, diese Sache durchzustehen. Vor ein paar Stunden war er doch noch dafür, die Konferenz zu vertagen. Was, so fragte er sich weiter, plant dieser gerissene Fuchs?
Vance plante tatsächlich etwas, doch er hütete sich, davon auch nur eine Andeutung laut werden zu lassen. Er hatte sich die Situation gründlich überlegt. Er witterte die Möglichkeit, Clemetti und Hartley überrumpeln zu können. Scheinbar völlig legal. Zwei Morde an Gangsterbossen konnte man leicht auf das Konto der beiden Schnüffler umbuchen.
So ähnlich dachte übrigens auch Hartley. Seine Gedanken kreisten um Clemetti und Vance. Hartley wollte ebenfalls nicht teilen. Er war nicht nur scharf auf Portlands Imperium, er spekulierte schon darauf, die Gangsterimperien von Clemetti und Vance an sich zu reißen. Sein Appetit war stets groß gewesen.
Die drei Gangsterfreunde, die sich liebend gern gegenseitig schon jetzt umgebracht hätten, gingen hinüber in einen Speiseraum und frühstückten. Anschließend wollten sie Toilette machen und in die Verhandlung einsteigen. Doch sie hatten ihre erste Tasse Kaffee noch nicht ganz leergetrunken, als ein alarmierender Telefonanruf eintraf.
Clemetti als Hausherr nahm ihn entgegen. Er hörte einen Moment schweigend zu, dann nickte er und legte auf. Er wandte sich an seine beiden Kollegen.
„Rander und Parker müssen noch in der Stadt sein“, sagte er dann, „dieser komische Wagen von Parker ist auf den Highways nicht gesehen worden.“
„Das besagt doch gar nichts!“ Vance schüttelte zweifelnd den Kopf.
„Dieses Monstrum ist bestimmt geländegängig“, warf Hartley ein, „für mich zählen nur Tatsachen!“
„Die können Sie haben, Hartley. Clemetti nickte gewichtig. „Rander und Parker waren am frühen Morgen in einem Geschäft für Scherzartikel. Sie sind einwandfrei erkannt worden.“
„Wo waren sie?“ Vance und Hartley sahen sich ungläubig an.
„In einem Laden für Scherzartikel“, wiederholte Clemetti noch einmal. „Sie kamen nach einer knappen Viertelstunde mit ein paar Paketen wieder heraus und fuhren los.“
„Versteht ihr das?“ Vance spürte ein Prickeln im Genick.
„Überhaupt nicht“, sagte Hartley, „ich weiß nur, daß die beiden Schnüffler irgendeine Teufelei aushecken … Wir müssen mächtig auf Draht sein, wenn wir nicht hereingelegt werden wollen!“
„In ein paar Stunden haben wir sie“, stellte Clemetti fest. „Sie sind nach wie vor in Las Vegas. Das habe ich im Gefühl, Freunde. Die sind so verrückt, uns hier anzugreifen. Besser können wir es doch überhaupt nicht haben!“
Bevor Vance und Hartley antworten konnten, stürzten Ronny und Ray ins Zimmer. Hinter ihnen tauchten Crane und Freddy auf. Ihnen folgten Vances Gorillas Steve und Clive. Sie alle wirkten recht aufgeregt.
„Was ist denn?“ fauchte Clemetti gereizt.
„Oben, Boß, oben!“ keuchte Ray.
„Ein toller Brocken!“ hechelte Ronny.
„Wovon redet ihr eigentlich?“ wollte Clemetti wütend wissen. Er hatte das Gefühl, daß seine beiden engsten Leibwächter verrückt geworden waren.
„Ein dickes Ding, Chef, verdammt dickes Ding“, schnaufte nun auch Privatsekretär und Quartiermacher Crane in Richtung Hartley.
„Sagenhaft!“ kommentierte Freddy, der Vormann der drei Hartley-Schläger.
„Steht auf der Kippe, Chef“, flüsterte Steve seinem Boß Vance zu und verdrehte die Augen.
„Wenn der abrutscht, sind wir erledigt“, schloß Clive und kämpfte gegen ein leichtes, konvulsivisches Zittern an.
„Wovon redet ihr eigentlich?“ schrie Clemetti aufgebracht, „könnt ihr euch nicht deutlicher ausdrücken?“
„Sehen Sie sich das Ding an, Chef“, bat Ronny, „mir ist richtig schlecht!“ Er schloß und verdrehte die Augen. Er war einer leichten Ohnmacht nahe.
*
Clemetti, Vance und Hartley standen vor dem Ranchhaus und starrten entgeistert hinauf zum Grat des fast senkrecht abfallenden Felsens, an dessen Fuß sich die Gebäude fast liebevoll anschmiegten.
Clemetti zweifelte an seinem Verstand. Das, was er dort oben sah, war gestern noch nicht vorhanden gewesen.
„Worauf warten wir noch?“ flüsterte Hartley, der um sein Leben fürchtete. Auf Zehenspitzen stahl er sich davon. Rückwärts, immer mit dem Blick nach oben. Er wagte kaum zu atmen. Er hatte Angst, daß die Katastrophe jede Sekunde eintreten könnte.
„Nichts wie weg“, flüsterte Vance. Trotz seiner Feststellung aber blieb er wie gelähmt stehen und konnte den Blick nicht vom Grat der Steilwand lösen. Ein Blutstau bildete sich in seinem Kopf. Er glaubte, unter dem Messer einer Guillotine zu liegen.
Clemetti hatte sich endlich gefaßt.
„Das kann nicht wahr sein“, flüsterte er immer wieder vor sich hin und rieb sich dann die Augen. Er hoffte, an gewissen Einbildungen zu leiden, und wünschte, daß dieses schreckliche Bild sich verlor.
„Es kippt … es kippt!“ schrie Ronny in diesem Moment und deutete mit ausgestrecktem Arm nach oben. „Rette sich, wer kann! Lauft, Jungen, gleich passiert es!“
*
Mike Rander und Josuah Parker befanden sich hoch auf dem Grat und schauten hinunter auf die Clemetti-Ranch. Sie konnten von ihrem Standort aus jede Einzelheit erkennen. Und sie genossen wie zwei große Lausejungen das Resultat eines gewissen Streiches.
Neben ihnen türmte sich ein riesiger Felsklotz hoch, gelbgrau in der Farbe, drohend, tonnenschwer, unheimlich und tödlich. Dieser Felsklotz war auf rätselhafte Art und Weise hinauf auf den Grat befördert worden. Es war Parkers Geheimnis, wie er das geschafft hatte. Denn dies sollte gesagt werden, Parker allein hatte diesen mächtigen Felsklotz an seine Stelle gebracht. Er hing, zum Abkippen nahe, über den Rand der Steilwand.
„Die Herren scheinen ja mächtig nervös geworden zu sein“, stellte Rander lächelnd fest. Er sah durch ein kleines Fernglas hinunter auf die Ranch. „Sehen Sie doch, Parker, da scheint sich so etwas wie eine Flucht vorzubereiten!“
„Ich muß gestehen, Sir, daß ich mich ein wenig freue“, antwortete Josuah Parker in seiner zurückhaltenden Art und Weise, „zeigt es sich doch, daß selbst hartgesottene Gangster die Naturgewalt scheuen.“
„Scheuen ist gar kein Ausdruck!“ Rander grinste breit. „Aufgeschreckte Ameisen sind noch ruhig gegen den Betrieb da unten.“
Der junge Anwalt übertrieb keineswegs.
Man sah unten vor der Ranch die Männer, die herumliefen, hinauf zum Grat starrten, dann in rasender Eile im Ranchhaus verschwanden und schließlich wieder mit irgendwelchen Habseligkeiten auftauchten.
„Sollten wir den Burschen nicht Beine machen?“ Rander wandte sich an seinen Butler, der sich gerade erhob und seine Frage mit einem würdevollen Kopfnicken beantwortete.
Rander erhob sich nun ebenfalls.
Er trat einige Schritte zurück und schaute seinem Butler zu, der sich inzwischen gegen den tonnenschweren Felsklotz stemmte und offensichtlich die Absicht hatte, ihn aus dem Gleichgewicht kippen zu lassen.
*
Clemetti, Vance und Hartley standen bereits im weiten Park und rechneten sich hier einige Sicherheit aus. Ihre Leute waren dabei, wichtige Dinge aus dem Haus zu holen. Sie alle fühlten sich wie auf einem Pulverfaß, dessen Lunte bereits angezündet ist.
„Da … da!“ Hartley hatte es zuerst gesehen.
Clemetti und Vance schauten sofort zum Grat hoch und schoben schützend ihre Köpfe zwischen die Schultern. Dann, nach einer ausgedehnten Schrecksekunde, warfen sie sich auf den Absätzen herum und ergriffen die Flucht.
Sie galoppierten wie aufgeschreckte Wildschweine zum Parktor und kümmerten sich einen Dreck um ihre Mitarbeiter und diversen Leibwächter.
Dann ein schriller, entsetzter Aufschrei.
Irgendein Gangster hatte ihn ausgestoßen. Er deutete hinauf zum Grat und war nicht mehr in der Lage, vor Schreck ein Glied zu rühren.
Clemetti, Vance und Hartley blieben ebenfalls stehen. Wie gebannt starrten sie nun auf den tonnenschweren Felsklotz, der sich über den Grat hinwegschob, für einige Sekunden verharrte, dann zu beben und zu zittern schien, um dann in den freien Fall überzugehen.
Ein unheimlicher Anblick, der das Blut in den Adern gerinnen ließ.
Der riesige Felsklotz stürzte senkrecht auf das Ranchhaus zu. Ohne jede Phantasie konnte man sich ausmalen, was nach dem Aufprall geschehen mußte. Die Ranch konnte dann nur noch ein kläglicher Trümmerhaufen sein.
Vance schnaufte wie ein altes Dampfroß. Hartleys Atem pfiff, und Clemetti stieß, seltsame Töne aus, die er selbst wohl nicht erklären konnte.
Die übrigen Gangster benahmen sich nicht wesentlich anders. Fasziniert vom Absturz des tonnenschweren Felsklotzes, waren sie nicht mehr in der Lage, sich in Sicherheit zu bringen. Sie warteten auf den Aufprall, auf das Krachen der Trümmer und auf das Beben der Erde.
Dann war es geschehen.
Clemetti schloß die Augen, als der Felsklotz das Dach des Ranchhauses erreicht hatte.
Vance seufzte leicht auf und flüchtete sich in eine kurze Ohnmacht. Hartley riß weit die Augen auf. Er wollte jede Einzelheit mitbekommen.
Der Felsklotz senkte sich auf das nur flach geneigte Dach des Ranchhauses.
Jetzt mußte es passieren! Nun mußten die Trümmer durch die Luft wirbeln und das Grollen eines riesigen Erdbebens zu hören sein …
Doch erstaunlicherweise tat sich überhaupt nichts.
Hartley sah es ganz genau!
Der Felsklotz platzte nämlich auseinander. In Bruchteilen von Sekunden existierte er nicht mehr. Er löste sich auf und war einfach nicht mehr vorhanden
Dafür spritzte ein wenig Wasser durch die Gegend und sprengte den an sich üppig grünen Rasen. Das Ranchhaus war völlig heil geblieben. Jede Schindel auf dem Dach lag an alter, gewohnter Stelle.
„Was … was war denn das?“ stotterte Hartley und schüttelte ungläubig den Kopf.
„Was war …?“ fragte Clemetti.
„Der Felsklotz“, stammelte Hartley, „das verdammte Ding ist nicht mehr da!“
„Wir … wir sind verloren“, stöhnte Vance, der aus seiner leichten Ohnmacht erwachte, „rette sich, wer kann!“
„Stehen Sie auf, Vance“, sagte Hartley und rieb sich sicherheitshalber die Augen. „Die Sache ist bereits gelaufen. Der Felsblock existiert nicht mehr!“
Vance war sofort auf den Beinen. Er schaute ungläubig zum Ranchhaus hinüber und sah anschließend Clemetti verblüfft an, der seinen Kopf wie von einem Automaten gesteuert hin und her bewegte.
„Der Klotz existiert nicht mehr“, wiederholte Hartley, „könnt ihr das verstehen?“
„Parker!“ Mehr sagte Vance nicht, doch damit traf er den Nagel bereits auf den Kopf.
„Parker“, wiederholte Clemetti und sah sich wild um, „dieser Hund hat uns einen Streich gespielt!“
„Aber da war doch der Felsklotz“, stellte Hartley richtig, „ich habe doch deutlich gesehen, wie er ’runterkam!“ „Stellen wir fest, was es gewesen ist“, schlug Vance vor, dessen Geistesgegenwart zurückgekehrt war. „Irgendwas muß es ja gewesen sein!“
Zusammen mit ihren Leibwächtern und Mitarbeitern inspizierten die drei Gangsterbosse nun den nicht mehr vorhandenen Felsklotz. Es dauerte immerhin fast viereinhalb Minuten, bis sich eindeutige Indizien finden ließen.
„Das darf doch nicht wahr sein!“ Hartley knirschte zur Abwechslung einmal mit den Zähnen. „Das sieht ja nach Gummi aus!“
Er begutachtete einen Gummifetzen, den Crane ihm gereicht hatte.
„Das ist Gummi!“ stellte Clemetti gereizt fest. „Gummihaut … wie von ’nem kleinen Ballon!“
„Das war der Felsklotz. Seht euch doch die Farbe an!“ Vance hatte die Lösung gefunden. „Parker hat uns alle hereingelegt. Ich schwöre euch, das soll er büßen!“
„Er ist bestimmt noch oben auf dem Grat“, brüllte Hartley, der völlig aus dem Häuschen geraten war. „Schneiden wir ihm den Weg ab! Diesmal soll er für seine Frechheit bezahlen! Crane! Freddy! Los, Leute … vielleicht packen wir ihn noch!“
Er stellte sich an die Spitze seiner noch nicht siegreichen Truppen und stürmte hinüber zu seinem Wagen. Er war fest entschlossen, sich für die Blamage zu rächen. Er wollte es Parker zeigen und ihn in der Luft zerfetzen.
„Und wir schneiden ihm den Weg zurück nach Las Vegas ab!“ Vance war auf diese Idee gekommen und sah Clemetti aufmunternd an. „Einen anderen Rückweg hat er nicht. Los doch … es kommt auf jede Minute an! Jetzt oder nie!“
*
Hartley, Crane, Freddy und die drei anderen Gangstertypen hatten den Grat erreicht, doch sie sahen sich vergebens nach Rander und Parker um.
„Sucht das Gelände ab!“ Hartley befand sich in seinem Element. Endlich konnte er etwas tun. Er hielt eine Maschinenpistole schußbereit in der Hand und war bereit, seine beiden verhaßten Feinde niederzustrecken.
Crane und Freddy organisierten die Suche. Die Gangster verteilten sich im unwegsamen, felsigen Gelände und fühlten sich nicht sonderlich wohl in ihrer Haut. Die Namen Rander und Parker waren ihnen inzwischen geläufig geworden. Sie allein genügten, ihnen ein kaltes Rieseln über den Rücken zu verschaffen.
„Ob sie wirklich noch hier oben sind?“ Crane hatte sich an seinen Boß Hartley gewandt und sah ihn skeptisch an. „Haben Sie eine Ahnung, was der Trick mit dem Felsklotz bedeuten sollte?“
„Rander und Parker wollen uns auf den Arm nehmen“, antwortete Hartley grimmig, „aber das gelingt ihnen nur einmal. Mit ’nem zweiten Trick brauchen die mir nicht mehr zu kommen!“
Bevor Crane weitere Fragen stellen konnte, erschien Freddy auf der Bildfläche. Er wirkte sehr aufgeregt.
„Wir haben eine heiße Spur“, sagte er hastig, „sie geht da ’rüber in die Felstrümmer. Sollen wir folgen?“
„Was denn wohl sonst?!“ Hartley schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. „Habt ihr Angst? Na ja, alles muß man eben allein machen. Kommt schon!“
Sie schlossen sich ihrem Boß an, der die deutliche Spur gewissenhaft verfolgte. Sie bestand aus Tritt- und Schürfspuren in Stein und Sand und war nicht zu übersehen. Deutlich war zu erkennen, daß hier zwei Männer einhergegangen waren.
„Ausschwärmen und verteilen …!“ kommandierte Hartley, als sie sich in aller Vorsicht einem kleinen Kessel näherten. Dann gebot er mit einer energischen Handbewegung Ruhe. Doch zu hören war nichts. Eine unheimliche Stille breitete sich aus.
„Angreifen …!“ Hartley stieß die Maschinenpistole senkrecht in die Luft. Entsprechende Bewegungen hatte er in Kriegsfilmen gesehen und sich eingeprägt. Dann pirschte er sich vorsichtig an den Kessel heran.
Seine Mitarbeiter, hier draußen im offenen Gelände mehr als unsicher, hatten sich verteilt und beteiligten sich an dem geplanten Angriff.
„Da …!“ Crane hatte scharfe Augen und entdeckte ein Ziel. Inmitten des kleinen Talkessels war eine liegende Gestalt zu erkennen. Sie war schwarz gekleidet und rührte sich nicht. Rein äußerlich gesehen konnte es sich dabei durchaus um den Butler handeln.
„Da ist dieser verdammte Kerl“, kommentierte Crane seine Entdeckung, „los, wir feuern …!“
„Natürlich …!“ gab Hartley zurück, „kein Risiko eingehen, Crane! Dieser Kerl steckt voller Tricks … Ich gebe Ihnen Feuerschutz … arbeiten Sie sich noch etwas näher an ihn heran …!“
Crane war damit absolut nicht einverstanden, doch was sollte er tun? Sein Boß hätte schließlich gesprochen. Crane schluckte also seine Angst hinunter und arbeitete sich vorsichtig an sein Opfer heran.
Dann passierte es …!
Crane sprang wie ein erschrecktes Kaninchen hoch und warf sich anschließend auf den geröllhaltigen Boden, wobei er sich einige leichte Verstauchungen einhandelte.
Krachend waren einige Erdminen hochgegangen. Wodurch sie ausgelöst worden waren, ließ sich im Augenblick nicht feststellen. Aber das donnerartige Krachen sorgte für Verwirrung und für Überraschung. Steinbrocken wirbelten durch die Luft, Druckwellen beutelten die Angreifer.
Crane warf sich dennoch nicht schnell genug in Deckung.
Hartley schoß bereits sein Magazin leer und merkte überhaupt nicht, daß er seinen Privatsekretär und Quartiermacher ankratzte. Crane brüllte auf, vergrub sich förmlich im felsigen Boden und hoffte inständig, daß Hartley die Lage der Schüsse korrigierte.
Die übrigen Gangster, animiert durch ihren Boß, vergeudeten ebenfalls ihre Munition. Da sie Angst hatten, ging es ihnen nur darum, viel Lärm zu verursachen.
Hartley brauchte einige Zeit, das Feuer zu stoppen. Dann hielt er Ausschau nach dem vermeintlichen Butler, doch er schien sich inzwischen in Luft aufgelöst zu haben. Wie der Felsklotz übrigens, wenn man es genau betrachtete.
„Stellen Sie sich doch nicht so an …!“ fauchte er Crane an, der einige schmerzende Streifschüsse davongetragen hatte und herangehumpelt kam, „seien Sie doch froh, daß Parker Sie nicht erwischt hat …! Wenn ich Ihnen nicht Feuerschutz gegeben hätte, wären Sie längst geliefert …!“
Crane schluckte eine Erwiderung herunter. Er wußte sehr gut, wer ihn blessiert hatte. Aus Gründen der Klugheit wollte er darüber nicht weiter diskutieren.
Wenige Minuten später war der Kessel durchsucht.
Parker hatte sich wirklich in Luft aufgelöst. Er existierte nicht mehr. Er hatte nur einige Gummituchfetzen zurückgelassen, woraus sich gewisse Schlüsse ziehen ließen.
„Der Kerl hat uns mit ’ner Gummipuppe hereingelegt“, schimpfte Hartley grimmig, „und wer ist darauf ’reingefallen …? Sie natürlich, Crane … Sie sind auch für nichts zu gebrauchen …!“
Crane schluckte die nächste Erwiderung herunter und nahm sich vor, bei bestmöglicher Gelegenheit sich nach einem anderen Job umzusehen. Er hatte das sichere Gefühl, daß Hartley nicht mehr sein Mann war. Es gab irgendwo in den Staaten wohl bessere Bosse …!
*
Clemetti befand sich zusammen mit seinen Mitarbeitern allein auf dem Ranchgelände. Er hatte die mittlere Gefechtstätigkeit oben in den Bergen gehört, ahnte aber bereits im voraus, daß Parker und Rander damit noch längst nicht erwischt worden waren. Inzwischen hatte sich in ihm ein tiefer Respekt herangebildet. Fast war es etwas wie Angst, was in ihm aufstieg. Gab es gegen diesen Butler und seinen jungen Herrn überhaupt ein Gegenmittel? War es nicht besser, Las Vegas für ein paar Wochen zu verlassen?
Er schreckte aus seinen Gedanken hoch, als draußen von der Wüste her ein wilder Feuerwechsel zu vernehmen war.
Crane, sagte er sich, Vance scheint auf Parker gestoßen zu sein. Mal sehen, ob er etwas ausrichtet …! Ihm traue ich noch Härte und Gerissenheit zu …!“
*
Vance und seine beiden Leibwächter Steve und Clive wollten es wissen.
Sie saßen in einem von Vance gesteuerten Ford und verfolgten das hochbeinige Monstrum des Butlers, das in greifbarer Nähe vor ihnen war.
Vance war vom Jagdfieber gepackt. Sein an sich vertrocknet aussehendes Gesicht hatte sich wie in wildem Triumph verzerrt. Es zeigte gerade in diesen Sekunden und Minuten wirkliches Leben, es ließ deutlich werden, von welchen Leidenschaften dieser Mann regiert wurde.
„Laßt ihn nicht aus dem Visier …!“ rief er Steve und Clive zu, die bereits aus allen Rohren auf den seltsam aussehenden Wagen schossen, ohne aber Schaden anzurichten.
Vance trat das Gaspedal seines Fords noch weiter gegen das Bodenbrett. Der Wagen wurde schneller und holte auf. Es war nur noch eine Frage von wenigen Augenblicken, bis Clive und Steve das Feuer wieder aufnehmen konnten.
Eigenartigerweise aber vergrößerte sich plötzlich wieder der Abstand zwischen beiden Wagen.
„Was ist denn mit dem Wagen los?“ fragte Vance wütend und sah seinen Nebenmann Clive wütend an, „der Schlitten zieht ja plötzlich nicht mehr!“
„Sie müssen sich bei Gelegenheit doch mal ’n neuen Wagen anschaffen“, antwortete Clive gereizt, „das Modell war vor fünf Jahren mal Klasse …!“
Clive freute sich, es seinem geizigen Boß mal so richtig geben zu können. Warum sparte Vance auch an Wagen? Wie dumm das war, zeigte sich gerade jetzt.
„Wir kommen wieder näher“, rief Steve, der hinter Clive saß und seinen Kopf durch das Wagenfenster geschoben hatte, „drücken Sie noch mal auf die Tube, Boß, dann kann ich losballern …!“
Doch daraus wurde nichts.
Das hochbeinige Monstrum verließ nach einem scharfen Haken die Asphaltstraße und schaukelte in das Gelände hinein. Vance folgte bedingungslos, zumal der seltsame Wagen vor ihm eindeutig an Fahrt verlor.
Vance geriet wieder in Jagdfieber. Er sah nicht nach links oder rechts. Er starrte nur auf das Heck des vorausschaukelnden Wagens und ließ sich immer tiefer in das unwegsame Gelände hineinlocken. Vom Highway war schon längst nichts mehr zu sehen.
„Wir fahren uns fest, Boß …!“ rief Steve plötzlich warnend, „passen Sie auf …!“
Zu spät …!
Die Räder des Fords mahlten bereits im losen Flugsand, das Wagenheck setzte auf. Ruckartig war die Verfolgungsjagd beendet, während das hochbeinige Monstrum gemächlich und sicher weiterfuhr, um dann hinter einer Felsnase zu verschwinden.
„Ihr Idioten …!“ brüllte Vance aufgebracht, „konntet ihr denn nicht aufpassen …!?“
„Aber Sie haben doch gefahren“, antwortete Clive in beleidigtem Ton.
„Na, und …?“ brüllte Vance aufgebracht zurück, „was besagt das schon …!? Aussteigen … schaufelt die Kiste frei … Worauf wartet ihr noch …?!“
*
Hartley, der leicht angekratzte Crane, Freddy und die übrigen drei Gangster waren zur Ranch zurückgekehrt.
„Dieser verdammte Parker hat uns eine Falle gestellt“, berichtete Hartley seinem Geschäftsfreund Clemetti, „um ein Haar hätten wir uns noch gegenseitig umgebracht … Hat Vance wenigstens etwas erreicht?“
„Er scheint ihm auf den Fersen zu sein“, antwortete Clemetti, „vielleicht hat er mehr Glück als wir …!“
„Jetzt brauche ich erst mal einen richtigen Schluck“, redete Hartley weiter, „und dann sollten wir mal richtig überlegen, was zu tun ist …! So wie bisher geht’s nicht weiter … Dieser Parker führt uns dauernd an der Nase herum!“
Clemetti und Hartley gingen hinüber ins Ranchhaus. Und es war psychologisch sehr interessant und aufschlußreich, daß beide hinauf zum Felsgrat schauten. Rechneten sie mit einem weiteren Felsklotz …!?
Sie standen gerade in der großen Wohndiele, als das Telefon klingelte.
„Clemetti“, meldete sich der Gangsterboß von Las Vegas, „wer spricht da? Parker …? Soll das ein Witz sein …!? Was wollen Sie …?“
Während er redete, winkte er Hartley an den Wandtisch heran und deutete mit der freien Hand auf einen Zweithörer, den Hartley sofort in die Hand nahm.
„Ich möchte auf keinen Fall lästig werden“, sagte Parkers Stimme würdevoll und gemessen, „aber aus Gründen der Menschlichkeit fühle ich mich verpflichtet, Sie eindringlich zu warnen.“
„Vor was …?“ fragte Clemetti kurz und knapp zurück.
„Vor einem gewissen Mr. Hartley“, kam die prompte Antwort, „dieser Herr wird Ihnen ja sicher bekannt sein, wie ich wohl vermuten darf.“
„Selbst wenn …!“
„Nach meinen sehr privaten Vermutungen plant Mr. Hartley, den ich gerade erwähnte, einen Coup besonderer Art … Er möchte Sie und einen gewissen Mr. Vance unschädlich machen, um sich das Erbe eines gewissen Mr. Portland allein anzueignen …!“
Hartley verlor die Nerven.
Er riß Clemetti den Hörer aus der Hand.
„Sie verdammter Lügner …!“ brüllte er dann in den Hörer hinein, „einen Dreck will ich …! Was Sie da sagen, haben Sie sich doch aus den Fingern gesogen …!“
„In der Tat“, antwortete Parker gemessen und höflich, „aber das sollte im Augenblick nicht besonders wichtig sein. Sind Sie sicher, Mr. Hartley, daß Mr. Clemetti nicht ebenfalls so denkt wie Sie …? Portlands Erbe ist schon einen kleinen Verrat wert, finden Sie nicht auch …?“
Da Clemetti inzwischen den Zweithörer am Ohr hielt, bekam er jedes Wort mit.
Er sah Hartley wütend an. Hartley erwiderte diesen Blick mit Grimm und Zorn. Die beiden Gangsterbosse fühlten sich durchschaut.
„Es kann natürlich sein, daß ich mich irre, wofür ich mich dann aber schon jetzt und an dieser Stelle entschuldigen möchte“, redete Josuah Parker inzwischen weiter, „es liegt im Bereich der Möglichkeit, daß meine herben Vermutungen nur auf Mr. Vance allein zutreffen. Ihm wäre solch ein Plan durchaus zuzutrauen, finden Sie nicht auch …?“
„Hören Sie jetzt mal genau zu“, sagte Hartley und zwang sich zur Ruhe, „wenn Sie glauben, uns gegenseitig hochbringen zu können, dann befinden Sie sich auf dem Holzweg …! Uns bringen Sie nicht auseinander, darauf können Sie Gift nehmen.“
„Die Götter, wenn ich mich so ausdrücken darf, mögen Ihnen Ihre optimistische Grundeinschätzung erhalten“, kam Parkers prompte Antwort, „doch an Ihrer Stelle würde ich noch nicht einmal meinem Schatten trauen … Ich bedanke mich für dieses interessante und aufschlußreiche Gespräch …!“
Es knackte in der Leitung, dann war sie tot.
Hartley und Clemetti sahen sich reichlich finster an.
„Er will uns aufeinanderhetzen“, sagte Clemetti wegwerfend.
„Möglich“, gab Hartley nachdenklich zurück, „aber auf Vance sollten wir doch ein Auge halten, finden Sie nicht auch?“
*
„Die schuften ganz schön“, stellte Mike Rander fest. Er lag zusammen mit seinem Butler in einem freundlichen, vor allen Dingen schattigen Versteck und beobachtete die beiden Gangster Steve und Clive, die den Ford freischaufelten.
Gangsterboß Vance beaufsichtigte die Arbeiten und sparte nicht mit Kommentaren. Damit brachte er Steve und Clive langsam aber sicher auf die bewußte Palme, doch er merkte es nicht.
„Wie haben Clemetti und Hartley auf den Anruf reagiert?“ stellte Rander seine nächste Frage.
„Wie erwartet, Sir …! Die Saat des Mißtrauens wird mit einiger Sicherheit aufgehen … Meiner bescheidenen Ansicht nach kann es nicht mehr lange dauern, bis die Gangsterbosse sich in gegenseitiger Unfreundlichkeit ergehen.“
„Ich frage mich die ganze Zeit, ob wir die Behörden von Las Vegas nicht informieren sollten“, redete Rander weiter, „zumindest sollten wir der Zentrale einen kleinen Wink geben … Von wo aus haben Sie eben angerufen?“
„Ich nahm mir die Freiheit, mich in den unmittelbaren Draht zur Clemetti-Ranch einzuschalten, Sir … Entsprechende Gerätschaften befinden sich in meinem kleinen Spezialkoffer …!“
„Dann könnten Sie doch auch Las Vegas erreichen, oder?“
„Bestehen Sie unbedingt darauf, Sir? Wenn ich mir einen kleinen Ratschlag erlauben darf, so würde ich die Auseinandersetzung mit den drei Herren allein abwickeln. Behördenvertreter würden nur stören und die Gangsterbosse zu nicht geplanten Aktionen verleiten.“
„Glauben Sie immer noch, daß sie auf der Ranch bleiben werden?“
„Gewiß, Sir, falls es Ihnen und meiner bescheidenen Wenigkeit nach wie vor gelingt, gewisse Illusionen zu erwecken.“
„Illusionen welcher Art?“
„Die Herren Clemetti, Vance und Hartley müssen stets glauben, daß es nur noch eine Frage von Sekunden ist, bis es ihnen gelingt, Sie und meine Person auszuschalten …
„Wir bleiben also der Köder, der kurz vor ihren zuschnappenden Mäulern hängt, wie?“
„Ein plastisches Bild, Sir, dem ich nichts hinzuzufügen habe … Wenn Sie mich jetzt für wenige Minuten entschuldigen wollen. Ich fürchte, der Wagen ist fast freigeschaufelt …!“
*
„Na, also …!“ Vance nickte versöhnt, „geht doch, wenn ihr nur wollt. Fahren wir zurück zur Straße …!“
„Soll ich nicht lieber fahren?“ schlug Clive vor.
„Wohl wahnsinnig geworden, wie?“ Vance sah seinen Leibwächter empört an, „damit wir uns wieder festfahren, wie …? Los, einsteigen, bei Clemetti gibt es was Kaltes zu trinken …! Wir sollten nicht unnötig Zeit verlieren.“
Weder er noch Clive oder Steve dachten andeutungsweise daran, den Reifenspuren des hochbeinigen Monstrums zu folgen. Sie hatten, um es ganz deutlich zu sagen, die Nase gründlich voll. Sie sehnten sich nach kalten Getränken und nach Räumen, die von einer Klimaanlage temperiert wurden.
Da wegen der herrschenden Hitze sämtliche Wagenfenster heruntergelassen waren, hatte es ein kleines seltsames Geschoß nicht sonderlich schwer, das Wageninnere zu erreichen.
„Ein … ein Pfeil …!“ brüllte Clive plötzlich in schrillem Diskant, „Indianer! Überfall! Volle Deckung!“
„Sind Sie verrückt …!?“ Vance boxte Clive in die Rippen, wobei er seinen Ellbogen gebrauchte.
„Ein Pfeil, Boß …!“ kickste Steve und warf sich flach auf die Polster.
„Wo denn …?“ Vance sah sich kriegerisch um. Und entdeckte tatsächlich den Pfeil, der noch wippend und federnd im gepolsterten Wagenhimmel stak.
„Indianer …!“ brüllte auch er, klinkte die Wagentür auf und ließ sich neben dem Ford in das Geröll fallen. Erst nach einigen Sekunden merkte er, daß er übertrieben hatte. Er schaute sich zwar mißtrauisch nach allen Seiten um, stand dann aber auf und sah in den Ford hinein.
„Los, hoch … ihr Feiglinge …!“ brüllte er die beiden Gorillas an, „wofür bezahle ich euch eigentlich …!?“
Er griff nach dem gefiederten Pfeil und entdeckte am Schaft eine Papierrolle. Er zog sie vom Schaft ab und rollte das Papier auseinander.
„Achten Sie auf Ihre angeblichen Freunde Clemetti und Hartley“, las er halblaut vor, „sind Sie sicher, daß man Sie nicht überrumpeln will? Portlands Erbe ist ein tödliches Risiko wert. Parker …“
„Parker …?“ echote Clive.
„Dieser komische Butler?“ fragte Steve und holte tief Luft.
„Natürlich, Parker!“ äffte Vance gereizt nach, „er hat diesen Pfeil abgeschossen. Er muß sich hier in der Gegend ’rumtreiben! Aber ihr habt natürlich wieder mal nichts gemerkt! Sieht euch ähnlich.“
„Aber Sie haben doch auch nichts gesehen?“ gab Clive patzig zurück.
„Eben“, pflichtete Steve ihm bei, „warum hacken Sie immer auf uns herum, Boß!?“
„Weil ihr ausgemachte Idioten seid! Und so was habe ich als Leibwächter bezahlt. Schert euch zum Teufel!“
Clive und Steve sahen sich kurz an. Sie verstanden sich auf Anhieb. Der berühmte, sprichwörtlich letzte Tropfen hatte das Faß zum Überlaufen gebracht. Sie hatten sich in der Vergangenheit schon zuviel gefallen lassen. Nun wollten sie nicht mehr. Hinzu kam die Angst vor einem gewissen Butler Parker.
„Wir sollen uns zum Teufel scheren?“ fragte Clive sicherheitshalber noch einmal.
„So schnell wie möglich“, fauchte nun Vance gereizt.
„Okay, dann wollen wir uns beeilen“, schaltete Steve sich ein und nickte seinem Partner Clive aufmunternd zu. Er versetzte Vance einen Fausthieb in den Magen und ließ die Wagentür krachend ins Schloß schlagen. Sekunden später donnerten Clive und Steve los, ihren Boß zurücklassend.
„Halt … Zurück … Seid Ihr wahnsinnig …!?“ Vances Stimme überschlug sich. Er stampfte wie ein trotziges Kleinkind auf dem Geröll herum und kam sich verständlicherweise einsam und total verlassen vor. Er schaute entgeistert dem Wagen nach, der zwischen Felstrümmern verschwand und schon bald nicht mehr zu hören war …
*
„Warum sind Sie plötzlich so still geworden?“ erkundigte Clemetti sich bei seinem Gast Hartley, der ein gefülltes Glas in der Hand hielt, in einem tiefen und bequemen Sessel saß und zudem noch tiefsinnig auf den Teppichbelag des Bodens starrte.
„Ich …?“ fragte Hartley gedehnt zurück.
„Natürlich, wer sonst …!? Hören Sie, Hartley, haben Sie sich etwa von diesem verdammten Butler aus dem Konzept bringen lassen?“
„Unsinn“, log Hartley.
„Ich will Ihnen gleich sagen, daß ich Ihnen traue“, behauptete Clemetti mit dem falschen Brustton der Überzeugung, „aber was Vance anbetrifft, nun, da bin ich nicht so sicher …!“
„Ich auch nicht. Hartley war froh, daß das Gespräch die Richtung auf den abwesenden Vance nahm, der sich nicht verteidigen konnte.
„Vance traue ich schon eine Schweinerei zu“, redete Clemetti Schnell weiter, „vielleicht hat er Portland umgebracht …!“
„Durchaus möglich“, antwortete Hartley, der seinerseits Clemetti in Verdacht hatte, „kommt es darauf aber überhaupt noch an, Clemetti? Man müßte wissen, was Vance eigentlich will …! Und man müßte ihn vielleicht sicherheitshalber und im voraus …“
„Ja, was müßte man …!?“
„Na, ja, man müßte ihn vielleicht auf Eis legen.“
„Was stellen Sie sich darunter vor?“
„Aus dem Verkehr ziehen, verstehen Sie? Dem Syndikat gegenüber braucht man noch nicht einmal lange Erklärungen abzugeben. Was auch passiert, das alles würde auf Parkers Konto gehen.“
„Sehr gut“, sagte Clemetti und grinste, „das wäre ein Weg …! Aber wir müßten uns dann verdammt einig sein, Hartley … Keine gegenseitigen Tricks …“
„Ich und Tricks … Auf mich können Sie sich fest verlassen.“
„Und auf mich erst“, behauptete Clemetti fast überzeugend, „dann könnten wir also Portlands und Vances Erbe aufteilen … Ganz schöne Brocken, finden Sie nicht auch?“
„Haben Sie was gegen dicke Brocken?“
„Bestimmt nicht, Vance, bestimmt nicht … Und wie packen wir das an?“
„Sehr einfach.“ Hartley richtete sich auf, nahm einen tiefen Schluck und entwickelte seinen Plan. „Zuerst müssen wir die beiden Leibwächter Steve und Clive aus dem Verkehr ziehen. Das machen unsere Jungens, wird eine Kleinigkeit sein … Anschließend knöpfen wir uns Vance vor. Hier im Ranchhaus … in der kommenden Nacht hätten wir die besten Chancen.“
„Und alles auf Parkers Konto“, freute Clemetti sich wie ein beschenktes Kind, „sagen Sie, Hartley, warum haben wir nicht schon früher Hand in Hand gearbeitet?“
„Trauten Sie mir damals schon?“
„Ehrlich gesagt, nein …!“
„Eben … ich Ihnen ja auch nicht, Clemetti … Aber das ist jetzt völlig anders …“
Sie redeten noch eine Zeitlang miteinander und schmierten sich gegenseitig gekonnt Honig um den Mund. Sie trauten sich nach wie vor nicht, behaupteten aber lautstark genau das Gegenteil. Sie waren sich nur einig darin, Vance aus dem Weg zu räumen. Vorerst wenigstens. Dann wollte jeder wieder seine eigene Suppe kochen. Doch davon ließen sie kein Wort laut werden.
„Also in der kommenden Nacht“, schlossen sie ihre Unterhaltung, „sobald er zurück ist, trennen wir ihn geschickt von seinen beiden Gorillas … Dann brauchen wir nur noch zuzuschlagen.“
„Und was ist mit Parker und Rander? Glauben Sie an einen weiteren Bluff?“ Hartley sah seinen Gastgeber abwartend und prüfend zugleich an.
„Jetzt nicht mehr“, antwortete Clemetti und schüttelte wider besseres Wissen den Kopf, „wir haben den beiden Schnüfflern jetzt die Zähne gezeigt. Sie werden sich verzogen haben. So gut sind die beiden Kerle ja nun auch wieder nicht.“
Clemetti hätte es besser nicht gesagt. Er lieferte damit praktisch das Stichwort für Ereignisse, die keineswegs zu überhören waren …
*
Steve und Clive, die beiden Gorillas von Paul Vance, befanden sich in bester Laune.
Sie hatten so etwas wie einen bösen Alptraum abgeschüttelt, fühlten sich jetzt frisch und frei wie zwei Vögel, die einem engen Käfig entronnen sind. Die Zeit mit Vance war alles andere als erfreulich für sie gewesen. Der Geiz ihres bisherigen Bosses hatte ihnen fast den letzten Nerv geraubt.
„Wir setzen uns nach New York ab“, sagte Clive, „wetten, daß wir da einen besseren Job bekommen?“
„Oder nach Chikago“, schlug Steve vor.
„Wohl verrückt, wie?“ Clive schüttelte energisch den Kopf, „denk’ mal an diesen verdammten Butler … Der wohnt doch da … Willst du ihm in die Arme laufen?“
Statt zu antworten, mußte Steve sich mit dem Steuer des Ford beschäftigen. Es flatterte und deutete an, daß irgend etwas mit den Vorderrädern nicht in Ordnung war.
„Du, ich glaube, wir haben eine Panne“, sagte er schließlich zu seinem Freund und Partner. Er hielt an und stieg aus dem Wagen. Er untersuchte die beiden Vorderreifen und richtete sich dann schnell wieder auf.
„Komisch … sieh’ dir das mal an.“ Clive verließ nun ebenfalls den Wagen und sah sich die beiden Vorderreifen an. Die Schultern beider Pneus lösten sich blasenartig auf. Ein Geruch nach faulen Eiern war nicht zu überriechen.
„Sieht nach Säure aus“, stellte Clive schnüffelnd fest. „Mann, denk’ doch mal daran, was die beiden Leibwächter von Clemetti erzählt haben …!“
„Stimmt.“ Steve wurde sofort nervös, „die hatten mit den Autoreifen doch genau denselben Ärger …!“
„Parker …!“ Mehr brauchte Clive nicht zu sagen. Er sah sich direkt und sofort nach allen Seiten um und fühlte sich bereits beobachtet und belauert.
„Was machen wir jetzt?“ wollte Steve wissen.
„Weiter … so schnell wie möglich.“ „Und die beiden Reifen?“
„Müssen wir eben schnell auswechseln.“
„Dann nichts wie ’ran …! Ich paß’ inzwischen auf.“
Clive machte sich an die Arbeit, während Steve mit entsicherter Maschinenpistole scharf aufpaßte. In der sengenden Hitze und im grellen Licht der hochstehenden Sonne war aber nichts zu sehen. Zu hören schon gar nichts. Es herrschte eine fast unheimliche Stille, zumal Clive instinktiv sehr leise arbeitete.
Plötzlich — er hatte sich vorgebeugt — brüllte Clive entsetzt und richtete sich blitzschnell und kerzengerade auf. Dann fingerte er vorsichtig an seiner Kehrseite herum.
„Was ist denn los?“ fragte Steve, der herumwirbelte und mißtrauisch seinen Partner anschaute.
„Das … das hier …!“ Clive hatte gefunden, wonach er gesucht hatte. Mit spitzen Fingern hielt er eine Art Stopfnadel hoch, deren breites Ende einen dünnen Federpflaum aufwies.
„Wie ein Blasrohrpfeil“, meinte Steve sachkennerisch, „so was benutzen die Indios am Amazonas …!“
„Wie witzig …!“ Clive war wütend, „hast du mir das Ding verpaßt?“ „Quatsch … wie denn …!?“
„Es kann ja nicht von allein gekommen sein.“
„Bestimmt nicht, aber ich habe damit nichts zu tun … Au …!“
Das „Au“ war eindeutig genug. Nun war Steve an der Reihe. Auch er war getroffen worden. Auch in seinem Gesäß stak eine Stopfnadel. Und sie schmerzte höllisch.
Mit spitzen Fingern pulte und fingerte er sie aus der winzig kleinen Wunde und warf das Geschoß anschließend angewidert zu Boden.
„Parker …!“ flüsterte Clive mit fast tonloser Stimme, die solchen Situationen angepaßt ist, „das kann nur dieser verdammte Parker gewesen sein …!“
„Unsinn …! Man sieht ja nichts …!“
„Aber er muß hier in der Nähe sein. Los, wir fahren! Zum Teufel mit den Reifen …!“
Olive wollte zurück in den Wagen springen, hatte aber in der Aufregung total vergessen, daß er bereits ein Rad abgeschraubt hatte. Als er nun in seiner panischen Angst an fuhr, bohrte sich der Kühler des Ford tief in das Geröll und nahm Schaden.
„Du Esel!“ schimpfte Steve. „Und jetzt? Nun stecken wir fest! Weiter, zu Fuß weiter … Vielleicht schaffen wir es gerade noch …!“
Die beiden Gorillas nahmen ihre Beine in die Hand und ergriffen die Flucht. Und befanden sich damit bereits auf dem richtigen Weg, in die Arme von Butler Parker und Mike Rander zu laufen. Doch das wußten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht …!
*
In der gerade noch stillen und friedlichen Wohndiele des Ranchhauses war die Hölle los.
Irgendwo und überall detonierten kleine Sprengsätze und verursachten einen Krach, der die Trommelfelle nicht nur beleidigte, sondern sie fast schon schädigte.
Durch langjährige Routine gewohnt, warfen Clemetti und Hartley sich sofort in Deckung. Sie hatten bereits ihre Schußwaffen aus den Schulterhalftern gezogen und sahen sich nach geeigneten Zielen um.
Dabei entwickelten hereinstürmende Mitarbeiter großes Privatpech, wie der Volksmund es ausgedrückt hätte. Clemettis Stammbesatzung der Ranch, alles Männer mit Muskeln und wenig Hirn, wurden für Angreifer gehalten und sofort unter gezieltes Feuer genommen.
Die so unter Feuer genommenen Clemetti-Mitarbeiter fühlten sich verständlicherweise ihrerseits angegriffen und waren der irrigen Meinung, der Gegner befinde sich schon im Zentrum des Hauses. Da sie für diesen Fall ihre Spezialanwendungen hatten, handelten sie nun prompt und entsprechend.
Sie schossen aus allen Rohren zurück und zerlegten dabei wertvolle Einzelstücke des Mobiliars in ihre Bestandteile. Holzsplitter schwirrten und sirrten wie böse aufgeschreckte Hornissen durch den riesigen Raum und zerschrammten Parkett und Teppiche. Darunter mischten sich Ausrufe der Wut, des Schreckens und der Schmerzen. Es war ja nur zu verständlich, daß es bei dieser wilden. Schießerei Blessuren gab. Es handelte sich nicht um schwere Verletzungen, wie man vielleicht hätte befürchten können. Die Blessuren beschränkten sich auf leichte Schrammen und Streifschüsse.
Erst Crane schaffte es, die wilde Schießerei zu stoppen. Mit gewaltiger Stimme schnauzte er die feuernden Gangster so lange an, bis sie eine kurze Feuerpause einlegten. Diese Pause nutzten Clemetti und Hartley, um den kleinen Irrtum richtigzustellen.
Die beiden Gangsterbosse sahen reichlich mitgenommen aus. Kleine Schrammen und Hautabschürfungen wiesen aus, daß sie tapfer mitgemischt hatten. Von der Stammbesetzung der Clemetti-Ranch ganz zu schweigen. Vier Männer wurden von Crane zurück in die Quartiere geschickt. Sie waren, wie es so treffend heißt, bettlägerig geworden.
„Aber wer soll denn zuerst geschossen haben?“ fragte Crane, nachdem Clemetti und Hartley von den vielen Detonationen berichtet hatten.
„Das fragen wir uns ja auch“, antwortete Hartley seinem Privatsekretär.
„Ich weiß genau, daß es hier im Raum gekracht hat“, fügte Clemetti noch einmal hinzu.
Crane schaute intensiv nach. Und entdeckte bald schon einige Kugelschreiber, die alle nach demselben Muster aufgeplatzt waren. Sie lagen in Schubläden, Vasen, unter den Sesseln und unter breiten Couches.
„Kugelschreiber …? Wie sind denn die hierher gekommen?“ fragte Clemetti verdutzt und dachte sofort an den Butler, der ihm ja einen Höflichkeitsbesuch abgestattet hatte. Um allen Fragen die Spitze abzubiegen, kam er schnell auf ein anderes Thema. „Ob Vance das inszeniert haben kann?“
„Vance …? Natürlich!“ Hartley war sofort überzeugt. „Er muß uns diesen Streich gespielt haben! Der kann sich auf was gefaßt machen, wenn er zurückkommt! Er wollte uns aufeinander hetzen, ist doch völlig klar.“
„Ob noch mehr Kugelschreiber ’rumliegen?“ fragte Hartley skeptisch und sah seinen Privatsekretär hilfesuchend an.
„Möglich Ist das schon, Chef“, gab Crane zurück. „Ich lasse alles gründlich durchsuchen … Die Männer, Chef, sind verdammt nervös geworden!“
„Ich auch“, räumte Hartley ehrlich ein.
„Ob wir doch nicht zurück nach Las Vegas fahren sollten?“
„Wollt ihr unterwegs von Parker abgeknallt werden?“ fragte Clemetti schnell. Er dachte an seinen Coup Hartley aus dem Weg zu räumen. Er sah seine Felle wegschwimmen.
„Wir bleiben hier“, entschied Hartley, der seinerseits an seinen kleinen Coup dachte. Auch Hartley wollte etwas. Und zwar Clemetti aus dem Weg räumen. Dazu mußte er hier auf der Ranch bleiben.
„Parker macht uns der Reihe nach fertig, Chef“, gab Crane zu überlegen.
„Oder wir ihn …!“ sagte Hartley mit Nachdruck. „Seit wann sind Sie ängstlich, Crane? Sollten Sie Nerven bekommen haben? Dann wird es höchste Zeit, daß Sie sich einen anderen Job suchen. Feiglinge kann ich nicht brauchen.“
„Schon gut, Chef“, gab Crane schnell und beschwichtigend zurück. „War ja nur ein Vorschlag … Ich habe überhaupt nichts gesagt. Ich werde die Leute auf Vordermann bringen. Da wäre noch etwas …
„Und …?“ Hartley gab sich ungnädig.
„Sollen wir nach Mr. Vance Ausschau halten? Er ist seit gut einer Stunde unterwegs …“
„Der wird schon zurückkommen“, schaltete Clemetti sich grimmig ein. „Vance läßt sich seinen Geschäftsanteil nicht entgehen, eher würde die Welt einstürzen!“
„Wenn Sie nichts dagegen haben, Clemetti, werde ich mich jetzt unter die Dusche stellen“, sagte Hartley und sah an sich herunter, „ich bin völlig verschwitzt.“
Er nickte Clemetti zu und ging hinauf in sein Gästezimmer. Er entkleidete sich, während Crane, der ihm gefolgt war, aus dem Fenster hinaus auf die weite gelbe Wüste starrte.
„Ich muß gleich mit Urnen reden, Crane“, sagte er. „Wir treffen uns im Park, neben dem Schwimmbecken.“
„Okay, Chef!“ antwortete Crane. „Aber soll ich nicht lieber bleiben, bis Sie wieder angezogen und fit sind …! Unter ’ner Dusche ist man ziemlich wehrlos.“
„Sehr gut“, lobte Hartley und nickte Crane anerkennend zu. „Man kann schließlich nie wissen, was in diesem verrückten Haus sonst noch passiert … Halten Sie die Augen offen, ich bin gleich wieder da!“
Hartley ging hinüber in den angrenzenden Waschraum, stellte sich unter den Brausekopf der Dusche und drehte den Wasserhahn auf. Freudig erregt wartete er auf den ersehnten Wasserguß.
Der allerdings ausblieb …!
Hartley schüttelte unwillig den Kopf, drehte weiter an dem Porzellanknopf herum und hämmerte schließlich wütend gegen den Brauseknopf. Doch das Wasser blieb aus.
„Ist was, Chef?“ fragte Crane, der den Kopf durch die geöffnete Tür schob.
„Eben nicht!“ wütete Hartley. „Das Wasser ist weg. Wie abgeschnitten …!“
Nachdem er das Wort „abgeschnitten“ ausgesprochen hatte, hielt er inne und sah Crane entgeistert an. Ihm war da gerade ein schrecklicher Gedanke gekommen …!
*
„Was Sie da treiben, Parker, ist mutwillige Sachbeschädigung“, konstatierte Anwalt Mike Rander sach- und fachkundig. Dennoch konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er schaute auf das kleine Erdloch ein paar Meter neben dem hochbeinigen Monstrum.
Josuah Parker reagierte nicht. Höflich abwartend schaute er auf die Wasserfontäne, die hier, mitten in der Wüste, aus dem sonst pulvertrockenen Boden hoch schoß und das Gelände ausgiebig bewässerte.
„Ich möchte annehmen, Sir, daß dieses kleine Bohrloch ausreichen wird“, sagte er endlich und nickte zufrieden. „In wenigen Minuten wird der Zufluß völlig versiegt sein.“
Mike Rander zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich gegen Parkers Wagen. Natürlich billigte er, was Parker da gerade getan hatte. Sein Butler hatte eine Wasserzuleitung hinüber zur Ranch unterbrochen. Dieses Zuleitungsrohr verband eine Bohrstelle mit der Clemetti-Ranch. Der Gangsterboß aus Las Vegas hatte sich diese Anlage ein kleines Vermögen kosten lassen. Sie hatte es erst ermöglicht, die Ranch aufzubauen und zu unterhalten. Ohne Wasserzufuhr mußten sich dort nun gewisse Schwierigkeiten eins teilen.
„Kann nicht mehr lange dauern, bis der erste Suchtrupp von Clemetti auftaucht“, sagte Rander und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Haben Sie für diesen Fall bereits Maßnahmen erwogen?“
Parker hatte.
Er lud seinen jungen Herrn in sein hochbeiniges Monstrum und steuerte es hinein in ein Gewirr von kleinen Felsspalten und riesigen Steinblöcken. Dann stieg er aus und setzte sein Spezialblasrohr aus Plastik zusammen. Intensiv kümmerte er sich um die Geschosse, die er einer Blechschachtel entnahm.
Um seinem jungem Herrn die Zeit zu vertreiben und um auch für dessen leibliches Wohl zu sorgen, zauberte er daran aus dem Kofferraum ein erstaunlich reichhaltiges Mittagessen.
Rander, der seinen Butler schließlich nur zu gut kannte, schaute kopfschüttelnd und amüsiert zu. Parker deckte einen Campingtisch und rückte für Mike Rander einen bequemen Safarisessel zurecht. Anschließend servierte er die Speisen, die er auf einem Patentkocher erhitzt hatte.
Es war ein skurriles, unwirkliches Bild, das sich einem heimlichen Beobachter geboten hätte.
Inmitten der gnadenlos heißen Bergwelt der Wüste dinierte Mike Rander wie im Speisesaal eines Luxushotels. Josuah Parker verfügte über kalte Getränke aus einer Kühlbox und sah in seiner korrekten schwarzen Kleidung aus Wie ein Haushofmeister.
Mike Rander ließ es sich schmecken. Er hatte längst auf gegeben, gegen solche Dinge zu protestieren. Genau das Gegenteil war inzwischen der Fall. Rander genoß die Vorsorge seines skurrilen Butlers und ließ sich verwöhnen.
Angst vor irgendwelchen Überraschungen hatte er nicht. Butler Parker hatte mit Sicherheit irgendwelche Warnanlagen an der künstlichen Wasserfontäne zurückgelassen. Auch auf diesem Gebiet war er unübertroffen.
Was schnell bewiesen wurde.
Aus dem kleinen Transistorradio, das Parker auf das solide Trittbrett seines hochbeinigen Monstrums gestellt hatte, kam plötzlich ein feines Zirpen, das laut und schriller wurde.
„Der Reparaturtrupp“, kommentierte der Butler dieses Zirpen. „In der Clemetti-Ranch hat man inzwischen wohl das Wasser vermißt, Sir. Wenn Sie erlauben, werde ich mich ein wenig Umsehen.“
„Ich komme selbstverständlich mit.“ Rander stand schnell auf und lächelte wie ein großer Lausejunge. „Das lasse ich mir nicht entgehen. Ich bin gespannt, ob einer der beiden Gangsterbosse mit herausgekommen ist.“
„Daran wage ich ehrlich zu zweifeln, Sir. Die Herren Clemetti und Hartley werden diese Strapazen und Risiken freiwillig nicht auf sich nehmen.“ Parker hatte wieder einmal recht. Nachdem er und sein junger Herr sich an die schadhafte Wasserleitung herangepirscht hatten, entdeckten sie zwar einige handfest aussehende Männer, doch von Clemetti oder Hartley war nichts zu sehen. Die beiden Gangsterbosse hatten es vorgezogen, in Sicherheit zu bleiben …
*
Der Reparaturtrupp wurde angeführt von Freddy, dem Vormann der Hartley-Gangster. Diesem Trupp gehörten ferner zwei der Hartley-Muskelmänner und schließlich noch Ronny und Ray an, die von Clemetti mitgeschickt worden waren.
Sie hatten die angebohrte Leitung bereits gefunden und starrten wütend bis trübsinnig auf die Wasserfontäne, die aus dem Bodenloch hervorschoß.
„Die Leitung ist angebohrt worden“, stellte Freddy überflüssigerweise fest. „Weiß der Himmel, wie wir das Ding wieder flicken können. Ob wir da ’ne Blechmanschette ’rumlegen können?“
Freddy hatte sich höflicherweise an Ronny und Ray gewandt, mit denen er keinen Ärger haben wollte. Ronny und Ray, den Leibwächter Clemettis, waren gleichberechtigt. Er hatte ihnen im Grunde nichts zu befehlen.
„Blechmanschette …? Was is’n das?“ erkundigte sich Ray mißtrauisch. Er konnte mit Schießeisen umgehen, doch von Dingen dieser Art hier verstand er überhaupt nichts.
„Irgend so ein Ding, das wir um das Loch wickeln“, erläuterte Freddy vage. „Ich glaube, ich fahre zurück zur Ranch und hole so was.“
„Dann werden wir natürlich mitfahren“, sagte Ronny grinsend. „Dir könnte unterwegs sonst was passieren …“
„Glaubt ihr etwa, ich wollte abhauen und mich verdrücken?“
„Was Ray und ich glauben, steht nicht zur Debatte“, gab Ronny zurück. „Wir halten uns an unseren Boß … Wir sollen uns auf keinen Fall trennen. Hast du doch genau mitbekommen, oder?“
Die Antwort fiel aus. Die Gangster kamen gar nicht erst dazu, sich zu streiten. Gewisse Ereignisse hinderten sie daran, Ereignisse, die es in sich hatten.
Da war zuerst ein Feuerwerkskörper, der durch die beiße Luft zischte und genau in der Mitte des Wagens auseinanderplatzte. Glas schepperte und klirrte. Dann füllte der Innenraum des Wagens sich mit schwarzem Qualm.
„Unser Wagen …!“ brüllte Freddy entgeistert.
„Parker …!“ brüllten Ronny und Ray, deren Nerven bereits empfindlich zerfasert waren.
Die beiden anderen Hartley-Muskelmänner riefen gar nichts. Sie warfen sich unmittelbar in volle Deckung und zogen dann ihre Schußwaffen.
„Der Wagen … er brennt!“ brüllte Freddy. „Löscht doch, Leute, sonst stecken wir hier fest!“
„Der Karren geht jeden Moment in die Luft!“ Ronny schüttelte den Kopf und zog sich von dem raucherfüllten Wagen schleunigst zurück. Ray folgte ihm.
Freddy kämpfte sich an den qualmenden Wagen heran und kam sich dabei wie ein Held vor. Dann, er hatte den Wagen fast erreicht, verspürte er einen schmerzhaften Stich in der rechten Schulter. Wie gelähmt blieb er stehen.
Er fingerte nach der schmerzenden Stelle, entdeckte einen kleinen stopfnadelgroßen Pfeil und schüttelte sich.
„Ich bin vergiftet!“ schrie er entsetzt. Er hatte erst vor wenigen Tagen einen Kulturfilm vom Amazonas gesehen und glaubte zu wissen, was dieser Pfeil bedeutete. Er warf seine Waffe zu Boden und rannte schnurstracks in die Felsenwelt hinein. Panische Angst saß ihm dabei im Nacken. Er verlor jede Übersicht.
„Die beiden Freunde Freddys wollten ohne ihn nicht Zurückbleiben. Sie sprangen auf und rannten ihrem Vormann nach. Doch diese Treue wurde schlecht gelohnt.
Ronny und Ray glaubten an einen Trick und witterten Verrat. Sie ließen sich nicht lange bitten. Sie gebrauchten ihre Schußwaffen und stoppten die beiden Muskelmänner samt Freddy.
Gewiß, sie töteten ihre Kollegen zwar nicht, aber sie kratzten sie doch derart zielsicher an den Oberschenkeln an, daß die Flucht der Hartley-Gangster schnell endete.
Freddy und seine beiden Freunde fühlten sich ihrerseits verraten. Sie fielen zwar zu Boden, doch im Gebrauch von Schußwaffen waren auch sie nicht gerade unerfahren.
Sie schossen wütend und aus allen Rohren zurück und hatten Erfolg. Ronny und Ray erlitten leichte Streifschüsse und robbten schleunigst von der Wasserfontäne hinüber zu Steinbrocken, wo sie in Deckung gingen.
Daraus entwickelte sich dann innerhalb weniger Sekunden ein Feuergefecht, das sich hören lassen konnte …!
*
Eine knappe Stunde war vergangen.
Freddy und seine beiden Freunde hatten bösen Durst und peilten verlangend hinüber zur Wasserfontäne, die nach wie vor munter sprudelte. Aber diese Quelle war für sie unerreichbar. Um an sie zu gelangen, mußten sie ihre Deckung verlassen. Das hätte mit Sicherheit bedeutet, erschossen zu werden.
Ronny und Ray, die beiden Leibwächter Clemettis, hatten ebenfalls Durst. Aber auch sie konnten nicht an die Wasserfontäne herankommen. Sie mußten damit rechnen, von Freddy und dessen beiden Freunden erschossen zu werden.
Die Fontäne befand sich genau zwischen den Fronten und stellte eine teuflisch böse Verlockung dar. Die Sonne, sie hatte inzwischen den höchstmöglichen Stand erreicht, brannte sengend auf die Gangster hernieder.
„Sie tun mir fast leid“, sagte Mike Rander zu seinem Butler. „Kann nicht mehr lange dauern, bis sie die Nerven verlieren!“
Mike Rander und sein Butler lagen versteckt oberhalb der Gangster in einem unüberschaubaren Gewirr von Felsklippen und Geröllbrocken. Sie beherrschten die Szene, hatten sich aber bisher noch nicht sehen lassen.
Der Wagen, mit dem die Gangster einträchtig und friedlich gekommen waren, war nur noch ein ausgebranntes Skelett. Er hatte wirklich Feuer gefangen und war ausgeglüht. Die Gangster saßen inmitten der Einöde fest. Und sie wußten es wohl auch. Mit Hilfsaktionen war bestimmt nicht zu rechnen. Hinsichtlich ihrer Bosse machten sich weder Ronny noch Ray, noch Freddy und die beiden Muskelmänner Illusionen.
„Darf ich einen kleinen Moment lang um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit bitten!?“ tönte plötzlich Parkers Stimme durch die brütende Stille. Seine Stimme wurde von einem elektrisch verstärkten Megafon getragen. „Ich könnte mir vorstellen, daß Sie unter dem leiden, was man gemeinhin Durst nennt …! Warum geben Sie Ihrem Verlangen nicht nach? Warum verzichten Sie freiwillig auf ein erfrischendes Getränk?“
Die Gangster hoben erwartungsvoll die Köpfe und lauschten. Die Stimme schien von allen Seiten zu kommen. Es war wegen der Stein- und Geröllbrocken nicht auszumachen, wo der Sprecher sich befand.
„Sie brauchen nur Ihre diversen Handfeuerwaffen wegzuwerfen und mit erhobenen Händen aus Ihren Stellungen zu kommen!“ dröhnte Parkers Stimme weiter. „Innerhalb weniger Sekunden sind Sie dann in der Lage, ausgiebig zu trinken.“
Ronny und Ray sahen sich gegenseitig an und wären nur zu gern aufgestanden. Doch sie fürchteten einen Kugelhagel aus der Richtung Freddys.
Auch Freddy und die beiden Muskelmänner wären sofort bereit gewesen, dieses Spiel zu beenden. Aber auch sie hatten Angst. Sie wollten nicht von Ronny und Ray erwischt werden.
„Ich kann Ihr gegenseitiges Mißtrauen durchaus und voll verstehen“, war jetzt wieder Parkers Stimme zu vernahmen. „Mr. Rander wird mit schußbereiter Waffe Ehre Aufgabe überwachen. Falls eine der Parteien das üben will, was man Verrat nennt, wird Mr. Rander sofort und ohne Umschweife eingreifen. Sie alle, meine Herren, liegen im Schußbereich unserer Waffen. Sie sollten sich jetzt entscheiden. Dies war und ist das erste und letzte Angebot dieser Art. Falls Sie darauf nicht eingehen, werden Mr. Rander und meine bescheidene Wenigkeit die Fontäne sperren. Entscheiden Sie sich also …!“
„Jetzt hin ich aber gespannt“, sagte Rander skeptisch. „Glauben Sie wirklich, daß die Gangster aufstecken werden? Wir haben es nicht mit Anfängern zu tun.“
„Aber mit Gangstern, Sir, die sich nur in den Steinwüsten der großen Städte wohl fühlen! Hier draußen in freier Natur, wenn ich es so umschreiben darf, fühlen diese Männer sich ausgeliefert und hilflos. Darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf die besagten Gangster richten. Mein Appell scheint bereits gewirkt zu haben …“
Parker hatte nicht übertrieben.
Ronny und Ray warfen ihre Waffen in Richtung Fontäne und erhoben sich zögernd. Freddy und die beiden Muskelmänner folgten prompt diesem Beispiel. Sie entledigten sich ebenfalls ihrer Waffen, streckten die Atme weit zur Sonne hoch und verließen die Deckung. Dann trafen die Gangster sich wieder einträchtig an der künstlichen Wasserfontäne, warfen sich nieder und tranken wie ausgedurstete Kamele. Sie achteten dabei überhaupt nicht auf Mike Rander und Josuah Parker, die sich langsam einfanden und das Kommando übernahmen …
*
„Zum Henker … ich möchte nur wissen, wo unsere Jungens bleiben“, sagte Clemetti gereizt. Er stand auf der Terrasse seitlich neben dem Ranchhaus und sah hinunter auf die Zufahrtsstraße, die sich in der flirrenden Hitze verlief, „sie müßten den Schaden doch längst gefunden haben.“
„Oder sie sind Parker auf der Spur“, antwortete Hartley optimistisch, „hört sich wie ’ne wilde Schießerei an … Sicher bin ich mir aber nicht.“
„Im Süden haben wir ein Schießgelände der Air Force“, erklärte Clemetti, „da hört man öfter mal was … Ich hätte aber nichts dagegen, wenn sie Rander und Parker mitbrächten … Diese beiden Schnüffler gehen mir langsam auf die Nerven.“
„Sagen Sie, Clemetti, wie steht’s denn mit Vance?“ wechselte Hartley das Thema, „entweder, er hat sich doch noch abgesetzt … nun, dann können wir auch ohne ihn teilen, kommt er aber zurück, dann sollten wir schleunigst reinen Tisch machen.“
„Warten wir noch etwas … Wir dürfen Vance nicht unterschätzen. Dieser Kerl kann giftig werden wie eine Klapperschlange. Aber komisch ist es schon, daß er nicht zurückkommt …
Die beiden Gangsterbosse gingen hinunter zum Schwimmbecken und lustwandelten anschließend durch den weitläufigen Park. Sie kontrollierten die Posten, die das ganze Gelände abschirmten. Es handelte sich um Clemettis Stammpersonal, das ohnehin ständig auf der Ranch beschäftigt wurde.
Selbst die Steilwand samt Grat war nun in die Kontrolle einbezogen worden. Clemetti wollte kein Risiko mehr eingehen. Er hatte es satt, sich von einem gewissen Josuah Parker an der Nase herumführen zu lassen.
Dennoch war er mißtrauisch, als Crane erschien und einen aufgeregten Eindruck machte.
„Was ist passiert?“ fragte Hartley seinen Privatsekretär.
„Vance ist gerade zurückgekommen“, meldete Crane, „er macht einen ziemlich mitgenommenen Eindruck. Er hat seine beiden Leibwächter Steve und Clive verloren …!“
*
„Nun erzählen Sie doch …! Was ist denn passiert, Vance …? Sie sehen ja so aus, als kämen Sie direkt aus der Hölle …!“
Paul Vance saß müde und abgespannt in der großen Wohndiele des Ranchhauses und hatte gerade einen ausgiebigen Drink zu sich genommen. Sein an sich schon vertrocknet aussehendes Gesicht sah jetzt eingefallen und überstrapaziert aus. Seine fahle, ungesunde Gesichtshaut hatte sich stark gerötet. Er hatte sich draußen in der Wüste einen bösen Sonnenbrand zugezogen. Seine Kleidung war zerrissen und völlig verstaubt.
„Fürchterlich“, sagte er, „Steve und Clive sind erledigt … Sie sind von Rander und diesem Butler überrumpelt worden. … Ich konnte gerade noch flüchten. Stundenlang waren sie hinter mir her … Und um ein Haar hätten sie mich erwischt …!“
„Hatte man Ihnen eine Falle gestellt?“ fragte Hartley interessiert.
„Sie waren plötzlich da“, berichtete Vance mit leicht gebrochener und völlig heiserer Stimme, „sie lockten uns von der Straße weg und waren dann hinter uns … sie schossen aus allen Rohren und setzten Steve und Clive sofort außer Gefecht … Später habe ich dann gesehen, daß sie meine beiden Leute in ihren Wagen packten und davonfuhren.“
„Und dann …?“ Clemetti wollte jede Einzelheit wissen.
„Und dann verfolgten sie mich!“ erzählte Vance und griff wieder gierig nach dem Glas, „sie jagten mich wie einen Hasen … Ein Wunder, daß ich doch noch entwischen konnte …!“
„Haben Sie irgendwelche Schießereien gehört? Später, als Sie die beiden Schnüffler abschütteln konnten?“
„Sie haben die auch mitbekommen?“ fragte Vance zurück. „Ich habe eine wilde Schießerei gehört … Sind noch weitere Leute von uns ’raus ins Gelände gefahren?“
„Freddy und zwei meiner Jungens“, antwortete Hartley.
„Ray und Ronny, meine beiden Leibwächter“, fügte Clemetti hinzu, „Sie sollten sich mal die Wasserleitung ansehen …!“
„Wasserleitung?“
„Parker und Rander haben uns die Wasserzufuhr abgeschnitten.“ Clemetti geriet in Rage, als er davon berichtete. „Seit ein paar Stunden sind wir ohne Frischwasser. Aber das spielt im Moment keine Rolle. Schließlich haben wir ja noch den gefüllten Swimmingpool, damit helfen wir uns über die Runden.“
„Wie soll denn alles weitergehen?“ fragte Vance elegisch, „ich bin überzeugt, daß Parker und Rander uns hier aufspüren und ausräuchern.“
„Darauf warten wir ja nur“, antwortete Clemetti, „ich rechne damit, daß die beiden Schnüffler hier bald erscheinen. Dann sitzen sie in der Falle.“
„Falle …? Gibt es denn eine?“
„Hartley und ich haben uns was ausgedacht“, redete Clemetti weiter, „wir werden unten am Parktor die Wachen abziehen … Wir werden die beiden Schnüffler einladen, ’rüber zum Ranchhaus zu kommen. Und dann schlagen wir zu! Kurz und gründlich!“
„Hoffentlich gehen die beiden Leute darauf ein“, erwiderte Vance mit elegisch klingender Stimme. „Ich bin und bleibe da skeptisch …! Ich glaube kaum, daß wir noch eine echte Chance haben. Wie viele Männer stehen uns denn noch zur Verfügung? Aufregend viel kann das nicht mehr sein.“
„So schlimm ist es ja nun auch wieder nicht.“ Clemetti gab sich optimistisch, „ich habe meine Stammbesatzung … Das ist immer noch ein gutes Dutzend erstklassiger Leute …!“
„Und ich habe Crane hier …! Der ist mehr wert als eine halbe Armee.“ Hartley wurde eigentlich erst jetzt klar, daß er ziemlich allein auf weiter Flur stand. Das Übergewicht der Clemetti-Leute war peinlich groß.
„Und ich habe keinen einzigen Mann mehr“, bedauerte Vance und machte eine wegwerfende Handbewegung, „am liebsten würde ich nach Las Vegas fahren, aber das riskiere ich jetzt nicht mehr …!“
„Legen Sie sich erst mal aufs Ohr“, schlug Clemetti vor, „Sie sind im Moment ziemlich fertig, Vance … In ein paar Stunden sieht das anders aus …“
„Kommen Sie, begleiten Sie mich“, bat Vance den Hausherrn, „ich glaube, daß ich ziemlich schwach auf den Beinen bin …
Hartley sah Clemetti und Vance nach, die die Wohnhalle verließen. Er wunderte sich kaum darüber, wie sehr Vance sich in der kurzen Zeit verändert hatte. Er war nur nicht damit einverstanden, daß Clemetti und Vance sich jetzt ungestört unterhalten konnten. Hoffentlich kochten sie nichts gegen ihn aus …
Hartley verließ die Wohnhalle und ging nach draußen. Er wollte sich mit Crane und dem letzten der vier Männer in Verbindung setzen. Sie mußten ab sofort auf höchste Wachsamkeit umschalten. Mord lag in der Luft …!
*
Vance befand sich allein in seinem Zimmer.
Er ließ sich auf dem Bett nieder und schloß erschöpft die Augen. Er hörte auf die sich entfernenden Schritte seines Gastgebers und richtete sich eine gute halbe Stunde später wieder auf, als draußen, irgendwo in der Wüste, krachende Böllerschüsse zu hören waren.
Er trat an das Fenster und schaute hinaus auf den Park. Er sah Hartley, Crane und einen Muskelmann. Sie alle rannten in den Park hinein und hielten wahrscheinlich auf das Parktor zu.
Dann erschien Clemetti auf der Bildfläche.
Er hatte sich mit einer Maschinenpistole ausgerüstet und brüllte Kommandos. Er scheuchte seine Leute umher und wirkte ungemein nervös und fahrig.
Vance wartete, bis alle Männer im Park verschwunden waren. Dann verließ er sein Zimmer. Erstaunlicherweise merkte man ihm nun nichts mehr von den Strapazen an. Ungemein leichtfüßig ging er hinunter in die große Wohndiele.
Sie war wie leergefegt. Alles, was Beine hatte, befand sich wohl draußen im Park und sicherte die Grenzen.
Paul Vance hatte nichts dagegen.
Er trat hinaus auf die Terrasse, orientierte sich kurz und ging dann hinüber zum nahen Schwimmbecken, in dem sich der Wasservorrat der Ranch befand. Jetzt, und das war wirklich erstaunlich, mühte er sich wieder ab, sah wieder aus wie ein älterer Mann, der sich von schlimmen Strapazen noch längst nicht erholt hatte.
Draußen, irgendwo in der Wüste, pfiffen Leuchtraketen zum Himmel hoch.
Vance konnte sich vorstellen, daß das Schwimmbecken im Moment bestimmt nicht bewacht wurde. Er erreichte die schweren Handräder aus Bronze, die sich auf der Stirnseite des Beckens befanden. Vance bückte sich und sperrte ohne jedes Zaudern das Auslaßventil auf. Interessiert sah er in das Becken. Unten, auf dem Grund des ausgekachelten Beckens, bildeten sich bereits wütende Strudel. Das Wasser drängte in den Auslaufschacht, um von dort in der Wüste zu versickern.
Nach diesem gewiß rätselhaften Tun schritt Vance zurück zum Ranchhaus und betrat die Wohndiele.
Jetzt interessierte der Gangsterboß sich für die Hausbar, die sich in einem spanischen Schrank befand. Er öffnete die Seitentüren und begutachtete die vielen Flaschen. Anerkennend nickte er dazu. Clemetti hatte sich wirklich erstklassig ausgestattet. Es fehlte keine gängige Marke.
Dennoch versetzte Vance diese lieblichen Getränke.
Er öffnete Flasche auf Flasche und träufelte in jede ein paar Tropfen aus einer Metallkapsel, die er aus seiner Hosentasche hervorgezogen hatte. Anschließend stellte er die Flaschen sorgfältig zurück und schloß die Bar.
Doch damit nicht genug.
Paul Vance blieb aktiv. Er wechselte hinüber in die Küche des Ranchhauses. Er vergewisserte sich, ob auch alles leer war. Dann beschäftigte er sich mit dem großen Kaffeebehälter, der auf einer Elektroplatte stand. Er goß den noch heißen Kaffee in den Ausguß, inspizierte die beiden großen Eisschränke und leerte sämtliche Flaschen, die er fand. Fruchtsaftkonserven ließ er in einem großen Müllschlucker verschwinden.
Nach dieser anregenden Arbeit, die auf den ersten Blick hin völlig sinnlos erschien, begab Vance sich zurück auf sein Zimmer. Er trug einige Fruchtsaftkonserven mit hinauf, betrat Hartleys Zimmer und ließ die Saftdosen unter das Bett seines Kollegen kollern. Anschließend legte er sich wieder auf sein Bett und schaute auf die Armbanduhr.
Seit dem Aufstehen waren etwa fünf Minuten verstrichen. Schlagartig hörten draußen in der Wüste die Böllerschüsse auf. Ruhe und Friede kehrten ein. Der Feuerzauber schien nur noch ein wilder, aufregender Traum gewesen zu sein.
*
„Sie werden kommen, früher oder später“, sagte Clemetti zu Hartley. Sie saßen in der Wohndiele des Ranchhauses, und diskutierten über den vermeintlichen Angriff, den sie gerade überstanden hatten. „Noch in dieser Nacht wird sich alles entscheiden.“
„Hoffentlich“, sagte Hartley, „ich habe die Nase gründlich voll. Was ist jetzt mit Vance? Holen wir ihn ’runter? Machen wir jetzt Schluß mit ihm? Oder haben Sie sich die Sache anders überlegt?“
„Richtig“, antwortete Clemetti und grinste, „warum soll nur Vance das Opfer sein …?“
„Was soll das heißen?“
„Bleiben Sie ganz schön ruhig, Hartley“, mahnte Clemetti, „ich wiederhole noch einmal, warum soll ich nur Vance aus dem Geschäft ’raushalten? Sie stören mich schließlich ebenfalls …!“
Hartley begriff und sprang auf. Gleichzeitig griff er nach seinem Schießeisen. Doch ein derber Schlag auf seinen Oberarm ließ ihn vor Überraschung aufbrüllen. Er schaute zur Seite und entdeckte zwei Clemetti-Männer, die mit gezogenen Waffen sich hinter ihm aufgebaut hatten.
„Keine Dummheiten, Hartley“, warnte Clemetti, „ist schließlich ein Unterschied, ob Sie mit ’ner Schußverletzung durch die Wüste rennen oder nicht …!“
„Sie wollen … Sie wollen auch mich ’reinlegen …!?“ Hartleys Stimme klang heiser.
„Wollen …? Ich habe, Hartley, ich habe …! Crane und ihr letzter Muskelmann sitzen bereits fest … Ich habe sie in den Keller sperren lassen. Rechnen Sie also nicht mit Hilfe …!“
„Und Vance?“
„Ist oben in seinem Zimmer und wird bereits bewacht, ohne daß er etwas davon weiß … Er ist gleich an der Reihe. Los, Jungens, durchsucht ihn, damit es keinen Ärger gibt …!“
Die beiden Clemetti-Männer tasteten Hartley nach Waffen ab und blieben dann abwartend hinter ihm stehen.
„Was … was haben Sie mit mir vor?“ wollte Hartley wissen. Er hatte eingesehen, daß er im Moment nichts machen konnte.
„Ich werde Sie und Vance ’raus in die Wüste bringen lassen“, entwickelte Clemetti seinen Plan, „dort werden Sie sich verirren, schätze ich … Muß ich noch deutlicher werden?“
„Damit kommen Sie beim Syndikat niemals durch … Clemetti, Sie, spielen zu hoch …! Das nimmt Ihnen das Syndikat niemals ab.“
„Das Syndikat hat mir auch Portland abgenommen“, antwortete Clemetti auflachend, „er geht nämlich auf mein Konto … aber das ahnten Sie ja sicher schon, oder?“
„Sie haben ihn vergiftet, wie?“
„Genau …! Austern sind nicht immer frisch und genießbar. Vor allen Dingen dann, wenn man sie mit ’ner leichten Dosis Blausäure versetzt … Aber das ist schon nicht mehr aktuell … Sie und Vance werden von Rander und Parker umgebracht …!“
„Sie werden sich eines Tages noch den Hals brechen, dafür garantiere ich.“ Hartley hätte sich am liebsten auf seinen Geschäftspartner gestürzt, riskierte es aber nicht. Die beiden Clemetti-Männer hinter ihm ließen das bestimmt nicht zu.
„Zuerst kassiere ich mal Ihre und Vances Organisationen“, redete Clemetti weiter, „Die von Portland ist ja ohnehin frei …!“
„Möglich, daß Sie mit dem Syndikat klar kommen“, erwiderte Hartley und zwang sich zur Ruhe, „aber mit Rander und Parker werden Sie noch Ihre Freude haben …!“
„Bestimmt, sie werden mir in die Falle laufen, Hartley … Denken Sie mal an diesen Motel-Harris, für den Rander gearbeitet hat … Den werde ich mir kaufen … Harris wird der Speck in der Falle sein. Wenn meine Jungens ihn kidnappen, werden Rander und Parker automatisch auf der Bildfläche erscheinen. Und dann bin ich an der Reihe! Sie hören, ich habe an alles gedacht …!“
„Ist wohl sinnlos, mit Ihnen verhandeln zu wollen, wie?“
„Sinnlos …!“ antwortete Clemetti und grinste, „was haben Sie mir schon zu bieten? Sie haben verspielt, Hartley, und das weiß ich …!“
„Mögen Sie an diesem Geschäft ersticken“, schimpfte Hartley, der sich daraufhin einige böse Hiebe mit dem Lauf eines 38ers einhandelte. Clemettis Männer hatten empfindlich reagiert.
Genau in diesem Moment erschien ein weiterer Clemetti-Mann in der Wohndiele. Er war sehr aufgeregt. Er schrie ohne jede Vorwarnung: „Das Schwimmbecken ist leer, Boß! Völlig ausgelaufen! Irgend jemand muß das Ablaufventil geöffnet haben!“
Während Clemetti bleich wie eine frisch gekälkte Wand wurde, konnte Hartley ein schadenfrohes Auflachen nicht unterdrücken.
„Ihnen wird das Lachen gleich vergehen“, brüllte Clemetti gereizt. „Los, bringt ihn zu Crane! Und dann will ich Vance hier sehen! Los, beeilt euch! Jetzt wird reiner Tisch gemacht!“
*
„Vance ist nicht in seinem Zimmer, Boß“, meldete der Schläger und sah Clemetti unsicher und ängstlich an.
„Was ist er nicht?“ Grollend und drohend klang Clemettis Stimme.
„Vance ist verschwunden!“
„Wie konnte das passieren? Er ist doch bewacht worden?!“
„Keine Ahnung, Boß, aber er muß noch auf dem Gelände sein! Wir suchen bereits nach ihm!“
„Worum ich auch gebeten haben möchte“, brüllte Clemetti gereizt. „Kann man sich denn auf keinen Menschen verlassen? Habe ich denn nur Flaschen in meinem Laden?“
Seine Hände zitterten leicht, als er sich eine Zigarette anzündete. Er prüfte seinen 38er, entsicherte ihn und legte ihn griffbereit auf den Couchtisch. Dann öffnete er die Bar und griff nach einer Scotchflasche. Hastig öffnete er sie und füllte sich ein Glas. Gierig trank er es leer und schüttelte sich.
Vance war also verschwunden. Hatte er Lunte gerochen? Trieb er sich wirklich noch auf dem Gelände herum? Wartete Vance nur darauf, zum Angriff überzugehen?
Vance war nicht zu unterschätzen. Gerade Paul Vance nicht. Clemetti brach der Schweiß aus. Er fühlte sich plötzlich elend und schwach in den Beinen. Er hatte das dumpfe Gefühl, dieses mörderische Spiel überreizt zu haben.
Und Schuld an diesen Fehlschlägen trugen nur diese beiden Schnüffler Rander und Parker. Daran war überhaupt nicht zu zweifeln. Ihr Erscheinen hatte seine ganzen Pläne durcheinandergebracht.
Clemetti spürte, daß der Schweißausbruch sich verstärkte. Ihm wurde jetzt sogar übel. Er verdrehte die Augen, taumelte zurück und ließ sich kraftlos in einen Sessel fallen. Dann befiel ihn so etwas wie eine leichte Ohnmacht.
*
Als Clemetti wieder zu sich kam, brauchte er fast eine ganze Minute, um sich über seine Lage klarzuwerden. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Doch dann hörte er Hartleys Stimme und wußte, daß er nicht träumte.
„Wer hat nun wen hereingelegt, he?“ höhnte Hartley.
Clemetti strich sich über die schweißnasse Stirn und setzte sich hoch. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die kühle Kellerwand und sah sich in der Runde um.
Vertraute Gesichter gab es zu sehen.
Da waren Crane und der letzte der Hartley-Männer. Da war Hartley selbst, der eine Zigarette rauchte. Da waren einige seiner Männer vom Ranch-Stammpersonal. Und alle befanden sie sich in einem niedrigen, fensterlosen Keller unterhalb der Erde. Eine schwere Tür, beiderseitig mit Blech beschlagen, hielt sie fest. Ein Entwischen war unmöglich.
„Wer … wer hat mich … hier … Clemetti brach ab und räusperte sich die belegte Kehle frei. „Wer hat mich hier ’runtergeschafft, Hartley?“
„Unser gemeinsamer Freund Vance“, antwortete Hartley. „Er war noch gerissener als Sie und ich zusammen! Sie wissen doch hoffentlich, was das bedeutet, wie? Er hat bestimmt keine Hemmungen, uns alle über die Klinge springen zu lassen.“
„Mir … wurde schlecht“, erinnerte sich Clemetti, „ich hatte einen Scotch getrunken und plötzlich war es aus mit mir!“
„Kunststück, weil Vance den Scotch bestimmt präpariert hatte.“ Hartley gab sich erstaunlich heiter. Vielleicht freute er sich, daß nun auch Clemetti hereingefallen war. „So was ist Vance ja durchaus zuzutrauen.“
„Wo steckt Vance jetzt?“ wollte Clemetti wissen und stand auf.
„Keine Ahnung. Vielleicht fängt er den Rest Ihrer Leute ein, Clemetti. Ein Vance läßt sich auf kein Risiko ein, das dürften wir inzwischen wissen!“
„Er … er kann uns doch nicht alle umbringen“, jammerte Clemetti.
„Und ob er kann, Clemetti! Was hatten denn Sie vor, he? War das denn nicht auch Ihr Plan?“
Clemetti schwieg und starrte zu Boden. Er wußte, daß er auf der ganzen Linie verspielt hatte.
„Sollten wir nicht die Tür rammen?“ schaltete Crane sich in die kurzweilige Unterhaltung ein, „schließlich haben wir es ja nur mit Vance zu tun!“
„Versuchen können wir’s ja!“ Hartley war nicht sonderlich begeistert. „Viel verspreche ich mir aber nicht davon, Crane! Sie hätten eben früher auf passen müssen.“
„Ich?! Jetzt reicht es mir aber, Hartley!“
„Wie reden Sie denn mit mir?“
„Wie Sie’s verdienen, Sie Trottel“, schimpfte Crane los und pfiff darauf, daß er mit seinem sonst so gefürchteten Boß sprach. „Wer hat uns denn das alles eingebrockt? Sie haben den Hals ja nicht voll genug bekommen!“
„Noch ein Wort, und ich vergesse mich“, drohte Hartley. Er hätte es besser nicht gesagt. Sein letzter Muskelmann vergaß sich tatsächlich und verabreichte seinem Boß ein paar harte Magenhaken.
„Darauf habe ich schon immer gewartet“, sagte der Mann und nickte Crane zu. „Und von diesem Idioten habe ich mir bisher alles gefallen lassen!“
Die Clemetti-Männer fühlten sich animiert.
Sie beschäftigten sich nun kurz und schmerzvoll mit ihrem Boß. Clemetti saß nach wenigen Sekunden schluchzend auf dem kühlen Zementboden und fingerte nach den schmerzenden Stellen. Die beiden Groß-Bosse Hartley und Clemetti erlebten so etwas wie eine Meuterei. Und sie konnten nichts dagegen tun.
Anschließend prügelten sich die Muskelmänner untereinander. Sie mußten sich einfach betätigen, sonst wären sie wohl an ihrem eigenen Zorn erstickt. Nach weiteren Minuten saßen alle Männer stöhnend auf dem Boden und schnappten ausgepumpt nach Luft. Sie hatten sich gegenseitig fertiggemacht.
Crane alarmierte dann die übrigen Männer.
„Da … da!“ schrie er plötzlich und deutete mit ausgestreckter Hand auf das Schlüsselloch. „Vance vergiftet uns! Jetzt ist alles verloren!“
Er hatte keineswegs falsch gesehen.
Durch das Schlüsselloch wallte ein gelblichweißer Nebel. Er wurde begleitet von einem giftigen Zischen.
*
Paul Vance stand am Parktor und verbeugte sich andeutungsweise, als ein gewisses hochbeiniges Monstrum sich näherte. Der Wagen hielt an, ein gewisser Mike Rander stieg aus und lachte Vance freundlich zu.
„Alles in Ordnung, Parker?“ erkundigte Rander sich dann.
„Ich bin glücklich, Sir, Ihre Frage positiv beantworten zu können“, gab Josuah Parker zurück. „Die beiden Bosse Hartley und Clemetti sowie alle übrigen Mitarbeiter befinden sich seit einer halben Stunde hinter Schloß und Riegel!“
„Erstklassige Arbeit“, lobte Rander lächelnd. „Mit Ihrer Maske scheint es demnach geklappt zu haben, wie?“
„Weder Mr. Clemetti noch Mr. Hartley schöpften Verdacht“, berichtete der Butler in seiner würdevoll gemessenen Art. „Von den engsten Mitarbeitern Clemettis sogar ganz zu schweigen!“
„Sie sollten den Beruf wechseln und im Fernsehen als Verwandlungskünstler auftreten.“
„Nur dann, Sir, wenn sich dort ein Kriminalfall lösen läßt. Darf ich nach Mr. Vance fragen?“
„Vance, Freddy, Ronny und Ray, Steve und Clive sitzen bereits in Polizeizellen“, berichtete Rander lächelnd. „Die ersten Geständnisse sind bereits abgelegt worden. Vance kann es noch immer nicht begreifen, daß er seine Kleidung ablegen mußte. Die übrigen Ganoven sind froh, daß sie nicht weiter in der Wüste herumirren müssen. Sie faseln alle von Blasrohrpfeilen, aber ich habe mir nicht die Zeit genommen, der Polizei alles zu erklären. Die Behörden glauben vorerst an Fiebervorstellungen.“
„Wogegen ich wirklich nichts einzuwenden hätte, Sir! Wenn Sie gestatten, führe ich Sie jetzt zu Mr. Hartley und Clemetti.“
Parker stieg zu Rander in das hochbeinige Monstrum und ließ sich hinüber zum Ranchhaus fahren. Anschließend kümmerten Herr und Butler sich um die beiden anderen Gangsterbosse.
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„Gut, Ihr Trick mit Vances Maske war erstklassig“, räumte Hartley widerwillig ein, „aber Sie können uns gar nichts beweisen, Rander. Und auch Sie nicht, Parker! Sie werden sich wundern, wenn wir erst mit unseren Gegenklagen kommen. Noch sind Sie nicht aus dem Schneider!“
„Hartley hat recht“, schaltete sich nun auch Clemetti gereizt ein. „Wer hat denn den ganzen Wirbel aufgezogen?“
„Meine bescheidene Wenigkeit“, gestand Josuah Parker, der sich auch rein äußerlich in den Butler zurückverwandelt hatte, „doch wenn Sie glauben, daß Sie noch einmal davonkommen werden, so haben Sie sich getäuscht, fürchte ich!“
„Sehen Sie mal hier!“ Rander griff nach einem kleinen Tonband, das er hochhielt. „Dieses Langspielband enthält aufschlußreiche Diskussionen. Nach dem Motto: Wer bringt wen um? ist alles aufgezeichnet, was über dieses Thema gesagt wurde!“
Rander, Parker, Clemetti und Hartley saßen in der Wohndiele und warteten auf das Eintreffen der alarmierten Polizei. Die beiden Gangsterbosse trugen selbstverständlich Handschellen. Dafür hatte Parker gesorgt.
„Tonband!“ Hartley grinste verächtlich. „Wollen Sie vor Gericht damit aufkreuzen? Damit kommen Sie nicht weit. Tonbandaufzeichnungen sind kein Belastungsmaterial. Das müssen Sie als Anwalt doch verdammt genau wissen, Rander!“
„Wir mißverstehen uns“, schaltete Josuah Parker sich ein und schüttelte leicht verweisend den Kopf. „Dieses Tonbandmaterial ist auf keinen Fall für die Polizei bestimmt!“
„Sondern für wen?“ Clemetti ahnte die Antwort, wollte es aber genau wissen.
„Diese Tonbandaufzeichnungen gehen selbstverständlich an Ihre Dachorganisation … an das Syndikat!“
„Das … das können Sie doch nicht machen“, stotterte Clemetti entsetzt.
„Sind Sie wahnsinnig?“ keuchte Hartley. „Die bringen uns doch glatt um!“
„Dagegen ließe sich ein Mittel anwenden!“
„Und wie sieht dieses Mittel aus?“ fragten Clemetti und Hartley fast synchron.
„Sorgen Sie dafür, meine Herren, daß Ihnen der Staat für längere Zeit Pension gewährt. Nur in staatlichen Anstalten dürften Sie jetzt noch sicher sein!“
„Wir sollen uns selbst belasten?“ Wieder redeten sie fast synchron.
„Darauf müssen Mr. Rander und meine bescheidene Person allerdings bestellen“, erläuterte der Butler würdevoll. „Aus dem Gang der späteren Gerichtsverhandlung wird sich ergeben, was Sie für sich tun. Besprechen Sie sich mit Ihren Verteidigern. Lassen Sie sich Delikte einfallen! Mr. Rander und meine Wenigkeit müssen darauf bestehen, daß Sie sich wenigstens für Jahre Gefängnis zuordnen. Anderenfalls gehen die Tonbandaufzeichnungen an das Syndikat!“
„Das ist Erpressung!“ Clemetti und Hartley waren sich erstaunlich einig.
„Unsinn, das ist Lebensrettung“, entschied Mike Rander ironisch. „Vielleicht einigen Sie sich auf ein gemeinsames Delikt, falls Vance nicht schon ausgepackt hat!“
„Wir … wir sprechen uns noch“, drohte Clemetti.
„Wir sind auch mal wieder am Drücker“, prophezeite Hartley grimmig.
„Natürlich … nach fünf Jahren. Denken Sie daran! Aber vielleicht haben Sie Glück.“
„Glück?“ Clemetti und Hartley schöpften Hoffnung.
Rander nickte und schmunzelte.
„Vielleicht hat die Polizei schon so viel Belastungsmaterial, daß Sie sich gar nicht gegenseitig zu bezichtigen brauchen. Lassen Sie sich doch überraschen! Ich wünsche auf jeden Fall geruhsame Jahre!“
„Die Polizei, Sir!“ Parker hob lauschend den Kopf. „Wenn Sie gestatten, werde ich sie empfangen und hereinführen!“
Rander nickte, während Parker die Wohnhalle des Ranchhauses verließ. In der großen Eingangstür blieb der Butler einen kurzen Moment stehen und sah sich bedauernd um.
Er war etwas unglücklich. Die Gangsterbosse, die „Großen Drei“, hatten es ihm im Grunde doch zu leicht gemacht. So viele nette Gags hatten darauf gewartet, angewendet zu werden. Und nun war dieser Fall schon beendet.
Parker tröstete sich mit dem nächsten Fall. Er nahm sich vor, dann alles gründlich nachzuholen. Denn der nächste Fall kam bestimmt, daran war nicht zu zweifeln. Und Mr. Mike Rander würde wiederum mitmachen, auch wenn man etwas nachhelfen mußte. Parker wußte, wie man seinen jungen Herrn zu behandeln hatte.
Er rückte sich die schwarze Melone zurecht und trat hinaus ins Freie, würdevoll wie ein Haushofmeister, der liebe
Gäste ins Haus geleiten Will …
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