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Geschichte 2

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Heringskopp in Lüneburg


Lüneburg, die niedersächsische Stadt mit knapp dreiundsiebzigtausend Einwohnern ist eine alte Hansestadt an der Ilmenau und liegt in der Nähe von Hamburg in der schönen Lüneburger Heide. Lüneburg ist, was nicht ganz so bekannt ist, eine Universitätsstadt. Siebentausend Studenten leben und studieren in Lüneburg und das ist ein ganz schönes Potenzial für die Kneipenlandschaft in dieser Stadt. Kulinarisch betrachtet ist hier der leckere und beliebte Heidschnuckenbraten zuhause. Labskaus und Stint sind weitere wahre Leckereien in den Lokalen. Vor allem das erst genannte ist eine Köstlichkeit für Seeleute, ebenso der Skipperlabskaus mit Rind- und Schweinefleisch. Lüneburg beherbergt eine große Anzahl von Kneipen und wird nur noch in der Kategorie Kneipendichte, man höre und staune, von Madrid in Spanien übertrumpft. Wohlgemerkt ist hier von der europäischen Kneipendichte die Rede.

Die Kneipe ‚Heringskopp‘, also ‚Heringskopf‘ auf hochdeutsch, in Lüneburg in der Nähe des Hafens befand sich im Hagedorner Bruch und war eine typische Eckkneipe. Zur einen Seite konnte man, wenn man frische Luft brauchte, den Hafen sehen und zur anderen Seite blickte man auf das weiter weg gelegene Industriegelände. Hier befand sich eine Sand- und Kiesanlage zum automatischen Befüllen von diversen unterschiedlichen Sandkörnungen, alles was die Autobahnbauer so brauchten, um unsere Autobahnen und Nebenstraßen auf Vordermann zu halten und zu bringen. Der Bauschotter wurde hier in einer großen Anlage gecrackt und als kleiner Schotter für den Straßenunterbau benutzt. In der Nähe der Kneipe lagen große mehrstöckige Wohnblocks für unzähligen Menschen. Die Anlagen wurden von der Stadt gepflegt und die Stadtgärtner waren tagaus und tagein mit dem riesigen Areal vollauf beschäftigt.

Die Fischbüchsenfabrik Bruns verarbeitete seit hundert Jahren die Heringe und Heringshappen in Büchsen und verkaufte diese mit dem unveränderten Logo auf den Büchsen in aller Welt. Die Firma Bruns war ebenfalls wie das Kieswerk im Einzugsbereich der Kneipe Heringskopp ansässig. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Firma Bruns hatte die Idee mit der Kneipe, wählte einen griffigen Namen, damit er den Kontakt zur Fischverarbeitung nicht verlöre und investierte sein ganzes Geld in diese Kneipe. Bis heute gibt es hier etwas Leckeres zu essen und zwar die frischen Heringsbrötchen. An der Theke hängt eine kleine windschiefe Tafel von zwei Ketten gehalten, mit der Aufschrift: Frische Heringsbrötchen. Zusatz: Bitte beim Wirt anfragen, ob die Heringe auch wirklich frisch sind. Schon mancher Gast, der am Tresen gelangweilt in die Runde blickte, wunderte und fragte sich, wen sollte man denn außer dem Wirt hier in der Kneipe fragen? Es wagten auch Gäste den Wirt auf den Zusatz anzusprechen, der sagte aber immer: „Diese Frage hat einen sooo einen langen Bart“, dabei fasste er auf den nicht vorhandenen langen Bart an seinem Kinn und die Sache war erledigt. Die Gäste am Tresen kannten den verblüfften Blick des neuen Gastes und klärten ihn auf, dass es sich bei der Frage zur Frische des Herings um einen reinen Spaß des Wirtes handelte. Er wurde aber trotzdem immer wieder gefragt: „Ob der Hering auch wirklich ganz frisch sei?“ Zu Anfang hatte er noch immer freundlich geantwortet: „Ja natürlich, was denken Sie denn, ich verkaufe doch keine alte Ware.“ Dann hatte er irgendwann keine Lust mehr zu antworten. Der Wirt war eben kauzig und auch launisch. Die weitere Einrichtung der Kneipe war eher bescheiden und einfach, aber gemütlich und sauber. Das Publikum waren Arbeiter aus dem Kieswerk und der Fischfabrik, die man diese leicht aufgrund des Geruches am Tresen unterscheiden konnte. Keiner käme auf die Idee, nach der Arbeit nach Hause zu gehen, um geduscht und neu angezogen in die Kneipe zu kommen. Also kam man in seiner Arbeitskluft an den Tresen. Entweder mit grauem Kiesstaub im Gesicht oder mit Fischgeruch am Körper, es war sowieso egal, denn dort wurde geraucht und nach einiger Zeit gewöhnte sich auch eine fremde Nase an die Gerüche in der Kneipe.

Lüneburg ist, wie bereits gesagt, schon lange eine Universitätsstadt. Die Studenten zahlen für ihre Bude nicht so viel wie in Berlin oder Hamburg und man braucht hier in der Stadt kein Auto. Man kann alles zu Fuß oder wenn man etwas weiter weg muss, leicht die Fahrten mit dem Fahrrad erledigen. Auch schlägt die Großstadthektik nicht so voll durch, man ist hier insgesamt gelassener. Hamburg ist ja schließlich ein Vorort von Lüneburg. Bremen und Hannover sind weit weg. Die Hochschullehrer wollen ja auch mal gerne auf den Swutsch, also mal ausgehen, und dort, wo ganzjährig die Touristen sind, will man sich ja auch nicht unbedingt an den Tresen zwängen. Hier würde man auch von seinen Studenten zu oft angesprochen. Man sucht sich schließlich eine Ecke aus, die nicht jeder kennt, und das war hier in dieser Kneipe der Fall. Natürlich und das war auch gut für den Umsatz, verirrten sich auch Touristen hierher. In der Woche war die Kneipe allerdings so ziemlich leer, man merkte auch hier, dass das Geld im Beutel nicht mehr ganz so klingelte wie früher. Aber am Freitag und Sonnabend bekam man am späteren Abend keinen Platz am Tresen, man musste schon bis Sonntag warten, da waren wieder die begehrten Plätze auf den Hockern frei.

Der Wirt hieß Hubertus Mertens und kam aus Tirol, jenseits der Weißwurstgrenze. Die Liebe zur Seefahrt hatte ihn hier stranden lassen, obwohl einige Gäste meinten, er wäre über Helgoland nicht hinausgekommen. Wenn der Laden so richtig mit Gästen brummte, so kam es vor, dass die Gäste Hubertus baten, einmal zum Akkordeon zu greifen und als Tiroler Seemannslieder zum Besten zu geben. Hubertus war schon lange Witwer und wenn er neuen Gästen von seinen Abenteuern erzählte, saß still ein anderer Stammgast in der Ecke und meinte einmal: „Hubertus, das letzte Mal war in deiner Seemannsgeschichte im Kattegat von Sturmstärke zehn die Rede und jetzt erzählst du dieser jungen Landratte etwas von Windstärke vierzehn bis fünfzehn auf deinem Äppelkahn im Kattegat. Du weißt ja nicht einmal, wo das Kattegat liegt und es geht nur bis Windstärke zwölf nach der Beaufortskala, nach dem seligen Sir Francis Beaufort.“ Die junge Landratte wandte den Blick zum Zurufer und wollte etwas fragen. „Ja“, rief der Wirt dazwischen, der dankbar für die Hilfe war und das lenkte so wunderschön von seinen Seemannsgeschichten ab. „Es gab schon einmal mehr als zwölf Windstärken, du Klugschnaker, und wer hatte diese erfunden?“, rief der Wirt zum Zwischenrufer und bekam vor Ärger einen roten Kopf. Der Zwischenrufer zuckte nur mit den Schultern. Die Landratte aber erzählte weiter: „Das war der Ingenieur Smeaton. Es gab bis 1970 sogar siebzehn Stärken und dann wurde es auf bis zwölf, also Orkanstärke, begrenzt.“ Der Zwischenrufer war nicht so wie der Wirt verärgert, er freute sich immer, wenn er für sein Kreuzworträtsel etwas dazulernen konnte. Inzwischen verfolgten alle Gäste in der Kneipe das Gespräch und waren fasziniert. Der Arbeiter vom Kieswerk sagte zu seinem Knobelbruder aus der Fischfabrik am Tresen: „Na, das ist doch mal was anderes, als den ganzen Tag den Fisch in die Büchse zu löten oder nicht, du alter Fischkopp. Hier kann man was lernen.“ Die Mitarbeiter aus der Fischfabrik wurden immer als Fischköppe bezeichnet. Sie erwiderten aber, ihr seid alle nur Sandschipper. Der Wirt war zufrieden und fragte die Landratte: „Was machst du beruflich?“ „Bin Meteorologe auf Helgoland“, sagte er trocken und die Kneipe in Lüneburg bog sich vor Lachen, man konnte es bis auf die Straße hören.

An dem Tresen im Heringskopp saß auch immer regelmäßig am Freitagabend Erna. Frauen waren entgegen einiger anderen Meinungen den Männern am Tresen durchaus willkommen. Erna betreute den Oberstudienrat Dr. Bertram Hoffmann, einen Pädagogen mittleren Alters, der nach seinen schrulligen Gewohnheiten, die wir ihm auch nicht wegnehmen wollen, lebte.

Als er einmal Erna fragte, wohin sie denn immer freitags am Abend pünktlich um acht Uhr hingehen würde, sagte sie: „Ich gehe in die Kneipe ‚Heringskopp‘, kommen Sie doch einmal mit.“ Den sprachlosen Gesichtsausdruck des Herrn Doktor würde sie so schnell nicht vergessen. Erna war praktisch veranlagt und sie konnte Knobeln wie ein alter Kutscher und ließ sich von den Männern nichts vormachen. Sie wurde an dem Tresen geachtet und ihrer Knobelkünste wegen auch gefürchtet, sodass immer weniger Stammgäste mit ihr den Becher schwingen wollten. Erna konnte auch gut kochen und backen und es war schon vorgekommen, dass sie ein ganzes Blech Kuchen aus Omas Rezeptbuch, wie sie stolz bemerkte, für die Tresenbesatzung mit gebracht hatte.

Vor langer Zeit, als die Personenfähre in Grünenhagen Richtung Bienenbüttel über die Ilmenau noch in Betrieb war, kamen hier in die Kneipe ‚Heringskopp‘ auch die Fährleute, um den wohlverdienten Fährfeierabend zu genießen. Die letzte Fähre fuhr im Sommer um zwanzig und im Winter um achtzehn Uhr. Die Fähre war immer mit zwei Mann besetzt und wenn einer der Festmacher, so hießen die Matrosen, einmal krank war oder Urlaub hatte, half ein Bauer aus der Gegend aus. Den Kapitän zu ersetzen, er musste das Kapitänspatent haben, auch wenn die Ilmenau nicht so furchtbar breit ist, sah es schon schlechter aus. Mit einem pensionierten Kapitän konnte man sich bei rechtzeitiger Urlaubsplanung durchaus helfen, aber plötzliche Krankheiten oder sogar ein Unfall des Kapitäns waren so schnell nicht aufzufangen. Dann kam ein Schild an den Anleger auf beiden Seiten mit der Aufschrift „Wegen Krankheit des Kapitäns bis auf Weiteres geschlossen“. Das war allerdings immer ein Drama, denn wie kam man so schnell auf die andere Seite der Ilmenau, um einzukaufen oder seine Kühe auf die andere Seite des Flusses zu bringen? Einige meinten, das wäre nicht so schlimm, denn dann wüsste man, dass die eigene Mischpoke nicht plötzlich unangemeldet vor der Tür stünde. Wer sich aber am meisten freute, das waren die Schulkinder, aber natürlich nur, wenn Schulbetrieb war. Es kam einmal vor, dass der Kapitän während der Ferien für sage und schreibe eine Woche wegen Zahnschmerzen komplett ausgefallen war. Und als er wieder fit war und die Kinder zur Schule mussten, drehten sie ihm demonstrativ in den ersten Tagen den Rücken zu und starrten aufs Wasser. Sie dachten wohl über die verpassten Möglichkeiten der Feriengestaltung auf der anderen Seite der Ilmenau nach. Bei der ersten und letzten Tour eines jeden Fährtages, denn am Sonntag fuhr die Fähre im Winter nicht, musste der Kapitän ohne seinen Festmacher fahren, denn der Festmacher wohnte auf der gegenüberliegenden Seite des Kapitänwohnsitzes. Das war im Herbst und im Winter in der Woche für den Kapitän besonders ärgerlich, denn er musste bei Wind und Wetter aus seiner warmen Kajüte, um den Tampen zu lösen oder festzumachen. „An sich müsste ich für diese Zeit doppeltes Geld bekommen“, hatte er einmal bei kaltem Nebel in seine übel riechende Pfeife geknurrt. Sein Festmacher hatte einmal gemurrt: „Was rauchst du bloß für ein Kraut, das riecht ja, als würdest du die Haare der Meerjungfrau der Ilmenau in deiner Pief rauchen.“ Nach Feierabend kam der Kapitän aber regelmäßig mit seinem alten Moped in den Heringskopp gefahren und knobelte oder unterhielt sich mit den Arbeitern der Fischfabrik und des Kieswerkes.

Da sagte eines Tages ein alter Stammgast, ein Fischer zu ihnen und sie unterbrachen ihre Knobelei: „Sagt mal, was haltet ihr von einer Attraktion bei dem nächsten Frühjahrsfest. Das Fest findet ja auch zum Teil an den Anlegern der Fähre statt. Wie wäre es, wenn es während der Überfahrt ein Heringswettessen gäbe, solange die Fähre unterwegs ist? Erst wenn der Tampen über den Poller vom Festmacher auf der anderen Seite der Ilmenau geworfen wird, ist Schluss. Wer während der Überfahrt die meisten Heringe isst und bei sich behält, hat gewonnen und bekommt einen Orden und eine Kiste Bier und Köm.“ Köm war hier im hohen Norden der gute Korn. Es hieß auch in der Kneipe bei der Bestellung: „Ich hätte gerne einen Lütt und Lütt.“ Das bedeutete, eine kleine Flasche Bier und einen Korn.

Die Idee kam an und die Mitarbeiter der Fischfabrik besorgten rechtzeitig zum nächsten Frühjahrsfest Kisten von frischen, gleich großen Heringen. Gegen einen Obolus, der die Fährfahrt und die Heringe enthielt, konnte der Kandidat auf der Fähre seinen Appetit zeigen. Neben den Heringskampfrichtern mit Stoppuhr und der Liste wurde laut „Los“, gerufen, als der Tampen vom Poller vom Festmacher entfernt war und laut „Stopp“, geschrien, als auf der anderen Seite der Poller den Tampen aufnahm. Viele Gäste fuhren mit. Für den Kapitän war das der umsatzstärkste Tag im Jahr. Bei dem nächsten Fest wurden für andere Teilnehmer an Land Kieler Sprotten, also kleine geräucherte Heringe angeboten. Als Zeitraumfestlegung wurden das Ablegen der Fähre und das Wiederanlegen auf derselben Seite gewertet. Der Wettkampfzeitraum war zwar länger, dafür waren die Fische auch viel kleiner.

Der Wettkampf auf der Ilmenau war schon lange vorbei und an einem Sonntagabend saß mit wenigen Gästen der Student Gottfried Wiegbold am Tresen in der Kneipe. Er hatte sich vorher sein Budget angesehen und beschlossen, sich mit dem Knobeln zurückzuhalten, zumal er die letzten Male immer verloren hatte und der finanzielle Verlust bei ihm als Student der Psychologie hier in Lüneburg besonders schmerzlich war. Gottfried leitete eine freiwillige Studentengruppe, die sich mit Konfliktlösungen im häuslichen Bereich beschäftigte. Das selbst gestellte Thema in Absprache mit dem Professor sollten sie später einmal in die Abschlussarbeiten einfügen und, wenn sie zu interessanten Ergebnissen kämen, sollte darüber ein Artikel in einer Fachzeitschrift erfolgen. Die Studenten saßen lange beisammen und überlegten, wie man dieses Thema am besten angehen könnte, um in jedem Fall zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Gottfried sah aus dem Kneipenfenster und, als er wieder den Blick wendete, kam ihm plötzlich die Idee. Es war ihm ein Foto aus der örtlichen Presse zum letzten Fährfest über die Ilmenau aufgefallen.

Der Wirt Hubertus Mertens sah ihn an: „Na Gottfried, was überlegst du?“ Gottfried war schon immer etwas schüchtern und bevor er sich äußerste, überlegte er immer ein paarmal, ob seine Worte auch richtig verstanden werden würden: „Hubertus, ich denke einmal laut. Du weißt, dass wir uns in unserer Studentenarbeitsgruppe mit dem Thema ‚Deeskalation im häuslichen Bereich‘ beschäftigen. Ich meine damit, dass man sich in, sagen wir einmal, hitzigen Gesprächen in der Familie ruhig und immer sachlich betont verhalten sollte, bevor es zu persönlichen Kollateralschäden kommt, die nicht mehr rückgängig zu machen sind oder fast nicht mehr. Wenn also zum Beispiel die Tochter arbeitslos wird, ihre Wohnung verliert und ihre Beziehung in die Brüche geht und dann die Mutter ihr noch Vorhaltungen macht, dass sie selber Schuld sei, so hilft es überhaupt nicht die Probleme zu lösen. Selbst wenn die Mutter das so oder so gemacht hätte und Erfolg gehabt hätte, ist immer noch die Frage, ob das bei der Tochter letztlich auch geklappt hätte und sie zum Beispiel ihren Job, die Wohnung oder die Beziehung behalten hätte.“ Hubertus sah ihn an: „Bedenke aber, mein lieber Gottfried, dass auch bei einem Donnerwetter von der Mutter durchaus Klarheiten geschaffen werden könnten. Entweder sucht man gemeinsam einen Weg aus der Misere, wo sich beide Parteien aufgehoben fühlen und somit ohne Groll bei einem nächsten Telefongespräch darüber wiederum sachlich geredet werden kann, oder man geht ganz einfach getrennte Wege. Für eine Zeit oder für immer. Nach dem Motto, besser ein Ende mit Schrecken...., du weißt schon, was ich meine. Ich glaube, Gottfried, die Welt wäre friedlicher, wenn wir nicht immer meinen, Rivalitätskämpfe um unsere Position bestreiten zu müssen. Eine Tochter hat nun einmal diese Position und die Mutter eine andere. Ich meine damit nicht die Einstellung zu einer Sache oder Thematik, sondern die Stellung in der Evolution oder Natur, ganz wie man es sagen möchte. Immer wieder alles von Neuem infrage zu stellen, ist müßig und, wie sagen die Juristen so schön? Das ist nicht zielführend! Es sollte alles zu einem Ergebnis, zu einem Ziel führen. Meinst du nicht auch?“

Gottfried sah ihn an: „Ja, das meine ich auch. Mach mir doch bitte noch ein Bier. Zurück zum Thema, du hast Recht, wenn du sagst, dass man auch ein Scheitern wie in diesem Beispiel mit der Mutter und der Tochter oder von dem Vater zum Sohn im Auge behalten soll, klar, das Leben ist so, und wenn man die Kämpfe um die eigene Position immer weiterführt und nicht einfach den Status quo anerkennt, geht das auch ewig so weiter, bis die Mutter oder der Vater eines Tages auf dem Kirchhof liegt. Meine Idee zum nächsten Wettkampf hat den persönlichen Hintergrund mit deiner Schwester zum Inhalt, was ich hier so im Laufe der Zeit am Tresen mitbekommen.“

Hubertus sah ihn an und unterbrach das Bierzapfen: „Was hat Gudrun damit zu tun? Nur weil wir wegen eines Streites seit Jahren keinen Kontakt mehr haben? Das verstehe ich nicht, erkläre es mir.“ Gottfried bekam vor Aufregung rote Ohren: „Hubertus, klar, es geht nur euch etwas an, den Streit zwischen euch, meine ich. Meine Idee ist aber, deine Schwester hat doch auf der anderen Seite des Fähranliegers an der Ilmenau die Kneipe ‚Zum Schauermann‘ Wie wäre es, wenn ihr wieder Kontakt sucht und beim nächsten Fährfest gemeinsam in ihrer Kneipe etwas organisiert. Das könnte euch doch wieder zusammenbringen, als Türöffner sozusagen. Und ich könnte auch davon profitieren! Ich hätte in meinem Arbeitskreis ein Thema, nämlich euch und eure Konfliktlösung. Wenn ich Glück habe, wird dein Fall, euer Fall, sogar in einem Artikel in einer Fachzeitschrift erwähnt werden und ich bekomme von dem Professor eine gute Note.“ Hubertus stellte ihm das Bier hin und kratzte sich am Kinn: „Meinst du? Ich könnte ja einmal...., wo habe ich nur die Telefonnummer von Gudrun. Ach ja, in meinem alten Adressbuch.“ Er griff zum Telefon und wählte die Nummer der Kneipe ‚Zum Schauermann‘.


Die Balken biegen sich doch nicht

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