Читать книгу Alkoholprobleme überwinden - Günter Faßbender - Страница 6
der Kindheit
ОглавлениеDer Mensch wird von Geburt an geprägt durch seine Erfah-
rungen in der Kindheit. Hier bildet sich, in erster Linie durch
den Kontakt mit den Eltern, das sogenannte „Urvertrauen“.
Dies bildet sich unter anderem aus der Erfahrung des Kin-
des, ich werde geliebt mit allen meinen Stärken und Schwä-
chen. Auch wenn ich Fehler mache, etwas nicht kann, mich
böse verhalte, ich werde trotzdem geliebt. Hieraus bildet
sich im Menschen das Urvertrauen in die eigene Person.
Fehlt dieses und kann man in der Jugend und im Erwach-
senenleben nicht zumindest ähnliche Erfahrungen durch
den Kontakt mit anderen Personen machen, sind z. B. Min-
derwertigkeitsgefühle und Versagensängste die Folgen.
Diese wiederum werden dann von vielen Menschen durch
Alkohol unterdrückt bzw. zumindest zeitweise ausgeglichen.
Ebenfalls in erster Linie im Elternhaus lernt man mit Gren-
zen, Frustrationen und Konflikten umzugehen. Werden Kin-
der alleine gelassen, vernachlässigt, zu streng erzogen oder
überbehütet und kann dies, z. B. durch die Erziehung im
Kindergarten, in der Schule oder in der Lehre, nicht ausge-
glichen bzw. korrigiert werden, dann haben es Kinder als
Erwachsene schwer mit dem Leben zurechtzukommen. Sie
entwickeln nur eine geringe Frustrationstoleranz, können
32
natürliche Grenzen nicht akzeptieren und neigen dazu Kon-
flikte nicht zu klären. Die sogenannte Konfliktvermeidungs-
tendenz ist bei Alkoholikern nach meinen Erfahrungen sehr
häufig anzutreffen.
Unter sehr schlechten familiären Bedingungen wachsen
Kinder in Familien auf, in denen eines bzw. beide Elternteile
Suchtprobleme haben. Die sich hieraus entwickelnden Defi-
zite und psychischen Störungen führen bei Kindern aus
„Suchtfamilien“ im Erwachsenenalter oft ebenfalls zu Sucht-
problemen. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden,
dass Sucht vererbbar ist. Dies hängt nicht nur mit dem „Mo-
del lernen“ zusammen, sondern vielmehr auch mit der feh-
lenden Unterstützung zur Entwicklung einer reifen Persön-
lichkeit.
Nicht selten ist die Alkoholabhängigkeit unter anderem eine
Folge nicht bewältigter, traumatischer Kindheitserfahrungen,
wie die des sexuellen, psychischen und körperlichen Miss-
brauchs.
Von sexuellem Missbrauch sind meist Frauen betroffen, in
einigen Fällen jedoch auch Männer. Ich habe in der Sucht-
beratung und ambulanten Behandlung sowohl Täter als
auch Opfer kennengelernt. Bei den Tätern handelt es sich
nach meinen Erfahrungen zu 95 % nicht um Fremde son-
ders um den eigenen Vater, den Stiefvater, den Bruder oder
einen sonstigen Verwandten.
Vom körperlichen und psychischen Missbrauch in der Kind-
heit sind Männer wie Frauen gleichwohl betroffen. Hierbei
handelt es sich nicht nur um massive, so genannte körperli-
che „Züchtigung“ durch Schläge und andere Formen körper-
33
licher Gewalt, sondern auch um Vernachlässigung und psy-
chischer Misshandlung. Wie soll zum Beispiel ein Kind
Selbstbewusstsein entwickeln, dem in der Kindheit immer
wieder gesagt wird: “Du bist nichts, du kannst nichts, und
aus dir wird nie was werden“.
Vielleicht wäre es gut, auch einen „Elternführerschein“ ein-
zuführen.
Ungelöste Grundkonflikte in der Kindheit und dem Heran-
wachsen behindern nachhaltig die Entwicklung und Reifung
jedes Menschen. Viele Suchtkranke tragen ungelöste und
verdrängte Konflikte oft von Kindheit an mit sich herum.