Читать книгу Butler Parker Paket 2 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 7
ОглавлениеDie Cessna kam aus nördlicher Richtung und sah vollkommen harmlos aus.
Im Licht der untergehenden Sonne flammte der rotgestrichene Rumpf auf. Das sonore Brummen des Motors erinnerte an einen zufriedenen Käfer. Die Cessna kurvte langsam ein und hielt dann genau auf die riesigen Tanks zu, die zum Schutz gegen Sonnenbestrahlung silbern gestrichen waren.
Diese Tankbatterien gehörten zu einem Hydrierwerk und wurden von dicken Pipelines gespeist, die irgendwo aus dem Land kamen und hier endeten.
Joe Dickens, ein Vormann der Raffinerie, schob sich den Plastik-Schutzhelm ins Genick und beobachtete die Maschine. Nur noch wenige Minuten bis Schichtende. Er freute sich auf die erste Zigarette seit Stunden und wischte sich die Hände an einem dicken Putzlappen ab.
Dickens beobachtete die Maschine, die nun zur Seite schwenkte und sich entfernte. Das Geräusch des Motors wurde noch dunkler und satter. Dickens wandte sich ab und stiefelte hinüber zur breiten, betonierten Verbindungsstraße, die sich an den Tankbatterien vorbeischlängelte.
Dann blieb er plötzlich stehen.
Er hatte die Maschine zwar aus den Augen verloren, doch er hörte dafür um so lauter das Geräusch des Motors. Er blickte suchend um sich, konnte die Maschine nicht ausmachen und wollte schon weitergehen. Doch in diesem Augenblick tauchte sie auf.
Sie war bereits sehr tief. Sie wurde aber noch weiter angedrückt und stieß auf einen der großen Tanks herunter.
Joe Dickens hielt unwillkürlich den Atem an.
Ist der Kerl verrückt geworden, fragte er sich. Er hielt die flache Hand vor die Augen, um besser sehen zu können.
Die Maschine befand sich bereits über dem Tank.
Genau in diesem Moment löste sich vom Rumpf der Cessna ein zylinderähnlicher Gegenstand von der Größe eines Wassereimers. Dieser Zylinder stabilisierte sich während seines Alleinfluges und fiel genau auf die Mitte des gewölbten Tankkessels.
Dickens hörte ein blechernes Dröhnen, dann ein reißendes Knirschen. Er wußte sofort, daß dieser eigenartig geformte Zylinder den Tank durchschlagen hatte. Unwillkürlich zog er den Kopf ein und wartete auf eine Explosion. Hatte der Pilot eine Bombe abgeworfen?
Der Motor der Cessna heulte auf.
Dickens sah hoch.
Am Rumpf der Maschine war groß und deutlich der Umriß eines Salamanders zu erkennen. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Es handelte sich um einen riesigen, schwarzen Salamander, der gelbgesprenkelt war.
Dann strich die Maschine im Tiefflug zwischen zwei anderen Tanks vorbei und verschwand aus seinem Blickfeld. Dickens erhob sich zögernd. Die erwartete Explosion blieb aus. Dennoch fühlte er sich unsicher, hatte das Gefühl, gleich eine Katastrophe miterleben zu müssen. Er nahm die Beine in die Hand und rannte hinüber zum Verbindungsweg. Er wollte die Werksfeuerwehr so schnell wie möglich alarmieren.
Dickens hatte die Straße noch nicht ganz erreicht, als hinter ihm eine wüste Detonation zu hören war. Bevor er überhaupt reagieren konnte, erfaßte ihn eine Luftdruckwelle und schleuderte ihn gegen einen Schutzwall. Er bäumte sich noch einmal auf, wollte wegkriechen, doch Dickens verlor das Bewußtsein und sah nicht mehr, daß der getroffene Tank sich in einen feuerspeienden Vulkan verwandelt hatte …
*
„In der Tat, äußerst beeindruckend“, stellte Butler Parker fest und warf einen etwas gelangweilten Blick auf die ausgebrannten Öltanks der Raffinerie, „Mir scheint, das Feuer dürfte hier einige Tage lang gewütet haben!“
„Drei Tage hatten die Wehren zu tun“, antwortete Cliff Draken, der General-Manager der Raffinerie, „und wir können von Glück sagen, daß wenigstens kein Todesopfer zu beklagen war.“
„Sie sind sicher, daß hier ganz bewußt Feuer gelegt wurde?“ erkundigte sich Mike Rander.
„Vollkommen sicher“, bestätigte Draken von der All-Texas-Oil, „ich habe Ihnen ja schon erzählt, was unser Vormann Joe Dickens beobachtet hat. Es gibt keine Zweifel an seiner Aussage. Dickens ist ein nüchterner, guter Mann, der keine Hirngespinste kennt.“
„Fassen wir also noch einmal zusammen“, sagte Anwalt Rander, „gegen Spätnachmittag vor fünf Tagen erschien eine einmotorige Sportmaschine, kurvte ein wenig herum und warf dann anschließend im Tiefflug so etwas wie eine Bombe oder einen Sprengsatz ab! Kurz danach platzte der erste Öltank auseinander … weitere folgten!“
„Genauso und nicht anders hat es sich verhalten“, erwiderte der General-Manager, „das Flugzeug ist übrigens auch von anderen Angestellten unserer Raffinerie beobachtet und gehört worden. Ich wiederhole noch einmal, ein Irrtum oder eine Täuschung sind ausgeschlossen. Hier ist ganz zielbewußt Sabotage verübt worden.“
„Mittels eines Flugapparates, auf dessen Rumpf ein Salamander aufgemalt war“, schloß Butler Parker.
„Diesen Salamander hat Dickens genau gesehen“, sagte Cliff Draken schnell.
„Und es gab weder eine Vorwarnung, einen Hinweis noch nachträgliche Erklärungen?“ vergewisserte Mike Rander sich.
„Nichts, rein gar nichts“, gab der General-Manager zurück und blieb neben dem Jeep stehen, der sie durch das Gelände getragen hatte. „Wir alle stehen vor einem Rätsel. Die Polizei eingeschlossen. Aus diesem Grund hat die Geschäftsleitung ja beschlossen, Sie und Ihren Butler hinzuzuziehen. Glauben Sie, daß Sie etwas erreichen werden?“
„Darauf kann ich Ihnen jetzt noch nicht antworten“, erklärte Mike Rander, „im übrigen hätten Sie diese Frage an meinen Butler richten müssen. Er ist der Spezialist.“
Cliff Draken wandte sich etwas irritiert dem Butler zu. Während der ganzen Besichtigungsfahrt hatte er immer wieder verstohlen den Butler beobachtet. Er wurde nicht klug aus diesem Mann mit dem glatten, undurchdringlichen Pokergesicht, aus diesem Mann, dessen wahres Alter kaum zu erraten war.
„Ich erlaube mir, mich den Worten meines Herrn anzuschließen“, erklärte Josuah Parker würdevoll, „rein privat bin ich allerdings der bescheidenen Meinung, daß man es entweder mit einem Täter zu tun hat, dessen Geist sich verwirrt hat, oder aber mit einem Täter, der seine wahren. Absichten in aller Kürze kundtun wird.“
„Wie bitte?“ fragte Draken und hüstelte angegriffen. Die barocke Ausdrucksweise des Butlers verwirrte ihn.
„Parker meint, daß der Täter sich früher oder später melden wird“, erläuterte der junge Anwalt und verbiß sich ein leichtes Schmunzeln. „Grundlos wird man die Raffinerie ja nicht angegriffen haben.“
„Darf ich mich in aller gebotenen Bescheidenheit danach erkundigen, Sir, ob Sie vielleicht einen mehr oder weniger bestimmten Verdacht hegen, wer dieser Täter sein könnte?“
Parker hatte sich an den General-Manager gewendet und sah ihn kühl und forschend an.
„Keine Ahnung, wer uns diesen bösen Streich gespielt haben könnte“, antwortete Draken, der diesmal besser verstanden hatte, „glauben Sie, daß die Konkurrenz dahinterstecken könnte?“
„Ausgeschlossen.“ Mike Rander schüttelte den Kopf. „Ich denke, diese Möglichkeit brauchen wir nicht näher zu beleuchten. Der Konkurrenzkampf mag noch so hart sein, Draken, zu solchen Mitteln würde man aber niemals greifen.“
„Hier in Texas herrschen rauhe Methoden“, gab Draken zu überlegen. Er wollte noch weiterreden, doch in diesem Moment erschien ein zweiter Jeep, der heftig und hart bremste.
Ein drahtiger, junger Mann von etwa dreißig Jahren stieg aus. Er schien zu den leitenden Angestellten zu gehören. Er trug den in diesen Kreisen obligaten, dunklen Anzug. Der Schutzhelm aus Plastik, den auch er hier draußen im Gelände trug, verlieh diesem Mann einen fast verwegenen Ausdruck.
„Ein Eilbrief für Sie, Sir“, rief er Draken zu, „wurde eben beim Pförtner in der Hauptverwaltung abgegeben!“
„Hat das nicht Zeit, Elsner?“ fragte Draken unwirsch. Dann stellte er vor: „Das ist Walt Elsner, mein Assistent … Mister Rander … Butler Parker!“
Die Männer nickten sich zu, während Draken den Brief förmlich auffetzte.
Er überlas die wenigen Zeilen und reichte das Schreiben dann kommentarlos an Mike Rander weiter. Der Anwalt las ebenfalls und ließ es in Parkers Hände weitergehen.
„Als der Eilbrief abgegeben wurde, wurde ich angerufen“, erläuterte Walt Elsner, der Assistent von Draken. „Eine sehr undeutliche Stimme forderte mich auf, diesen Brief sofort an Sie weiterzuleiten … Ich wollte eigentlich schon auflegen … Da sprach diese Stimme aber von den ausgebrannten Öltanks.“
„Und übertrieb gewiß nicht“, schaltete Parker sich ein und reichte den Brief an Draken zurück. „Sie haben ja gelesen, was der Verfasser dieses Schreibens mitteilt. Er verlangt nicht weniger als eine Million Dollar und erklärt sich bereit, nach Zahlung an ihn auf weitere Tiefflugangriffe auf die Raffinerie zu verzichten.“
„Dieser Bursche muß wahnsinnig sein“, stöhnte Draken, der sich inzwischen von seiner Überraschung erholt hatte. „Eine Million Dollar! Wie stellt er sich das vor?“
„Nähere Einzelheiten werden Ihnen laut Schreiben noch zugehen“, redete der Butler gemessen und würdevoll weiter. „Die Frage ist nun, ob Sie sich an die Polizei wenden wollen. Für diesen Fall nämlich droht der Attentäter mit weiteren Luftangriffen.“
„Dieser Kerl muß wahnsinnig sein“, wiederholte sich Draken.
„Möglich, daß ein gewisser Wahnsinn im Spiel ist“, schloß der Butler, „aber dann ist zu bemerken, daß dieser Wahnsinnige ein zielstrebiger Geschäftsmann sein muß, der genau weiß, was er will.“
*
„Glauben Sie an einen geistesgestörten Täter?“ erkundigte sich Mike Rander, als er zusammen mit seinem Butler zurück nach Midland fuhr. Sie hatten sich in dieser Stadt von rund sechzigtausend Einwohnern, die fast ausschließlich in der Ölindustrie arbeiteten, in einem kleinen Motel eingemietet.
„Mitnichten, Sir“, gab Parker zurück, der am Steuer seines hochbeinigen Monstrums saß, „der Täter, falls er sich nur um eine Einzelperson handelt, weiß sehr genau, was er will.“
„Eine Million Dollar!“ Rander schüttelte den Kopf. „Der Mann ist nicht gerade bescheiden. Ob er wohl weiß, wie schwer es ist, soviel Geld zu übernehmen, ohne dabei erwischt zu werden?“
„Mit Sicherheit, Sir, hier dürfte es sich meiner bescheidenen Ansicht nach um einen genau durchdachten Plan handeln, in den jede Eventualität einkalkuliert ist.“
„Wo setzen wir den Hebel an?!“
„Ich muß zu meinem unendlichen Bedauern gestehen, daß ich in der Luft hänge, wie der Volksmund es so treffend ausdrücken würde. Man muß wohl vorerst auf weitere Äußerungen oder Handlungen des Täters warten, Sir!“
Während der Butler noch sprach, richtete er sich noch steiler auf, als es ohnehin der Fall war.
„Was ist los?“ Rander wurde unruhig.
„Darf ich mir erlauben, Sir, Sie auf das Geräusch eines Flugzeugmotors aufmerksam zu machen?“
„Stimmt … Eine Maschine. Scheint eine kleine Kiste zu sein!“
„In der Tat, Sir!“
„Na, und?“
„Auch die Raffinerie wurde von einem kleinen Sportflugzeug angegriffen. Darf ich den Vorschlag machen, die Fahrt für wenige Augenblicke zu unterbrechen?“
„Rechnen Sie etwa mit einem Angriff?“
Mike Rander hatte den Satz noch nicht ganz beendet, als das Geräusch des Flugzeugmotors erschreckend laut wurde. Ein schrilles Pfeifen, das auf einen Sturzflug hindeutete, kam hinzu.
Parker reagierte augenblicklich. Er ließ sich nicht das Gesetz des Handelns nehmen. Er steuerte sein hochbeiniges Monstrum, wie sein Privatwagen genannt wurde, geschickt und schnell von der Straße herunter und brachte es unter dem Blätterdach einer riesigen Akazie erst einmal in Deckung.
Nun war das Sportflugzeug zu sehen.
Der Pilot schien durch Parkers Manöver etwas aus der Fassung geraten zu sein. Er riß die wendige, schnelle Maschine hoch und kurvte nach links weg. Das Flugzeug verschwand hinter den Hügeln, die die Straße säumten.
„Das galt uns“, sagte Rander, der den Wagen verließ.
„Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Sir!“
„Rechnen Sie mit kleinen Überraschungen?“
„In der Tat, Sir. Durch Umstände, die Ihnen und meiner Wenigkeit im Moment noch unbekannt sein dürften, hat sich das Interesse des Attentäters auf uns konzentriert. Er fürchtet wahrscheinlich um seine ungestörte, zukünftige Arbeit!“
„Können wir diesem komischen Piloten keinen Denkzettel verpassen?“
„Ich habe mir erlaubt, Sir, bereits einige Vorbereitungen zu treffen“, antwortete Parker, der den Kofferraum seines Monstrums geöffnet hatte und darin herumkramte. Das heißt, der Ausdruck ,kramen‘ paßte keineswegs. Im hinteren Teil des Kofferraums befanden sich fest eingebaute Schubladen, die Überraschungen aller Art enthielten, über die Parker stets souverän verfügte.
So auch in diesem Fall.
„Die Maschine!“ rief Mike Rander, der sich auf reine Luftbeobachtung konzentriert hatte. Er deutete hinüber zur nahen Hügelkette und kennzeichnete damit das einmotorige Flugzeug, das einen zweiten Anflug unternahm.
„Worauf warten Sie noch?“ rief Mike Rander nervös und sah verwundert zu seinem Butler hinüber, der tatenlos neben dem Kofferraum stand.
„Ich möchte vorschlagen, Sir, die Regeln des Fair play einzuhalten“, erwiderte Parker gemessen, „noch hat der Pilot die Feindseligkeiten nicht eingeleitet.“
„Aber jetzt!“ erwiderte Rander trocken und deutete hinauf zur Maschine, von deren Rumpf sich eine Art Wassereimer löste, der durch die Luft segelte und dann mit einem dumpfen Aufschlag auf dem Boden landete.
Rander und Parker nahmen volle Deckung.
Bruchteile von Sekunden später platzte dieser wassereimerähnliche Gegenstand mit einer harten Detonation auseinander und schleuderte etwa einen halben Kubikmeter Erdboden und Steinbrocken durch die Luft.
Rander, Parker und das hochbeinige Monstrum konnten von Glück sagen, daß dieser Gegenstand so schlecht und wahrscheinlich überhastet plaziert worden war. Er hatte sein Ziel gründlich verfehlt, was aber nicht besagte, daß der Pilot nun aufgab. Er verschwand in einer steilen Kurve jenseits der Hügel.
„Hoffentlich war das in Ihren Augen die erwartete Feindseligkeit“, meinte Rander spöttelnd, als er sich erhob.
„Ich würde dies als eine solche betrachten, Sir!“ Parker fand noch ausreichend Zeit, eine kleine Bürste aus einer Tasche hervorzuzaubern. Damit pflegte er das Jackett seines jungen Herrn, der erst mit einer Spätzündung von einigen Sekunden begriff, was sein Butler da tat.
„An Ihrer Stelle hätte ich jetzt andere Sorgen“, meinte er etwas unwillig und schüttelte seinen Butler ab, „rechnen Sie damit, daß auch die nächste Bombe ihr Ziel verfehlen wird?“
„Mit Sicherheit, Sir!“
„Seit wann betätigen Sie sich als Prophet?“
„Ich werde mir die Freiheit nehmen, mich als Scharfschütze zu betätigen, Sir.“ Parker hob das sehr kurzläufige Gewehr hoch, das er gegen den Kofferraum gelehnt hatte.
„Noch nie gesehen“, stellte Rander erstaunt fest, „seit wann befindet es sich in Ihrem Besitz?“
„Eine Spezialkonstruktion, Sir, die ich mir zugelegt habe“, erläuterte der Butler, „ich hoffe, der Pilot wird meine Bemühungen anerkennen!“
*
Der Pilot ahnte noch nichts von seinem Glück.
Er befand sich im Anflug und visierte die Hügelkette an. Diesmal wollte er es schaffen. Es war seine Absicht, über die Miniberge zu springen, die Maschine scharf anzudrücken und dann die nächste Splitterbombe zu werfen.
Aus Gründen der Tarnung und Sicherheit trug er einen Jet-Helm, wie er von Piloten für Düsenmaschinen benutzt wird. Eine getönte Pilotenbrille vervollständigte die Maskerade. Der Pilot wollte auf keinen Fall selbst durch einen blinden Zufall erkannt werden.
Er war übrigens sehr ärgerlich auf sich.
Er wußte genau, mit wem er es zu tun hatte. Die beiden Männer da unten neben dem hochbeinigen Wagen unterschätzte er auf keinen Fall. Gewisse Dinge über sie hatten sich in einschlägigen Fachkreisen längst herumgesprochen. Es war dem Piloten eine Freude, diese beiden Männer nun ins Jenseits zu schicken. Schaffte er es, konnte er sich persönlich etwas darauf einbilden. Darüber hinaus aber konnte er mit dem Beifall vieler Freunde rechnen.
Er hatte die Hügelkette passiert und orientierte sich blitzschnell.
Da war noch dieses hochbeinige Monstrum! Es stand nach wie vor unter dem breiten Baum. Und da waren auch die beiden Schnüffler wie er sie nannte.
Sie hatten die Deckung des Baumes verlassen und sich neben einigen Felsklötzen auf gebaut. Wahrscheinlich wollten sie dort Schutz suchen, sobald der eigentliche Angriff begann.
Der Pilot, der sein Gesicht sorgfältig getarnt hatte, korrigierte ein wenig die Richtung und drückte noch schärfer an. Er brauchte sich nun nicht mehr um den hinderlichen Baum zu kümmern. Das Gelände war jetzt frei und zugänglich.
Er sah deutlich, daß dieser schwarzgekleidete Parker plötzlich so etwas wie ein Gewehr anhob.
Der Pilot fletschte lächelnd seine Zähne. Ein Gewehr! Lächerlich! Damit war nichts auszurichten. Er visierte jetzt gerade den Butler an und wartete darauf, die Splitterbombe lösen zu können.
Er mußte damit länger warten, als er gedacht hatte!
Plötzlich sah er nämlich nichts mehr.
Seine Maschine befand sich in einem gelb-weißen Nebel, der ihm jede Sicht nahm. Die Frontscheibe der Maschine war wie mit einem dünnen, aber undurchdringlichen Film bedeckt.
In panischer Angst, völlig überrascht und in Sorge, in Bodenberührung zu kommen, riß der Pilot die Maschine hoch und vergaß darüber, die Splitterbombe zu lösen.
Er legte die Maschine in eine enge Kurve und hoffte, dem weißgelben Nebel entkommen zu können.
Der Nebel blieb! Der Nebel war identisch mit dem hauchdünnen Film auf der Frontscheibe des Cockpits.
Dem Attentäter in der Maschine brach kalter Schweiß aus. Er dachte verständlicherweise an die Landung, die ja irgendwann einmal stattfinden mußte. Und er sah keine Möglichkeit, diesen undurchsichtigen Film vorn auf der Scheibe zu beseitigen.
Er sah verzweifelt seitlich zum Cockpit hinaus. Aber auch dort haftete bereits ein Film, der zwar noch vage Umrisse erkennen ließ, dann aber von Sekunde zu Sekunde immer dichter und undurchsichtiger wurde.
Der kalte Schweiß, den der Pilot verspürte, hitzte sich nun auf. Die ersten Schweißperlen der Angst tropften von der Stirn, rannen über seine Nasenspitze und verloren sich im hochgezogenen Schal, der die Mundpartie unkenntlich machte!
*
„Was war denn das?“ fragte Rander verblüfft, als die Maschine sich in steiler Kurve entfernte.
„Das Gegenmittel, wenn ich mich so ausdrücken darf, von dem zu sprechen ich mir vor wenigen Minuten erlaubte.“
„Einfach sagenhaft, was Sie da wieder ausgeheckt haben, Parker. Und wie wirkt das Zeug?“
„Auf Säurebasis, Sir! Die Ladung besteht aus Säureschrot, der Plexiglas aggressiv angreift und blind werden läßt! Da die Cockpits kleiner und größerer Sportmaschinen mit Plexiglas versehen sind, durfte ich der Wirkung gewiß sein!“
„Sollten Sie zum Patent anmelden“, erwiderte Rander lächelnd, aber immer noch beeindruckt, „und was geschieht jetzt mit dem Mann in der Flugzeugkanzel?“
„Er wird in einige Schwierigkeiten geraten, falls ihm nichts einfällt, Sir. In diesem Zusammenhang darf ich vielleicht den Vorschlag machen, sich umgehend mit der Luftüberwachung in Verbindung zu setzen.“
„Und warum?“
„Weil dort in der Regel zentral gemeldet wird, wenn ein Flugzeug irregulär landet oder zu Boden kommt!“
„Rechnen Sie mit einem Absturz?“
„Keineswegs, Sir, das hieße, den Piloten der Sportmaschine erheblich unterschätzen.“
*
Mike Rander wollte zurück in den Wagen steigen. Für ihn war der Zwischenfall bereits vergessen. Seitdem er einen gewissen Josuah Parker in seine Dienste genommen hatte, war sein Leben grundlegend verändert worden. Seit dieser Zeit schlitterte er im wahrsten Sinne des Wortes von einem Abenteuer ins andere. Seit dieser Zeit lebte er kein ruhiges Leben mehr. Seit dieser Zeit hatte er es sich abgewöhnt, sich über aufregende Zwischenfälle Gedanken zu machen.
Parker hatte zwar keineswegs etwas dagegen, daß sein junger Herr in den Wagen stieg und sich bereits sicherheitshalber anschnallte, da er die Fahrkünste seines Butlers nur zu gut kannte, aber Josuah Parker setzte sich nicht ans Steuer.
Er warf einige Papphülsen rechts und links vom Wagen auf den steinigen Boden, um erst dann am Steuer Platz zu nehmen.
„Was war denn das?“ fragte Mike Rander mißtrauisch und zuckte unwillkürlich zusammen, als die Papphülsen mit dumpfem Knall auseinanderbarsten und dunkle Rauchwolken freigaben.
„Ich hoffe die Illusion eines Wagenbrandes erwecken zu können“, erläuterte der Butler ungerührt, „um es mit anderen Worten auszudrücken, ich hoffe sehr, daß der Pilot mit Komplicen zusammenarbeitet, die auf diesen Brand warten.“
„Von einer Verständigung über Funk haben Sie wohl noch nie etwas gehört, wie?“ Randers Stimme klang ironisch.
„Selbst dann, Sir, wenn der Pilot per Funk seinen Mißerfolg durchgegeben hat, werden die Rauchwolken eine gewisse Neugier hervorrufen. Ich baue und vertraue darauf!“
„Hoffentlich haben Sie nicht auf Sand gebaut! Ich muß allerdings zugeben, daß die Rauchwolken verdammt echt wirken! Kaum noch was zu sehen!“
Mike Rander sah durch die Seitenscheiben hinaus auf die wallenden Rauchwolken, die jetzt vom leichten Wind erfaßt wurden und hinüber zur nahen Straße wehten.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis ein kleiner Lastwagen mit Kastenaufbau auf der nahen Straße erschien. Er hielt an. Der Fahrer stieg aus, ließ die Wagentür offen und rannte dann auf den scheinbar brennenden und qualmenden Wagen zu.
„Wie wirkt er auf Sie?“ fragte Rander, der jetzt besser sehen konnte, „scheint ein normaler Lastwagenfahrer zu sein!“
„Ich werde, falls Sie einverstanden sind, das Gesicht dieses Fahrers festhalten!“
Parker hob seine kleine Spezialkamera und wartete, bis der Fahrer nahe genug war. Dann schoß er eine Reihe von Fotos.
„Der zweite Fahrer!“ rief Mike Rander und beugte sich interessiert vor.
Josuah Parker hatte auch dieses Fahrzeug samt aussteigendem Fahrer bereits entdeckt. Der große, teure Wagen sah vertrauenerweckend aus. Wie sein Fahrer übrigens, der einen grauen Einreiher trug und wie ein seriöser Kaufmann aussah.
Auch dieser Fahrer rannte auf den qualmenden Wagen des Butlers zu und wurde gleichfalls fotografiert.
„Was ist denn hier los?“ rief der Fahrer des kleinen Lastwagens, der sich durch den Qualm bis an den Wagenschlag herangekämpft hatte. Er sah dabei den heftig atmenden, seriös aussehenden Fahrer der Limousine fragend an. „Es brennt nicht, aber es qualmt!“
„Ein bedauerliches Versehen, das ich zu entschuldigen bitte“, antwortete der Butler höflich und zog seine schwarze Melone, „eine kleine Sportmaschine, die Sie sicherlich bemerkt oder gehört haben, verlor diese rätselhaften Gegenstände!“
„Aber bestimmt nicht nur die!“ Der Fahrer des Kleinlasters hatte inzwischen bemerkt, daß auch eine Splitterbombe explodiert war. Die Anzeichen dafür waren deutlich genug.
„Ich verständige sofort die Polizei“, sagte der seriös aussehende Fahrer, „da scheint einer von der Air Force sein Zielgebiet verpaßt zu haben, Schweinerei, daß so etwas überhaupt passieren kann. Man ist ja seines Lebens nicht mehr sicher!“
„Ich pflichte Ihnen vollkommen bei“, erwiderte Parker, „ein Glück, daß dem Wagen nichts passiert ist!“
„Um den wäre es kaum schade gewesen, der ist sowieso reif für den nächsten Schrottplatz.“ Der Fahrer des Kleinlasters grinste abfällig, „Sie hätten sich ’ne Menge Arbeit erspart!“
Rander sah zur Straße hinüber, auf der ein dritter Wagen auf getaucht war. Der Ford hielt jedoch nur kurz an, um dann mit Vollgas sofort wieder weiterzufahren. Weder Rander noch Parker hatten Sicht und Zeit gehabt, sich das Kennzeichen zu merken.
„Dann werde ich mich mal um die Polizei kümmern“, sagte der Fahrer des teuren Wagens, „haben Sie gesehen, welche Maschine Sie bombardiert hat?“
„Dies war in der Kürze der Zeit leider nicht auszumachen“, gab der Butler zurück, „oder sollten Sie vielleicht etwas gesehen haben, Sir?“
„Nichts … es ging alles furchtbar schnell!“ Rander hütete sich ebenfalls, von der bewußten Sportmaschine zu reden, „ich weiß nur, daß es kein Düsenjäger war!“
Er sah dem Mann im Einreiher nach, der es eilig hatte, zurück zu seinem Wagen zu kommen. Der Fahrer des Kleinlasters zündete sich eine Zigarette an und schien Zeit zu haben.
„Ich weiß nicht, ich weiß nicht, nach einem Zufall sieht das aber nicht aus“, meinte er.
„Haben Sie nähere Einzelheiten mitbekommen?“ erkundigte sich Mike Rander sofort.
„Ich habe die Maschine gesehen, als sie wegkurvte!“
„Vielleicht auch die Registriernummer?“
„Natürlich! Die stammt hier vom Midland-Sportflugplatz. Ich bin von dort. Ich gehöre nämlich zum Modellclub. Wissen Sie, ich kann mach ja täuschen, aber ich bin fast sicher, daß das die Cessna von Gus Rittman gewesen ist.“
„Wer ist Gus Rittman?“ fragte Mike Rander prompt und sah den Fahrer des Kleinlasters interessiert an.
„Na, ja … eben Rittman … Hören Sie, ich glaube, ich habe schon zuviel gesagt. Finden Sie selbst ’raus, wer Rittman ist! Ich habe keine Lust, mir meinen Mund zu verbrennen.“
Der Fahrer des Kleinlasters hatte es plötzlich sehr eilig, nickte Parker und Rander zu und ging dann schnell zurück zu seinem Wagen. Wenig später fuhr er los, als säße ihm der Teufel im Nacken.
„Rittman muß ja eine besondere Type sein“, stellte Mike Rander fest, „ich schätze, Parker, wir werden uns mal informieren. Könnte ja sein, daß wir auf eine brandheiße Spur gestoßen sind.“
*
Josuah Parker hielt vor dem um diese Zeit noch geschlossenen Nachtclub und verließ würdevoll sein hochbeiniges Monstrum. Er legte den bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den linken Unterarm, straffte sich und hielt auf den Nebeneingang zu, hinter dem die Wohnung eines gewissen Gus Rittman liegen sollte, wie man ihm mitgeteilt hatte.
Parker legte seinen behandschuhten Zeigefinger auf die Klingel und drückte den Knopf kräftig und langanhaltend ein. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die Tür fast wütend aufgerissen wurde. Ein vierschrötig aussehender Mann, der in jungen Jahren in einem Boxring gestanden und verloren haben mußte, stand vor ihm. Er besaß eine, gelinde gesagt, verbogene Nase, die kaum noch markante Konturen aufwies.
„Parker, Josuah Parker“, stellte der Butler sich vor und lüftete höflich seine Melone, „ich hege das dringende Bedürfnis, mit Mister Rittman zu sprechen, der Sie ja wohl keineswegs sein können.“
„Sie wollen den Chef sprechen? Der Vierschrötige holte tief Luft und sah den Butler irritiert an. Dann schien ihm so etwas wie ein Licht aufzugehen. Er grinste. „Sind Sie der neue Mixer, den der Chef anstellen will?“
„In etwa“, antwortete Parker, der sich auf diese Frage sofort einstellte.
„Sie sind ein bißchen früh dran“, der Vierschrötige warf einen Blick auf seine Armbanduhr, „aber kommen Sie schon, Parker. Der Chef wird nicht gerade toben.“
Parker lüftete erneut seine schwarze Melone und schloß sich dem Vierschrötigen an. Die Tür wurde geschlossen. Zwei starke Rundeisen wurden zusätzlich vorgelegt. Mister Rittman schien von Sicherheit sehr viel zu halten.
Es ging über eine steile Treppe hinauf ins Obergeschoß, dann durch einen kleinen, fast quadratischen Korridor und schließlich hinein in eine Art Vorzimmer, in dem eine Sesselgruppe stand.
„Warten Sie einen Moment“, sagte der Vierschrötige und verschwand hinter einer Tür, die dick wattiert war. Parker nutzte die Zeit und zeigte dabei wenig Hemmungen. Er holte aus einer seiner vielen Taschen eine runde Kapsel hervor, die nicht größer war als ein normaler Coke-Verschluß. Diese Kapsel drückte er schnell und routiniert gegen das Unterteil eines Sessels.
Die Tür öffnete sich, der Vierschrötige kehrte zurück.
„Kommen Sie schon“, sagte er, „der Chef hat nur wenig Zeit! Scheint übrigens schlechte Laune zu haben, seien Sie vorsichtig!“
Parker durchschritt die Tür und sah sich dann Gus Rittman gegenüber.
Rittman war etwa fünfzig Jahre alt, klein, untersetzt und sehr korpulent. Er hatte eine sehr ausgeprägte Stirnglatze und einen dicken Specknacken. Er trug einen Morgenmantel mit einem grellbunten Muster und rauchte eine Zigarre.
„Sie sind also der neue Mixer?“ fragte er knapp, „wo haben Sie bisher gearbeitet? Haben Sie Zeugnisse?“
„Ich hatte bisher die Ehre, für den Duke of Douglester, den Earl of Manswood, die Herzogin von …“
„Wollen Sie mich auf den Arm nehmen“, fragte Rittman ungnädig.
„Keineswegs, Sir, ich antworte wahrheitsgemäß! Zur Zeit stehe ich in Diensten von Mister Rander, seines Zeichens Strafverteidiger in Chikago!“
„Wie bitte?“
„Als Butler, wie ich hinzufügen möchte! Meine Kenntnisse im Mixen von Getränken aller Art dürften über dem Durchschnitt liegen, wie ich in aller gebotenen Bescheidenheit hinzufügen möchte.“
„Moment mal … wer hat Sie geschickt?“ Rittman kniff die Augen zusammen und sah den Butler lauernd an.
„Ich kam aus eigenem Antrieb, Sir, um mich mit Ihnen über Ihre Cessna zu unterhalten!“
„Sind Sie verrückt?“ Rittman schob den Kopf vor und verwandelte sich dabei fast in einen angriffslustigen Stier, „Charly … Charly!“
Charly, der Vierschrötige, erschien auf der Bildfläche.
„Wen hast du Trottel da ’reingelassen?“ fauchte Rittman und deutete auf Parker, „’raus mit ihm, und wir sprechen uns später! Na, los, worauf wartest du noch?“
Charly, auf seine Kraft vertrauend, griff nach Parkers Oberarm. Das heißt, er wollte dies tun, doch Parker hatte etwas dagegen. Er schlug nur ganz leicht und andeutungsweise mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirms auf Charlys Handrücken.
Charly stöhnte betroffen auf und schaute verdutzt auf seine schmerzende Hand.
„Der gute Ton und die herrschende Konvention verlangen selbst in solchen Situationen die unbedingte Einhaltung der Formen“, erläuterte der Butler dazu, um sich dann wieder Rittman zuzuwenden, der ihn wie eine Erscheinung anstarrte.
„Wollen … wollen Sie Ärger machen?“ fragte Rittman nun und sah den Butler wütend an, „Sie scheinen nicht zu wissen, wo Sie sind, mein Junge. Wollen Sie, daß man Sie auseinandernimmt?“
„Wir wollen doch nicht unnötig dramatisieren“, entgegnet der Butler höflich und lächelte andeutungsweise dazu, „darf ich noch einmal präzisieren? Mich interessiert Ihre Cessna.“
„Wer, zum Henker, sind Sie?“ Rittman wollte ablenken, um seinem Gorilla die Chance zu geben, erneut anzugreifen. Charly hatte sich nämlich gefaßt und startete seinen zweiten Angriff.
Er holte zu einem gewaltigen Schlag aus, der einen Ochsen mit Sicherheit in die Knie gezwungen hätte. Doch Charly entwickelte sehr viel Pech an diesem frühen Nachmittag. Er verfehlte sein Ziel und wurde vom Schwung fast ganz um seine Längsachse gerissen. Er verlor das Gleichgewicht und fiel anschließend kraftlos in einen Sessel. Er hatte überhaupt nicht mitbekommen, daß sich der verflixte Bambusgriff des Regenschirms fast liebevoll auf sein schütteres Haar gesenkt hatte.
„Ich beschwöre Sie, es nicht zu tun“, sagte Parker dann zu Gus Rittman, der eine Schublade seines Schreibtisches auf reißen wollte. „Warum wollen Sie Ihre Gesundheit unnötig gefährden!“ Rittman begriff. Er sah ein, daß er es nicht mit einem üblichen Besucher zu tun hatte, der vor ihm kuschte. Instinktiv spürte er die geistige und körperliche Überlegenheit des Butlers.
„Was … was wollen Sie denn nun wirklich?“ wiederholte er seine Grundfrage.
„Ich bedaure unendlich, mich wiederholen zu müssen. Es handelt sich um Ihre Cessna. Sind Sie in der Lage festzustellen, ob diese Maschine sich ordnungsgemäß im Hangar befindet?“
„Na, schön!“ Rittman griff nach dem Telefon und wählte eine Nummer. Nach wenigen Sekunden hatte er seine Verbindung. Er fragte nach seiner Cessna, erhielt die Antwort und sah dann den Butler völlig verblüfft an.
„Sie ist weg“, sagte er, während er auflegte, „sie ist gestohlen worden! Eben haben sie’s draußen auf dem Platz gemerkt!“
„War das alles?“ fragte Parker weiter.
„Sie ist eben zu Bruch gegangen, als sie landete. Dadurch haben sie’s überhaupt gemerkt. Der Pilot ist getürmt. Verstehen Sie das?“
„Sie überschätzen meine Wenigkeit“, antwortete Parker, „eine Frage am Rande, haben Sie einen Privatpiloten?“
„No, die Maschine steuere ich allein! Aber nun sagen Sie endlich, was überhaupt anliegt! Haben Sie eine Ahnung, wer sich die Maschine unter den Nagel gerissen haben könnte?“
„Der Feuersalamander“, sagte Parker knapp, lüftete seine Melone und verließ ohne weiteren Kommentar das Zimmer. Gus Rittman starrte ihm nach. Dann fluchte er, und es klang wie das Zischen einer Giftschlange. Er drückte auf einen Klingelknopf, der auf seinem Arbeitstisch angebracht war und war endlich in der Lage, so etwas wie ein Lächeln zu produzieren. Doch dieses Lächeln war nichts anderes als eine Grimasse der nackten Bosheit!
*
„Keine Ahnung, warum wir angegriffen wurden“, sagte Mike Rander etwa um diese Zeit zu Lieutenant Mallick von der Mordkommission. Mallick war ein großer, schlanker Mann mit eisgrauen Augen. Er grinste skeptisch, als Rander geendet hatte.
„Sie kamen also vom Gelände der All Texas Oil“, faßte er dann zusammen, „und unterwegs erfolgten dann die beiden Tiefangriffe durch die Cessna, oder?“
„Genauso ist es gewesen“, antwortete Rander, „Sie können sich ja draußen am Ort und Stelle davon überzeugen, daß ich nicht gelogen habe. Die Splitterbombe hat schließlich deutliche Spuren hinterlassen.“
„Was hatten Sie bei der All Texas zu tun? Kamen Sie im Zusammenhang mit dem Brand der Tankkessel?“
„Genau … Ich vertrete eine Versicherungsgesellschaft … Die Unterlagen stelle ich Ihnen gern zur Verfügung.“
„Na, so eilig ist das nicht.“ Lieutenant Mallick sah nachdenklich zum Fenster hinaus, „Sie bleiben ja vorerst in Midland, oder?“
„Selbstverständlich.“
„Und bevor Sie losfahren, sollten Sie uns verständigen“, redete Mallick weiter, „wäre ja nicht schön, wenn ich nach Ihnen fahnden lassen müßte.“
„Ich habe verstanden“, Rander grinste. „Sie wollen sich an meinen Butler und an mich halten, wie?“
„Verwundert Sie das? Dieser Luftangriff ist eine erste Spur im Zusammenhang mit der Bombardierung der Tankkessel.“
„Wer ist der Mann, der die Polizei informierte?“
„Meinen Sie den, der die Streife anrief, nachdem Sie angegriffen wurden?“
„Richtig.“
„Glenn Hastert … ein ehemaliger Angestellter der All Texas.“
„Ein wahrscheinlich leitender Angestellter, wie?“
„Kann man wohl sagen. Er war Chef der Werbeabteilung.“
„Schied er auf eigenen Wunsch aus?“
„Bestimmt nicht. Hastert wurde gefeuert. Er war wohl nicht so gut, wie man es sich vorgestellt hatte. Warum fragen Sie nach ihm?“
„Nun, ich möchte mich wegen der Hilfeleistung bei ihm bedanken, sehr einfach!“
„Hören Sie, Rander, Sie verschweigen mir doch nichts?“
„Kaum, Mallick“, Rander lächelte neutral, „und wer ist der Fahrer des Kleinlasters?“
„Ein gewisser Norman Halligon. Wollen Sie sich auch bei ihm bedanken?“
„Erraten, Lieutenant. Man ist ja schließlich ein höflicher Mensch. Wo und für wen arbeitet dieser Halligon?“
„Für eine Getränkefirma. Sie gehört einem gewissen Gus Rittman. Das nur für den Fall, daß Sie weitere Fragen stellen!“ Lieutenant Mallick lächelte ironisch. „Mir scheint, daß Sie mehr als nur eine Versicherung vertreten.“
„Sie sind fast ein Hellseher, Lieutenant.“
„Wenn Sie etwas verschweigen, was die Untersuchung angeht, können Sie verdammt schnell in des Teufels Küche kommen. Ich möchte Sie nur warnen.“
„Akzeptiert. Ich werde mich mit Sicherheit wieder bei Ihnen melden, Lieutenant.“
Rander nickte dem Lieutenant zu und ging hinüber zur Bürotür, um das Gebäude der Polizei zu verlassen.
„Noch etwas … noch eine Warnung“, sagte Lieutenant Mallick fast beiläufig, „Gus Rittman ist gefährlicher als eine schwarze Mamba … Kommen Sie ihm nicht in die Quere! Es könnte dann sein, daß ich nichts mehr für Sie tun kann.“
„Ich werde es meinem Butler ausrichten“, entgegnete der junge Anwalt, „ich hoffe, er zeigt sich wenigstens ein bißchen beeindruckt.“
*
Parker hatte die Tür noch nicht ganz hinter sich geschlossen, als er bereits überrascht wurde.
Zwei Männer, ebenfalls stämmig und bullig aussehend, verlegten ihm den Weg. Sie begingen den Fehler, nicht sofort ihre Waffen zu ziehen. Es hatte sich bis hierher noch nicht herumgesprochen, wer Parker eigentlich war.
„Wir gehen dort ’rüber“, sagte einer der beiden Gorillas und deutete auf einen Lift auf der gegenüberliegenden Seite des quadratischen Korridors.
„Lassen Sie sich bitte nicht aufhalten“, antwortete Parker in seiner unnachahmlichen Art.
„Sie gehen mit, Alterchen“, redete der Gorilla weiter, „oder wollen Sie Schwierigkeiten machen?“
„Sie überschätzen meine bescheidene Person“, replizierte der Butler, „mir scheint, Sie bestehen auf mein Mitkommen!“
„Sie sind ein kluges Kind“, war die ironische Antwort, „nun machen Sie schon!“
Parker verzichtete darauf, irgendwelche Schwierigkeiten heraufzubeschwören. Seine Neugier war geweckt worden. Er wollte herausfinden, was man mit ihm vorhatte, was man von ihm zu erfahren hoffte.
Bewacht von den beiden Gorillas, ging er also hinüber zum Lift, öffnete die Tür und stieg ein. Die beiden Gorillas, nach wie vor mehr als sorglos, zwängten sich in die enge Kabine und fuhren mit dem Butler hinunter.
„Darf man erfahren, was man von meiner Wenigkeit wünscht?“ erkundigte er sich dann.
„Das wird Ihnen der Chef schon rechtzeitig sagen.“
„Mister Rittman, wenn ich nicht irre?“
„Sie werden immer gerissener“, kam die ironische und lakonische Antwort.
Der Lift hielt, Parker mußte aussteigen. Die beiden Gorillas wiesen in einen Kellergang hinein, der nur sehr spärlich erleuchtet war.
„Nur keine Angst, wir beißen nicht“, sagte der Gorilla, der nach wie vor das Wort führte.
„Ich denke, es hat wohl keinen Sinn, mich Ihren Anordnungen widersetzen zu wollen“, entgegnete der Butler.
„Wie schnell Sie alles merken“, gab der Gorilla zurück, „so, wir sind da! Ziehen Sie die Tür auf!“
Parker tat, wie ihm geheißen.
Er sah in einen kleinen, niedrigen Kellerraum hinein, der seinen Vorstellungen von einer bequemen Unterkunft keineswegs entsprach.
„Gehen Sie schon ’rein, auf was warten Sie noch?“
„Sie haben eine wichtige Tatsache übersehen“, schickte der Butler gemessen voraus.
„Und die wäre?“
„Ich habe das untrügliche Gefühl, daß dieser Kellerraum keineswegs geeignet ist, Gäste des Hauses zu beherbergen. Zudem haben Sie noch eine zweite Tatsache übersehen.“
„Sie machen mir langsam Spaß.“ Der wortführende Gorilla grinste amüsiert.
„Sie sollten sich einmal intensiv um das kümmern, was sich über Ihren Köpfen zusammenbraut.“
Parkers behandschuhter Zeigefinger wies hinauf zur Kellerdecke. Und zwar derart zwingend, daß die beiden Gorillas fast automatisch ihre Köpfe anhoben.
Was sie besser nicht getan hätten, wie sich sehr bald herausstellen sollte.
Parker hatte durch einen leichten Knopfdruck den Stockdegen seines Regenschirmes freigelegt. Dies ging so schnell und geräuschlos vor sich, daß die beiden Gangster überhaupt nichts merkten.
Anschließend ging der Butler in die Auslage.
Der sich bisher schweigsam verhaltende Gorilla zuckte zusammen, als die nadelspitze Degenklinge seine Wade traf. Er wandte sich blitzschnell um und starrte leicht fassungslos auf den wippenden Degen.
Der Wortführer hatte mittlerweile herausgefunden, daß etwas nicht stimmte.
Er handelte wie ein Automat und griff blitzschnell nach seiner Schulterhalfter.
Doch die Automatik blieb darin stecken. Die wippende Degenspitze ritzte den Oberarm des Mannes. Und auch dieser Gangster, sonst nur erfahren im Umgang mit Handfeuerwaffen aller Art, starrte angewidert auf diese altmodische Waffe, die er nur aus historischen Filmen kannte.
„Was … was soll das?“ fragte er dann mit heiserer Stimme, „tun Sie das verdammte Ding weg!“
„Das hieße leichtsinnig sein“, gab der Butler zurück, „darf ich Sie höflichst bitten, statt meiner in den Kellerraum hineinzugehen? Sie kennen sich in ihm wahrscheinlich besser aus als ich.“
Die beiden Gangster hätten sich nur zu gern auf den Butler geworfen und ihn zusammengeschlagen. Doch sie trauten sich nicht. Sie wußten mit dieser wippenden und herumirrenden Degenspitze nichts anzufangen. Sie hatten Angst, getroffen zu werden.
„Ich denke, Sie sollten jetzt wirklich gehen. Vorher könnten Sie mir aber noch einen Dienst erweisen. Ich bin Sammler, was Handfeuerwaffen angeht. Darf ich also einen schnellen Blick auf Ihre Ausrüstung werfen?“
Er durfte.
Die beiden Gorillas holten mit sehr vorsichtigen und spitzen Fingern ihre Waffen aus den Halftern und ließen sie zu Boden poltern. Anschließend marschierten sie in den Kellerraum. Dabei war direkt auffällig, wie müde und schwer sie ihre Beine benutzten. Sie schienen innerhalb weniger Minuten von einer bleiernen Müdigkeit erfaßt worden zu sein.
Parker machte sich erst gar nicht mehr die Mühe, die Kellertür hinter den beiden Gangstern zu schließen. Sie taumelten schon und hielten mit letzter Kraft auf ein paar Strohsäcke zu, die auf dem Betonboden lagen.
Nach korkenzieherähnlichen Bewegungen gingen sie in die Knie und legten sich zu einem kleinen Schläfchen nieder. Sekunden später war bereits ihr Schnarchen zu hören.
Parker nickte zufrieden. Es war ihm wieder einmal gelungen, auf unblutige Art Gegner auszuschalten. Er schloß die Tür und begab sich zurück zum Lift. Er hatte die feste Absicht, sich noch einmal mit Gus Rittman zu unterhalten.
*
Mike Rander stieg aus dem Mietwagen und ging den Rest zu Fuß. Er hatte vorn an der Haustür bereits vergeblich geläutet und wollte sich nun auf der Rückseite des Hauses näher umsehen. Es ging ihm darum, Kontakt mit Glenn Hastert aufzunehmen, jenem Mann also, der einstmals der Chef der Werbung für die All Texas Oil gewesen war.
Rander blieb unwillkürlich stehen, als er Stimmen hörte.
Er schob seinen Kopf vorsichtig um die Hausecke herum und sah vor sich einen Swimming-pool, an dessen Längsseite sich zwei Männer unterhielten.
Einer von ihnen war Glenn Hastert, der Fahrer des teuren Wagens, der die Polizei nach dem Tiefflug des Cessna alarmiert hatte. Er trug eine Leinenhose und ein ärmelloses Hemd.
Sein Gegenüber war ein massiver Mann von etwa fünf und vierzig Jahren, der irgendwie schmuddelig wirkte, obwohl er einen gutgeschnittenen Anzug trug. Dieser Mann führte das große Wort.
„… interessiert mich einen Dreck“, sagte er gerade zu Hastert, der einen ziemlich geknickten Eindruck machte, „ich will endlich mein Geld sehen, sonst lasse ich Sie auf fliegen, kapiert?“
„Sie bekommen doch Ihr Geld, Pollert“, antwortete Hastert nervös, „aber Sie müssen sich noch ein paar Tage gedulden.“
„Um mir dann wieder Ihre dummen Ausreden anzuhören? No, Hastert, nicht mit mir! Ich will endlich mein Geld sehen, sonst lasse ich Sie hochgehen. Hoffentlich haben Sie mich jetzt richtig verstanden. 45 000 Dollar, Von den Zinsen nicht zu reden. Ich möchte bloß wissen, wie Sie das schaffen wollen!“
„Ich bekomme in den nächsten Tagen Geld, Pollert“, beschwor Hastert seinen Besucher, „Ehrenwort! Warten Sie noch!“
„Na, gut.“ Pollert hob die Schultern, „auf die paar Tage soll’s mir nicht ankommen, Hastert. Aber dann bitte ich zur Kasse. Und wenn Sie mir dann wieder mit Ausreden kommen wollen, sind Sie reif. Dann lasse ich Sie pfänden! Bis auf den letzten Cent … und dann hänge ich Ihnen noch ganz andere Sachen an. Das ist mein letztes Wort!“
Er wandte sich abrupt um und verließ den Swimming-pool. Hastert schaute ihm nach. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Man sah es ihm deutlich an, daß er sich am liebsten auf Pollert gestürzt hätte.
Rander versteckte sich hinter einem Strauch, als Pollert in seiner Nähe erschien.
Der Mann, der offensichtlich Geldverleiher war, hatte sich eine Zigarre angeraucht und stürmte wütend an Rander vorbei. Er kümmerte sich überhaupt nicht um den Wagen, der jetzt vorn an der Straße vor dem Bungalow parkte.
Rander wartete, bis Mister Pollert, wie er von Hastert genannt worden war, in seinen Chevrolet, kletterte und losfuhr. Erst dann widmete er sich wieder dem ehemaligen Werbechef.
Hastert stand vor einem kleinen Tisch, auf dem sich Flaschen und Gläser befanden. Er füllte sich ein Glas und trank es gierig leer. Er zuckte wie ein ertappter Dieb zusammen, als er seinen Vornamen Glenn hörte.
Die Besitzerin dieser rauchigen, dunklen Stimme kam ins Bild. Sie entpuppte sich als eine langbeinige, schlanke Blondine mit ungemein schmaler Taille. Sie trug einen Frotteemantel, der gerade ihre Oberschenkel erreichte.
Mit schaukelnden Hüften hielt sie auf Hastert zu.
„Was war?“ fragte sie dann, „hast du was losgeeist, Glenn?“
„Von Pollert?“ Hastert lachte fast wütend auf, „im Gegenteil. Hazel, er will mir den Strom abdrehen!“
„Und das läßt du dir bieten?“ Sie sah ihn verächtlich an. „Jeder kann wohl mit dir Schlitten fahren, wie?“
„Unsinn … aber du weißt genau, daß ich noch warten muß!“
„Auf dein Vermögen?“ Sie lachte ironisch. „Hauptsache, du allein glaubst daran!“
„Du glaubst mir natürlich auch nicht. Aber ihr alle werdet euch bald wundern. Dann bin ich wieder oben, ganz oben!“
„Du hättest deine Phantasie in die Werbung stecken sollen, dann hätte man dich wenigstens nicht gefeuert“, sagte sie bitter, „wie soll’s denn nun weitergehen? Wir haben kaum noch einen Dollar im Haus. Soll ich etwa eine Stellung annehmen?“
„Du und eine Stellung!“ Hasterts Stimme klang verächtlich.
„Das traust du mir nicht zu? Ich könnte jeden Tag bei Rittman anfangen. Er hat es mir mehr als einmal angeboten.“
„Rittman? Das ist mir ja völlig neu.“
„Jetzt nicht mehr, oder?“
„Rittman? Wage es nicht, bei ihm um eine Stelle zu bitten, Hazel! Dann würdest du mich noch kennenlernen. Du weißt genau, daß ich diesen Gangster nicht ausstehen kann.“
„Sein Geld hast du aber nie verschmäht, oder?“
„Geld stinkt eben nicht! Aber was regen wir uns auf, Hazel-Darling. In ein paar Tagen bin ich aus der Klemme. Solange wirst du ja noch warten können.“
„Und wer wird dir aus der Klemme helfen? Der große Unbekannte? Mach’ dir doch nichts vor, Glenn! Du bist fertig! Du willst es nur nicht einsehen!“
„In ein paar Tagen schwimme ich wieder ganz oben“, blieb Hastert hartnäckig, „laß dich überraschen, Darling! Du wirst noch Augen machen.“
„Gott erhalte dir deinen Optimismus“, sagte sie ironisch, „aber glaub nur nicht, daß ich jetzt das Mauerblümchen spielen werde. So hatten wir damals nicht gewettet, mein Junge. Wenn du nicht in der Lage bist, Geld aufzutreiben, dann muß eben ich die Dinge in die Hand nehmen!“
„Wie meinst du das?“
„Rittman, damit du es ganz genau weißt!“
„Ausgeschlossen … niemals!“
„Das bestimmst doch nicht du!“
„Und ob ich das bestimmen werde! Weißt du denn nicht, was mit ihm los ist?“
„Was da in der Stadt getuschelt wird, interessiert mich nicht“, gab Hazel hart zurück, „Hauptsache, er hat Geld! Und das allein interessiert, oder?“
„Warte noch ein paar Tage, dann bin ich über dem Berg“, erwiderte Hastert in einer seltsamen Tonmischung aus Beschwörung, Drohung und Optimismus. „Glaub mir doch, Hazel, ich habe da eine Quelle angebohrt, die Geld bringt! Geld in jeder Menge!“
Hazel, die langbeinige Blondine, verzichtete auf eine Antwort. Sie hatte solche Prophezeiungen wohl schon zu oft gehört. Sie wandte ihm den Rücken zu und ging mit schaukelnden Hüften zurück zur Terrasse des Bungalows.
Hastert füllte sich sein Glas, schwenkte es einen Moment in der Hand und goß den Inhalt dann fast wütend in sich hinein.
Rander fragte sich unwillkürlich, ob Hastert der Mann war, eine Million zu erpressen.
*
Rittman hatte keine Ahnung, daß Josuah Parker sich im Vorraum aufhielt. Entsprechend sorglos telefonierte er auch. Da die wattierte Tür zu seinen Gemächern nicht geschlossen war, bekam der Butler ungewollt jedes Wort mit.
„Ja, er nennt sich Josuah Parker und will Butler sein“, sagte Rittman gerade und wirkte dabei ein wendig atemlos, „dürfte hier in der Stadt fremd sein. Könnt ihr feststellen, wer das … Wie, bitte? Das darf doch nicht wahr sein. Donnerwetter, das ändert die Situation. Er ist also gefährlich? Na, jetzt nicht mehr, ich habe ihn nämlich aus dem Verkehr gezogen … Ja, wirklich. Er sitzt in einem meiner Keller … Natürlich passen wir auf … Gut, ihr könnt ihn gern haben, aber es macht mir nichts aus, das für euch zu erledigen, ich habe schließlich auch gute Jungens.“
Die Gegenseite war an der Reihe.
Rittman schwieg für fast eine Minute. Dann meldete er sich erneut zu Wort. Parker genoß die Situation. Er hatte es sich bequem gemacht und verfolgte das Gespräch. Gewiß, es verstieß gegen die guten Manieren, ein Gespräch zu belauschen, aber er setzte sich in diesem speziellen Fall darüber hinweg. Jede Regel hatte ihre bestimmten Ausnahmen.
„Er hat sich nach meiner Maschine erkundigt … Warum? Weiß ich nicht, aber das bekomme ich heraus. Du meinst, er könnte was gemerkt haben? Ausgeschlossen! Aber ich werde ihm auf den Zahn fühlen. Gut, ich rufe dich gegen Abend wieder an. Keine Sorge, wir machen das schon!“
Rittman legte auf und summte eine Melodie. Übrigens entsetzlich falsch und mißtönend, wie Parker fand.
Dann näherten sich seine Schritte.
„Ich sehe mich gezwungen, mich für meine Unhöflichkeit zu entschuldigen“, sagte Parker, als Rittman das Vorzimmer betrat.
Der Gangsterboß erstarrte zur Salzsäule, wie es so treffend umschrieben wird.
„Es ließ sich leider nicht vermeiden, Ohrenzeuge Ihrer Unterhaltung zu werden“, fuhr der Butler weiter fort, „ihr Gesprächspartner scheint meine bescheidene Person nicht sonderlich zu schätzen.“
„Sie …!“ Rittman holte tief Luft und sah dabei ungemein verwirrt aus.
„Ich wollte Ihre vielleicht gutgemeinte Gastfreundschaft nicht unnötig in Anspruch nehmen“, entschuldigte sich Parker, „aber Sie brauchen sich keineswegs zu sorgen, Mister Rittman, Ihren Leuten geht es den Umständen entsprechend relativ gut.“
„Sie … Sie …
„Darf man möglicherweise erfahren, mit wem Sie eben sprachen?“
„Sie …“
„Ihr Wortschatz scheint ungemein eingefroren zu sein, Mister Rittman. Mit wem sprachen Sie? Bei welcher Stelle holten Sie Informationen über meine Wenigkeit ein? Sollten Sie sich an ein gewisses Syndikat gewandt haben?“
„Ich … ich …“ Rittman stotterte noch immer. Er konnte es nicht fassen, daß dieser Parker vor ihm saß, der so ungemein gefährlich sein sollte.
„Ihr Wortschatz erweitert sich ja bereits“, stellte der Butler erfreut fest, „Sie sprachen also mit dem Syndikat?“
„Keine … keine Ahnung, was Sie meinen“, sagte Rittman, der langsam seine Fassung zurückgewann.
„Nun, ich bestehe nicht auf Antwort“, erwiderte Parker und erhob sich. „Ich muß mich nun leider verabschieden, Mister Rittman. Ich habe noch zu tun!“
„Moment, Parker“, rief Rittman und sog nervös an seiner Zigarre, „was wollen Sie eigentlich von mir? Sie sind doch nicht wegen der Cessna gekommen, oder?“
„Aber ganz gewiß, Mister Rittman.“
„Das verstehe ich nicht! Wußten Sie, daß die Maschine gestohlen worden war?“
„Ich ahnte es!“
„Von wem denn?“
„Diese Frage kann ich nur andeutungsweise beantworten“, antwortete Parker, „wahrscheinlich brauchte sie ein gewisser Feuersalamander für einen kurzen, mißglückten Ausflug!“
*
Es war dunkel geworden.
Mike Rander und sein Butler befanden sich im Bungalow des gutgeführten Motels und tauschten ihre Gedanken aus. Parker erwies sich als vollendeter Butler. Er hatte den Smoking seines jungen Herrn ausgebürstet und half Rander beim Ankleiden, was der junge Anwalt zwar überhaupt nicht schätzte, wogegen er aber nichts machen konnte. Parker konnte ungemein hartnäckig sein, wenn er als Butler agierte.
„Dieser Hastert braucht also Geld, faßte Rander zusammen, „bei einem gewissen Joe Pollert ist er mit 45 000 Dollar verschuldet. Scheint sich bei diesem Mann um einen Kreditgeber zu handeln, ziemlich miese Type … Hasterts Frau ist jung und sieht sehr teuer aus. Gut zudem auch noch … Sie scheint von ihrem Mann nicht viel zu halten. Im übrigen kennt sie Gus Rittman, der ihr eine Stelle in seinen Nachtbetrieben angeboten haben muß. Interessante Zusammenhänge, wie?“
„Trauen Sie Mister Hastert zu, Sir, als Feuersalamander auf zu treten?“
„Eigentlich nicht“, antwortete der junge Anwalt und ließ sich die Smokingschleife von Parker binden, „Hastert hat in meinen Augen kein Format, noch nicht einmal ein negatives. Aber seine Frau, diese Hazel, die scheint durchtrieben und eiskalt zu sein. Eine gefährliche Frau!“
„Die zudem noch Mister Rittman kennt, Sir. Rittman ist ein stadtbekannter Gangster, der sich auf legale Nachtclubs zurückgezogen hat, wie ich in Erfahrung bringen konnte. Zudem scheint er noch mit einem der Gangstersyndikate in Verbindung zu stehen.“
„Könnte er der Feuersalamander sein, Parker?“
„Ich bin mir nicht sicher, Sir! Seine Geschäfte scheinen gut zu gehen. Warum sollte sich solch ein Gangster in die Feuerlinie begeben, um es einmal volkstümlich auszudrücken? Dieses Risiko ist unter Umständen tödlich, und ein Mann wie Rittman müßte das sehr genau wissen.“
„Also war es ein Zufall, daß Hastert und Halligon draußen neben unserem Wagen auftauchten? Halligon ist immerhin Fahrer einer Getränkefirma, die Rittman gehört.“
„Diese Frage vermag ich mit letzter Sicherheit nicht zu beantworten, Sir.“
„Also heißt die Parole abwarten, oder?“
„Ich erlaube mir, mich Ihrer Parole anzuschließen, Sir. Darf ich jetzt den Wagen Vorfahren?“
„Sie dürfen!“ Rander lächelte unwillkürlich. Parker hielt in allen Lebenslagen auf Form. So auch an diesem Abend, als sie zusammen zum Abendessen ausfahren wollten.
Rander zündete sich eine Zigarette an und ging dann nach draußen, wo Josuah Parker bereits mit dem hochbeinigen Monstrum wartete. Als sie das Grundstück des Motels verließen, hängte sich prompt ein grauer Ford an sie.
„Verfolger?“ fragte Rander, der sich umdrehte und den Wagen beobachtete.
„Das ist sehr wahrscheinlich, Sir. Zwei Gruppen dürften sich für Sie und meine bescheidene Wenigkeit interessieren: Mister Rittman und der Feuersalamander, sofern diese beiden Gruppen nicht miteinander identisch sind.“
„Rittman wird sich wundern, wohin wir fahren werden!“
Es dauerte etwa dreißig Minuten, bis sie den Nachtclub erreicht hatten, den Parker ein paar Stunden vorher besucht hatte. Parker ließ seinen Spezialwagen auf dem großen Parkplatz auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen und begleitete seinen jungen Herrn dann hinüber zum Club.
Am Eingang stand ein alter Bekannter.
Es handelte sich um den vierschrötigen Boxer, der sich Charly nannte. Er trug einen uniformähnlichen Anzug und fiel aus allen Wolken, als Parker plötzlich vor ihm stand.
„Wollen Sie nicht die Tür öffnen, wie es sich für einen Portier geziemt?“ fragte Parker und schüttelte andeutungsweise vorwurfsvoll den Kopf, „ich muß auch hier einen Verfall der guten Sitten und Manieren konstatieren!“
Charly wußte nicht, was er tun sollte. Er schnaufte wie unter einer starken körperlichen Belastung.
Dann handelte er. Er verbeugte sich devot und beeilte sich, die Tür zum Nachtclub zu öffnen. Rander und Parker traten ein und ließen sich vom Oberkellner einen Tisch geben.
„Na, das wird ja ein gemütliches Abendessen werden“, sagte Rander skeptisch, „gewisse Leute werden doch bereits durchdrehen! Ich glaube, Parker, wir hätten uns ein anderes Lokal aussuchen sollen!“
*
Gus Rittman hielt Kriegsrat in seinem Büro.
Charly und die beiden anderen Gorillas sahen ihn hündisch ergeben an. Sie lauschten den Worten ihres Meisters.
„Wir machen das ganz unauffällig“, sagte Rittman, „Parker und dieser junge Laffe müssen ohne jede äußere Gewaltanwendung aus dem Verkehr gezogen werden.“
„Aber wie! Sie kennen Parker doch, Chef. Der wehrt sich.“
„Ohne jede Gewaltanwendung“, wiederholte Rittman noch einmal, „ich will nicht die Polizei auf dem Hals haben. Ich gehe gleich ’runter in die Küche. Sobald Parker und sein Chef Essen bestellt haben, geht das alles über die Bühne. Ich mixe dem Essen ein ganz bestimmtes Pulver bei. Und schon wird den beiden Schnüfflern so schlecht, daß sie nicht schnell genug in den Waschraum kommen können. Auf dem Weg dorthin schnappen wir sie uns dann, klar?“
„Okay, Chef, verdammt raffiniert“, lobte Charly anerkennend, „darauf wär’ ich niemals gekommen!“
„Man hat eben so seine Erfahrungen“, lobte sich Gus Rittman und dachte unwillkürlich an seine große Zeit. „So, ihr wißt jetzt Bescheid, geht auf eure Posten! Und daß mir keine Panne passiert, können wir uns nicht leisten!“
Charly und die beiden anderen Gorillas, die übrigens in Smokings staken, stoben aus dem Privatbüro, dessen Tür zum Vorzimmer weit geöffnet war.
Und in diesem Vorzimmer befand sich immerhin ein kleiner Mikrosender, den Parker dort plaziert hatte. Dieser Sender war mit einer Aufnahmeanlage gekoppelt und so in der Lage, Gespräche aller Art an den Empfänger zu transportieren, doch davon ahnte Mister Rittman nichts!
*
Parkers ausdrucksvolle Hände spielten mit einer der schwarzen Zigarren, die er dem schäbigen, abgewetzten Etui entnommen hatte. Selbst einem sehr aufmerksamen Beobachter wäre entgangen, daß Parker diese Zigarre nach einer leichten Drehung auseinanderzog. In der freigelegten Mitte wurde ein Miniaturlautsprecher frei, der die Unterhaltung Mister Rittmans mit seinen Mitarbeitern Wort für Wort übertrug.
„Warum ist Rittman hinter uns her?“ fragte Rander, als die Privatübertragung beendet war, „stören wir seine Kreise? Steckt er mit den Salamandern unter einer Decke?“
„Nach wie vor möchte ich mich auf keinen Fall festlegen, Sir. Kein gefühlsmäßig aber neige ich dazu, in Mister Rittman nicht den Feuersalamander zu sehen. Seine große Zeit dürfte lange vorüber sein. Er fürchtet vielleicht um seine kleinen und großen Gaunereien, die er sehr wahrscheinlich nach wie vor betreibt.“
„Der Oberkellner“, sagte Rander und unterdrückte ein Lächeln, „dann werde ich mal bestellen!“
Der Oberkellner, ob informiert oder nicht, nahm die lange Liste der Bestellung entgegen und entwich mit fliegenden Frackschößen.
„Mister Rittman, stellte Parker fest, als der Gangsterboß in der Nachtbar erschien.
Rittman strahlte wie ein Honigkuchenpferd, wie der Volksmund es mit Sicherheit ausgedrückt hätte. Er tat so, als freue er sich, Parker zu sehen und wieselte an den Tisch.
Parker stellte vor. Rittman zog ohne Umstände einen Stuhl hervor und setzte sich.
„Kommen wir sofort zur Sache“, sagte er, „was wollen Sie von mir, Mister Rander? Ich weiß inzwischen verdammt genau, wer Sie und Ihr Butler sind!“
„Lautete die Auskunft des Syndikats wenigstens günstig?“ frotzelte der Anwalt.
„Sie war eindeutig“, gab Rittman knurrig zurück, „Sie sind ausgekochte Schnüffler, die bestimmt nicht ohne Grund hier in meinem Nachtlokal sind. Legen Sie Ihre Karten auf den Tisch! Was wollen Sie?“
„Mister Rander sucht einen ganz bestimmten Feuersalamander“, antwortete Josuah Parker würdevoll, „sagt Ihnen dieser Name etwas?“
„Nie von gehört! Was wollen Sie eigentlich von diesem Biest? Lassen Sie doch endlich diese dummen Anspielungen.“
„Sie haben hier in Midland noch nichts vom Feuersalamander gehört?“ staunte Mike Rander gekonnt, „das wundert mich aber, Mister Rittman. Dieser Gangster hat doch Großformat!“
„Gangster? Feuersalamander? Seit wann ist er in der Stadt? Woher kommt er?“
„Mit einschlägigen Antworten kann Mister Rander leider nicht dienen“, antwortete Parker, „aber vielleicht helfen Sie ein wenig weiter. Sie besitzen eine Getränkefirma?“
„Na, und? Was dagegen?“
„Keineswegs, Mister Rittman. Die Öffentlichkeit schätzt es, wenn Gangster sich aus ihrem angestammten Geschäft zurückziehen und versuchen, bürgerlich zu werden.“
„Sie wollen mich wohl provozieren, wie? Aber das gelingt Ihnen nicht, Parker. Was ist mit meiner Getränkefirma?“
„Von wem wird sie geleitet, wenn ich fragen darf?“
„Von Mel Falving!“
„Ein guter Mann?“ wollte Rander wissen.
„Natürlich! Er arbeitet schon seit fast zwei Jahren für mich. Nun hören Sie endlich mit der verdammten Fragerei auf! Sagen Sie doch endlich, worauf Sie hinauswollen!“
„Eine Zusatzfrage, Mister Rittman?“ Parker war ganz Würde und Vornehmheit. Beeindruckt nickte Rittman. „Sagt Ihnen der Name Pollert etwas?“
Dieser Name schien Rittman sogar sehr viel zu sagen. Er riß ungewollt die Augen weit auf und starrte Rander und Parker dann abwechselnd an.
„Darauf läuft es also ’raus“, sagte er dann mit plötzlich heiserer Stimme, „Joe steckt dahinter. Hätte ich mir ja fast denken können.“
„Wer ist Joe Pollert?“ hakte Mike Rander nach. „Offensichtlich kein guter Bekannter von Ihnen, wie?“
„Mein … Konkurrent“, antwortete Rittman hastig, „hat er Sie etwa geschickt?“
„Mister Pollert ist meinem jungen Herrn und meiner Wenigkeit völlig unbekannt“, stellte Parker gelassen fest. „Zudem würde Mister Rander von solch einem Individuum niemals einen Auftrag übernehmen, wie ich in aller Entschiedenheit feststellen möchte!“
Rittmans Gedanken rasten. Der Name Pollert hatte ihn alarmiert. Pollert war schon immer sein gefährlichster Konkurrent gewesen. Und Pollert war beim Syndikat gut angeschrieben. Wollte er ihn aus dem Geschäft stoßen? Welche Tricks hatte er auf Lager? Rittman wußte nur, daß er Rander und Parker so schnell wie möglich die Daumenschrauben anlegen mußte, um mehr zu erfahren.
Erleichtert nahm er zur Kenntnis, daß das Essen gebracht wurde. Ein Kellner servierte die bestellte französische Zwiebelsuppe und nickte beim Servieren seinem Boß Rittman unmerklich zu. Das war für Rittman das Zeichen, daß die Suppe bereits versetzt worden war. Es konnte nur noch eine knappe Minute dauern, bis Rander und Parker fluchtartig den Tisch verließen. Und dann befanden sie sich in seiner Hand und mußten die Wahrheit sagen.
„Dann möchte ich Sie nicht länger stören“, sagte Rittman und stand abrupt auf, „ich wünsche guten Appetit!“
„Sie wollen Mister Rander bereits verlassen, Sir?“ Parker schien überrascht zu sein.
„Ich habe noch im Büro zu tun!“
„Mister Rander würde sich ungemein freuen, wenn Sie ihm die Ehre erwiesen, zusammen mit ihm zu speisen!“
„Ausgeschlossen!“ Rittman schauderte bei der Vorstellung, die versetzte Suppe löffeln zu müssen.
„Sind Sie sicher, Mister Rittman?“ schaltete Rander sich lächelnd ein, „setzen Sie sich, aber ein bißchen schnell, wenn ich bitten darf. Oder muß mein Butler Ihnen erst Manieren beibringen? Ich habe Sie schließlich eingeladen!“
Zur Unterstreichung der Worte seines jungen Herrn griff der Butler in die linke Außentasche seines schwarzen Zweireihers. Dabei beulte diese Tasche sich naturgemäß aus.
„Schon gut, schon gut!“ murmelte Rittman beeindruckt, „aber Zwiebelsuppe mag ich nicht. Ich esse dann gleich das Pfeffersteak!“
„Die Zwiebelsuppe!“ forderte Rander. Parker stand bereits seitlich neben Rittman und servierte ihm seine Suppe. Rittman starrte angewidert auf den duftenden Tasseninhalt.
„Ich kann Zwiebelsuppe nicht ausstehen“, protestierte er schwach.
„Man gewöhnt sich an alles“, tröstete Rander ihn, „langen Sie endlich zu, wenn Sie mich nicht böse machen wollen.“
Die Tasche des Zweireihers beulte sich noch weiter aus. Rittman hüstelte nervös. Da er ein Gewaltmensch war, rechnete er nicht mit einem Trick. Früher, in ähnlichen Situationen, hätte er bestimmt geschossen. Hastig griff er also nach dem Löffel und delektierte sich dann an der Zwiebelsuppe, die zu seiner Überraschung trotz der Beimischung erstaunlich gut schmeckte.
Nach knapp vierunddreißig Sekunden aber sprang er hoch, als sei er von einer Tarantel gestochen worden. Dann eilte er im strammen Schweinsgalopp hinüber zu den Waschräumen.
„Ich denke, wir gehen“, schlug Rander vor, „der Besuch hat sich gelohnt. Rittman ist keineswegs der Feuersalamander, Parker. Den können wir von unserer verdammt kurzen Liste streichen.“
„Ich schließe mich Ihren Worten voll und ganz an, Sir“, antwortete Parker, „es ist nur zu hoffen, daß dieser Feuersalamander sich früher oder später melden wird!“
*
Er meldete sich, und zwar sehr nachdrücklich!
Mike Rander und Josuah Parker hatten das Motel erreicht und stiegen aus dem hochbeinigen Monstrum. Die Fahrt war ohne jeden Zwischenfall verlaufen. Von Rittman drohte im Augenblick ja auch bestimmt keine Gefahr. Schließlich hatte er allein die versetzte Zwiebelsuppe gelöffelt.
„Moment mal, Parker. Was ist das?“ fragte Rander plötzlich und hob den Arm.
„Ein motorenähnliches Geräusch, antwortete Parker, der nun auch aufmerksam wurde, „ein ungemein giftiges Brummen, wenn ich mich so ausdrücken darf!“
„Und verflixt hochtourig. Das kann kein normaler Flugzeugmotor sein!“
„Dort, Sir, dort!“
Parker hatte das bisher unerkannte Flugobjekt entdeckt. Es war für wenige Sekunden gegen den Nachthimmel zu sehen und hob sich als Schattenriß dagegen ab. Vor dem Hintergrund der Stadtbeleuchtung war es deutlich zu erkennen.
„Ein Modellflugzeug“, stellte Rander sach- und fachkundig fest, „aber um diese Zeit? Mehr als ungewöhnlich!“
„Man sollte vielleicht gewisse Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, Sir.“
„Rechnen Sie mit Überraschungen? Hören Sie doch, das Ding entfernt sich bereits wieder. Sicher irgendein dummer Junge, der sich einen Scherz leistet.“
„Darf ich Sie ebenso dringend wie nachdrücklich auf den Tiefangriff der Cessna hinweisen, Sir?“
„Sie dürfen.“ Rander lächelte, „aber der hat mit dem Modellflugzeug ja bestimmt nichts zu tun.“
„Hören Sie, Sir. Die kleine Maschine nähert sich wieder.“
Der hochtourige Kleinstmotor war nicht zu überhören. Das giftige Brummen wurde laut und lauter. Man hatte den Eindruck, eine riesige Hornisse befinde sich im Anflug.
„Die Maschine sucht offensichtlich ihr Ziel, Sir!“
„Unsinn, Parker!“
„Ich bedaure unendlich, Sir, vielleicht unhöflich zu erscheinen“, entschuldigte sich Parker, um seinen jungen Herrn dann schnell und gekonnt zu Boden zu werfen.
Keineswegs zu früh, wie sich herausstellte.
Die Maschine hatte ihr Ziel gefunden und stellte sich auf die Nase. Das giftige Brummen bekam schrille Obertöne. Im senkrechten Sturzflug bewegte sie sich auf das Dach des kleinen Bungalows zu.
Bruchteile von Sekunden später wurde die Nacht von einer heftigen Detonation erschüttert.
Glasfenster barsten klirrend auseinander. Das Dach des Motel-Bungalows wurde wie von einer unsichtbaren Riesenfaust angehoben und dann zertrümmert. Es zerlegte sich in seine Einzelteile, die als Bretterfetzen und Balkenstücke durch die Luft sirrten. Die leichten Wände des Bungalows klappten wie Kartenhäuser auseinander. Der Bungalow löste sich auf. Und die Reste fingen prompt Feuer. Es roch nach Sprengstoff, nach Brand und nach Tod.
Rander erhob sich langsam und schaute ungläubig auf die brennenden Reste des Bungalows.
Parker nickte fast beifällig.
Er konnte nicht umhin anzuerkennen, daß der Salamander sich etwas hatte einfallen lassen, was zumindest ungewöhnlich war. So etwas schätzte Parker, selbst dann, wenn es dabei um sein Leben ging.
„Sie haben sich hoffentlich nicht verletzt, Sir?“ wandte er sich an seinen jungen Herrn.
„Was für ein Glück, daß wir hier vor dem Bürohaus parken mußten“, sagte Rander und zündete sich automatisch eine Zigarette an, um seine etwas zitternden Hände zu beschäftigen, „drüben am Bungalow hätte es uns mit Sicherheit erwischt.“
Parker holte sich die Erlaubnis bei Rander, die brennenden Trümmer zu besichtigen. Er kam nach einigen Minuten zu Rander zurück, der aufgeregte Motelbewohner beruhigte und mit Entschiedenheit abstritt, dieser Anschlag könnte ihm und seinem Butler gegolten haben.
„Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, Sir, daß keine Person verletzt wurde“, meldete Parker, „leider muß ich allerdings ferner mitteilen, daß die beiden Koffer nicht mehr existieren. Sie werden sich also neu einkleiden müssen. Was ich übrigens begrüße, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf. Ihre Jacketts waren, Sie verzeihen diese Feststellung, etwas zu modisch. Ich schlage vor, in Zukunft vielleicht mehr die englische Landlinie zu bevorzugen.“
„Sie haben mal wieder Sorgen, Parker.“ Rander schüttelte den Kopf, „was sagen wir Lieutenant Mallick? Jetzt weiß er, daß wir mehr sind als nur Versicherungsvertreter.“
„Er weiß es ohnehin schon längst, Sir, wenn Sie mich fragen. Er wird gewisse Erkundigungen eingezogen haben.“
„Okay, dann werden wir die Karten auf den Tisch legen müssen, oder?“
„Gewiß, Sir. Nach Lage der Dinge wird der Feuersalamander jetzt ohnehin darauf bestehen, sein Geld zu bekommen. Er muß die Zeit nutzen, wenn er sein Millionengeschäft noch abwickeln will.“
Rander und Parker hatten sich von den übrigen Gästen des Motels etwas abgesetzt. In der Ferne waren bereits die Sirenen alarmierter Polizeistreifenwagen zu hören. Die Angestellten des Motels beschränkten sich darauf, mit Feuerlöschern die noch unversehrten Kleinbungalows gegen die Flammen der Ruine zu sichern.
„Was sagen Sie zu diesem Modellflugzeug?“ fragte Rander kopfschüttelnd, „das muß ein Fachmann gewesen sein. Bei dieser Dunkelheit traf er haargenau den Bungalow, in dem wir normalerweise gewesen wären.“
„Ich glaube, Sir, solch einen Fachmann benennen zu können.“
„Parker! Natürlich, daß ich das vergessen konnte! Norman Halligon, der Fahrer des Lasters.“
„Ist Mitglied eines Modellbauclubs, wie er selbst aussagte, Sir.“
„Worauf warten wir noch?“ meinte Rander unternehmungslustig, „diesen Halligon werden wir uns sofort kaufen. Ich bin nicht scharf darauf, daß er uns ein drittes Flugzeug auf den Hals schickt. Mein Bedarf ist vorerst gedeckt!“
„Und Lieutenant Mallick, falls er sich nach Ihnen erkundigt, Sir?“
„Muß eben warten. Halligon ist jetzt wichtiger. Hoffentlich erwischen wir ihn in seiner Wohnung!“
„In seiner Wohnung, Sir? Darf ich vorschlagen, hinaus zum Sportflugplatz zu fahren? Er muß ja seine Fernlenkanlage zurückbringen. Ich habe das untrügliche Gefühl, daß man ihn dort antreffen kann.“
*
Der kleine Sportflugplatz war um diese nächtliche Zeit selbstverständlich nicht besetzt. Gegen den Sternenhimmel hob sich der breite Tower ab. Links davon lagen die Hangars und Wellblechbaracken, in denen die Werkstätten untergebracht waren.
„Menschenleer“, sagte Rander, als Parker anhielt. „Hoffentlich haben Sie richtig kalkuliert, Parker, sonst haben wir wertvolle Zeit verloren.“
„Das Tor zu den Hangars ist nur unvollkommen geschlossen, Sir. Wenn Sie erlauben, werde ich weiterfahren!“
Parker machte sich erst gar nicht die Mühe, sein hochbeiniges Monstrum zu verlassen. Er fuhr mit der Stoßstange vorsichtig gegen das Tor, das sofort weit aufschwang und den Weg freigab.
„Trennen wir uns?“ fragte Rander, „ist wohl besser, falls wir erwartet werden.“
„Ich unterwerfe mich selbstverständlich Ihren Vorschlägen, Sir. Darf ich Sie bitten, die Hangars zu übernehmen?“
„Okay, und wir treffen uns unterhalb des Towers, Parker. Und keine Extratouren, wenn ich bitten darf!“
Sie ließen das hochbeinige Monstrum vor einem Restaurant stehen, das sich an den Tower anschloß. Rander verschwand in Richtung Hangars, Parker nahm sich die Wellblechbaracken der Werkstätten vor.
Schon nach wenigen Metern blieb er stehen.
Ein Irrtum war ausgeschlossen! Er hatte hinter einem der Fenster Licht gesehen. Nur für wenige Augenblicke zwar, aber doch deutlich genug.
Sicherheitshalber bemühte er seinen vorsintflutlich alten Colt, den jedes Waffenmuseum als besondere Rarität mit Freuden aufgekauft hätte. Er entsicherte die Waffe und pirschte sich dann an die bewußte Baracke heran.
Die Tür zu einem der Teilabschnitte dieser Baracke war nur angelehnt.
Rechts an der Tür war ein Schild angebracht, auf dem zu lesen stand: Midland Modellbauclub.
Parker drückte die Tür mit der Spitze seines Universal-Regenschirms auf.
Er lauschte.
Nichts zu hören. Wartete der Mörder auf ihn? Lag der Feuersalamander auf der Lauer?
Parker wußte sich zu helfen.
Er zog aus seiner Ziertuchtasche einen Plastikstreifen hervor, der völlig harmlos und nichtssagend aussah. Er riß eine Art Deckblatt ab und warf den Plastikstreifen dann einfach in die Dunkelheit der Werkstatt hinein.
Sekunden später gab es einen leichten Puff. Dann strahlte in der Werkstatt ein gleißendes Licht auf, das auf die Augen wie eine kleine Sonne wirkte und völlig blendete.
Da Parker sich aber seine Spezialsonnenbrille aufgesetzt hatte, die im Prinzip nach der Art einer Schweißerbrille gearbeitet war, vermochte er jede Einzelheit in dieser Werkstatt zu erkennen.
Da war die lange Reihe der Stahlblechspinde, da waren die Werkbänke, die Schränke, in denen wahrscheinlich Werkzeuge und Baumaterialien aufbewahrt wurden, und da war schließlich ein Mann, der in einer Mauernische stand und ein Gewehr in der Hand hielt, dessen Lauf abgesägt war.
Dieser Mann hatte den Unterarm schützend vor die Augen gelegt und war nicht in der Lage, sich zu rühren. Er mußte total geblendet sein. Instinktiv ging er in die Hocke.
Parker nutzte seinen Vorteil und beeilte sich, an diesen Mann heranzukommen.
„Ich habe das untrügliche Gefühl“, sagte er dann, „daß ich Sie vor weiteren Dummheiten bewahren muß.“
Während Parker noch sprach, nahm er dem völlig verdutzten Mann das Schrotgewehr aus der Hand.
„Ich … ich kann nichts mehr sehen“, sagte Norman Halligon, um den es sich nämlich handelte, „ich bin blind … blind!“
„Ihre Sehnerven werden sich bald wieder beruhigen und normalisieren“, tröstete Parker den Flugzeugmodellbauer, „nehmen Sie derweil hier auf dem Hocker Platz.“
Norman Halligon setzte sich und nahm nach einigen Sekunden zögernd den schützenden Unterarm herunter.
„Was … was wollen Sie?“ fragte er dann unsicher, „wer sind Sie?“
„Parker mein Name, Josuah Parker, meines Zeichens Butler bei Mister Rander.“
„Weshalb sind Sie hier“, wollte Halligon wissen, obwohl doch gerade er informiert sein mußte.
„Ich möchte mir erlauben, Sie zu Ihrem gelungenen Flugzeugmodell zu beglückwünschen, Mister Halligon. Ausgezeichnete Arbeit, wie ich anerkennend bemerken möchte. Auch Ihr drahtloses Steuersystem funktionierte ausgezeichnet.“
„Was meinen Sie eigentlich?“ gab Halligon zurück und stellte sich dumm.
Parker verzichtete darauf, ins Detail zu gehen. Er hatte inzwischen genug gesehen. Auf einer der Werkbänke stand eine Art Kofferradio, das die Steuersender enthielt. Mit diesem Gerät hatte Halligon sein hochbrisantes Flugzeugmodell per Funkimpulse gesteuert.
„In wessen Auftrag, wenn ich fragen darf, haben Sie diesen Mordanschlag ausgeführt“, erkundigte sich Parker im Plauderton, „seit wann sind Sie für den Feuersalamander tätig, Mister Halligon?“
„Lassen Sie mich in Ruhe! Ich weiß nicht, wovon Sie reden.“ Halligon hatte sich inzwischen von seiner Überraschung erholt und wurde langsam frech, „scheren Sie sich weg von hier, sonst zeige ich Sie an! Sie haben mich hier ja richtig überfallen. Von einem Feuersalamander habe ich noch nie was gehört.“
Er war aufgestanden und sah den Butler wütend an. Parker hatte inzwischen das Licht eingeschaltet und wartete auf die Rückkehr seines jungen Herrn.
„Verzichten wir auf unnötige Erregung“, schlug Parker würdevoll vor, „die einschlägigen und zuständigen Behörden werden sich mit Ihnen befassen. Oder vielleicht auch Mister Rittman, der es gar nicht schätzt, wenn seine Leute erfolglos bleiben.“
„Was hat Rittman damit zu tun?“
„Es wird sich mit Sicherheit früher oder später herausstellen, Mister Halligon. Kommen Sie jetzt! Ich darf Ihnen allerdings am Rande versichern, daß aus einem gewissen Millionengeschäft nichts werden wird.“
„Können Sie mir mal erklären, was Sie eigentlich meinen?“ fragte Halligon und grinste. Er ging zur Tür der Werkstattbaracke und öffnete sie.
In diesem Moment fielen in rasend schneller Reihenfolge einige Schüsse, die einen Schalldämpfer passierten und daher nur sehr gedämpft zu hören waren.
Halligon wurde wie von unsichtbaren Schlägen um seine Längsachse herumgewirbelt, fiel gegen den Türrahmen und rutschte langsam an ihm herunter, um dann regungslos am Boden liegenzubleiben.
Parker hatte sich durch einen gemessenen Sprung zur Seite in Sicherheit gebracht.
Er hörte jetzt das Aufheulen eines Automotors, dann durchgehende, quietschende Reifen und fast gleichzeitig damit ungedämpfte Schüsse, die von einem lauten Splittern von Glas begleitet wurden.
Parker stieg über Halligon hinweg und sah sich bald darauf seinem jungen Herrn gegenüber, der eine rauchende Waffe in der Hand hielt.
„Pech gehabt“, sagte Rander ärgerlich, „der Fahrer ist entkommen. Schade, so nahe waren wir dem Attentäter noch nie, Parker!“
„Man muß Niederlagen einstecken können, Sir, wenn ich mir diesen Hinweis erlauben darf. Der lädierte Wagen müßte sich früher oder später finden lassen! Im Moment dürfte Master Halligon interessant sein. Ich fürchte, er ist von seinem Auftraggeber mundtot gemacht worden!“
*
Halligon lebte noch.
Schwer und röchelnd ging sein Atem. Parker hatte den Kopf des Sterbenden hochgestützt und beugte sich über ihn.
„Wer ist der Salamander?“ fragte er eindringlich, „warum wollen Sie diesen Mörder schonen, Mister Halligon? Er verdient keine Rücksicht. Wer ist der Salamander?“
Halligons Lippen bewegten sich, doch zu hören war nichts. Parker brachte seinen Mund noch näher an das Ohr von Halligon und wiederholte seine Fragen.
Halligon wollte antworten. Das war deutlich zu sehen. Er richtete sich sogar ein wenig auf, rutschte dann aber wieder zurück.
„Gus …“, murmelte Halligon dann fast unhörbar, „Gus … dieser verdammte …
Seine Kräfte reichten nicht mehr aus, den Satz zu vollenden. Ein wildes Aufbäumen, ein Zucken, dann fiel Halligons Kopf haltlos zur Seite.
„Das war der Tod, Sir“, meldete Parker seinem jungen Herrn, der vorn an der Tür stand und die Werkstatt bewachte. „Ich fürchte, die Ausführungen Mister Halligons waren leider nicht umfassend genug!“
„Was hat er denn noch sagen können?“
„Er nannte den Vornamen Gus und verband ihn mit einem Fluch, den er nicht beenden konnte.“
„Gus … Gus … Meinte er Gus Rittman?“
„Dieser Verdacht liegt nahe, Sir!“
„Dann wissen wir ja, an wen wir uns vorerst zu halten haben, Parker. Ich denke, wir sollten jetzt die Polizei verständigen.“
„Gewiß, Sir, aber könnte man nicht vorher nach weiteren Modellflugzeugen suchen?“
„Wieso … Was versprechen Sie sich davon?“
„Ich könnte es noch nicht einmal artikulieren, Sir! Ich habe das vage Gefühl, daß noch weitere Modellflugzeuge auftauchen werden.“
„Schön, suchen Sie! Ich kümmere mich um die Polizei. Wir werden Lieutenant Mallick jetzt eine Menge erklären müssen.“
„Auch die Tatsache, Sir, daß Sie und meine Wenigkeit nach einem Feuersalamander suchen?“
„Wird sich nicht mehr vermeiden lassen. Jetzt muß die Polizei informiert werden, sonst stellen wir die Gesetze auf den Kopf.“
„Darf ich an die Drohung des Feuersalamanders erinnern, Sir, derzufolge er harte Maßnahmen ergreifen will, falls man sich an die Polizei wendet?“
„Man muß es darauf ankommen lassen. Vielleicht kann man mit Mallick reden. Er braucht seine Ermittlungen ja nicht gerade an die große Glocke zu hängen.“
Rander verließ die Werkstatt, während Parker eine kleine private Durchsuchung veranstaltete. Wie durch Zauberei öffneten sich ihm die verschlossenen Schränke und Spinde.
Bis auf einen Schrank blieb die Suche erfolglos. In diesem einen Schrank aber fand Parker zu seiner stillen Freude so etwas wie ein Startbuch.
In diesem Buch waren alle Starts von Modellflugzeugen protokolliert worden. Tag, Monat und Jahr. Hinzu kamen die Inhaber der Modelle und deren Bezeichnungen.
Halligon, das stand eindeutig fest, mußte ein fleißiger Starter gewesen sein. Sein Name tauchte immer wieder auf. Und seine Erfolge konnten sich sehen lassen. Er benutzte, auch das war deutlich, drei Modelle, ein Hinweis, der Parker nachdenklich stimmte!
*
„Gut, daß Sie sofort gekommen sind“, sagte am anderen Morgen Cliff Draken, der General-Manager der All Texas Oil aufatmend und zündete sich mit nervös flatternden Händen eine Importe an, „dieser Salamander hat sich gemeldet. Ich wollte mit Ihnen darüber nicht am Telefon reden.“
„Hat er Ihnen geschrieben?“ fragte Rander.
„Er rief an! Und dann kam der Brief, den er ankündigte! Hier, bitte, lesen Sie!“
Rander nahm den Brief entgegen und überflog den Text. Dann reichte er das Schreiben an seinen Butler weiter.
„Der Feuersalamander bittet jetzt zur Kasse“, sagte Rander dazu, „er scheint es plötzlich eilig zu haben.“
„Was soll ich tun? Er verlangt, daß ich das Geld bereit halte.“
„Und zwar, das ist überraschend, in Form von Diamanten!“ warf Parker ein, der das Schreiben inzwischen gelesen hatte.
„Verstehen Sie das? So etwas habe ich noch nie gehört! Ein Erpresser verlangt Diamanten! Was will er denn damit?“
„Sie zu Geld machen“, sagte Rander lakonisch, „sobald diese Sternchen einen anderen Schliff bekommen, sind sie nicht mehr zu erkennen. Das ist auf jeden Fall sicherer als Banknoten, denen man nachspüren kann!“
„Der Feuersalamander verlangt Rohdiamanten“, fügte der Butler hinzu, „nach einem Schliff dürfte der Wert sich dann noch zusätzlich steigern. Ich muß zugeben und einräumen, daß dieser Gangster recht fest umrissene Vorstellungen hat.“
„Wie trostreich“, gab Draken fast wütend zurück, „Sie loben ihn wohl noch, wie?“
„Er weiß genau, was er will. Und er scheint bereits zu wissen, wie man ihm diese Rohdiamanten aushändigen soll!“
„Woher bekomme ich Rohdiamanten?“ jammerte Draken.
„Sie wollen also zahlen?“ Rander sah Draken aufmerksam an.
„Natürlich. Ich habe mit meinem Aufsichtsrat gesprochen. Man ist der einstimmigen Meinung, daß dieser Aderlaß immer noch billiger ist als eine zweite Bombardierung!“
„Nun gut, wir können Sie daran nicht hindern“, entgegnete der junge Anwalt, „die Rohsteine werden Sie im einschlägigen Handel leicht bekommen.“
„Und was tun Sie?“ Draken sah Rander und Parker anklagend an, „man hat mir doch gesagt, daß Sie so gut sind!“
„Der Mensch neigt zu Übertreibungen jeder Art“, stapelte Parker tief, „vergessen Sie bitte nicht, Sir, daß Mister Rander und meine Wenigkeit erst seit gestern diesen Fall übernommen haben und bearbeiten.“
„Wenn schon! Zum Teufel, eine Million! Wissen Sie, was das für unsere Gesellschaft bedeutet? Zuerst die ausgebrannten Öltanks, und jetzt noch die Rohdiamanten. Haben Sie denn noch keine Spur auf genommen?“
„Bisher leider nicht“, gab Rander ausweichend zurück. „Sie können selbstverständlich von Ihrem Auftrag zurücktreten, Mister Draken. Wir drängen uns bestimmt nicht auf.“
„Aber mißverstehen Sie mach doch nicht.“ Draken hob beschwörend die Hände, „wir brauchen Sie! Denken Sie doch daran, daß diese Rohsteine ausgehändigt werden müssen! Soll ich das etwa übernehmen?“
„Diese Übergabe wird auf sehr einfache Art und Weise erfolgen“, warf Parker ein, „und ich glaube bereits zu wissen, wie der Feuersalamander dies bewerkstelligen will!“
„Sie tun so, als wüßten Sie bereits, wer dieser Gangster ist.“
„Ich weiß, wie er handeln wird“, korrigierte der Butler, „und ich fürchte, er befindet sich uns gegenüber in einem entscheidenden Vorteil.“
„Und der wäre?“ Draken sah den Butler erwartungsvoll und gespannt an.
„Der Feuersalamander weiß mit Modellflugzeugen umzugehen“, erklärte Parker, „aber dieser Vorsprung müßte sich in einer Art Schnellverfahren aufholen lassen, zumal ich in den Tagen meiner unbeschwerten Jugend gern bastelte.“
Draken schluckte und wußte nicht, was er von diesem komischen Butler halten sollte. Mike Rander hingegen hatte verstanden. Er nickte Parker zu und hatte es plötzlich sehr eilig, sich von Draken zu verabschieden.
*
Sie befanden sich auf der Straße, auf der sie bereits schon einmal angegriffen worden waren.
Diesmal waren sie vorsichtiger.
Mike Rander beobachtete sorgfältig den Luftraum, während Parker das Steuer des hochbeinigen Monstrums übernommen hatte.
„Sie glauben, daß der Feuersalamander ein Modellflugzeug zur Übernahme der Rohsteine benutzen wird?“ fragte Rander.
„Ich bin mir dessen fast sicher, Sir.“
„Wäre glaubhaft“, überlegte Rander laut, „viel dürften diese Steine, nicht wiegen, selbst dann nicht, wenn sie einen Gegenwert von einer Million Dollar darstellen.“
„Eine gute Modellmaschine, Sir, müßte dieses Gewicht mit Leichtigkeit schaffen!“
„Wie lange ist die Flugdauer solch eines Motors?“
„Es kommt auf dessen Größe an, Sir. Es gibt da, wenn ich mich recht erinnere, sehr leistungsfähige Modelle. Versehen mit den erforderlichen Zusatztanks könnte ein Modellflugzeug gut und gern eine halbe Stunde fliegen. Genaue Daten zu liefern bin ich erst dann in der Lage, wenn ich die erforderlichen Fachinformationen eingeholt habe.“
„Und wo bekommen Sie die?“
„Beim Modellclub, Sir. Er bietet sich dafür ja förmlich an!“
„Wer mag hinter Halligon stehen? Ich muß immer wieder an den Vornamen Gus denken. Glauben Sie immer noch, daß Rittman mit der ganzen Geschichte nichts zu tun hat?“
„Ich könnte mich mit dieser Vorstellung nur schwerlich anfreunden, Sir.“
„Eben … Rittman ist einfach zu satt und zu vorsichtig, um Risiken solch einer raffinierten Erpressung einzugehen. Na, warten wir ab, ob der Salamander sich noch einmal bei uns melden wird. Er scheint sich ja mächtig für uns zu interessieren.“
„Und ob. Ohne das gewisse Quentchen Glück hätte es in der Nacht böse mit uns ausgesehen. Moment mal, Parker. Da drüben vor den Hügeln bewegt sich doch was!“
Parker hatte diesen sich bewegenden Gegenstand bereits ebenfalls ausgemacht.
„Ein Modellflugzeug“, stellte er ruhig und gelassen fest, „es zieht vor der Hügelkette seine Kreise!“
„Und wartet bestimmt auf uns!“
„Darf ich Sie zu einem Test einladen, Sir?“
„Sie wollen das Ding provozieren?“
„Nur zu gern, Sir!“
„Okay, aber dann halte ich Ihr Spezial-Schrotgewehr bereit. Ich möchte nicht in die Luft gepustet werden.“
Rander wartete, bis Parker durch einen entsprechenden Knopfdruck das Schiebedach geöffnet hatte. Dann griff er nach dem Schrotgewehr und nickte seinem Butler zu, der den Wagen schneller werden ließ.
*
Der Feuersalamander hatte sich eine taktisch günstige Position ausgesucht.
Er trug einen weiten Staubmantel, eine Fliegerhaube, eine große Brille und hatte sich über Mund und Nase ein breites Tuch gebunden. Sein Gesicht und seine Gestalt waren somit völlig unkenntlich gemacht. Zufallsentdeckungen brauchte er nicht zu befürchten.
Vor seinem Leib hing das Steuergerät. Es handelte sich um eine super-moderne und teure Anlage. Mittels eines kleinen Steuerknüppels, der die Funkimpulse auslöste, war er in der Lage, das Modellflugzeug so zu steuern, als säße er im Cockpit dieser kleinen Maschine.
Der Feuersalamander hatte den herankommenden, hochbeinigen Wagen längst ausgemacht. Er wartete nur darauf, bis der Wagen die richtige Stelle erreicht hatte.
Die beiden Insassen des Wagens schienen bisher nichts gemerkt zu haben. Der Wagen fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit und blieb auf seinem Kurs. Der Feuersalamander hielt es für unwichtig, daß gerade erst das Schiebedach geöffnet worden war. Dies war schließlich ein völlig normaler Vorgang.
Aber nun war es soweit!
Der Feuersalamander ließ das kleine, aber leistungsstarke Modellflugzeug steil ansteigen und nickte zufrieden, als es dem Druck des Steuerknüppels sofort folgte.
Wie ein kreisender Vogel schwebte das Modell in der Höhe eines Baumes und wartete darauf, auf sein Opfer niederstoßen zu können.
*
„Gleich ist es soweit!“ meldete Rander, der das Modell scharf beobachtete, „es zieht Kreise … Jetzt, Parker … jetzt … Achtung … drücken Sie auf die Tube!“
Was Parker erstaunlicherweise aber nicht tat.
Er wurde im Gegenteil sogar noch etwas langsamer.
„Es stürzt … es stürzt!“ schrie Rander, dem der kalte Schweiß ausbrach, „Parker, worauf warten Sie denn noch?“
Das Modell rauschte wie ein fallender Stein nach unten, genau auf Parkers hochbeiniges Monstrum zu.
In diesem Moment gab Parker die Pferde unter der eckigen Motorhaube frei. Das hochbeinige Monstrum tat förmlich einen Satz nach vorn.
Mike Rander wurde tief und fest in seinen Sitz gedrückt, so jäh war die Beschleunigung. Dadurch verlor er das Modell aus den Augen und hörte nur noch das giftige Brummen des Motors, der auf Höchsttouren lief.
*
Der Feuersalamander erkannte, daß das Modell sein Ziel verfehlen mußte.
Er stieß einen Fluch aus und fing das abstürzende Modell im letzten Moment gerade noch ab. Dicht über der Straße ging es in einen etwas gequälten Gleitflug über, wurde angezogen und gewann wieder an Höhe.
Der Feuersalamander hielt nach dem hochbeinigen Monstrum des Butlers Ausschau.
Es zuckelte, anders war diese Gangart nicht zu bezeichnen, fast gemütlich über die Straße und lud förmlich zu einem zweiten Sturzflug ein.
Der Gangster in seiner Vermummung wollte es jetzt wissen. Er brachte das Modell in eine enge Steilkurve und hatte nun die Absicht, den Wagen des Butlers vom Heck aus anzugreifen.
Der kleine Motor des Modells gab alles her, was er geben konnte. Hoch und giftig sirrten die Touren. Das Modell nahm innerhalb weniger Sekunden wieder Geschwindigkeit auf und näherte sich dem daherzuckelnden Wagen.
Der Feuersalamander triumphierte! Diesmal mußte es gelingen. Die Distanz zwischen dem heranschwirrenden Modell und dem Wagen wurde immer geringer. Der linke Zeigefinger des Gangsters lag druckbereit über einem kleinen Knopf auf dem Chassis der Fernsteuerungsanlage. Durch diesen Knopfdruck konnte er die Sprengladung im Modell zünden.
*
„Wir werden verfolgt, Parker“, meldete und mahnte Mike Rander, der nach wie vor leicht nervös war, „dieses verflixte Modell hat uns gleich geschafft!“
„Ich bin mir dessen durchaus bewußt, Sir“, gab der Butler gemessen und vollkommen entspannt und ruhig zurück, „ich beobachte das Flugobjekt in meinem Außenspiegel!“
Dann, als Rander bereits tief Luft holte und unwillkürlich den Kopf zwischen die Schultern nahm, gab der Butler wieder Gas.
Das hochbeinige Monstrum reagierte augenblicklich. Es tat einen gewaltigen Satz nach vorn und entwischte dem Modell erneut.
Das kleine Flugzeug versuchte aufzuholen. Hartnäckig blieb es etwa zehn Meter hinter dem davonjagenden Wagen. Als Parker das Gaspedal kitzelte und die Geschwindigkeit noch weiter ansteigen ließ, ging dem Modell jedoch die Puste aus. Es blieb hoffnungslos zurück.
„Jetzt ist mir wohler“, stellte Rander fest und wischte sich verstohlen einige Schweißtropfen von der Stirn. Er hatte wieder einmal erfahren, daß ein Zusammenleben mit Butler Parker nicht gerade einfach und nervenschonend war.
*
Der Feuersalamander fluchte erneut. Diesmal abgründiger und wütender.
Er starrte dem Wagen nach, der hinter einer Straßenbiegung verschwand. Er war sich seiner Sache so sicher gewesen. Er hatte sich alles genau ausgerechnet und mit einem vollen, durchschlagenden Erfolg gerechnet. Doch nun waren ihm die beiden Opfer einfach davongefahren, hatten ihn genarrt und ihm gezeigt, wo seine Grenzen lagen.
Notgedrungen mußte der Gangster sich wieder mit seinem Modellflugzeug befassen, das etwas hilflos Kurven drehte und nicht wußte, was es machen sollte.
Der Feuersalamander betätigte den Miniatursteuerknüppel und holte sein Modell zurück. Er brauchte es noch. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, dachte er. Rander und Parker sollen sich noch wundern.
Das Modell kehrte gehorsam zurück zum Hügel und wurde auf die improvisierte Landebahn dirigiert. Etwas jäh, rauh und unvermittelt landete es nach dem Einschweben und blieb dann flügellahm stehen.
Der Feuersalamander lief hinüber zum Modell. Er hatte Angst, es könnte beschädigt worden sein. Er atmete erleichtert auf, als er die Kleinigkeit feststellte. Eine Tragfläche hatte sich etwas verschoben. Dieser Fehler ließ sich leicht wieder beheben.
Er montierte das Modell auseinander und ließ die Einzelteile in einem schmalen, langen, rechteckigen Spezialkoffer verschwinden. Diesen Koffer trug er dann hinunter zu seinem Wagen, der zwischen Strauchwerk und Felsbrocken parkte. Er verstaute sein Flugobjekt, setzte sich ans Steuer und fuhr los. Er wollte diesen Wagen so schnell wie möglich zurück in die Stadt bringen. Er hoffte, daß er bald von der Polizei oder von Rander und Parker gefunden wurde. Dieser Wagen wies nämlich einige Einschußlöcher auf, die bestimmte Rückschlüsse ermöglichten.
*
Es war Mittag, als Parker auf dem Sportflugplatz eintraf. Er stieg aus seinem hochbeinigen Monstrum und begeisterte sich sofort für ein Modell, das lautstark durch die Luft sirrte.
Es handelte sich um ein schnittiges, sehr schmales Modell. Es wurde vom Boden aus geführt von einem Mann, der sich sportlich-lässig gab. Er stand neben einem teuren Wagen und freute sich wie ein Kind.
Die langbeinige Blondine neben ihm war weniger erfreut. Sie zog ein sehr gelangweiltes Gesicht und kümmerte sich überhaupt nicht um den künstlichen Vogel, der gerade Loopings flog.
„Welch ein bemerkenswerter Zufall“, sagte Parker, der näher trat. Er lüftete höflich seine schwarze Melone und lächelte Hastert andeutungsweise zu. „Sie sind Modellflieger, Sir?“
„Moment mal, kennen wir uns nicht? Richtig, die Sache mit der Cessna.“ Hastert grinste und widmete sich wieder dem Modell, das jetzt plötzlich Schwierigkeiten mit dem Motor hatte, sich auf die Nase stellte und abzustürzen drohte. Hastert mühte sich ab, daraus einen Gleitflug zu machen. Wackelnd und aufschrammend landete das Modell schließlich in der Nähe des Wagens.
„Darf ich fragen, ob Sie dieses Hobby schon seit längerer Zeit betreiben, Sir?“
„Und ob! Macht doch Spaß, oder?“
„Glenn, wann fahren wir endlich?“ maulte die Blondine, die Parker als Hasterts Frau Hazel identifiziert hatte. Sie entsprach genau der Beschreibung, die sein junger Herr ihm geliefert hatte.
„Nun hab dich doch nicht so“, sagte Hastert ungeduldig, „setz’ dich doch solange ’rüber ins Restaurant, ich brauche noch eine halbe Stunde!“
Hazel antwortete nicht. Sie schaukelte etwas zu aufdringlich hinüber zum Tower und schien sich bewußt zu sein, daß sie von mehr als nur einem Augenpaar beobachtet und begutachtet wurde.
„Frauen sind dafür einfach nicht zu interessieren“, sagte Hastert leichthin, „scheint reine Männersache zu sein.“
„Ich betrieb in meinen Jugendjahren den Modellbau von ferngesteuerten Modellschiffen“, behauptete Parker.
„Wieviel Kanäle?“ kam sofort die fachmännische Gegenfrage.
„Ich hatte den Vorzug, eine 12-Kanalanlage bedienen zu dürfen“, redete Parker weiter.
„Gute Sache!“ Hastert ging zusammen mit Parker zum gelandeten Modell hinüber und hob es auf. „Soweit bin ich noch nicht. Solch eine Anlage hatte nur einer im Club.“
„Sie sprechen wahrscheinlich von Mister Halligon, der das Zeitliche gesegnet haben soll?“
„Komische Geschichte! Er wurde hier draußen in einer Werkstattbaracke erschossen.“
„Vielleicht ein eifersüchtiges Clubmitglied“, scherzte Parker.
„Bestimmt nicht, wir hier vertragen uns bestens. Nein, nein, der Mörder muß es auf Halligons Modelle abgesehen haben.“
„Hatte er mehrere, wenn ich fragen darf?“
„Drei Modelle. Sie sind alle verschwunden. Auch die 12-Kanalanlage. Eines steht fest, der Mörder muß ein Kenner gewesen sein.“
„Kannten Sie Mister Halligon näher, Sir?“
„Natürlich, er war so etwas wie unser technischer Wart.“ Während Hastert antwortete, beschäftigte er sich fast liebevoll mit seinem Vogel aus Balsaholz, Leinen und Lack. „Halligon kannte sich aus. Er baute alles allein, von grundauf.“
„Es muß sich demnach um einen bemerkenswerten Menschen gehandelt haben.“
„So gut kannte ich ihn wieder nicht. Aber als Modellbauer war er schon in Ordnung.“
„War Mister Halligon möglicherweise in der Lage, eine richtige Maschine zu steuern?“
„Natürlich, aber er saß selten am Steuerknüppel. Früher flog er viel mit Rittman, aber …“
Als der Name Rittman fiel, sah Hastert direkt böse aus. Er schien diesen Mann nicht zu mögen. Die Gründe hierfür lagen auf der Hand. Mike Rander hatte ja eine entsprechende Unterhaltung zwischen Hazel und Hastert mitbekommen.
„Sie wollten noch etwas sagen, als Sie von einem gewissen Mister Rittman sprachen.“
„Belanglos. Als dann Falving auftauchte, war Halligon überflüssig geworden.“
„Den Namen Falving müßte ich schon einmal gehört haben“, sagte Parker, der sich natürlich sehr gut erinnerte.
„Mel Falving, der Chef einer Getränkefirma, in der Halligon als Fahrer arbeitete. Aber sagen Sie mal, warum interessiert Sie das alles?“
„Ein alter, müder und relativ verbrauchter Mann wie meine Wenigkeit wird im Verlauf seiner Lebensjahre schwatzhaft und neugierig“, entschuldigte sich Parker wortreich, wie es seine Art war, „unterstellen Sie mir dabei bitte keine besondere Absicht. Ich darf Ihren Worten also entnehmen, daß dieser Mister Falving ebenfalls in der Lage ist, eine Sportmaschine zu führen?“
„Sie dürfen! Und nun hören Sie endlich mit der Fragerei auf.“
„Gewiß, ganz gewiß“, redete Parker dennoch weiter, „Mister Pollert fliegt doch nicht etwa auch, oder?“
„Joe Pollert?“ Hastert nahm etwas zu schnell den Kopf herum und sah den Butler einen Moment prüfend an, „wer ist Joe Pollert? Nie von gehört!“
*
Als Parker hinüber zum Restaurant gehen wollte, verlegte ihm ein unauffällig und durchschnittlich aussehender Chevrolet den Weg. Parker mußte stehenbleiben und sah dann gelassen auf die beiden Männer, die etwas zu schnell aus dem Wagen stiegen und auf ihn zukamen.
„Dürfen wir Sie mal einen Moment sprechen?“ sagte der schlankere der beiden Männer.
„Wer schickt Sie, wenn ich fragen darf?“ erwiderte Parker, „Mister Rittman oder Mister Pollert? Oder sollte sich der Feuersalamander um mich bemühen?“
„Keine blöden Fragen, Mann“, sagte der Mann, der auf keinen Fall wie ein finsterer Gangster aussah, „kommen Sie schon! Wir machen einen kleinen Ausflug.“
„Auch gegen meinen erklärten Willen?“
„Bestimmt!“ Der Mann grinste, „Sie sind doch sicher nicht scharf darauf, angeschossen und dann gekidnappt zu werden, wie?“
„Ungemach dieser Art schätze ich keineswegs“, antwortete Parker, „ich werde Ihrer Einladung also Folge leisten. Möchte jedoch nachdrücklich betonen, daß mir die Art und Weise der Durchführung auf keinen Fall genehm ist.“
Parker schritt würdevoll auf den Wagen zu und nahm im Fond Platz. Einer der beiden Männer setzte sich neben ihn, der zweite stieg vorn neben dem Fahrer ein. Ohne lange Umstände ging dann die Fahrt los, deren Ziel dem Butler noch unbekannt war.
Er merkte sehr schnell, daß es zurück in die Stadt ging. Parker verzichtete auf alle Fragen und genoß den kleinen Ausflug. Er war gespannt, wer sich da wohl als Reiseleiter betätigte. Rittman oder Pollert, das war die Frage. Aber war einer dieser beiden Männer zusätzlich noch mit dem Feuersalamander identisch?
Kurz vor dem Weichbild der Stadt bog der Chevrolet in eine stille Seitenstraße ab, an der einzelne, stattliche Bungalows lagen. Große, parkähnliche Gärten vervollständigten das Bild. Wer hier wohnte, konnte unmöglich arm sein.
Schwungvoll nahm der Chevrolet eine Auffahrt, rollte durch einen Park und hielt auf der Rückseite eines anderthalbstöckigen Landhauses im Kolonialstil. Parker durfte aussteigen und wurde gebeten, den Hintereingang zu benutzen.
Dann stand er einem etwa fünfundvierzigjährigen Mann gegenüber, der teuer gekleidet war, seine Herkunft aber dennoch nicht verleugnen konnte. Er wirkte irgendwie schmuddelig und erinnerte in seiner fließenden Massigkeit an eine Qualle.
Joe Pollert — um ihn handelte es sich natürlich — starrte den Butler interessiert, überrascht und böse an. Pollert stand neben einem tiefen, schwarzen Ledersessel und rauchte eine Zigarette.
„Sie sind das also“, stellte er dann fest.
„Parker mein Name, wenn ich mich in aller Form vorstellen darf, Josuah Parker. Ich nehme an, ich spreche mit einem gewissen Joe Pollert, seines Zeichens Kreditvermittler!“
„Ich bin Joe Pollert“, erwiderte die Qualle und grinste ungläubig. Solch eine barocke Ausdrucksweise hatte Pollert bisher nur in Gesellschaftsfilmen gehört. „Sowas wie Sie gibt es also nicht nur auf der Bühne.“
„Ich darf mir erlauben, dieses Kompliment zurückzugeben“, erwiderte der Butler höflich und würdevoll, „und ich war der irrigen Meinung, Männer Ihres Typs gäbe es nur in Gangsterfilmen zu sehen. Man sieht wieder einmal, wie schnell und gründlich der Mensch irren kann.“
Die beiden Gorillas des Kreditvermittlers hatten genau aufgepaßt und alles mitbekommen. Sie grinsten unverhohlen über diese Antwort und zuckten dann wie unter einem Peitschenhieb zusammen, als Pollert sich lautstark räusperte.
„Werden Sie bloß nicht frech, Parker“, warnte Pollert, „setzen Sie sich. Ich will jetzt genau wissen, weshalb Sie hier in der Stadt herumschnüffeln und was Sie mit Rittman zu tun haben. Versuchen Sie nur nicht, mich anzuschwindeln. Ich habe Mittel und Wege, um Sie zum Reden zu bringen.“
„Ich bedanke mich für die freundliche Einladung“, gab Parker zurück und setzte sich. „Mister Rittman dürfte für Sie das sein, was man Konkurrenz nennt, nicht wahr?“
„Das wäre weit übertrieben“, sagte Pollert ungnädig, „Rittman ist eine Laus.“
„Dann scheinen Sie gegen solche Insekten ungewöhnlich allergisch zu sein, Mister Pollert …
„Reden Sie schon“, erklärte Pollert, „was ist mit Rittman? Wer hat Sie hierher nach Midland eingeladen? Sie und Ihren Chef?“
„Interessierte Kreise, die einiges gegen illegale Zahlungen einzuwenden haben, wenn ich mich so ausdrücken darf.“
„Ich weiß inzwischen, wer Sie sind, Parker. Ich kenne auch Ihren Chef. Ich habe Erkundigungen eingeholt. Es gibt eine Menge Syndikate in den Staaten, die scharf darauf sind, Sie einzukassieren. Wollen Sie es darauf ankommen lassen? Mir macht es nichts aus, Sie gut gebündelt und verpackt auf die Reise zu schicken. Aber von solch einer Reise gibt es keine Wiederkehr, das wissen Sie doch hoffentlich, wie?“
„Ich möchte mich an dieser Stelle erst einmal für Ihre Offenheit bedanken“, schickte der Butler voraus, „ich räume ein und gebe zu, daß Mister Rander und meine bescheidene Person auf seiten der Gesetze sind. Weiter darf ich betonen, daß ein Auftrag von Mister Rittman niemals angenommen worden wäre.“
„Für wen arbeiten Sie also?“
„Nicht für, sondern gegen einen Gangster, der sich Feuersalamander nennt.“
„Wie war das?“
„Feuersalamander, Mister Pollert. Sie wissen mit dieser Bezeichnung zufällig nichts anzufangen?“
„Und was will dieser Salamander?“
„Er interessiert sich für Gold, Geld und Diamanten, wenn ich es so ausdrücken darf.“
„Wem will er das alles abknöpfen?“
„Ich denke, ich brauche es nicht zu verschweigen, Mister Pollert. Dieser Feuersalamander möchte eine hiesige Ölgesellschaft anbohren, um es einmal volkstümlich auszudrücken.“
„Um welche Beträge geht es?“ Pollert war inzwischen ganz Ohr. Er ließ sich kein Wort entgehen. Die beiden Männer, die den Butler begleitet hatten, standen an der Tür und rauchten. Sie schienen sich für diese Unterhaltung nicht zu interessieren.
„Es handelt sich um eine Million Dollar!“ gab Parker schlicht und konkret zurück, worauf Pollert einen mittelschweren Hustenanfall erlitt, der ihn ziemlich kräftig durchschüttelte.
„Eine Million Dollar?“ wiederholte, er dann fast andächtig, „hört sich etwas nach Wahnsinn an, wie?“
„Das kommt auf den Standpunkt an“, antwortete Parker gelassen, „der Feuersalamander scheint genau zu wissen, was er will und verlangt.“
„Aber wie will er diese Summe transportieren?“ meinte Pollert kopfschüttelnd, er erwärmte sich offensichtlich für die technische Seite dieses Themas, „wissen Sie, wieviel das Papiergeld wiegt? Hat dieser Bursche denn keine Ahnung, daß man ganz raffiniert beschattet werden kann?“
„Möglicherweise weiß der Feuersalamander eine akzeptable Lösung.“
„Wann soll das Geld denn übergeben werden?“
„Das entzieht sich meiner Kenntnis, Mister Pollert.“
„Ich könnte Sie solange unter Druck setzen lassen, bis Sie Einzelheiten auspacken.“
„Selbstverständlich, Mister Pollert, Ihre Mittel sind groß. Ich würde niemals wagen, daran zu zweifeln. Doch im Moment überfordern Sie mich. Ich weiß jetzt nur, daß Sie als Feuersalamander nicht in Betracht kommen.“
„Etwa Rittman?“ In Pollerts Augen glitzerte es plötzlich.
„Ich möchte mich keineswegs festlegen, Mister Pollert, aber trauen Sie Ihrem Konkurrenten solch ein Manöver zu?“
„Rittman? Schwer zu sagen, früher war er mal ganz gut … inzwischen ist er fett und müde geworden, aber dennoch …“
Pollert redete nicht weiter, wenigstens nicht laut und deutlich. Er sann angestrengt nach und schien abzuwägen, ob Rittman als Feuersalamander vielleicht in Betracht kam. Parker störte ihn bei diesem angestrengten Denkprozeß keineswegs. Er verhielt sich still und dachte seinerseits nach.
Pollert mochte ein eiskalter und raffinierter, stadtbekannter Gangster sein, aber als Feuersalamander kam auch er nicht in Betracht. Wie sein Konkurrent Rittman war auch Pollert viel zu faul und geistig zu träge geworden. Nein, der Feuersalamander konnte nur ein Mann sein, der voller Ideen war. Und hungrig dazu. Hier war ein Täter am Werk, der noch Risiken einging, der aber auch nichts zu verlieren hatte. Nach Parkers Ansicht konnten und mußten Rittman und Pollert von der Liste der verdächtigen Personen gestrichen werden.
„Haben Sie etwas dagegen, daß ich den Besuch jetzt abbreche?“ erkundigte sich Parker, der zurück zu seinem jungen Herrn wollte.
„Dagegen habe ich sogar eine ganze Menge“, antwortete Pollert und schreckte aus seinen Gedanken hoch, „Sie bleiben vorerst hier bei mir, Parker. Aber Sie können mir helfen, Ihren Boß aus dem Verkehr zu ziehen.“
„Hegen Sie bestimmte Pläne und Absichten?“
„Genau, Parker. Sie wissen ja sicher, daß auf Ihren und Randers Kopf kleine Prämien ausgesetzt sind. Warum soll ich die nicht mitnehmen. Ich werde Sie an das meistbietende Syndikat verkaufen. Wenn Sie mir bisher auch noch nichts getan haben, aber Deute wie Sie sollte man schleunigst unschädlich machen. Sie stören nur unsere Arbeit.“
Parker wußte, daß Pollert keineswegs bluffte.
Doch Parker war mit dieser Einladung nicht einverstanden. Sie kam im Endeffekt einem Mord gleich. Er mußte sich also etwas einfallen lassen, um das Blatt zu wenden.
„Sie wollen einem alten, müden und relativ verbrauchten Menschen doch keinen Harm zufügen?“ fragte er scheinbar überrascht, „könnte man sich nicht einigen?“
„Darüber läßt sich reden, Parker. Aber jetzt habe ich keine Zeit. Das heißt, wie nennt sich die Ölgesellschaft, die von diesem Feuersalamander angebohrt werden soll?“
„Eigentlich dürfte ich darüber ja nicht reden, aber ich will gern einmal eine Ausnahme machen.“
„Würde ich Ihnen auch raten, Parker.“ Pollert grinste und nickte gleichzeitig den beiden Mitarbeitern zu, die sich näher an den Butler heranschoben.
„Ich habe mir den Namen hier auf geschrieben“, sagte Parker und griff scheinbar arglos in seine Ziertuchtasche, „warten Sie, wo habe ich denn den Zettel? Man wird alt und damit relativ vergeßlich.“
„Übertreiben Sie bloß nicht“, sagte Pollert, „Sie sehen noch verdammt clever aus, Parker!“
Worin Pollert sich nicht getäuscht haben sollte.
Parker hatte sich etwas zu den beiden näher kommenden Männern umgedreht. Sie galt es, auf Anhieb außer Gefecht zu setzen. Sie waren bestimmt in der Lage, schnell und gekonnt ihre Schußwaffen zu ziehen. Pollert hingegen hatte Zeit.
Parker zog also einen rechteckigen Zettel hervor, gleichzeitig damit aber auch einen harmlos aussehenden Kugelschreiber, auf dessen Clip er drückte.
Daraufhin taten sich erstaunliche Dinge.
Ein übergrelles Blitzlicht flammte auf. Die beiden sofort geblendeten Männer brüllten entsetzt auf, vergaßen prompt, nach ihren Waffen zu greifen und rissen schützend ihre Unterarme hoch.
Parker bemühte seinen Universal-Regenschirm und klopfte mit dem bleigefütterten Griff die beiden Köpfe sorgfältig ab. Die beiden Männer beeilten sich, sofort zu Boden zu gehen.
Pollert starrte fassungslos auf den Butler, der sich zu ihm umwandte.
Parker hatte die Augen fest zusammengekniffen, dennoch war er etwas geblendet. Er hatte nicht hinreichend Zeit gehabt, sich die Schutzbrille aufzuziehen. Dennoch sah er, daß Pollert wie vereist war und erst jetzt nach einer Schublade griff, in der sich wohl irgendeine Schußwaffe befand.
„Aber, Mister Pollert“, tadelte er und schüttelte andeutungsweise vorwurfsvoll den Kopf, „Sie werden doch nicht eine Waffe bemühen wollen?! Damit zwingen Sie mich ja förmlich, gegen meine Grundprinzipien zu verstoßen, niemals Gewalt anzuwenden.“
„Sie verdammter Hund!“ brüllte Pollert, „man hätte Sie gleich umlegen sollen.“
Während er noch brüllte, griff er nach Schublade und Waffe. Das heißt, er mühte sich ab, danach zu greifen, doch er schaffte es nicht mehr.
Mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirms hakte Parker die Schublade fest. Pollert war nicht in der Lage sie aufzuziehen. Er wurde kreideweiß im Gesicht, drückte sich ab und wollte fluchtartig das Gelände räumen.
Parker war aber auch dagegen.
Jetzt hakte der Bambusgriff hinter das linke Fußgelenk des flüchtenden Gangsters und hemmte ihn. Pollert verlor das Gleichgewicht und schoß, mit dem Kopf voran, wie eine frisch abgefeuerte Rakete in einen Sessel hinein.
Zappelnd und außer Atem, beeindruckt und ängstlich, blieb er so einen Moment stehen, richtete sich dann auf und hob abwehrend die Hände.
„Sie haben mich zu Maßnahmen gezwungen, die ich keineswegs schätze“, tadelte der Butler, „ich darf wohl noch einmal wiederholen und betonen, daß ich Gewaltmaßnahmen jeder Art zutiefst verabscheue.“
Parker hatte seinen Satz gerade beendet, als plötzlich ein Schuß fiel.
Er hielt es unter diesen Umständen für völlig angebracht, sich erst einmal aus der Gefahrenzone zu begeben. Mit anderen Worten, der Butler nahm hinter dem Schreibtisch Deckung und sah voller Erstaunen, wie Mister Pollert, eben noch gesund und relativ munter, langsam in sich zusammenrutschte.
Sein Gesicht zeigte den Ausdruck maßloser Überraschung!
*
Parker verblieb natürlich nicht lange in Deckung. Er wollte schließlich wissen, wer diesen Schuß auf Pollert abgefeuert hatte. Doch er mußte schleunigst den Kopf wieder einziehen. Weitere Schüsse fielen, und sie waren noch nicht einmal schlecht gezielt. Der Schreibtisch dröhnte, und zitterte unter den harten Einschlägen, Holzsplitter segelten gefährlich durch die Luft.
Parker war unwillig geworden.
Er schätzte es überhaupt nicht, wenn man auf ihn schoß. Zudem hatte er noch immer keine Ahnung, wer sich hier als Kunstschütze betätigte. Um dem Spuk ein Ende zu bereiten, ergriff er einige Maßnahmen. Er nahm einen der vielen Patentkugelschreiber, die er in reichhaltigem Maße mit sich führte, und richtete ihn mit der Spitze in das Zimmer hinein. Dann ein schneller Druck auf den Clip, und schon breitete sich im Raum eine dichte Nebelwand aus.
Parker wechselte sofort die Stellung, zumal im Moment nicht mehr gefeuert wurde. Er begab sich hinüber zur Schrankwand und lustwandelte anschließend zur Tür.
„Macht sie fertig!“ hörte er eine bekannte Stimme sagen.
Dies war nach Parkers Vorstellung eine mehr als direkte Aufforderung zum Mord.
Um diesem Mord aber die Spitze abzubiegen, bemühte er einen zweiten Kugelschreiber und feuerte dessen Ladung in die Nebelwand hinein, dabei aber die Tür anvisierend.
Die Nebelwand füllte sich mit einem Reizgas auf. Dies alles geschah innerhalb weniger Sekunden. Husten, Spucken, Röcheln und Fluchen waren die Antwort darauf. Dann hörte er Schritte, die sich schnell entfernten.
Parker war inzwischen zur Fensterwand geeilt, öffnete die Terrassentür und ging schneller als sonst hinüber zur Hausecke. Hier entdeckte er einen Wagen, neben dem ein gewisser Rittman stand.
„Los, beeilt euch!“ rief er in Richtung Haustür. Und schon erschienen Charly und die beiden anderen Gorillas, alles Männer, die der Butler natürlich kannte.
„Kommen oder gehen Sie?“ rief Parker höflich zu Rittman hinüber.
„Da! Parker! Los, Jungens!“ Das war die Antwort des Gangsters, die man durchaus als unhöflich bezeichnen konnte. Charly und die beiden Gorillas entdeckten ein neues Opfer und zogen ihre Waffen.
Parker, der seinen vorsintflutlichen alten Colt bemüht hatte, kam den Gangstern zuvor.
Dröhnend, als würde eine mittelschwere Haubitze abgefeuert, löste er Schuß auf Schuß.
Der Wagen Rittmans bäumte sich unter den Einschlägen auf. Rittman brüllte vor Überraschung und warf sich seitlich hinter dem Wagen in Deckung.
Charly und die beiden anderen Gorillas waren leicht irritiert. Mit solch einem massierten Störfeuer hatten sie nicht gerechnet. Sie zogen sich fluchtartig ins Haus zurück, doch dort erwartete sie die Reizmischung aus Nebel und Tränengas.
Also rannten sie wieder hinaus und sahen gerade noch, wie ihr Chef Rittman sich absetzte.
„Ich würde empfehlen und Vorschlägen, die Arme gen Himmel zu strecken“, sagte Parker, der mit schußbereiter Waffe die drei Gangster empfing, „ich möchte nicht hoffen, daß Sie meinen erklärten Unwillen erregen wollen!“
Obwohl barock gesprochen, hatten die Gangster dennoch verstanden. Sie beeilten sich, die Arme hochzunehmen. Sie ließen dabei ihre diversen Handfeuerwaffen zu Boden fallen und zogen betretene Gesichter.
„Die Ratte verließ das sinkende Schiff“, zitierte der Butler, „ich denke, meine Herren, Sie gehören jetzt in die Gewalt der Polizei.“
„Machen Sie bloß keinen Ärger, Parker“, sagte Charly nervös. „Sie wollen sich doch nicht in die Nesseln setzen, oder?“
„Ich habe nicht die Absicht, mit Ihnen Konversation zu machen“, sagte Parker. „Legen Sie sich bitte auf den Boden, mit dem Gesicht nach unten, wie ich hinzufügen möchte. In wenigen Minuten müßte die von den Nachbarn alarmierte Polizei an Ort und Stelle sein!“
„Der Chef wird Sie in der Luft zerreißen“, warnte Charly, doch er legte sich bereits ergeben zu Boden. Seine beiden Mitarbeiter folgten seinem Beispiel. Sie hielten den Mund, was in Anbetracht der Lage wohl auch angebracht war.
Parker hatte sich keineswegs verschätzt.
Schon nach wenigen Minuten, genauer gesagt, nach zweieinhalb, waren Polizeisirenen zu hören. Und dann rauschten zwei Streifenwagen auf das Grundstück, deren Besatzung die Gangster einkassierten.
Ein Sergeant ließ sich von Parker einige Erklärungen geben.
„Sie allein wollen die Jungens hochgenommen haben?“ fragte er dann skeptisch und ungläubig zurück, „kann ich mir kaum vorstellen.“
„Ihre Vorstellungskraft steht im Augenblick nicht zur Debatte“, erwiderte Parker würdevoll, „darüber wird man sich an anderer Stelle und zu einem anderen Zeitpunkt ausführlicher unterhalten können. Ich schlage vor, Sie bergen jetzt die Herren, die sich noch im Haus befinden. Hoffentlich hat es kein Blutbad gegeben!“
Nun, Parkers Befürchtungen trafen nicht in aller Schwere ein, doch es war nicht zu übersehen, daß Pollert nicht mehr lebte. Schon der erste Schuß hatte ihn getötet. Die beiden Mitarbeiter Pollerts hingegen waren nur leicht verletzt und damit transportfähig.
„Was ist denn hier passiert?“ wollte der Sergeant wissen, der den Butler jetzt mit scheuen Blicken maß, „sieht ja nach einer richtigen Schlacht aus.“
„Ich möchte anregen und vorschlagen, Lieutenant Mallick zu verständigen, Sergeant. Ich nehme an, daß er zuständig ist.“
„Sie müssen ja ’ne tolle Nummer sein“, sagte der Sergeant und begab sich hinüber zu seinem Streifenwagen, um seinen Spruch abzusetzen. Josuah Parker, der auf eine Antwort verzichtet hatte, stellte sich etwas abseits und zog eine Art Zwischenbilanz.
Gewiß, hier hatten sich zwei konkurrierende Gangstergruppen gegenseitig außer Gefecht gesetzt. Abgesehen vom üblichen Fußvolk war Pollert von der einen Gruppe getötet worden. Rittman hatte sich fluchtartig abgesetzt, doch seine Festnahme war nur noch eine Frage der Zeit.
Das alles war sehr erfreulich und diente auf Umwegen dem Schutz der friedlichen Bürger. Aber Parker gestand sich gleichzeitig ein, daß er an den Feuersalamander nicht einen einzigen Schritt näher herangekommen war …
*
Wie richtig die Lage von Parker eingeschätzt worden war, sollte sich eine gute Stunde später zeigen.
Cliff Draken, dem sein Mitarbeiter Walt Elsner assistierte, empfing Mike Rander und Josuah Parker.
„Da sind Sie ja endlich“, sagte er erleichtert, „der Feuersalamander hat sich wieder gemeldet … Hier, das ist sein Brief!“
„Er wurde wieder unten in der Halle der Zentrale abgegeben“, erläuterte Walt Elsner, der Assistent von Draken, „etwa vor einer Stunde.“
Rander und Parker überflogen die Anweisungen des Feuersalamanders. Der geheimnisvolle Täter schien plötzlich keine Zeit mehr zu haben. Dies ging aus dem Schreiben, das kurz und knapp war, eindeutig hervor.
„Sie sollten also die Rohdiamanten bereithalten“, stellte Rander fest, „noch im Lauf dieses Tages will der Feuersalamander sie abholen lassen.“
„Die Steine habe ich bereits sicherheitshalber besorgen lassen“, antwortete Cliff Draken. „Elsner hat das arrangiert. War gar nicht so leicht. Wir mußten unsere Verbindungen spielen lassen. Ohne die hätten wir es so schnell nicht geschafft.“
„Wo befinden sich die Steine jetzt?“ fragte Mike Rander.
„Hier im Haus, in unserem Safe. Sie brauchen sich nicht zu sorgen, Rander, dieser Safe ist nicht zu knacken!“
„Könnte man die Rohsteine mal aus der Nähe sehen?“
„Natürlich, das läßt sich machen. Bitte, kommen Sie mit runter ins Souterrain. Sie werden übrigens enttäuscht sein. Das Zeug sieht völlig wertlos und unansehnlich aus. Nicht zu glauben, daß daraus später einmal Schmuckstücke werden sollen.“
Draken, sein Assistent Elsner, Rander und Josuah Parker fuhren mit dem Lift hinunter ins Souterrain und sahen sich die Steine an, die Draken aus dem unknackbaren Safe hervorholte.
Er hatte nicht untertrieben.
Die Rohsteine erinnerten an Kiesel und sagten wohl nur dem Fachmann etwas. Sie befanden sich in einer Stahlkassette und sahen ganz sicher nicht nach dem Gegenwert von einer Million aus.
Parker beschäftigte sich mit ihnen.
Er kippte sie auf einen kleinen Tisch und häufte sie auf. Der Inhalt zweier normal großer Aschenbecher wäre nicht größer gewesen als dieses Häufchen Steine. Parker wog sie, schätzte mit der nachgebenden Hand das Gesamtgewicht ab und nickte dann seinem jungen Herrn zu.
„Wie ich es mir fast gedacht hatte, Sir“, sagte er dann. „Gewichtsmäßig müßte die Maschine es schaffen!“
„Wovon reden Sie eigentlich?“ Draken schüttelte verständnislos den Kopf.
„Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit prüfen die Möglichkeit eines Transportes, Sir.“
„Ja, darüber haben Elsner und ich uns auch unterhalten. Wie stellt dieser Feuersalamander sich die Übergabe der Steine vor?“
„Es mag überraschend klingen, Sir, antwortete Parker, „aber es ist damit zu rechnen, daß die Steine von einem kleinen Modellflugzeug abtransportiert werden.“
„Wie bitte?“
„Von einem Modellflugzeug!“
„Ausgeschlossen, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Wie sollte das klappen?“
„Fragen wir doch einen Fachmann“, warf Assistent Elsner ein, „der Chef unserer Poststelle ist Modellbauer. Er müßte uns antworten können.“
„Ein beachtenswert guter Vorschlag“, sagte Parker, der diesen Gedanken sofort aufgriff. „Könnte man diesen Herrn vielleicht bemühen?“
Man konnte.
Mister Caldy erschien im Büro des General-Managers und entpuppte sich als ein rund vierzigjähriger, mittelgroßer, schlanker Mann, der einen höflichen, vielleicht sogar etwas servilen Eindruck machte.
„Wir brauchen Sie als Fachmann“, schickte Draken voraus, „von Mister Elsner habe ich gehört, daß sie Modellbauer sind.“
„Jawohl, Sir, Flugzeugmodelle..
„Sie kennen sich mit diesen Apparaten genau aus?“
„Gewiß, Sir.“
„Wieviel können solche Modelle schleppen?“
„Wieviel was, Sir?“
„Ich denke da an reine Zusatzladung.“
„Das kommt auf die Größe des Modells und auf den Motor an, Sir.“
„Ließe sich, sagen wir, ein Kilo transportieren?“
„Selbstverständlich, Sir, das dürfte nicht schwerfallen. Aber wie gesagt, das kommt auf den Motor und auf die Größe des Modells an.“
„Und welche Reichweite haben diese Modelle?“ schaltete Mike Rander sich ein.
„Das hängt von der Reichweite der Sender ab, Sir.“ Caldy wandte sich jetzt dem jungen Anwalt zu, „diese Reichweiten sind beschränkt. Zudem braucht man ja stets Sichtweite, sonst weiß man nicht, was mit dem Modell los ist.“
„Wo starten Sie Ihre kleinen Wunderwerke, wenn ich mich so ausdrücken darf?“ Nun war der Butler an der Reihe.
„Auf dem Gelände des Sportflugplatzes, Sir.“
„Sie sind Mitglied des Modellbauclubs?“
„Schon seit fast anderthalb Jahren, Sir.“
„Sagen Ihnen die Namen Halligon, Hastert und Falving etwas?“
„Aber sicher, Sir. Sie sind auch in diesem Club. Und Mister Falving ist sogar der Clubpräsident!“
„Über wieviele Modelle verfügt der Modellbauclub?“ wollte Rander wissen.
„Wir haben fast drei Dutzend Mitglieder“, zählte Caldy auf. „Und jedes Mitglied hat zumindest zwei Modelle. Wissen Sie, es gibt eben doch häufig Bruch. Ich würde sagen, wir haben rund 85 bis 90 Modelle, aber die sind natürlich nicht alle einsatzbereit.“
„Und wo werden diese Modelle aufbewahrt?“
„Teils in der Werkstatt, teils zu Hause. Ich glaube, die meisten Mitglieder nehmen ihre Modelle mit nach Hause. Man muß sich ja dauernd mit ihnen beschäftigen. Und die meisten Clubmitglieder haben ihre Bastelecken. Ich übrigens auch. Wenn Sie wollen, werde ich Ihnen die gern einmal zeigen. Ist es nicht so, Mister Elsner?“
Caldy hatte sich an Assistent Elsner gewandt, der fast peinlich berührt zu sein schien.
„Sie sind gleichfalls ein Mitglied dieses bemerkenswerten Clubs?“ fragte Josuah Parker sofort.
„Seit ein paar Monaten, kam die schnelle Antwort, „aber ich glaube, ich schaffe das alles nicht. Ich bin wohl handwerklich zu unbegabt.“
„Das sollten Sie aber nicht sagen, Sir“, korrigierte Caldy arglos und sofort, „gerade Sie haben’s doch in den Fingerspitzen. Die Modelle tun doch haargenau, was Sie wollen …
*
„Waren doch aufschlußreiche Gespräche, oder?“ Rander hatte sich eine Zigarette angezündet und saß bequem und entspannt neben seinem Butler, der das hochbeinige Monstrum zurück nach Midland steuerte. „Plötzlich haben wir einen ganzen Club beisammen. Elsner, der Assistent von Draken, Hastert, den man aus der All Texas Oil gefeuert hat, Falving, der eine Getränkefirma Rittmans leitet und schließlich sogar noch den Leiter der Poststelle der All Texas, Caldy.“
„Die Modellfliegerei scheint sich in Midland größter Beliebtheit zu erfreuen“, pflichtete der Butler seinem jungen Herrn bei, „bis auf Mister Falving sind alle Herren nun inzwischen bekannt.“
„Richtig. Und diesen Falving müssen wir uns jetzt unbedingt ansehen, Parker. Immerhin stand er mit Rittman in enger Verbindung. Vielleicht haben wir es da mit einem raffinierten und ausgekochten Gangster zu tun.“
„Vielleicht ergibt sich in diesem Zusammenhang die erfreuliche Möglichkeit, Mister Rittmans habhaft zu werden, Sir. Er befindet sich nach wie vor auf freiem Fuß.“
„Dann wissen Sie ja, Parker, wie das nächste Ziel heißt. Auf zur Getränkefirma.“
„Falls nichts dazwischenkommt, Sir!“
Parker sprach noch, als er plötzlich das Steuer seines Monstrums herumriß und einen jähen Haken schlug. Nicht ohne Grund, wie Mike Rander Sekunden später herausfand.
Links vom Wagen sirrte ein Modellflugzeug vorbei und wurde steil hochgezogen.
Auf der Straße landete eine Art Konservendose, die sich plötzlich in eine detonierende Bombe verwandelte.
Der Luftdruck war derart stark, daß das hochbeinige Monstrum des Butlers fast hochgehoben wurde. Nur durch waghalsige Lenkmanöver schaffte der Butler es, den Wagen vor dem Umkippen zu bewahren. Rauch, Feuer, ein Regen aus hochgewirbeltem Split, Steinen und Stahlsplittern machten die nähere Umgebung gesundheitsunzuträglich.
„Was, was war denn das?“ fragte Rander leicht betroffen, als der Wagen auf einer Wiese zur Ruhe kam.
„Eine Bombe des bewußten Feuersalamanders“, stellte Butler Parker gemessen und ohne jede Erregung fest, „ich würde sagen, daß Sie und meine Wenigkeit uns äußerst unbeliebt gemacht haben, Sir.“
„Das hätte aber ins Auge gehen können. Sehen Sie sich mal den Bombentrichter an.“
Rander stieg aus dem Wagen und näherte sich der Aufschlagstelle. Ein Krater von der Tiefe von wenigstens anderthalb Metern hatte die Straße unbrauchbar gemacht. Es roch nach Tod und Verderben. Wieder einmal.
„Ich fühle mich fast verpflichtet, Sir, dem Feuersalamander für diesen neuerlichen Anschlag zu danken“, sagte Parker, der neben seinem jungen Herrn erschien.
„Da komme ich nicht ganz mit, Parker.“
„Nun, eines dürfte jetzt feststehen, Sir, die Herren Elsner und Caldy können das Modell unmöglich gesteuert haben. Wir ließen Sie in der Hauptverwaltung der All Texas Oil zurück, wie ich bemerken möchte.“
„Richtig. Eingeholt und überholt können Sie uns nicht haben. Das ist ausgeschlossen. Bleiben nur noch Hastert und Falving. Hoffentlich können Sie uns sagen, wo sie um diese Zeit gewesen sind.“
Parker wurde einer Antwort enthoben. Er winkte warnend einige ankommende Personenwagen ab, die von dem Bombentrichter noch nichts gesehen hatten. Erst nach dem Auftauchen einer Polizeistreife setzte der Butler sich wieder ans Steuer und fuhr weiter in Richtung Midland.
„Eines macht mich stutzig“, sagte Rander kopfschüttelnd, „der Feuersalamander bleibt hartnäckig bei seinen Modellen. Damit weist er doch unnötigerweise, ja, fast mit Gewalt, auf den Modellbauclub hin!“
„Vielleicht, Sir, ist dies seine Absicht, weil er mit diesem Club überhaupt nichts zu tun hat.“
*
Rittman war ungeduldig und nervös.
Nach seiner Pleite mit Parker wußte er, daß er in Midland seine Zelte abbrechen mußte. Die Polizei würde mit Sicherheit unangenehme Fragen stellen. Da war schließlich der Mord an seinem Konkurrenten Pollert. Gewiß, er selbst hatte nicht auf ihn geschossen, aber Charly, der Schütze, würde, um seinen Kopf zu retten, alle Schuld auf seinen Boß abwälzen. Damit behielt er, Rittman, den Schwarzen Peter in der Hand.
Voller Wut dachte Rittman an den Butler. Wer hatte auch damit rechnen können, daß er sich ausgerechnet bei Pollert aufhielt? Ohne diesen Parker wäre die ganze Aktion gegen Pollert und dessen Mitarbeiter ohne Ärger über die Bühne gegangen.
Rittman war also ungeduldig und nervös und wartete in einer kleinen Blockhütte auf Mel Falving. Der Leiter seiner Getränkefirma war von ihm hierherbestellt worden. Er sollte flüssige Mittel mitbringen, Dollarnoten in reichhaltiger Menge, damit Rittman seine Absetzbewegung besser finanzieren konnte.
Die Blockhütte befand sich in einem hügeligen Gelände, hart am Rand eines kleinen Sees. Den Wagen hatte Rittman im nahen Buschwerk verborgen. Es handelte sich selbstverständlich um einen neuen, unversehrten Wagen. Sein sonst gewohntes Gefährt war nicht mehr fahrtüchtig. Die Geschosse aus Parkers Colt hatten es schrottreif werden lassen.
Rittman trat wieder an das kleine, viereckige Fenster der Hütte und schaute hinunter auf die Zufahrtsstraße, die im Grund nur ein schmaler, ausgefahrener Weg war. Die vereinbarte Zeit war längst überschritten. Rittman fragte sich nicht zu unrecht, ob sich für Falving Schwierigkeiten ergeben hatten.
*
Nun, Mel Falving befand sich nicht gerade in Schwierigkeiten, doch er konnte die vereinbarte Zeit einfach deswegen nicht einhalten, weil er Besuch hatte.
Mike Rander und Josuah Parker hatten sich im spärlich eingerichteten Büro der Getränkefirma eingefunden und unterhielten sich ausgiebig mit Falving, einem stämmigen, großen Mann von fünfunddreißig Jahren, dem man seine sportliche Betätigung deutlich ansah. Falving war muskulös, war sicher in der Lage, seine Muskeln auch richtig einzusetzen und ließ ungewollt durchblicken, daß er gewisse Kinderstuben nur im Eilschritt durchmessen hatte.
„Hören ’se endlich auf mit Rittman“, sagte er gerade und räkelte sich in seinem Drehstuhl hinter dem Schreibtisch zurecht, „ich sehe ihn nur alle Jubeljahre. Er läßt mir freie Hand. Ich rechne pro Monat mit ihm ab, mehr sitzt da nicht drin.“
„Sie wissen also keineswegs, wo Ihr Chef sich momentan aufhält?“
„Keine Ahnung. Und ich kann einfach nicht glauben, daß er sich abgesetzt haben soll. Dazu ist er viel zu raffiniert. Rittman geht nicht aufs Glatteis, dazu ist er zu clever.“
„Er dürfte sich für den Mord an seinem Konkurrenten Pollert verantworten müssen“, redete der Butler weiter, „aber mit diesem Namen wissen Sie ja wohl auch nichts anzufangen, nicht wahr?“
„Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen“, gab Falving in nachlässiger Sprache zurück, „ich hab’ den Namen schon mal gehört, sicher. Will ich überhaupt nich’ abstreiten, aber das war auch alles. Mich interessiert nur mein Job hier!“
„Und der Modellflugzeugbau, ja?“
„Genau. Woher wissen Sie davon?“ Er nahm den linken Fuß vom Schreibtisch herunter und beugte sich vor, „ist ’ne prima Sache, das …“
„Sie sind der Präsident des Clubs?“
Rander hatte sich jetzt eingeschaltet und wollte es einfach nicht glauben, daß dieser Mann einem Club Vorstand. Seine Manieren waren nicht gerade gesellschaftsfähig.
„Die brauchten einen Mann, der Wirbel machen kann, verstehen Sie? Und ob der jetzt da ist! Unser Club geht steil nach oben. Sie müßten mal sehen, wieviele Leute sich interessieren und neu angemeldet haben!“
„Darunter auch Mister Hastert?“
„Hastert? No, der ist schon länger bei uns. Einzelgänger, verstehen Sie? Hält sich wohl für zu fein, aber das treiben wir ihm schon aus.“
„Mit Mister Elsner haben Sie weniger Schwierigkeiten, was?“ Rander fragte beiläufig genug.
„Sie wollen mich wohl ausholen, wie?“ meinte Falving und grinste vertraulich. „Macht aber nichts, wir haben nichts zu verbergen. Elsner ist wichtig. Der Mann hat so seine Verbindungen. Ich denke, der kann uns noch eine Menge nützen.“
„Wie Caldy, nicht wahr?“
„Gus Caldy? No, der ist aus einem anderen Holz geschnitzt, wenn Sie mich schon so fragen. Caldy ist ein Aufreißer, wenn Sie wissen, was ich meine. Erstklassiger Fachmann!“
Falving sah auf seine Uhr. Sehr betont übrigens. Er wollte damit diskret andeuten, daß seine Zeit begrenzt war. Rander und Parker verstanden, erhoben sich und ließen sich von Falving an die Tür des Büros bringen.
„Sagen Sie, was wird nun aus der Firma hier?“ fragte Falving dann. „Fliegt der Laden auf? Soll ich mich nach einer anderen Stelle umsehen? Wie beurteilen Sie die Lage?“
„Mir scheint, daß Rittman ausgespielt hat“, erwiderte Rander, „damit dürfte auch seine Firma erlöschen. An Ihrer Stelle würde ich mich schon jetzt nach einer anderen Stelle umsehen.“
„Dachte ich mir inzwischen auch. Na, ich werde mal mit Elsner sprechen. Der müßte mir ja was aufreißen können. Damit wir uns nicht mißverstehen, Sorgen mache ich mir nicht. Ich bekomme jederzeit einen neuen Job.“
„Wie gut für Sie“, sagte Rander und nickte Falving verabschiedend zu. Dann ging er zusammen mit seinem Butler hinunter in den Hof, auf dem Getränkekästen verladen wurden.
„Was halten Sie von Falving?“ erkundigte Rander sich bei seinem Butler, als sie in das hochbeinige Monstrum stiegen.
„Ohne mich grundsätzlich festlegen zu wollen, Sir, würde ich doch sagen, daß er weitaus durchtriebener ist, als er es nach außen hin tut.“
„Finde ich auch“, antwortete Rander nachdenklich, „Falving spielt ganz sicher mit gezinkten Karten. Wir sollten ihn nicht aus den Augen lassen. Vielleicht haben wir hier den gesuchten Feuersalamander.“
„Ich möchte auf keinen Fall unnötig widersprechen“, lautete die Antwort des Butlers.
*
Rittman atmete erleichtert auf.
Endlich war der Wagen zu sehen. Er schaukelte vorsichtig durch den ausgefahrenen Feldweg und hielt auf die Blockhütte zu. Wenig später stieg Falving aus. Er beugte sich noch einmal in den Wagen hinein und zog eine prall gefüllte Aktentasche hervor. Dann kam er schnell auf die Hütte zu.
„Sie haben sich mächtig verspätet“, sagte Rittman ungnädig, als Falving die Hütte betreten hatte, „hat es Ärger gegeben?“
„Kann man wohl sagen“, antwortete Falving. „Die Polizei war da, dann Rander und dieser verdammte Butler. Sie haben mir ein Loch in den Bauch gefragt.“
„Haben Sie unterwegs aufgepaßt? Sind Sie auch nicht verfolgt worden?“
„Bin ich ein Anfänger, Chef?“ fragte Falving entrüstet zurück, „ich hab’ natürlich höllisch aufgepaßt. Wohin wollen Sie denn nun?“
„’rauf in den Norden“, erwiderte Rittman, „für eine gewisse Zeit werde ich erst mal untertauchen. Aber das macht mir keine Sorgen, ich habe da alte Bekannte, die mich gern aufnehmen. Haben Sie das Geld mitgebracht?“
„Genau … Und haben Sie die Verkaufsurkunde für die Getränkefirma parat?“
„Natürlich! Sie werden die Firma weiterführen, Falving, bis ich mich wieder melde. Ich hoffe, Sie können sich auf mich verlassen.“
„Und was geschieht mit den Nachtclubs?“
„Die gehen an das zuständige Syndikat, Falving.“
„Die Clubs hätten mich auch noch interessiert.“
„Der Brocken wäre für Sie zu groß geworden, Falving, machen Sie sich nichts vor! Zudem können Sie mir nicht das bieten, was das Syndikat aufzuweisen hat. Nämlich Sicherheit. Die werden schon dafür sorgen, daß ich ungestört bleibe!“
„Stimmt“, sagte Falving, der sofort einlenkte, „wollen Sie jetzt mal nachzählen, Chef? Und kann ich mal die Verkaufsurkunde sehen?“
„Sie wissen, daß ich Ihnen die Firma praktisch ohne jeden Gegenwert übereigne“, schickte Rittman voraus, „hoffentlich halten Sie sich an die mündlichen Abmachungen. Sie deponieren pro Monat einen bestimmten Teil des Gewinns auf ein Sonderkonto, bis ich wieder auftauche.“
„Natürlich, Sie können sich fest auf mich verlassen, Chef.“
Falving öffnete die Tasche. Rittman beugte sich über sie und genoß die Banknotenbündel, die Falving flüssig gemacht hatte. Es handelte sich um Bargeld der Getränkefirma, da Rittman an seine eigenen Kontos ja nicht mehr herangekommen war.
„Hier, die Urkunde!“ sagte er dann, griff in seine Brieftasche und zog den fiktiven Kaufvertrag hervor, Falving griff fast gierig nach ihm und überflog schnell die Einzelheiten. Dann nickte er zufrieden und steckte den Vertrag ein.
„Okay“, sagte er dann, „damit dürfte die Sache gelaufen sein.“
Er griff in seine Hosentasche und zog einen kurzläufigen Revolver hervor.
„Was … was ist denn das?“ fragte Rittman entsetzt und richtete sich auf.
„Dachten Sie Trottel etwa, ich würde Ihnen das Firmengeld freiwillig ausliefern?“ fragte Falving dann, „das kann ich viel besser brauchen als Sie, Rittman. Jetzt ist Sense! Jetzt bin ich am Drücker!“
„Sie … Sie … wollen?“
„Ich will … Schön blöd, daß Sie damit nicht gerechnet haben, Rittman. Jetzt habe ich das Geld und die Firma! Besser kann ich überhaupt nicht abschneiden.“
„Mensch, Falving, machen Sie keinen Fehler“, sagte Rittman etwas außer Atem, „denken Sie an das Syndikat. Die kommen dahinter, die spielen da nicht mit!“
„Lassen Sie das Syndikat mal ruhig meine Sorge sein, Rittman! Da winde ich mich schon ’raus. Sie können jetzt auf die Reise gehen, aber für immer!“
Falving hob den Lauf des Revolvers an. Tückisch und mörderisch, wie es so treffend heißt, glitzerten seine Augen. Er war fest entschlossen, seinen ehemaligen Chef niederzuschießen.
„Mir verbieten es meine Grundprinzipien, diesen geplanten Mord zu dulden“, sagte in diesem Moment eine sonore, würdevolle Stimme, die nur einem gewissen Josuah Parker gehören konnte.
Falving fuhr wie ein ertappter Dieb herum, wollte noch schießen, kam aber gegen den bleigefütterten Bambusgriff des Regenschirms nicht an.
Müde und entnervt sank er zu Boden.
Er bettete sich neben Gus Rittman, der vor Schreck einen fast mittelschweren Herzanfall erlitten hatte und damit reif für ein Polizeilazarett geworden war.
*
Lieutenant Mallick bemühte sich redlich, ärgerlich zu erscheinen, doch er schaffte es nicht ganz.
„Okay“, sagte er, „die Erfolge sprechen für Sie, streite ich überhaupt nicht ab, aber zum Teufel, Rander, wir sind schließlich zuständig. Sie hätten mich wenigstens informieren müssen. So haben wir nichts anderes zu tun, als die Gangster in Empfang zu nehmen.“
„Freuen Sie sich doch darüber“, antwortete Rander lächelnd, „Sie sparen Kraft und Nerven. Im Grunde ist es doch gleichgültig, wer diese Burschen dingfest macht. Hauptsache, sie landen alle hinter Schloß und Riegel.“
„Wo kommen wir hin, wenn jeder Privatpolizei spielt.“
„Im Grunde haben Sie selbstverständlich recht“, räumte Rander gelassen ein, „wenn Sie darauf bestehen, weisen wir uns auch als freie Mitarbeiter einer staatlichen Dienststelle aus!“
„Ach, daher pfeift der Wind, FBI oder CIA?“
„Weder noch … Aber sparen wir dieses Thema aus, Mallick. Ich hoffe, Sie glauben uns auch so. Zudem müßten Sie doch Arbeit genug haben, sich mit den Gangstern zu beschäftigen. Sie haben Rittman und Falving, Sie haben die Gangster von Pollert und auch die Gorillas von Rittman in den Zellen.“
„Hatten Rittman und Pollert allein mit Ihrem Auftauchen hier zu tun? Oder besteht da eine Verbindung zu den ausgebrannten Öltanks? Mir scheint, daß man ein wenig zu oft Bombenattentate auf Sie verübt. Dahinter muß doch ein bestimmtes System stecken.“
„Lassen Sie sich von Parker berichten, falls Sie noch etwas Zeit haben. Er wird Ihnen unsere Karten hübsch einzeln auf den Tisch legen.“
„Ich habe genug Zeit, genieren Sie sich nur nicht!“
Lieutenant Mallick sah den Butler erwartungsvoll an und rückte sich in seinem Bürostuhl zurecht. Josuah Parker gestattete sich leicht zu räuspern und kam anschließend zur Sache.
Er brauchte, da er sich im Gegensatz zu seinen sonstigen Gepflogenheiten sehr kurz faßte, nur knapp eine Stunde, bis er Mallick ausreichend informiert hatte. Nach diesem Bericht fühlte Mallick sich wie in Schweiß gebadet. Parkers barocke Ausdrucksweise hatte ihn Nerven gekostet.
„Okay, fassen wir zusammen“, sagte er, um Parkers Erklärungen wenigstens in etwa zu stoppen, „ein unbekannter Täter, der sich Feuersalamander nennt, will die All Texas Oil erpressen und verlangt eine Million Dollar. Sehe ich das richtig.“
„Erstaunlich richtig“, sagte Parker.
„Dieser Feuersalamander, um bei diesem Ausdruck mal zu bleiben, hat einige Öltanks der All Texas in Brand gesetzt!“
„Nur einen, wenn ich aus Gründen der Präzision darauf hin weisen darf“, warf der Butler sofort ein, „die übrigen Öltanks fingen nur Feuer.“
„Schön, aber sie brannten eben doch aus, oder? Gut … der Feuersalamander verlangt also eine Million Dollar und zwar in Form von Rohdiamanten.“
„Vollkommen richtig, wenn ich das ein werfen darf.“
„Natürlich, ich bin ja kein Dummkopf“, sagte Mallick etwas wütend und irritiert, „diese Rohdiamanten sollen nach Ihrer Theorie in ein Modellflugzeug gesteckt werden. Der Feuersalamander will dieses beladene Modell dann per Funk in seinen Schlupfwinkel dirigieren, sehe ich das richtig?“
„Erfreulich richtig“, bestätigte der Butler und nickte würdevoll, „Sie besitzen das, Sir, was man eine offensichtlich gute Auffassungsgabe nennt.“
Mallick schickte einen verzweifelten Blick zur Zimmerdecke hoch. Er fragte sich, wieso Mike Rander es solange mit dem Butler ausgehalten hatte. Er, Mallick, hätte Parker wahrscheinlich schon nach einigen Stunden ohne jede moralische Bedenken erschlagen.
„Als Feuersalamander kommen Ihrer Ansicht nach jetzt nur noch Gangster in Betracht, die sich mit Modellflugzeugen auskennen.“
„Bemerkenswert, Sir“, lobte der Butler, „und diese Männer könnten unter Umständen Elsner, Hastert und Caldy sein. Sie werden verzeihen, daß ich vorgegriffen habe.“
„Was bleibt mir anderes übrig“, seufzte Mallick auf und verdrehte die Augen, „alle drei Personen sind Mitglieder des Modellbauclubs und können mit Fernsteuerungsanlagen umgehen, haben wahrscheinlich sogar die entsprechenden Modelle, um Rohdiamanten abtransportieren zu können.“
„Ich darf mir erlauben, Ihnen meine rückhaltlose Achtung zu zollen“, schaltete der Butler sich sofort wieder ein, „aber wie gesagt, und darauf möchte ich besonders hinweisen, es handelt sich um eine Arbeitshypothese. Mister Rander machte in diesem Zusammenhang nämlich einen beachtenswerten Einwand.“
„Ich weiß schon, welches Haar er in der Suppe fand“, sagte Lieutenant Mallick und grinste, „warum diese deutlichen Hinweise auf Flugzeugmodelle? Kann es sich da nicht um einen ganz ausgekochten Trick des Feuersalamanders handeln?“
*
„Sie wollen verreisen?“ fragte Rander und nickte Glenn Hastert zu, der überrascht auf sah, als der junge Anwalt neben seinem Wagen auftauchte.
„Was geht das Sie an brauste Hastert sofort auf und warf einen Koffer in den Kofferraum seines Wagens. „Schnüffeln Sie hinter mir her?“
„Hätte ich einen Grund dafür?“ gab Rander zurück, „Wenn Pollert vor Ihnen stünde, hätte Ihre Frage einen Sinn, finden Sie nicht auch?“
„Was habe ich mit Pollert zu tun?“
„Zu tun gehabt, müßten Sie sagen. Oder wissen Sie noch nicht, daß er von Rittman oder dessen Leuten erschossen worden ist?“
„Ich höre ja schließlich Lokalnachrichten“, räumte Hastert ein.
Er Wirkte plötzlich etwas nervös.
„Wie mag diese Nachricht auf Sie gewirkt haben?“ fragte Rander, „fiel Ihnen nicht ein Stein vom Herzen?“
„Worauf spielen Sie an?“
„Auf rund 45 000 Dollar, die Sie Pollert schulden!“
„Wo … woher wissen Sie denn das?“ stotterte Hastert plötzlich, „wer sind Sie eigentlich?“
Wütend warf er den Deckel des Kofferraums zu und wollte Rander stehenlassen.
Randers Augen öffneten sich in diesem Moment weit vor Überraschung.
„Was ist denn das?“ fragte er dann und deutete auf zwei deutlich sichtbare Einschüsse im Deckel des Kofferraums.
„Irgendein Idiot hat meinen Wagen lädiert“, sagte Hastert in einem Ton, als sei es nicht wert, weitere Worte darüber zu verlieren. „Passierte vor ein paar Stunden!“
„Hier auf dem Grundstück?“
„Genau … Sonst noch Fragen?“
„Allerdings, Hastert. Mein Butler schoß auf einen fliehenden Mörder, der Halligon auf dem Gewissen hat. Dieser Mann wurde draußen auf dem Sportflugplatz erschossen. Müßten Sie doch eigentlich auch in den Lokalnachrichten gelesen haben, oder?“
„Moment mal. Sie glauben doch nicht, daß ich Halligons Mörder bin?“
„Was ich glaube, spielt überhaupt keine Rolle. Die Tatsachen entscheiden. Ich finde, Sie sollten der Polizei einige Erklärungen abgeben!“
„Oder auch nicht!“ sagte da eine Frauenstimme hinter Mike Rander. Gleichzeitig bohrte sich ihm ein harter, wahrscheinlich kreisrunder Gegenstand in den Rücken, ein Gegenstand, der sehr wahrscheinlich mit einer Schußwaffe identisch war.
„Was soll das?“ fragte Rander mit plötzlich leicht belegter Stimme und hob die Arme, ohne näher dazu aufgefordert worden zu sein.
„Das werden Sie schon merken“, sagte die Frauenstimme hinter ihm. „Glenn, so tu’ doch endlich etwas!“
Glenn ließ sich das nicht zweimal sagen. Er baute sich vor dem wehrlosen Rander auf und rammte ihm die Faust in den Magen. Mike Rander knickte ein und spürte nur noch wie durch Watte einen zweiten Schlag, der seinem Kinn galt. Dann fiel er haltlos in sich zusammen.
*
„Darf ich die bewußten Steine vielleicht noch einmal sehen?“ bat Parker, der um diese Zeit den General-Manager der All Texas Oil besuchte.
„Elsner wird mit Ihnen hinunter zum Safe gehen“, sagte Draken, „ich kann hier nicht weg, ich warte auf einen Anruf!“
„Ich möchte keineswegs aufdringlich erscheinen, Sir“, schickte der Butler voraus, „warten Sie möglicherweise auf eine Nachricht des Feuersalamanders?“
„Stimmt!“ Knapp war die Antwort. Draken schien keine Hilfe mehr zu brauchen.
„Demnach werden noch an diesem Tag die Steine übergeben?“
„Fragen Sie nicht, Parker. Ich will mir keine weiteren Scherereien einhandeln. Ich habe meine genauen Anweisungen vom Aufsichtsrat!“
„Ich möchte mir erlauben Sie zu beschwören“, sagte Parker würdevoll und eindringlich zugleich, „teilen Sie mir bitte mit, wie die Dinge sich inzwischen entwickelt haben!“
„Wir sind die Million los. Wozu noch aufregen. Wir werden zahlen, wie dieser Gangster es verlangt, daran ist nun nicht mehr zu rütteln.“
„Die Steine werden sich retten lassen, Sir!“
„Wie denn? Ich will Ihnen und Ihrem Chef keine Vorwürfe machen, aber die Zeit war einfach zu kurz, um diesen Feuersalamander aufzuspüren, das sehe ich vollkommen ein!“
„Diesem Gangster muß unbedingt und unter allen Umständen das Handwerk gelegt werden, Sir! Denken Sie an weitere Erpressungen!“
„Die sind dann Sache der Konkurrenz“, meinte Draken äußerst kurzsichtig, was die Beurteilung der Lage anbetraf, „dann wird die eben zahlen müssen. Wir haben unsere Verluste hingenommen, sollen andere Unternehmen es auch tun.“
„Sind Sie wirklich so sicher, Sir, daß der Feuersalamander sich nicht noch einmal melden wird?“
Draken schien mit dieser Möglichkeit nicht gerechnet zu haben. Er starrte den Butler plötzlich nachdenklich an.
„Glauben Sie?“ fragte er dann unruhig.
„Erpresser, das lehrt die Kriminalgeschichte, Sir, halten sich stets an die Opfer, die willig und ohne Schwierigkeiten zahlen. In diesem speziellen Fall heißt das Opfer Texas Oil!“
„Das wäre ja furchtbar. Dann wären wir ruiniert. So groß wie die Konkurrenz sind wir nun auch wieder nicht. Wir bauen unsere Betriebe ja gerade erst aus.“
„Lassen Sie sich helfen, Sir!“
„Von wem denn? Haben Sie eine Patentlösung parat? Wir sitzen doch in der Zwickmühle, Parker, sehen Sie das nicht ein? Falls wir die Steine nicht ausliefern, wird der Feuersalamander eine zweite Sprengbombe auf einen unserer Öltanks werfen.“
„Dazu wird es wohl nicht mehr kommen, Sir, falls Sie ein wenig mithelfen.“
„Und wie stellen Sie sich meine Mithilfe vor?“
„Ich werde Ihnen meine Pläne noch rechtzeitig unterbreiten, Sir. Wann sollen Sie die Rohdiamanten übergeben? Und auf welchem Weg soll es geschehen?“
Draken gab seinen Widerstand auf und informierte den Butler, der daraufhin zusammen mit Elsner hinunter zum Safe fuhr, um sich die unansehnlichen Rohsteine noch einmal genau anzusehen. Weder Draken noch Elsner ahnten, daß Parker fest entschlossen war, einige dieser Steine aus dem Verkehr zu ziehen. Er liebte Souvenirs, die ihn an seine Arbeit erinnerten.
*
Mike Rander war wieder zu sich gekommen und konnte sich dennoch nicht richtig freuen.
Er befand sich in einem kleinen Kellerraum, der fensterlos war. Dunkelheit umgab ihn. Er tastete sich mit den Händen herum, maß so sein Gefängnis aus und blinzelte in das plötzlich eingeschaltete Licht. Es wurde von einer nackten Glühbirne geliefert, die sich in einem Drahtkorb dicht unter der Decke befand.
„Na, endlich“, sagte Hastert. Er sprach von der Tür her, ohne sie zu öffnen. Er schaute durch ein kleines Viereck, das in die Tür eingeschnitten war. Hastert war bester Laune.
„Wie fühlen Sie sich?“ fragte er dann.
„Saumäßig“, antwortete der junge Anwalt wahrheitsgemäß, „was versprechen Sie sich davon, mich hier festzuhalten? Sie werden meinem Butler früher oder später in die Arme laufen!“
„Sie scheinen immer noch Optimist zu sein, Rander.“ Hastert lachte leise auf, „in knapp zwei Stunden bin ich längst über alle Berge. Mit dem nötigen Kleingeld kann das Ausland verdammt schön sein!“
„Sie sind demnach also der Feuersalamander?“
„Nicht direkt, ich arbeite nur mit ihm zusammen. Aber das ändert nichts an den Tatsachen, Rander.“
„Ich begreife die Zusammenhänge nicht.“ Rander schüttelte ratlos den Kopf. Er wollte Zeit gewinnen, Hastert dazu bringen, Details zu nennen.
„Ob Sie die Zusammenhänge begreifen oder nicht, Rander, ist völlig gleichgültig. Erwarten Sie etwa von mir, daß ich jetzt auspacke? So was passiert doch nur in Kriminalromanen. Da legen die Täter ihre Karten auf den Tisch, weil sie glauben, daß ihnen nichts mehr passieren kann. Und die Autoren dieser Kriminalgeschichten schaffen es mit diesem Trick, lange Erklärungen unter den Tisch fallen zu lassen. Nein, nein, machen Sie sich keine unnötigen Hoffnungen, ich packe nicht aus. Ich habe ja eingepackt, wie Sie gesehen haben!“
Hastert lachte ausgiebig über sein Wortspiel.
„Dann sagen Sie mir wenigstens, ob Halligon auch ein Mitarbeiter des Feuersalamanders gewesen ist.“
„War er, war er!“
„Demnach geht er auf Ihr Konto, nicht wahr?“
„Wie kommen Sie denn darauf?“
„Denken Sie an die Einschußlöcher im Kofferraum Ihres Wagens, Hastert. Die gehen auf das Konto meines Butlers. Er schoß Ihnen nach, als Sie nach dem Mord an Halligon draußen auf dem Sportflugplatz flüchteten!“
„Es war mein Wagen, aber ich saß nicht drin“, antwortete Hastert, der im Gegensatz zu seiner Absicht nun doch einige Details ausplauderte, „der Feuersalamander lieh ihn sich aus. Aber damit können Sie nichts mehr anfangen. Hier wird gleich im Nebenraum ein kleiner Brand ausbrechen, Rander. Und dem werden Sie zum Opfer fallen, ohne daß Ihnen ein Mensch helfen kann. Brennendes öl ist vernichtend, aber wem sage ich das? Sie haben ja wohl genug Phantasie, um sich das alles auszumalen!“
Hastert wollte das kleine Kontrollfensterchen schließen. Mike Rander hielt Hastert mit einem schnellen Zuruf davon ab.
„Sie kommen sich sehr gerissen vor, Hastert“, sagte er dann, als das Gesicht von Hastert wieder hinter dem Viereck zu sehen war, „wetten, daß der Feuersalamander Sie ausstechen wird? Glauben Sie wirklich, daß er mit Ihnen teilen wird? Niemals. Dazu ist dieser Gangster viel zu gerissen!“
„Der übliche Bluff, ich weiß Bescheid“, gab Hastert auflachend zurück, „aber möglich, daß ich ihn an Ihrer Stelle auch versuchen würde.“
„Hoffentlich sind Sie sich über die Rolle klar, die Ihre Frau spielt“, sagte Rander, einen letzten Trumpf ausspielend.
„Was soll das heißen?“ Hastert biß an.
„Nichts, ich bluffe ja nur, aber vergessen Sie nicht, daß mein Butler und ich immerhin Zeit genug hatten, um ein paar Erkundigungen einzuziehen. Es gibt Menschen, vor allen Dingen Frauen, die müssen einfach ein Doppelspiel betreiben, sonst fühlen sie sich unglücklich.“
„Für diese Gemeinheit werden Sie mir büßen!“ Hastert donnerte förmlich das Klappfenster zu und ließ Rander allein zurück. Der junge Anwalt grinste und machte sich dann daran, etwas für seine Freiheit zu tun. Er hatte nicht die Absicht, sich wehrlos umbringen zu lassen.
*
Es war Nacht geworden.
Das Gelände der Raffinerie erstrahlte im gleißenden Licht der Lampen und Scheinwerfer. Die riesigen, schlanken Cracktürme Stadien wie versilberte Zeigefinger hinauf in die Nacht.
Josuah Parker und General-Manager Cliff Draken warteten auf den Anruf des Feuersalamanders. Sie hielten sich in Drakens Büro auf und bewachten die Rohdiamanten, die sich jetzt in einem Stück Segeltuch befanden.
Draken zuckte zusammen, als das Telefon läutete. Er griff hastig nach dem Hörer und meldete sich.
Josuah Parker griff nach der zweiten Hörmuschel und ließ sich direkt informieren.
„Hier spricht der Feuersalamander, meldete sich eine undeutliche Stimme, „sind Sie’s, Draken?“
„Am Apparat!“ Drakens Stimme klang heiser.
„Hören Sie genau zu“, redete der Feuersalamander weiter, „jetzt geht’s darum, ob Sie die Texas Oil vor weiteren Luftangriffen bewahren wollen. Haben Sie die kleinen Steinchen?“
„Ich habe sie!“
„Sie werden sich mit diesen Steinchen in den Jeep setzen und ’raus zu den ausgebrannten Öltanks fahren! Haben Sie alles mitbekommen?“
„Selbstverständlich. Und was soll ich dort tun?“
„Dort finden Sie neben der ausgeglühten Steigeleiter am ehemaligen Öltank Nr. 6 ein kleines Modellflugzeug mit laufendem Motor. Nun wird es spannend, Draken, Sie klappen also die Rumpfdeckplatte des Modells auf und lassen die Rohsteine in den Rumpf kollern, klar?“
„Ich habe genau verstanden.“
„Prima. Dann setzen Sie sich wieder in den Jeep und fahren zurück in Ihr Büro. Damit ist für Sie der ganze Film dann auch schon gelaufen.“
„Und Sie garantieren mir, daß keine weiteren Bombenangriffe erfolgen werden?“
„Natürlich! Falls Sie dafür garantieren, daß die Transaktion nicht gestört wird. Keine Polizei — vor allen Dingen keinen Butler Parker. Haben wir uns verstanden?“
„Gewiß!“
„Das bedeutet, daß Sie diesen komischen Butler nach Hause schicken können. Und zwar umgehend. Ich weiß, daß er bei Ihnen im Büro hockt und herumschnüffelt. Schicken Sie ihn weg! Umgehend! Noch etwas, Draken, falls Sie Verrat planen, würden Sie das verdammt bedauern. Dann lasse ich ein zweites Modellflugzeug auf einem der noch heilen Tanks landen. Hoffentlich brauche ich nicht deutlicher zu werden!“ „Ich werde mich genau an Ihre Anweisungen halten“, versprach Draken, dessen Stimme womöglich noch heiserer geworden war.
„Falls Parker nicht innerhalb der nächsten Minuten das Hauptbüro verläßt, startet die Trägermaschine ohne die Steine, dafür schicke ich Ihnen dann mein Ersatzmodell, das für einen Ihrer Öltanks bestimmt ist. Hoffentlich war ich deutlich genug.“
„Parker wird sofort wegfahren, antwortete Draken. Er wollte noch etwas sagen, doch auf der Gegenseite klickte es. Der Feuersalamander hatte aufgelegt.
Draken ließ seinen Hörer zurück in die Gabel fallen und wandte sich Parker zu. Er zuckte dabei hilflos die Achseln.
„Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen“, sagte Josuah Parker, bevor Draken das Wort ergreifen konnte, „ich werde sofort das Feld räumen.“
„Dann ist ja alles gut!“ erwiderte Draken und seufzte erleichtert. „Hauptsache, dieser Feuersalamander attackiert nicht auch noch die unversehrten Tanks!“
„Ich erlaube mir, mich zu verabschieden“, erklärte Parker, lüftete höflich seine Melone und verließ das Privatbüro des General-Managers. Er hatte dies ohnehin vorgehabt. Parker dachte nämlich nicht im Traum daran, dem Feuersalamander die Trümpfe zu belassen.
*
Mike Rander schob seine Krawattennadel in das Türschloß und knickte die Zierperle ab.
Dann trat er sicherheitshalber zur Seite und zuckte unwillkürlich zusammen, als ein dumpfer Knall erfolgte.
Als eine kleine Rauchwolke am Türschloß sich verzogen hatte, inspizierte er das Schloß, das tatsächlich nicht mehr existierte. Rander bedankte sich insgeheim bei seinem Butler, der ihm diese Krawattennadel zugesteckt hatte. Sie enthielt in einem winzigen Hohlraum eine winzige Thermitladung, die durch einen Säurezünder gezündet werden konnte. Diesen Zünder setzte man durch Abknicken der Zierperle in Aktion.
Rander drückte versuchsweise die Tür an und wunderte sich überhaupt nicht, als sie diesem Druck sofort nachgab und auf schlug. Dieses Hindernis war also bereits überwunden. Nun brauchte er sich nur noch mit Hastert zu befassen, falls der überhaupt noch im Bungalow war.
Rander war zwar ohne Waffe, doch das bedrückte ihn nicht. Das Überraschungsmoment war schließlich auf seiner Seite. Hastert konnte nichts gehört haben. Und selbst dann, wenn er jetzt hinunter in den Keller stieg, weil vielleicht sein Argwohn geweckt worden war, konnte er bestimmt leicht außer Gefecht gesetzt werden.
Rander kam ohne Zwischenfälle über die schmale Kellertreppe hinauf ins Erdgeschoß des Bungalows. Er schaute in eine schmale Pantry hinein, die modern eingerichtet war. Er wollte schon weitergehen, als er plötzlich ein schwaches Stöhnen hörte.
Ein Trick? Rander schaltete auf höchste Vorsicht und schob sich in die schmale Küche hinein. Wenig später sah er eine langbeinige Blondine, die in einer Ecke hockte, die aus Schrank und Fenster gebildet wurde.
Sie lebte, war unversehrt, aber sie war fest verschnürt wie ein Paket und geknebelt. Sie sah recht mitgenommen aus und schien von Hastert nicht besonders rücksichtsvoll behandelt worden zu sein.
Rander befreite die Frau, die zuerst einmal nicht fähig war, von allein aufzustehen. Rander half ihr hoch und sah sie fragend an.
„Weg … schnell weg!“ schrie sie ihn an, „die Bombe im Ölkessel, sie muß jeden Moment hochgehen!“
Rander hütete sich, Fragen zu stellen. Er umspannte ihren Oberarm und zerrte sie durch die kleine Diele hinaus ins Freie. Er rannte mit ihr durch die Dunkelheit und warf sich dann zusammen mit ihr rücksichtslos zu Boden, als gleichzeitig mit einer gewaltigen Detonation der Bungalow sich aus seinen Fundamenten hob und in seine Grundbestandteile auflöste!
*
Draken saß im Jeep und fuhr hinaus zu den ausgeglühten Öltanks. Er war sehr nervös und ängstlich. Immer wieder faßte er nach dem Segeltuchsäckchen, in dem sich die Rohsteine befanden.
Schwitzend vor Angst und Eifer stieg er am Ziel aus dem Jeep und sah sich nach dem Flugzeugmodell um.
Er hörte nun das scharfe Knattern des kleinen Motors und wußte, in welche Richtung er gehen mußte. Nach etwa zwanzig Metern erreichte er das Modell.
Irgendwie fasziniert starrte Draken auf diese kleine Maschine. Sie sah fast zerbrechlich aus. Sie zitterte nervös und wurde wahrscheinlich nur von kleinen Radbremsen daran gehindert, sich in die Luft zu erheben.
Draken tat, wie der Feuersalamander ihn geheißen hatte. Er trat an die Maschine heran, beugte sich nieder und suchte nach dem Verschluß, um den Rumpfdeckel zu öffnen. Das Segeltuchsäckchen mit den Rohsteinen hielt er bereits in der Hand.
Er merkte überhaupt nicht, daß aus der Dunkelheit heraus plötzlich eine Gestalt erschien, deren Gesicht von einer großen Fliegerbrille, einem Jet-Helm und einem hochgebundenen Schal verdeckt wurde. Dieser Mann hielt ein Stück Kabel in der Hand. Er holte aus und schlug zu.
Ohne einen Laut von sich zu geben, rutschte Draken in sich zusammen und blieb regungslos auf dem Zementboden liegen. Die vermummte Gestalt griff nach dem Segeltuchsäckchen, kontrollierte schnell den Inhalt und lief dann zurück in die Dunkelheit.
Wenig später heulte der kleine Motor des Modells wie irr auf. Die Radbremsen wurden gelöst. Dann torkelnd zuerst, immer schneller werdend, fegte das Modell über den Beton, erhob sich, schaukelte gefährlich, stabilisierte sich und wurde dann im Steilflug hoch in die Nacht gezogen.
*
„Was war?“ fragte Rander und kümmerte sich um die langbeinige Blondine, die haltlos schluchzte.
„Er … er wollte mich in die Luft jagen“, stammelte sie und schaute entsetzt auf die brennenden Reste des Bungalows, „er wollte mich los werden!“
„Wohin ist Ihr Mann jetzt?“ fragte Rander knapp. „Erinnern Sie sich, Mrs. Hastert. Sie sind doch auch daran interessiert, daß ich ihn erwische.“
„Er sagte etwas von Rohsteinen. Hastert will ins Ausland. Südamerika … Seine Maschine steht schon auf dem Sportflugplatz.“
„Hoffentlich kommen wir nicht zu spät.“ Rander hatte einen Entschluß gefaßt. „Wir müssen weg von hier, bevor die Polizei erscheint, sonst kommen wir aus dem Frage-und-Antwort-Spiel nicht mehr heraus. Trauen Sie es sich zu, mitzufahren?“
Sie traute es sich zu und lief mit ihm hinüber zum Wagen, der erfreulicherweise noch am Straßenrand stand und bis auf die zertrümmerten Seitenscheiben und einige Dellen noch völlig intakt war. Rander setzte sich ans Steuer und gab Gas.
„Warum wollte er Sie loswerden?“fragte er dann, sich an Hazel Hastert wendend.
„Unsere Ehe existiert schon seit langem nur noch auf dem Papier“, gab sie zurück, „zum Teil ist es bestimmt auch meine Schuld. Jetzt aber will er mich für immer abservieren. Mit einem Mord … das werde ich ihm niemals verzeihen.“
„Wovon will Hastert denn im Ausland leben?“ erkundigte Rander sich weiter. Er steuerte den Wagen durch die Außenbezirke der Stadt und hatte bald die breite Ausfallstraße erreicht, auf der man zum Sportflugplatz kam.
„Er sprach in den letzten Wochen und Tagen immer von einem großen Coup“, antwortete sie, „angeblich konnte er damit ein Vermögen machen. In meinen Augen sind das aber alles Hirngespinste. Glenn hat den festen Boden schon längst verlassen.“
„Hat er irgendeinen engen Freund?“
„Hatte … Elsner war mit ihm sehr eng befreundet.“
„Walt Elsner, der Assistent von Draken?“
„Richtig“, bestätigte sie, „sie fanden sich über den Modellbau … ein schrecklich albernes Hobby, finden Sie nicht auch?“
„Keine Ahnung, ich weiß zu wenig darüber. Er ist also mit Elsner befreundet, … sehr gut?“
„Sehr gut, als er noch Werbechef der Firma war. Als man ihn dann aber feuerte, setzte Elsner sich ab. Wahrscheinlich hatte man ihm nahegelegt, sich von Glenn zurückzuziehen. Sie wissen, die Firmenchefs schätzen solche persönlichen Bindungen dann nicht mehr!“
„Haben Glenn und Elsner sich dennoch getroffen?“
„Draußen auf dem Sportflugplatz. Da waren sie wie die Kinder. Und ich habe mich stets schrecklich gelangweilt.“
„Haben Sie in irgendeinem Zusammenhang den Namen Feuersalamander schon einmal gehört?“
„Nein“, sagte sie und schüttelte den Kopf, „was soll denn das sein?“
„Es war nur eine Frage am Rande“, wich Rander aus, „ich glaube, wir sind da, Mrs. Hastert!“
„Nennen Sie den Namen Hastert bloß nicht mehr“, sagte sie wütend, „sagen Sie Hazel zu mir, das reicht mir voll kommen. Hastert ist für mich erledigt, aber er soll mich noch kennenlernen.“
Rander unterdrückte ein leichtes Schmunzeln und schaltete die Lichter des Wagens aus. Dann pirschte er sich vorsichtig an das Flugplatzgelände heran. Der Tower war als schwarzer Block gegen den aufgeklarten, nächtlichen Himmel zu erkennen. Licht brannte dort nicht. Der Flugplatz schien völlig leer zu sein. Rander dachte einen Moment lang an die Möglichkeit, daß Hazel ihn vielleicht belogen haben könnte!
*
Hastert stand neben seinem Wagen und bediente den kleinen Steuerknüppel seiner Fernlenkanlage.
Am Aufleuchten der Kontrollampe hatte er gesehen, daß das Modell sich bereits in der Luft befand. Nun brauchte er das fliegende Modell nur noch zu übernehmen und zu sich heranzudirigieren. Eine Kleinigkeit, die er oft genug geübt hatte.
Schon bald war das helle, aufdringliche Klingen und Sirren des hochtourigen Motors zu hören. Hastert lächelte triumphierend. Alles entwickelte sich genau wie berechnet. Noch wenige Minuten, und der große Coup war gelungen. Und dann noch eine knappe, halbe Stunde, bis er sich als Sieger auf der ganzen Linie fühlen konnte.
Vorsichtig und gefühlvoll bediente er den Steuerknüppel des Fernlenkgerätes. Das Summen des Motors wurde immer lauter. Hastert drückte per Fernsteuerung das Modell an, stellte es ungeduldig auf die Nase und ließ es steil zu Boden kommen. Es war ihm in dieser Situation völlig gleichgültig, ob es dabei zu Bruch ging.
Sekunden später war es dann soweit.
Dicht über seinem Kopf — er machte unwillkürlich eine tiefe Verbeugung — surrte das Modell hinweg, dann ein splitterndes Krachen … und dann Stille.
Hastert ließ die Fernsteuerungsanlage zu Boden fallen. Auch sie brauchte er nicht mehr. Er rannte hinüber zur Aufschlagstelle und brauchte nicht lange zu suchen. Das zerfetzte Modell lag am Fuß eines Baumstammes und hatte ausgedient.
Hastert durchwühlte die Trümmer, dachte einen kurzen Moment lang, man könnte ihn übertölpelt haben, fand dann aber das Segeltuchsäckchen, in dem sich deutlich spürbar unregelmäßig geformte Steine befanden.
Er schaltete jetzt das Licht einer kleinen Taschenlampe ein und riß das Säckchen auf. Jawohl, da waren sie. Rohdiamanten in einem Handelswert von einer Million Dollar. Jetzt war es geschafft, der Rest nur noch eine Kleinigkeit.
Hastert lief zurück zu seinem Wagen, setzte sich ans Steuer und fuhr los. Das Säckchen mit den Rohsteinen schob er unter den Fahrersitz.
Mit Polizeikontrollen rechnete er nicht. Die Warnungen an Cliff Draken war deutlich genug gewesen. Der General-Manager würde sich hüten, weitere gefüllte Öltanks aufs Spiel zu setzen.
Nach knapp zwanzig Minuten kam der Tower des Sportflugplatzes in Sicht.
Hastert ließ seinen Wagen neben dem Tower stehen und eilte auf den Hangar zu. Dort, im zusätzlichen Schatten der großen Halle, stand die Piper. Sie war aufgetankt und startklar. Er brauchte sich nur hineinzusetzen und loszufliegen.
*
„Da ist er!“ flüsterte Hazel, und in ihrer Stimme schwangen. Haß und Wut mit, „worauf warten Sie noch, Mister Rander?“
„Sie bleiben hier“, sagte Rander ebenso leise, „in ein paar Minuten werde ich Sie rufen!“
„Machen Sie ihn fertig“, hechelte und drängte sie, „denken Sie daran, daß er uns in die Luft jagen wollte.“
„Ob Sie es glauben oder nicht, Hazel, daran muß ich die ganze Zeit über denken“, gab Rander grinsend zurück, „bis gleich!“
Er tauchte in der Dunkelheit unter und beeilte sich. Er konnte sich vorstellen, daß Hastert nicht lange wartete. Er würde unverzüglich starten.
*
Elsner sah den Butler unsicher und fragend zugleich an. Er stand neben der Couch in Drakens Büro und sah auf seinen Chef hinunter, der leise stöhnte.
„Sie glauben doch nicht etwa, daß ich ihn niedergeschlagen habe?“ sagte er dann, „mein Ehrenwort … ich fand ihn, als ich nach Mister Draken suchte. Er lag bewußtlos in der Nähe seines Jeeps. Daraufhin brachte ich ihn sofort hierher. Alles weitere wissen Sie ja. Gott sei Dank waren Sie ja noch auf dem Gelände!“
„Die Steine … die Steine …!“ stöhnte Draken und faßte nach seinem schmerzenden Kopf, „ich … ich habe Sie nicht in das Modell stecken können. Verstehen Sie, was das bedeutet?“ Er richtete sich jäh auf, um dann stöhnend wieder zurückzusinken.
„Was ist genau passiert, wenn ich in aller Bescheidenheit fragen darf?“
„Die Steine“, wiederholte Draken verwirrt, „die Steine, man hat mich vorher niedergeschlagen. Das Modell“
„Ich würde meinen, daß Mister Draken an einer leichten Gehirnerschütterung leidet“, sagte Parker, der schon genug wußte. Mehr wußte jedenfalls als er zugab, „sorgen Sie für einen Arzt, Mister Elsner! Ich werde mich später noch einmal einfinden. Im Moment habe ich leider zu tun.“
„Sind Sie hinter den Steinen her? Dürfte wohl sinnlos sein! Die sind inzwischen längst über alle Berge!“
„Ich werde mich um den Feuersalamander bemühen“, entgegnete der Butler und entfernte sich gemessenen Schrittes, „mit ihm dürfte ich dann wohl auch über die Rohdiamanten verfügen können!“
*
„Wohin so eilig?“ fragte Rander, der dicht hinter Hastert auftauchte.
Hastert wirbelte ohne jede Vorwarnung oder Einhaltung einer Schrecksekunde herum. Doch diesmal ließ Mike Rander sich nicht verblüffen.
Er duckte den gewaltigen Schlag ab, den Hastert ausführen wollte. Dann rammte er seinen Kopf gekonnt in die Weichteile des Mannes, der daraufhin ausrutschte und mit dem Hinterkopf gegen die Kante der Piper-Tragfläche schlug.
„Na, also!“ murmelte Rander und sah auf den bewußtlosen Hastert hinunter, „ich kann ja schließlich nicht immer zweiter Sieger bleiben, sonst bekomme ich noch Komplexe!“
Als Rander Hastert hochhob, hörte er deutlich einen kleinen Plumpser. Irgendein Gegenstand mußte zu Boden gefallen sein. Rander bückte sich und ertastete auf dem Boden ein Segeltuchsäckchen. Er schob es in seine Tasche und schleifte Hastert dann zurück zu dessen Wagen. Er schaltete die Scheinwerfer ein und entwaffnete den Mann. Er fand eine handliche Pistole und fühlte sich wohler, als er sie in den Gürtel steckte.
Anschließend interessierte er sich für den Inhalt des Segeltuchsäckchens.
„Was ist denn das?“ fragte Hazel, die zu ihm herübergeeilt war.
„Rohdiamanten“, erklärte Mike Rander, „sehen ziemlich harmlos aus, wie?“
„Rohdiamanten?“ gab Hazel zurück, „sehen eigentlich wie normale Kieselsteine aus!“
„Kieselsteine?“ Rander beugte sich noch tiefer über die Steine, grinste und lachte dann plötzlich.
„Was haben Sie?“ fragte Hazel.
„Kieselsteine!“ antwortete Rander, „Sie haben den Nagel genau auf den Kopf getroffen. Das hier sind Kieselsteine! Darauf gehe ich, jede Wette ein!“
„Wirklich?“ fragte sie.
„Mit größter Wahrscheinlichkeit! Aber fragen wir doch Ihren Mann, der kennt sich bestimmt aus!“
Hastert kannte sich aus. Er war zu sich gekommen und beugte sich gierig über die Steine, die ihm so lieb und wert waren. Für einen Moment vergaß er vollkommen, daß sein Spiel bereits gelaufen war.
„Kieselsteine!“ sagte er dann mit fast tonloser Stimme, „dieses Schwein hat mich hereingelegt. Kieselsteine! Wertloses Zeug. Dieser Hund wollte mich ’reinlegen!“
„Wie Sie ihn!“ erwiderte Rander und gluckste vor Lachen, „wer wollte sich denn mit den angeblichen Rohdiamanten absetzen, Hastert? So legt ein Gauner den anderen hinein. Ich halte, das für einen guten Witz!“
„Ich bring’ ihn um“, tobte Hastert los, „ich nehm’ jetzt keine Rücksicht mehr. Nun soll er mal erleben, wozu ich fähig bin!“
„Los, schnell … kommen Sie!“
Rander entwickelte plötzlich eine Betriebsamkeit, die eigentlich nicht am Platz schien. Er drängte Hazel und Hastert, der sich erhoben hatte, vom Wagen zurück und kümmerte sich nicht weiter um die angeblichen Rohdiamanten, die auf dem Kühler des Wagens lagen.
Weit kamen Rander, Hazel und Hastert nicht.
Die Steine lösten sich plötzlich in einem Feuerblitz auf und pusteten den Wagen Hasterts hoch in die Luft. Nur weil die Flüchtenden gerade hinter der Ecke des Hangars verschwanden, entgingen sie einer unfreiwilligen Luftreise, die mit Sicherheit tödlich geendet hätte!
*
Parker hielt eine seiner Spezialzigarren in der Hand und wunderte sich kaum, daß sie am laufenden Band ein feines Piepsen produzierte. Diese Zigarre war schließlich nichts anderes als ein Peilempfänger in Miniaturbauweise.
Das Piepsen war innerhalb der letzten drei Minuten immer lauter geworden. Bald mußte die Quelle dieses Piepsens erreicht sein. Parker bog um eine Ecke des langen Korridorganges und erreichte eine Treppe, die er nach unten beschritt.
Dann erreichte er die Poststelle der Hauptverwaltung und nahm sich die Freiheit heraus, gegen alle Konvention und gute Sitten eines seiner Ohren gegen die Türfüllung zu legen.
Er hörte ein Räuspern und wußte Bescheid.
Parker drückte die Klinke leise herunter und betrat die Poststelle, einen modern eingerichteten Raum, in dem die aus- und eingehende Post der Firma sortiert wurde.
An einem der Tische stand Caldy, der Leiter der Poststelle. Er hatte noch nichts gemerkt. Er war damit beschäftigt, ein kleines Paket zu verschnüren.
Parker schaltete die Zigarre in seiner Hand auf größte Lautstärke. Augenblicklich füllte ein aufdringliches Piepsen den Raum. Caldy fuhr wie ein ertappter Dieb herum und starrte den Butler an.
„Ich möchte als sicher unterstellen, daß Sie die erbeuteten Rohdiamanten an eine Deckadresse schicken wollen“, sagte er dann höflich, „ich möchte ferner als sicher unterstellen, daß Ihr Spiel damit beendet ist. Ich darf mich glücklich preisen und schätzen, den Feuersalamander ertappt zu haben.“
Caldy reagierte augenblicklich. Er stritt nichts ab, er griff an. Parker, der seine schwarze Melone grüßend lüftete, ließ sich nicht beeindrucken.
Er schickte sie durch eine schnelle Drehung seines Handgelenks auf die Reise. Der scharfe Rand schwirrte gegen den Hals des Mannes, der dadurch nicht mehr in der Lage war, seine Waffe vollends aus der Tasche zu ziehen.
Caldy stöhnte dumpf auf, ging in die Knie und streckte sich dann auf dem Boden aus. Parker griff nach dem Päckchen auf dem Tisch und las die Adresse. Dann schüttelte er das kleine Paket und wunderte sich, so etwas wie Kiesel zu hören, die durcheinanderschepperten!
*
„Wenn Sie gestatten, Sir, werde ich in aller Kürze die Zusammenhänge aufdecken“, sagte Parker. Lieutenant Mallick, der inzwischen eingetroffen war, verdrehte erschreckt die Augen. Cliff Draken nickte hingegen zustimmend, er ahnte wohl nicht, was da auf ihn zukam. Elsner sah den Butler interessiert an. Rander zündete sich eine Zigarette an und ließ sich in einen Sessel fallen. Er ahnte, daß es etwas länger als sonst dauern würde.
„Der Feuersalamander, das möchte ich vorausschicken, ist Gus Caldy“, begann Parker, „seine Mitarbeiter und Mitsalamander waren und sind Hastert und Halligon, eine Dreiergruppe also, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, schnell reich zu werden. Um an die erforderlichen Barmittel zu gelangen, wollte man sich des gemeinsamen Hobbys bedienen. Wir alle wissen inzwischen, wie aufregend das Fliegen mit Modellen sein kann. Nun gut, meine Herren, Hastert flog den Angriff mit der Cessna. Er hat ihn inzwischen ja schon zugegeben. Damit sollte erst einmal der notwendige Druck hergestellt werden. Halligon bediente und steuerte die kleinen Flugzeugmodelle, die Mister Rander und meine Wenigkeit auslöschen sollten. Einzelheiten sind Ihnen ja sicherlich inzwischen bekanntgeworden.
Halligon wurde heimtückisch erschossen, als er von Mister Rander und mir gestellt wurde. Dieser Mord geht auf das Konto des Mister Caldy, der als Tat- und Fluchtfahrzeug den Wagen Mister Hasterts benutzte. Einmal wollte er durch den Mord an Halligon, der ängstlich geworden war, einen unbequemen Mitwisser ausschalten. Zum anderen ging es ihm darum, für den Fall einer Entdeckung Hastert zu belasten, was ihm ja auch teilweise gelang.
Hastert und Caldy hatten von Beginn an die feste Absicht, sich gegenseitig zu betrügen. Hastert, der das Modell mit den Rohsteinen übernahm, wollte mit den Steinen nach Südamerika gehen, Caldy hingegen ließ sich einen zusätzlichen Spaß einfallen, wenn ich es so ausdrücken darf.
Er schlug Mister Draken nieder, der die Steine brachte. Dann steckte er Kieselsteine in das Modell, doch einer dieser Kieselsteine war eine kleine, hochbrisante Bombe, die ja dann auch prompt in die Luft flog. Sie besaß, wie sich heraussteilen wird, einen Zeitzünder und wäre ohne Mister Randers Eingreifen erst in der Luft explodiert. Die bewußte Piper mit Mister Hastert an Bord wäre atomisiert worden.
Doch ich muß gestehen, meine Herren, daß dies noch nicht alles war. Caldy, der Planer des ganzen Erpressermanövers, verpackte die Steine in ein Päckchen und wollte sie an eine Deckadresse schicken. Er konnte nicht ahnen, daß ich mir die Freiheit genommen hatte, diese Steine mit einem Peilsender zu versehen. So gelang es mir, Mister Caldy aufzuspüren, als er bei den Verpackungsarbeiten war. Erfreulicherweise hat auch er inzwischen ein Geständnis abgelegt.
Es war nicht nur der Peilsender, den ich in Gegenwart von Mister Elsner unten am Safe gegen einen Stein austauschte, der mich auf die Spur des eigentlichen Feuersalamanders brachte. Es war sein Vorname Gus, den der sterbende Halligon erwähnte. Dieser Vorname wurde im Zusammenhang mit Mister Caldys Namen später erneut erwähnt. Absichtslos, und zwar von Mister Falving. Damit wurde bereits ein erster dringlicher Verdacht gegen Caldy offenbar.
Abschließend darf ich noch darauf hinweisen, daß die Gangsterchefs Pollert und Rittman samt ihren Mitarbeitern mit den Feuersalamandern nichts zu tun hatten. Sie rieben sich in Konkurrenzkämpfen auf, wogegen ja wohl nichts einzuwenden ist.“
„Moment mal“, schaltete Draken sich ein, wofür er von Lieutenant Mallick einen fast strafenden Blick erntete, „dann hat Caldy als Feuersalamander also fest damit gerechnet, daß Hastert ihn hereinlegen wollte, oder?“
„Bemerkenswert genau gesehen, Sir“, erwiderte der Butler höflich, „Gangster unter sich kennen sich eben aus. Caldy wollte die Beute allein für sich haben!“
„Ende gut, alles gut“, murmelte Draken und griff nach dem Päckchen, in dem sich noch die Steine befanden, „eine Million gerettet!“
„Darf ich Sie auf einen kleinen Irrtum aufmerksam machen?“ schaltete der Butler sich wieder ein. „Die Steine dort im Päckchen stellen in keinem Fall den Gegenwert von einer Million Dollar dar. Sie sind völlig wertlos!“
„Wie bitte?“ Trotz seiner Gehirnerschütterung sprang Draken auf. Lieutenant Mallick hüstelte nervös, Elsner bekam einen roten Kopf vor Aufregung, Rander sah seinen Butler scharf an.
„Es handelt sich in der Tat nur um wertlose Kieselsteine“, gestand Parker, „die richtigen Steine sind hier!“
Er griff in die Hosentasche und holte ein Leinensäckchen hervor. Er öffnete es und schüttelte den Inhalt auf den Tisch.
„Ich hatte mir die Freiheit genommen, alle Steine auszutauschen“, sagte er dann, „Mister Elsner wird entschuldigen. Obwohl er scharf aufpaßte, übersah er meine Manipulation. Aber das darf nicht weiter verwundern, denn ich hatte seinerzeit einmal die Ehre, für einen gewissen Duke of Naderwood arbeiten zu dürfen. Besagter Duke betrieb in seiner reichlich bemessenen Freizeit Magie und Manipulation. Er selbst kam über ein gewisses Amateurstadium niemals hinaus, ich hingegen entdeckte an mir Fähigkeiten, die mich fast erschreckten!“
Rander grinste und weidete sich an der Überraschung der Anwesenden. Parker griff nach Melone und Schirm und deutete eine kleine Verbeugung an.
„Wenn Sie erlauben“, sagte er dann abschließend, „möchte ich mich jetzt zurückziehen. Ein alter, müder und relativ verbrauchter Mann wie meine Wenigkeit braucht den Schlaf. Sollten noch Fragen aufkommen, stehe ich Ihnen später gern zur Verfügung!“
„So alt, müde und verbraucht sieht er aber gar nicht aus“, sagte Mallick, als Parker den Raum verließ, „ich wette, er führt schon wieder etwas im Schild!“
„Malen Sie nur nicht den Teufel an die Wand“, murmelte Mike Rander verschreckt und hielt unwillkürlich den Atem an. Er ahnte im voraus, daß sein Butler bereits einen neuen Fall vorbereitet hatte und konnte sich vorstellen, daß noch lange nicht an ein ruhiges Leben zu denken war.
Worin er sich nicht getäuscht haben sollte!