Читать книгу Die Balken biegen sich doch nicht - Günther Seiler - Страница 5
Geschichte 3
ОглавлениеGärwiete in Hitzacker
Hitzacker mit knapp fünftausend Einwohnern in der Samtgemeinde Elbtalaue liegt an der Jeetzel, einem Nebenfluss der Elbe. Dieses malerische Städtchen im Wendland liegt an der Niedersächsischen Spargelstraße und der Deutschen Fachwerkstraße. Die Gastschenke in der Nähe des Marktplatzes in der Heinrich Dümpter Str.14, trug den Namen aus dem Kürzel der Wirtsleute Gärtner und Wietemann. Sie hatte den Namen ‚Gärwiete‘, nicht Twiete, wie manche meinten. Die gemütliche Schenke im hohen Norden ist im bayerischen Stil mit kleinen Fenstern und hübschen Gardinen ausgestattet. Monika Gärtner kam aber nicht aus Bayern, sondern aus der Nähe des Ortes Neu Kaliß, der schon in Mecklenburg-Vorpommern liegt. Wenn man nur etwas weiter bis Lenzen fuhr, war man schon in Brandenburg. Mit ihrem Lebenspartner Franz Wietemann, der aus Hitzacker kam, hatten sie ihren Lebenstraum, hier in Hitzacker eine bayerische Schenke zu eröffnen, realisiert. Beide liebten das gemütliche Bayern mit seinem Essen. Der jährliche Urlaub wurde auch immer in Bayern verbracht und für die Einrichtung ihrer Schenke wurden Dekorationsgegenstände mit heimgebracht und in der Schenke aufgebaut. Zum Oktoberfest wurde alles sehr festlich geschmückt und das Bier und die Schnäpse kamen selbstverständlich aus Bayern. Es gab aber, auf einen Protest der Hitzacker Gäste hin, auch hiesiges Bier, das sogar aus dem Bierhahn kam. Dazu musste die Theke um eine Zapfstelle erweitert werden. Was unternahm man nicht alles für seine Gäste, damit sie sich wohl fühlten. Auf den Regalen unterhalb der Decke standen wunderbare Bierkrüge mit handgemalten Motiven. Zur Adventszeit wurde eine große selbstgebaute Krippe mit handgeschnitzten Figuren aufgebaut und liebevoll dekoriert. Natürlich lief in der Musikanlage leise bayerische Musik. Einigen Gästen aus dem Ort gefiel das Ganze nicht und sie wechselten das Lokal.
Durch Hitzacker führt auch die Oranjer Route. Diese zweitausendfünfhundert Kilometer lange Strecke beginnt in Amsterdam, führt über Bremen nach Schwerin, Berlin und schwenkt ab nach Mainz und wieder zurück nach Amsterdam. Es werden interessante Ortschaften und Städte mit Schlössern und Residenzen berührt, die in einer Beziehung mit den Niederlanden und der Krone stehen. So steht auch Hitzacker auf der Route. Diese Station hier führt zur Prinz Claus Gedächtnisbüste. Denn Prinz Claus von Amsberg wurde in Hitzacker geboren.
Hätte ein Gast am Tresen den Wirtsleuten in der Kneipe Gärwiete folgendes erzählt: „Ist es möglich, dass ein an sich verwurzelter Bayer aus dem Bayerischen Wald seinen Wohnsitz nach Amsterdam verlegt, einen Wohnwagen mit gelbem Kennzeichen besitzt, der niederländischen Sprache fehlerlos geläufig ist und in Hitzacker strandet?“ Die Tresengäste würden sagen, im Prinzip ja, aber ansonsten unmöglich, ein doppelter Sechser im Lotto wäre häufiger. Aufgemerkt. Wie das Leben so mit uns Menschen nach Belieben Ping Pong spielt. Der Niederländer und früherer Bürger von Bayern, Korbinian Rufus Niedermüller mit seiner lieben Ehefrau Theresa Niedermüller, geborene van Riuterdam aus Katwjik aan Zee aus der Nähe der Stadt Leiden und nicht sehr weit von Amsterdam entfernt, waren mit ihrem großen Zugfahrzeug und einem langen Wohnwagen die Oranjer Route genau nach Plan ab Amsterdam abgefahren. Korbinian hatte seiner Frau diese Reise zum Hochzeitstag geschenkt. Er hatte seine charmante Frau auf einem Lehrgang einer großen deutschen Firma in München auf dem Oktoberfest kennengelernt und die Liebe zu ihr war groß. Er hatte ohne zu zögern sein Bayern aufgegeben und sich in den Niederlanden eine neue Stelle gesucht. Wie viele Niederländer hatte seine Frau nichts gegen die niederländische Krone und war stolz auf diese tolerante königliche Familie. Also hatte man beschlossen, auch das sehr schöne und sehenswerte Städtchen Hitzacker zu besuchen und die Gedächtnisbüste von Prinz Claus zu besichtigen. Es war von Korbinian bei der Routenplanung allerdings um eine Ausnahme gebeten worden. In München sollte in einigen Tagen das Oktoberfest beginnen. Und bei dem Gedanken war bei Korbinian Rufus eine kribbelige Unruhe aufgekommen. Man konnte auch sagen: ‚Der Ruf der Berge oder der Wiesn war bei ihm fast körperlich spürbar.‘ Sie hatten ihr Auto und den Wohnwagen voll gepackt und der niederländische Bauchwärmer in Schnapsform und der gute Käse durften nicht fehlen. Endlich ging es los. Die Tour war akribisch geplant und mit dem Finger waren sie schon in allen Ortschaften angelangt. Ein Reisebegleiter mit diversen Faltplänen der einzelnen wichtigen Stationen mit den Besichtigungszeiten war dabei und so waren sie an diesem Morgen früh aus Katwjik aan Zee abgefahren. Nach langer Autofahrt hatte sie das Unverhoffte getroffen. Korbinian Rufus war auf ein leises Geräusch beim Fahren aufmerksam geworden, das kontinuierlich lauter wurde und in einem Stakkato der Fahrgeräusche schließlich die Oberhand erreichte. Seine Frau war kurz von dem vorherigen gleichen Fahrgeräuschen eingeduselt und wurde nun von dem ungewohnten Klackern wach, blinzelte ihren Mann skeptisch von der Seite an und schloss die Augen wieder: „Lieber heiliger Patrick, du Schutzpatron der Wohnwagen, lass uns keine Panne bekommen, mein Mann hat Anfang des Jahres den Autoschutzbrief gekündigt.“ Korbinian Rufus blickte derweil angestrengt abwechselnd in die Rückspiegel und in den Innenspiegel und es sah schon recht komisch aus, wie dieses Mannsbild von einem bayerischen Niederländer, der etwas auf die Waage brachte, wie ein Vogel ruckartig nach den beiden Seiten erst die Rückspiegel und dann in den Innenspiegel schaute, so als könnten die Spiegel etwas dafür, was sie in dem schon abgefahrenen Abschnitt der Straße zeigen mussten. Es war schon erstaunlich, zu welchen Klacktönen in den verschiedensten Höhen und Tiefen und in einem wechselnden Rhythmus eine im Begriff sich zu lösende Karkasse eines Reifens fähig war. Als sich die ersten Reifenstücke der Karkasse aus dem Orchester still verabschiedeten, sah Korbinian Rufus in dem rechten Seitenspiegel das Malheur. Er bremste das Gespann gekonnt ab, damit sich der Wohnwagen nicht mit dem schönen ganzen Inhalt auf die Seite legte. Korbinian schwitzte, als er ausstieg und sich die Reifenbescherung ansah. Seine Frau stand daneben und sagte nichts mehr. Sie waren auf der Bundesstraße 216 kurz hinter Nadlitz mit dem Waldmuseum und dem schönen Jagdschloss. Eigentlich hatten sie bei Metzingen in Richtung Hitzacker abbiegen wollen und wären an dem Dörfchen Kamerun vorbeikommen, wenn nicht hier, auf der B 216, ihr Gespann eine schöne Gummispur hinterlassen hätte. Ein freundlicher Autofahrer bot seine Hilfe an. Korbinian Rufus bat um die Telefonnummer einer Werkstatt für Wohnwagen in Hitzacker, die es dort etwas außerhalb der Ortschaft gab, und rief dort an.
An diesem Tag war es in der Vertretung für Wohnmobile, Wohnwagen und Campingzubehör aller Art eher ruhig bis bedächtig. Kurz und gut, es war nichts los. Die Firma Camping Döhring hatte allerdings in der Saison genug zu tun. Denn wenn die Touristen wie Honigbienen auf den Stell- und Campingplätzen in der Gegend unterwegs waren, brummte es auch im Laden und in der Werkstatt. Der Verkäufer, Mark Zinner, der einzige, der immer schnieke im Anzug und mit Krawatte in der Firma war, saß an seinem Schreibtisch. Der Meister und Inhaber Heribert Döhring starrte in seine Kaffeetasse. Seine Frau hatte ihm heute Morgen ordentlich den Marsch geblasen und er war von dem schrillen Redeschwall noch halbbetäubt. Ab und zu rieb er sich mit der offenen Handfläche das rechte Ohr, so, als wenn man mit einem Sauggummi einen Abfluss freibekommen wollte. Dabei schluckte er heftig, hielt sich die Nase zu und versuchte durch Schnaufen den Druck aus den Gehörgängen zu bekommen. Es ergab den Eindruck, als würde ein wütender Elch vor einem Artgenossen stehen, der ihm die Herde streitig machen wollte. Mark Zinner kannte diese Unarten seinen Chefs. Nur als einmal ein Kunde in der Nähe war und irritiert aufgrund der Brunftgeräusche um die Ecke des Büros schaute, fragte der Verkäufer später seinen Chef, ob er seine Gehörgangsakrobatik nicht in der lärmenden Werkstatt veranstalten könne, am besten dann, wenn die Monteure mit der Trennscheibe Metallteile bearbeiteten. Denn dort würden seine Geräusche untergehen. Mark Zinner fand sich richtig mutig und die Kollegen, denen er davon berichtet hatte, bogen sich vor Lachen. Sein Chef hatte diese Schnauf- und Röhrarie, seit er vor zwei Jahren von einem Fernflug aus Südafrika zurückkam und das Flugzeug in eine Turbulenz mit anschließendem Luftloch geriet. Bei den HNO-Ärzten war er jedenfalls ein guter Kunde und gern gesehener Patient.
Heribert Döhring hatte aber noch ein anderes Hobby, wo sich im Für und Wider die Geister schieden. Er besaß außerhalb von Hitzacker in der Göhrde ein großes Anwesen mit einem alten schönen Baumbestand. Und da begannen die Diskussionen, die schon zu heftigem Gesprächsstoff in der Nachbarschaft und auch in seiner Kneipe Gärwiete in Hitzacker gesorgt hatten. Hier standen sich zwei Lager gegenüber, die allerdings zwar hämisch, aber nicht bösartig miteinander umgingen. Man war schließlich auf dem Lande und musste miteinander auskommen. Zum strittigen Thema hielten sich aber alle für Fachleute, die sogar behaupteten, jemanden zu kennen, der in einer Baumschule beschäftigt war. Es ging um das aufwändigste und langsamste Hobby der Welt. Einige Hobbyisten würden ihre Kunst nicht erleben, waren aber stolz darauf, dass man noch in hundert Jahren ihr Werk bewundern durfte. Die Anhängerschaft für diese Leidenschaft, die vor langen Jahren in England entstanden war, war weltweit klein. Es ging um das kunstvolle Schneiden von Bäumen. Die Äste wurden nach einem speziellen Muster gebogen. Und damit das Kunstwerk in Jahren ein sinnvolles Ganzes ergab, wurden die Äste in kleine Verzweigungen verdrahtet. In der Heavyklasse, sozusagen in der Jumboabteilung dieses Hobbys, war Heribert Döhring aktiv. Wie oft musste er sich in der Kneipe schon anhören, wann er sich einen passenden Anhänger zusammenbauen würde, damit sein Riesengewächs zur Meisterschaft nach England transportiert werden konnte, wo alle drei Jahre die Meisterschaft im "treebend" stattfanden. Diese Hobbyleute nannten sich auch „treebendies.“ Natürlich wurden die tonnenschweren Schätzchen nicht ausgegraben und transportiert, sondern die Mitglieder meldeten ihre Bäume bei ihrem Verband an und eine Kommission kam und begutachtete den kunstvollen „tree“. In der Grafschaft Wymondham befand sich die Hochburg dieser Kunst und dort traf man sich auch zur Meisterschaft. Wenn die Thekengäste wüssten, wie vornehm es dort zuging und, dass das Ganze weitaus exklusiver als Golf war, würden sie den Mund nach dem Absetzen des leeren Kornglases vor Ehrfurcht geschlossen halten. Der Sieger erhielt ein Preisgeld von umgerechnet fünfhunderttausend Euro.
Heribert Döhring nahm seine Hand vom rot geschubberten Ohr, blätterte in dem in England erschienenen, gutgemachten Hochglanzmagazin „tree News“ und vergaß seine zu Hause immer noch schnaufende Angetraute, die er immer noch so abgöttisch liebte, dass sie in seiner Skala des Lebens noch vor seinen Bäumen und seinem Geschäft locker auf Platz eins kam.
Das Telefon klingelte, Mark Zinner nahm den Hörer auf und meldete sich geschäftlich höflich, als sein Gesichtsausdruck erst unbeteiligt, dann angestrengt und zu guter letzt ungläubig wurde. Mark nahm ohne Worte das Telefon vom Ohr und schaute die Muschel an, als ob hier der Text des Anrufers wie in einem Display als Endlosschleife laufen würde. Schnell sagte er: „Moment bitte“ und hielt die Muschel des Telefons mit der linken Hand zu. Heribert wollte gerade seine andere Ohrmuschel mit dem Innenleben vornehmen, als er beim Umblättern seines Magazins aufblickte und gespannt innehielt: „Ist jemand gestorben?“. Mark sagte erschüttert: „Chef, hier am Telefon ist ein holländischer Bayer oder ein bayerischer Holländer, der flucht am Telefon wie ein alter Bierkutscher auf dem Oktoberfest, weil ihm seine Maß Bier weggerutscht ist. Ich habe nur verstanden, dass er gesagt hat, ‚ich habe ein Rad ab’.“ Heribert antwortete erstaunt: „Wer, du?“ Mark fuhr fort. „Nein, er, ich meine den Anrufer, den Kunden, ja den“, stammelte Mark. Heribert lachte laut auf: „Für solche Fälle sind wir nicht zuständig, der Doktor wohnt am Marktplatz, gib mir bitte den Hörer.“ Mark war völlig konsterniert und verdattert. Er reichte seinem Chef den Hörer: „Hier ist das Autohaus Döhring in Hitzacker, was führt Sie zu uns?“ Heribert verstand nur noch die restlichen Wortfetzen, die mit Himmelsakra endeten und dann nickte Heribert verständnisvoll und schrieb sich etwas auf. „Wir kommen sofort“, sagte er und legte den Hörer auf. Er brüllte durch die offene Tür in die Werkstatt. „Hans Heinrich, mach den Abschlepper klar, wir müssen einen fliegenden Holländer von der B 216 holen.“
Heribert fuhr selber den Abschleppwagen zur Pannenstelle und sein Mitarbeiter, der sonst immer das Fahrzeug fuhr, saß leicht missmutig daneben. Zum Einen war er von einer schwierigen Schweißarbeit bei einem alten Wohnwagen abgezogen worden und zum Anderen plagte ihn eine Erkältung mit argen Halsschmerzen. „Immer diese zugige Luft in der Werkstatt“, hatte unlängst seine Schwiegermutter zu ihm gesagt, „da musst du dir doch auch eine dicke Erkältung zuziehen.“ Unter seinem Overall hatte er eine wollenen Unterhose an und um den Hals einen dicken Schal gewickelt. Als er heute Morgen kurz den Schweißbrenner weggelegt und theatralisch den Kopf nach hinten gebeugt hatte, um sich die Nasentropfen in die Nase zu träufeln, war der Rentner vorbei gekommen, der jeden Tag hier war, um nach dem Rechten zu sehen, wie er immer sagte. Als der Rentner ihn so in der Rückbeugung gesehen hatte, hatte er trocken gemeint: „Ich kann dir mit dem Brenner helfen, um deinen Rüssel freizubekommen. Dann bleibt dein Ansaugstutzen immer offen.“ Der Monteur hatte geschnieft und fast unverständlich stark nasal gebrummt: „Da kenn ich aber noch einen, der das dringend bräuchte.“ Sie hatten sich grinsend angesehen.
Als sie sich mit dem Abschlepper auf der B 216 der Pannenstelle näherten, sahen sie schon von weitem das Blaulicht eines Streifenwagens zur Absicherung der Fahrzeuge. Sie wendeten und fuhren zurück hinter einen schief liegenden Wohnwagen, vor dem ein neuer Geländewagen als Zugfahrzeug stand. Was sich ihnen jetzt bot, würde keiner glauben. Die auf sie zukommenden Polizisten grinsten breit bei der Begrüßung. An dem Randstreifen an der B 216 von dem Gespann in sicherer Entfernung stand eine Frau im Trachtendirndl und telefonierte aufgeregt auf niederländisch. Sie gestikulierte und fuchtelte wild mit ihren Armen, um ihren Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen, wenn man denn ein Bildübertragungshandy gehabt hätte. Das wäre aber noch leicht zu ertragen. Sie trug in ihrer freien Hand eine wild gelb blinkende große Warnlampe, die sich im Rhythmus ihrer Telefonbewegungen drehte. Sie sah wie ein Leuchtturm im Dirndlkleid aus. Was diese Warnung in dieser Entfernung von der Straße zu bewirken sollte, wusste sie wohl nur alleine. Wahrscheinlich wollte sie die Rehe auf die Pannenstelle aufmerksam machen. Sie setzte dem Ganzen aber in der ulkigen Erscheinung in ihrem Dirndl noch das Sahnehäubchen der Komik auf: über ihrer Bluse trug sie eine grell rot leuchtende Warnweste. An dem Wohnwagen und etwas versetzt zur Straße stand ihr Mann. Der hatte ebenfalls eine echt bajuwarische Volltracht mit kurzer Lederhose an und die Bommel an dem Oberschenkel tanzten im Gehen auf und ab. Ein großer schwerer Mann, ein wahres bayerisches Mannsbild, stand vor ihnen und hatte über seine Tracht ebenfalls eine Leuchtweste übergestreift. Heribert und sein Monteur mussten beim Einparken so laut lachen, dass es bei Heribert derart im Gehörgang knackte und er endlich diesen Gehörgang so frei bekam, wie schon lange nicht mehr. Die Außengeräusche kamen ihm schon zu laut vor und er dachte unwillkürlich an Ohrwatte zur Geräuschdämmung. Sein Monteur sagte beim Aussteigen: „Das glaubt mir heute Abend keiner am Tresen in der Kneipe.“ Korbinian Rufus Niedermeier stellte sich Heribert und dem Monteur vor. Durch den Reifenschaden war der schöne und teure Wohnwagen am Radkasten so beschädigt worden, dass dieser aufwändig repariert werden musste. „Die Ersatzteile kommen aber erst in zwei Tagen, solange müssen Sie hier wohnen. Da wir den Wohnwagen an der Seite zerlegen müssen, können Sie nicht mehr in ihm übernachten. Aber Sie können hier in Hitzacker im Hotel gegenüber der Kneipe Gärwiete wohnen, wenn Sie möchten. Diese Kneipe wird Ihnen gefallen, es ist eine Bayernkneipe.“ Korbinian stimmte zu, die Polizei fuhr ab, der Wohnwagen wurde abgekoppelt und an den Abschlepper mit einem Hilfsschlitten auf Rädern gehängt und es ging ab zur Werkstatt. Seine Frau Theresa Niedermeier telefonierte sogar während des Einsteigens in den Geländewagen. Wahrscheinlich gab sie für einen niederländischen Radiosender eine ausführliche und plastische Direktreportage.
An diesem Abend war in der Gärwiete ein Gedränge, wie in einem Bierzelt auf dem Oktoberfest in München, kein Zelt für Prominente, sondern für das durchschnittlich fröhliche Feiervolk auf den Wiesn. ‚O zapft is‘ und das in vollem Ausmaße mit geschmückten Fahnen, Bändern und was es alles in den Landesfarben aus Bayern gab. Es hätte nur noch gefehlt, dass der Eröffnungsbierwagen mit den Brauereipferden hier in Hitzacker eine Kehre gemacht hätte und nach München, sozusagen gleich um die Ecke, zu den Wiesn unter dem Gejohle der Menge zurückgerollt wäre. Die Musikanlage war so laut, dass sich die daneben stehenden leeren Bierbembel durch die Vibration verschoben. Eine Leiste in blau-weißen Trachtenfarben hielt die gesamten Bembel aber vor dem Fallen auf die Köpfe der vielen Biertrinker im Lokal ab. Der bajuwarische Zupfhansel mit seiner Musikband aus dem Lautsprecher gab sein grenzwertig Bestes, bis zum quälenden Anschlag. An dem Tresen saß bereits Heribert aus dem Autohaus mit seinem Monteur aus der Werkstatt. Der verschnupften und mit Halsweh geplagte Helmut Dahme hätte anstatt des frisch angestochenen Oktoberfestbieres lieber mit einen Liter heißen Hustensafts im Bett liegen wollen. Der Tresen war rappelvoll und in diesem Trubel war kaum ein Wort zu verstehen. Heribert lieh seinem linken Nachbarn, einem Kneipenrentner, der hier zu wohnen schien, sein linkes Ohr. Er formte dazu seine linke Hand zum Zusatztrichter, als Hilfsmittel für seine Ohrmuschel, damit er den Kneipenrentner gut verstehen konnte.
Es hatte auch Zeiten hier in der Gärwiete gegeben, in denen Heribert beim Betreten der Kneipe von einem Gast arg durch den Kakao gezogen worden war. Dieser Gast, ein ehemaliger Mitarbeiter von Heribert, den er wegen Unregelmäßigkeiten hatte entlassen müssen, hatte sich, angetrunken wie er war, breitbeinig mit zwei Biergläsern in die Mitte des Schankraumes gestellt und die Arme wie im Wind leicht hin und her pendeln lassen. Dabei hatte er mit dick aufgeblasenen Wangen und Windgeräuschen einen leichten Sturm nachgemacht. Ein anderer Gast, ein Kumpel des Darstellers, war von seinem Bierhocker gerutscht und hatte versucht, sozusagen wie ein Pantomime, die Äste an seinem Kumpan zu schneiden. Das Gelächter war natürlich groß gewesen. Heribert hatte nur geantwortet: „Mit deiner krummen Figur lässt sich nicht einmal ein Blumentopf gewinnen.“
Der Monteur Helmut Dahme hatte die Geschichte mit den Kunden und der roten Weste über der Tracht schon zum Besten gegeben. Solche Niederländer hatte Hitzacker noch nie gesehen. Am frühen Abend kamen diese beiden gestrandeten Gäste aus ihrem gegenüber liegenden Hotel in voller bayerischer Trachtenmontur in die Gärwiete und mischten sich unter das Volk. Denn hier hatten einige auch sehr fantasievolle Trachten an. Die Niedermüllers fanden sehr schnell Anschluss in der Feiergemeinde hier in Hitzacker und nahmen sich mit ihrer Panne selber auf die Schippe. Es war erst ein anstrengender Auftakt zur Tour auf den Spuren der Niederländer, doch das Leben ging auch im Feiern seine eigenen Wege. Ohne Panne wären sie nicht hier in diesem schönen Lokal gelandet, in dem das Bier frisch und gut gezapft war, so wie auf den Wies‘n in München.
Das Oktoberfest war schon längst auch in Hitzacker Vergangenheit und der norddeutsche Alltag war in der Gärwiete eingekehrt. Monika stand alleine am Tresen und ihr Mann, der Franz, war nach Hamburg zum Großmarkt gefahren. In der Stammtischecke mit dem obligatorischen großen Messingteller, der mit seiner Kette und der Aufschrift Hier Stammtisch wie ein Aschenbecher aussah, saßen die Knobelbrüder und knobelten um die Wette. Am Nachbartisch wurde Skat gespielt, die Musik aus der Anlage war gedämpft. Es lag eine Stille über dem Schankraum, eine konzentrierte bei den Spielern, bei den anderen eher bedingt durch die Schläfrigkeit eines Sonntagnachmittags nach dem Gänsebraten, nach dem Motto, wer zuerst einschläft, braucht nicht abzuräumen und abzuwaschen. Sie mussten Acht geben, dass nicht der Kopf aus der offenen Hand rutschte, danach der Ellenbogen seinen Dienst versagte und der Kopf der Schwerkraft folgend mit einem Rums auf dem Tresen lag und der dösige Blick, als wollte er fragen, was denn los sei, in Richtung Wirtin ging. Diese aber machte sich nur Sorgen um das Bierglas, denn der Gast würde das Bier nicht vom Tresen wischen. „Mensch, Ernst, pass doch ein bisschen besser auf“, sagte Monika und Ernst blickte Monika an, als sei nicht er, sondern ein anderer für seinen Ellenbogen verantwortlich. „Mach mir noch einen Lütt und Lütt“, war alles, was Ernst sagte, drehte sich vom Tresenhocker und verschwand hinter der Tür. An der Tür hing Schild mit einem Cowboy auf einem schwarzen Pferd für die Herrentoilette. Es war ein Mitbringsel eines treuen Gastes aus dem Urlaub in den USA.
Auch bei Lütt und Lütt galt der Spruch, auf einem Bein kann man nicht stehen. Und damit das Bier nicht so auf der Zunge staubte, musste ein Köm, ein kalter Korn hinterher genommen werden. Neben dem kurzfristig abwesenden Ernst saß die schweigsame Maria Brettschneider. Sie war eine Perle von einer Putzfrau hier in Hitzacker. Wenn Maria Brettschneider die Kneipe betrat und laut ‚Moin‘ sagte, das nicht ‚guten Morgen‘ heißen sollte, denn hier im Norden bedeutet ‚Moin‘ schlicht ‚guten Tag‘, wurde es still in der Kneipe. Man konnte also auch um Mitternacht, wenn die Stammkneipe noch offen hatte, beim Betreten ‚Moin‘ sagen. Spitzfindige würden sagen, nach Mitternacht wäre ja auch schon der nächste Morgen und demnach wäre ‚Moin, Moin‘ angemessener. Nein, das war ein Dauervierundzwanzigstundengruss. Also, wenn, diese besagte Maria diesen Gruß laut und deutlich brachte, gab es natürlich in der Gärwiete einen Gegengruß. Der jetzt auf der Toilette weilende Ernst sagte nach dem Gruß aber einmal: „Mensch Maria, was bist du heute sabbelig.“ Worauf Maria natürlich wie gewöhnlich nichts sagte, umständlich auf den Thekenstuhl krabbelte und ihren Wein mit einer Karaffe Wasser bekam. Monika hatte sich abgewöhnt, nach ihrem Trinkwunsch zu fragen, was Maria gut zupass kam, denn so musste sie auch nichts sagen. Maria war schon lange Witwe und böse Zungen in der Kneipe meinten, sie hätte ihren Mann, der gern und viel geredet und hier als Stammgast auch ab und zu einen über den Durst getrunken hatte, durch ihre Schweigsamkeit manchmal vor Verzweiflung auf die Palme getrieben. Ihr Mann war hier derjenige gewesen, der sich um die naheliegende Kirche sehr gekümmert hatte. Er war leider bei Baumschneidearbeiten auf dem Kirchengelände im letzten Herbst aus dem Baum gefallen und hatte sich unglücklich an einer uralten Grabplatte den Kopf aufgeschlagen. Nach einigen Wochen des Leidens war er erlöst worden. Es war ein sehr tragischer Moment gewesen und die gesamte Thekenabteilung der Kneipe Gärwiete war vollzählig zur Beisetzung angetreten. Das anschließende Gedächtnistrinken auf den lieben Verstorbenen hatte ganze zwei Tage gedauert.
Heribert Döhring musste sich danach häufig anhören, wie gefährlich doch sein Hobby sei. Maria Brettschneider war schon lange Putzfrau in der Kirche und der Pastor Heiner Ulf Müller, der hier in Hitzacker immer nur mit Müller drei angesprochen wurde, obwohl Müller eins und zwei nicht mehr in Hitzacker wohnten. Müller eins war nach Berlin gezogen und dort verstorben. Der hätte man besser hier bleiben sollen, Berlin ist zu groß und auch zu hektisch, meinten die in allen Lebensfragen immer eine Antwort habenden Thekendauersitzer in der Kneipe Gärwiete. Müller zwei, eine Frau, war oft hier in der Kneipe gewesen und wohnte nun bei ihrer Tochter in Bremen. Müller eins war immer montags nach seinem Versehrtensport, wie man in der Kneipe liebevoll bemerkte, weil er einer Herzsportgruppe angehörte, erschienen und hatte hier in der Kneipe eine Kanne Kamillentee bekommen. Dazu trank er einen Köm, für den Durchfluss der Herzkammer, wie er meinte. Er war in Berlin aber unglücklicherweise nach einem Fahrradsturz und nicht an seiner Herzkrankheit verstorben.
An diesem Abend saß der Pastor Müller drei am Tresen und hatte seinen großen Schoppen Wein vor sich stehen. Als seine Tresenmitbewohner nach und nach an diesem Abend in die Gärwiete herein schneiten, meinte der erste zu ihm. „Na, Pastor, trinkst du deinen Messwein von deiner Kark“? Mit Kark ist auf plattdeutsch die Kirche gemeint. Pastor Müller drei stand kurz vor dem Ruhestand und hatte heute eine besonders schwere Beerdigung hinter sich. Schwer im wahrsten Sinne des Wortes, denn zum Einen war die Bestattung mit der Predigt für ihn sehr anstrengend, weil die Angehörigen etwas für ihr Geld haben wollten, wie sie salopp sagten, zum Anderen war die Verstorbene eine sehr übergewichtige Person und es mussten zwei weitere Sargträger aus der Nachbargemeinde angefordert werden. Alle Träger bekamen für ihre Plackerei ein Extrageld. Der Pastor war in der Gemeinde sehr beliebt, weil er sich wirklich um die Belange der Leute kümmerte und weil er, als das Wasser kam, wie die Hitzacker die schlimmen Überschwemmungen der Elbe in Hitzacker ehrfurchtsvoll nannten, den Wasseropfern schnell geholfen hatte. Seine Kirche lag erhöht und war ruckzuck von ihm und den anderen Helfern in eine Notunterkunft umgewandelt worden. Eine Gulaschkanone war herbeigezaubert worden, damit alle einen warmen Löffel in den Bauch bekämen, wie er gemeint hatte. Nun saß er melancholisch am Tresen und die anderen trösteten den sonst immer fröhlich Trost gebenden Pastor. Sogar Maria sagte etwas und hatte Tränen in den Augen. Denn alle wussten, der Pastor ging in Rente und wollte sich einen Jugendtraum erfüllen. Er wollte nach Kalgoorlie-Boulder auswandern. Erst hielten die Tresenbrüder das für einen Witz aus der Schublade der Bierlaune heraus, denn der Pastor mochte auch gerne einen guten Schoppen Wein und sagte nicht nein. Er war aber immer korrekt, wie es sich für einen Kirchenmann gehörte. Im Gegenteil, die Gemeinde liebte ihn, weil er einer von ihnen war, mit dem man Pferde stehlen konnte. Dennoch war auch Respekt ihm gegenüber zu bemerken. Erst als der Schulleiter Lehmann der Grundschule gemeint hatte: „Was willst du denn in Australien?“, waren die Gäste hellhörig geworden. Einige hatten wohl gedacht, er würde in die Lüneburger Heide oder, noch schlimmer, nach Ostfriesland oder auf eine Hallig auswandern und Kalgoorlie-Boulder wäre ein altplattdeutscher Name des Dorfes. „Nach Australien, na sowas,“ hatten sie ungläubig gesagt und durch die Zähne gepfiffen, „da willst du bestimmt als Pastor mit deinem Klappaltar herumreisen oder als Hungerpastor?" Die Leute hatten vor Vergnügen laut geprustet und Müller drei war für eine lange Zeit das Thema in der Gärwiete gewesen. Einige hatten aufgrund des späten Abends, es konnte aber auch an den Bieren gelegen haben, den Ort nicht richtig mitbekommen. Die später ankommenden Gäste waren natürlich sofort von der Neuigkeit informiert worden und Kalgoorlie-Boulder war schnell nach Alaska verlegt worden. „Er wolle die neuen Goldsucher am Klondike bekehren und am Sonntag dort in einer alten windschiefen Bretterbude von Kirche die Messe lesen.“ „Da kannst du in der Woche deine Kollekte mit selbst geschürftem Gold aufbessern.“ Andere sahen ihn, als sie endlich den Erdteil Australien begriffen hatten, ihn, den Pastor Heiner Ulf Müller, der Müller drei, in Australien bestimmt als Müller vier bezeichnet, weil es dort doch viele Auswanderer mit dem Namen Müller gab, schon apathisch auf einem alten klapprigen Gaul sitzen oder mit weit heraus hängender Zunge durch den heißen Sand laufen und sich nach Hitzacker in die Kneipe Gärwiete mit dem schönen Wein zurücksehnen. „Der bekommt dort in Australien einen Sonnenstich, denkt an Müller eins, der auch hier wegwollte und nach Berlin ausgewandert ist.“ Immer wenn die Kneipentür geöffnet wurde und die verbrauchte Luft sich quasi die Hand mit der neuen, frischen Luft in der Türöffnung gab, kam ein lautes fröhliches Gelächter aus der Gärwiete und die Anwohner dachten, da ging es wieder mal hoch her. Jubel, Trubel, Heiterkeit in Hitzacker. Irgendwann fragten sie ihn nach seinen Auswanderungsplänen, als sie bemerkten, er machte wirklich ernst. Der Pastor erklärte, dass der Ort Kalgoorlie-Boulder tatsächlich auch heute noch mit der Goldsuche in Australien zu tun hatte, zirka achtundzwanzigtausenddreihundert Einwohner hatte, sich dort die größte Goldmine der Welt befand und in Western Australia an einer Bahnlinie liegt, die diesen Ort mit Perth, einer Millionenstadt verbindet. Er sagte ihnen auch noch folgendes: „Ich werde in einem Team von Theologen und Ärzten mitarbeiten. Ich denke, dies war der entscheidende Punkt, dass ich dort eine Aufenthaltserlaubnis bekommen habe. Wir, das heißt die Organisation, unterhält ein von den Amerikanern aufgekauftes Transportflugzeug und damit können wir auch unwegsames Gebiet in Australien erreichen, um die Menschen zu versorgen. Mit mir sind vier weitere Theologen mit an Bord. Wir haben auch Zelte dabei, in denen wir uns um die Menschen kümmern können. Und wir haben sogar ein extra Zelt als mobile Kirche. Es ist auch ein staatlicher Fachmann für Verwaltungsfragen dabei, der die Menschen beruflich beraten kann und ihnen die Wege in der Verwaltung freimacht. Wir versuchen dieses Flugzeugprogramm als Test in Australien laufen zu lassen, aber in Wirklichkeit zielen wir für später auf die Versorgung von Menschen in armen Regionen in Afrika ab.“ Sie hörten ihm schweigend und interessiert zu. Er erzählte ihnen von einem Buch in seiner Kindheit, das ihn bis heute nicht mehr losließ. In jeder seiner freien Minute hatte er sich in den letzten zehn Jahren mit Australien beschäftigt, die Sprache gepaukt und sich alle Bücher über das Land bestellt. Sein Einwanderungsgesuch wurde genehmigt. „Denn als Pensionär kann ich mich selber versorgen und notfalls“, dabei lächelte er, „kann ich mit dem Planwagen und klapprigen Gäulen durch die Wüste ziehen.“ Der Witz, den andere ja erzählten und der zum lauten Lachen animierte, kam aus seinem Mund mit denselben Worten ganz anders an. Keiner lachte, sie hatten einen dicken Kloß im Hals und Monika drehte sich mit ihrem zu putzenden Bierglas weinend zur anderen Seite der Theke um. Maria Brettschneider schluchzte herzzerreißend auf und hielt sich die Hände verschämt vors Gesicht. Der Pastor war ganz gerührt und sagte, auch mit einem dicken Kloß im Hals und der Blick verschleierte sich vor Tränen: „Kinder, ich komme euch hier ja mal besuchen.“ Es war plötzlich still, die Gäste schnieften in die Taschentücher, die Brillen wurden abgenommen, um die Tränen zu trocknen. Ein Thekennachbar wandte sich an seinen Kumpel: „Wer hätte gedacht, dass die Maria eine solche heftige Reaktion zeigen würde. Ich dachte, eher würde man den dritten Weihnachtstag einführen.“ Als die Tür aufging und ein bekannter Gast hereinkam, wunderte dieser sich: „Was ist denn hier los, ist jemand gestorben?“ Monika beruhigte sich und rettete die Lage. „Ich gebe schon jetzt einen auf die Rückkehr von Müller drei nach Hitzacker aus. Er wird uns dann bestimmt hier in der Gärwiete seinen großen Goldfund aus Australien zeigen. Was wollt ihr trinken?“ Damit beruhigte sich die Situation und die Gäste konnten ihre verlorene Fassung so langsam wieder gewinnen. Auch der schwarze Humor, der kurz verloren gegangen war, ließ sich wieder in den Gesprächen der Gäste blicken. Einer fragte seinen Thekennachbarn leise, ob nicht in dem Flugzeug ein kleiner Platz für eine mobile Kneipe wäre. Sie brächten auch den Wein mit, der hier in Hitzacker angebaut wurde. Die Lachfrequenz auf der nach oben hin offenen Kneipenskala kam in Wallung. „Sag mal, Pastor“, fragte der neue Gast, der kurz von der Sachlage informiert worden war, „wer ist denn dein Nachfolger?“ Der Pastor hatte gerade seine Rechnung bezahlt und war auf dem Weg zur Tür, wo er sich umdrehte. Alle blickten ihn gespannt und schweigend an. „Das ist eine Pastorin, ihr könnt euch auf sie freuen, eine sehr nette und sympathische Person.“ Damit verließ Pastor Müller drei die Kneipe und ein kalter Windzug huschte schnell durch die offene Tür, die mit einem lauten Klacken zufiel.