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Kerner erwachte davon, dass ihm eine warme, weiche Hand zärtlich über die nackte Brust streichelte. Er spürte kalten Schweiß auf seiner Haut, und ihn fröstelte es trotz der warmen Außentemperaturen. Langsam drehte er sich auf die Seite und kuschelte sich träge an Steffis schlafwarmen Körper. Steffi Burkhard, 29 Jahre alt, blondes, langes Haar, Tochter des Bürgermeisters von Partenstein, gab schnurrende Geräusche von sich und drängte sich ihrerseits gegen Kerners Körper. Seit vier Jahren war sie mit Kerner liiert. Sie hatten sich auf einer Kirchweihfeier der Gemeinde kennen gelernt. Danach verabredeten sie sich immer wieder einmal. Ihre Treffen fanden dabei in erster Linie in Würzburg statt, weil Steffi keine Lust auf die Tratscherei im Dorf hatte. Bis dahin war alles ziemlich unverbindlich. Bei einem gemeinsamen Ansitz auf einer verschwiegenen Kanzel in Kerners Jagdrevier, zu der er sie überredet hatte, war es dann geschehen. Seitdem zeigten sich die beiden auch in Partenstein als Paar.

»Du hast sehr unruhig geschlafen«, stellte sie leise fest, während sie ihm mit verspielten Fingern das feuchte Haar aus der Stirne strich. »Hast Du schlecht geträumt?«

»Die Geschichte mit der Explosion gestern kann ich nicht so einfach wegstecken«, erwiderte er. »Ich habe einen ziemlichen Mist zusammenphantasiert.«

Es war Wochenende. Gestern Abend hatten sie lange bei einer Flasche Wein zusammengesessen, und Kerner hatte ihr von den Ereignissen erzählt. Es würde heute sowieso ausführlich in den Medien durchgekaut werden, sodass er keine Dienstgeheimnisse verriet.

Beide waren sich bewusst, dass sie sich mit dem Aufstehen Zeit lassen konnten. Steffis Streicheln wurde langsam intensiver und zielgerichteter. Zärtlich fuhr sie mit den Fingernägeln über Kerners Rücken.

Plötzlich hielt Kerner sanft ihre Hand fest und schüttelte leicht den Kopf. »Tut mir leid, mein Schatz, aber ich bin wirklich nicht in der Stimmung. Ich hoffe, du kannst das verstehen. Drei Polizeibeamte sind sinnlos gestorben, und dieser Verbrecher bleibt auf freiem Fuß!« Er erhob sich und wandte sich in Richtung Badezimmer. »Es wird sicher noch einige Tage dauern, bis ich das etwas verdaut habe.« Dann wechselte er das Thema und bemühte sich um einen etwas lockereren Tonfall: »Du hast zehn Minuten, um dich fertig zu machen. Wir wollten doch bei dem schönen Wetter in der Jagdhütte frühstücken. Also los, du Faultier, sieh zu, dass du aus den Federn kommst!« Mit einem Ruck zog er ihr die Bettdecke weg, was sie zu einem schrillen Protestgeschrei veranlasste.

Die Jagdhütte lag auf einer abgeholzten Höhe inmitten des Spessartreviers, das Kerner schon seit Jahren als Jäger gepachtet hatte. Von der Veranda aus hatte man einen herrlichen Blick hinunter ins Maintal, wo sich der Fluss in der sommerlichen Hitze träge durch sein Bett schlängelte.

Kerner holte den Korb mit dem Frühstück aus dem Kofferraum seines Defenders und stellte ihn auf den Tisch vor der Hütte.

»Schatz, brühst du bitte schon mal den Kaffee auf? Ich will noch kurz in die Zeitung sehen.« Kerner hatte das örtliche Presseorgan mitgebracht. Die schreienden Überschriften des Leitartikels auf der Titelseite waren nicht zu übersehen. Konzentriert begann zu lesen.

Die Jagdhütte hatte eine unabhängige Stromversorgung über eine Solaranlage auf dem Dach. Steffi ging hinein und schaltete den Wasserkocher ein. Als sie wieder vor das Haus trat, war Kerner noch immer in die Zeitung vertieft. Sie störte ihn nicht. Mit einem Lappen wischte sie die grobe Tischplatte ab, die aus einem einzigen Eichenstamm gefertigt war; dann begann sie, den Tisch mit dem Geschirr aus der Hütte zu decken.

»Schatz, können wir jetzt frühstücken?«

Kerner legte die Zeitung zur Seite. Er hatte etwas Mühe, sich gedanklich von den Nachrichten zu lösen. Leicht abwesend griff er sich ein Croissant und begann, es mit Marmelade zu bestreichen. Normalerweise liebte Kerner solche besinnlichen Stunden, in denen er den Berufsalltag vergessen konnte. Heute hatte er jedoch Mühe, in diese entspannte Welt einzutauchen.

Steffi beobachtete ihn unauffällig. Sie war von Beruf Physiotherapeutin und arbeitete in einer renommierten Orthopädiepraxis in Gemünden. Die juristische Materie war ihr völlig fremd. Eine Eigenschaft, die Kerner an ihr besonders schätzte, weil so nicht die Gefahr bestand, dass sie während ihrer Freizeit beruflich fachsimpelten. Allerdings verfügte die junge Frau über ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen, das ihr bei der Behandlung ihrer Patienten half. Zudem war sie dank ihres scharfen Verstandes in der Lage, juristische Sachverhalte auf eine ganz natürliche Weise zu betrachten – was Kerner sehr schätzte.

»Das ist alles sehr bedrohlich«, nahm sie wieder das Thema auf, das seit gestern ihre Gespräche beherrschte, obwohl sie sich vorgenommen hatten, es heute ruhen zu lassen. Aber sie bemerkte sofort, dass Kerner nicht wirklich abschalten konnte. Vielleicht half es ihm, wenn sie darüber sprachen.

»Sind die Leute, die hinter diesem Mord stehen, auch für dich gefährlich?« Dieser Gedanke beschäftigte sie schon seit einiger Zeit.

Kerner schüttelte den Kopf. »Ich denke eher nicht. Die wissen, dass es keinen Sinn hätte, etwas gegen mich zu unternehmen. Wenn ich ausfalle, wird die Sache von einem anderen Staatsanwalt übernommen. Das brächte allenfalls ein paar Wochen Aufschub. Ihre Gewalt richtet sich deshalb auch in erster Linie gegen Zeugen. Wenn die dann nicht mehr aussagen, besteht die Gefahr, dass das ganze Verfahren nicht durchgeführt werden kann. Das ist wesentlich effizienter, als den Staatsanwalt zu töten. Aber eine Sicherheitsgarantie bedeutet das nicht.« Er griff entschlossen nach dem Messer und beschmierte ein Brötchen mit Butter. »Lass es damit gut sein, Liebling, wir wollen uns doch nicht das schöne Wochenende verderben.«

»Eine Sache noch, weil das uns ganz persönlich betrifft. Du hast dich doch auf die Position des Amtsgerichtsdirektors in Gemünden beworben. Dabei bleibt es aber doch?« Das sollte beiläufig interessiert klingen, man konnte aber deutlich die Spannung heraushören, die diese Frage bei ihr auslöste.

Kerner legte das Gebäck zur Seite und atmete schwer. »Mein Chef hat das Thema gestern auch schon angesprochen. Nachdem Emolino uns fürs Erste durch die Maschen geschlüpft ist, bleibt uns, bleibt mir, eigentlich nichts anderes übrig, als weiterzumachen. Man kann da nicht einfach aussteigen.«

Steffi sah ihn betroffen an. Kerner erwiderte den Blick. »Ich muss mir das alles noch einmal in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Das ist heute noch zu früh. Du hast dich darauf gefreut, dass wir auch beruflich näher beisammen sind, das weiß ich. Ich doch auch. Aber ich habe eine Verantwortung, auch gegenüber den getöteten Polizisten und ihren Familien. Das ist alles nicht einfach!«

Sie konnte sehen, wie ihn die Geschichte aufwühlte. Ihr lagen zwar noch viele Fragen auf der Zunge, aber sie entsprach seinem Wunsch und wechselte das Thema. Wie sie ihn kannte, hätte er jetzt sowieso nicht mehr viel dazu gesagt.

»Schatz, du denkst daran, dass ich heute Nachmittag auf das Fest anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Partensteiner Schützenvereins muss? Mein Vater hat mich gebeten, ihn zu begleiten.«

Kerner nickte. Seit Steffis Vater Witwer war, übernahm sie gelegentlich die Rolle der weiblichen Begleiterin des Bürgermeisters.

»Kein Problem, ich hatte für heute Abend sowieso einen Jagdansitz an einem Maisfeld im Revier geplant, das momentan massiv von Wildschweinen heimgesucht wird. Der Bauer hat mich schon zweimal deswegen angerufen. Dort muss mal dringend ein Stück erlegt werden, das vertreibt sie dann wieder für eine Weile.«

Steffi war als Mädchen vom Land mit den Problemen der Wildschweinschwemme im Spessart bestens vertraut und wusste, dass eine scharfe Bejagung dringend notwendig war. Die schwarzen Rüsselträger konnten in der Landwirtschaft verheerende Schäden anrichten, die dann der Jagdpächter aus der eigenen Tasche bezahlen musste. Dafür gab es keine Versicherung.

»Prima, dann wirst du mich ja gar nicht vermissen und kommst auch nicht auf dumme Gedanken«, unternahm sie den Versuch, ihn durch Necken etwas abzulenken.

Kerner lächelte sie an. »Du kleine, blonde Hexe weißt ganz genau, wie sehr ich deine Gesellschaft brauche und genieße. Ganz besonders in Zeiten wie diesen.« Er griff schnell über den Tisch und stupste sie spielerisch mit dem Zeigefinger gegen die Nasenspitze.

Blutiger Spessart

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