Читать книгу Dr. Patchwork und die Insekten - Gordon Goh, Patrick Schuller - Страница 6

Kapitel 3: Der vitruvianische Dr. Patchwork

Оглавление

Abb. 5: SOD-Abzeichen der Antiplage-Forschungsabteilung.

1

Es ist heller Vormittag auf Eden-2 und Sinclair steht noch immer im Konferenzraum vor dem Fenster und sieht 6 Stockwerke nach unten, wo er einen tollen Ausblick auf das Forum vor dem Eingang des SOD-Gebäudes hat. Nur das eiserne Gittertor des Forums trennt das SOD-Gelände vom Bürgersteig und der dahinter liegenden Straße mit all den Wohnblocks, den Filialen und den Fabriken. Links vom Tor aus sieht man die Solar-, die Kern- und die Kohlenstoffkraftwerke. Weiter hinten rechts sind auch die Slums der Kolonie zu sehen. Aber Sinclair steht nicht vor dem Fenster, um sich die Kolonie unter der Kunststoffkuppel anzusehen. Er braucht die Aussicht, um den Anblick zu genießen, wie gerade Adam Steinbergs Hintern von Sicherheitskräften durch die Haupteingangstür geschliffen wird, um ihn unsanft auf das backsteinerne Gelände zu schubsen. Sinclair genießt die Show, während er ein Glas Scotch in der Hand hält und neben den zerbrochenen Glasscherben steht, die wegen Steinbergs Szenario auf dem Boden liegen. Als Reaktion auf die unsanfte Behandlung durch die SOD-Beamten steht Adam vom Boden auf, dreht sich zu ihnen und spuckt einem der zwei Beamten gegen den plexigläsernen Gesichtsschutz. Dieser erwidert den Akt der Unzufriedenheit mit einem Hieb seines Teleskopschlagstocks gegen Adams Kniescheibe. Dann noch ein weiterer Schlagstockhieb in seine Visage. Blut und Spucke fliegen meterweit gegen eine Sandsteinsäule und bleibt dort kleben, während Adam bewusstlos zu Boden geht und die Beamten ihn mühelos vor das Tor schleifen können. Dann schließen sie das Gittertor und Adam liegt bewusstlos auf dem Bürgersteig mit blutender, sabbernder Fresse, wie ein leichtsinniger Fußballfan. Ivy geht mit sanften unauffälligen Schritten über das Forum mit einem geknickten Blick und enttäuschtem, aber nicht überraschtem Gesichtsausdruck in Adams Richtung. Sie kniet sich kurz zu ihm hin und streichelt ihm sanft den Kopf.

Ein leichter Seufzer und ein Kommentar von Ivy »Was mach ich jetzt bloß mit dir?«.

Dann greift sie sich seinen ruhenden Körper und hebt ihn über ihre Schulter, um ihn wegzuschleppen, wohin sie jetzt auch immer gehen mag.

Sinclair stößt ein arrogantes Lachen von sich und schüttelt leicht den Kopf, bevor er sich seinen Scotch in den Hals kippt. Maria steht direkt neben ihm und sieht selbst vom Fenster aus auf das SOD-Gelände.

»Denken Sie, das war eine gute Idee?« fragt sie Sinclair.

»Der kommt zurückgekrochen!« antwortet Sinclair.

»Wer? Mein Bruder? Er ist nicht der Typ fürs Kriechen.«

»Dann wird es mal Zeit, dass er das lernt. Immerhin lebt er mit uns in einer zivilisierten Gesellschaft. Und in einer zivilisierten Gesellschaft ist Kriechen eine Selbstverständlichkeit.«

Maria wendet ihren Blick vom Fenster in Sinclairs Richtung und sieht ihn erzürnt an.

»Wollen Sie damit sagen, wir von der Interstellar Force kriechen auch?«

»Jeder von uns hat einen Vorgesetzten vor dem er Kriechen muss. Ganz besonders Soldaten. Salutieren ist auch nur eine Form von Kriechen.«

»Salutieren ist eine Form von Respekt.«

»Respekt ist eine Form von Kriechen.«

»Das ist Ihre Meinung, Sinclair!«

Maria wendet vor Verachtung ihren Blick von Sinclair ab und schaut wieder aus dem Fenster und fragt »Sie werden ihn brauchen. Mein Bruder mag zwar eingebildet sein, aber er ist der Beste im Gebiet der Plage. Sie brauchen seine Ergebnisse.«.

»Seine Ergebnisse stehen auf den Protokollen, die Eigentum der SOD sind. Mehr brauchen wir nicht.«

Maria lächelt und kann sich ein kurzes Kichern nicht verkneifen.

»Was ist so komisch, Major Steinberg?«

»Mein Bruder protokolliert nicht.«

Sinclair reißt vor Schock die Augen weit auf, als hätte er es für einen kurzen Moment geglaubt. Aber das ist unmöglich. Jeder kompetente Wissenschaftler mit gesundem Verstand protokolliert. Doch als ihm durch den Kopf geht, dass Adam Steinberg weder kompetent noch gesund im Verstand ist, reißt Sinclair noch weiter die Augen auf und geht zu den Notizen, die Steinberg auf dem Boden hat liegen lassen. Er hebt die Seiten aus recyceltem Papier auf und sieht sie sich genau an. Die meisten Seiten sind leer und die Kritzeleien auf den übrigen Blättern alles andere als wissenschaftlich. Sinclair stellt gerade einen Weltrekord im Augenaufreißen auf, als er die pornographischen Skizzen auf dem Papier sieht. Mit Kugelschreiber wurden zwei Schimpansen illustriert. Der eine Schimpanse besorgt es dem anderen von hinten. Über dem Kopf des Schimpansen, der es von hinten kriegt, steht der Name Sinclair geschrieben. Über dem Kopf des anderen Affen steht ebenfalls Sinclair. Auf weiteren Seiten sind lauter Illustrationen nackter weiblicher Körperteile. Sinclair umklammert mit seinen Fingern wütend das Scotchglas. Dann schmeißt er es mit aller Wucht gegen die Stelle, an der zuvor schon Adam ein Glas geworfen hat. Das Glas zerspringt in viele Scherben wie die Hoffnung, Adam Steinberg ohne Konsequenzen aus dem SOD geworfen zu haben.

2

Adam wacht irritiert und mit Kieferschmerzen in einer Bar auf. Licht dringt durch die parallelen Ritzen der Jalousien am gegenüberliegenden Fenster der Bar und scheint Adam direkt ins Gesicht. Adam hält sich die Hand vors Gesicht, um das Licht abzuwenden. Dann wird es jedoch vom faltigen Gesicht eines mürrischen 56jährigen Russen verdeckt. Der graue Starr am linken Auge und der graue Dreitagevollbart sind Adam bekannt. Der 1,9 m große Russe packt Adam ins Gesicht und zieht ihm mit Zeigefinger und Daumen die Augenlider auf. Gerade wird Adam klar, dass er sein Monoggle gar nicht trägt, wodurch er sich irgendwie nackt fühlt. Der Russe hält ihm drei Finger vors Gesicht und fragt ihn »Wie viele Finger halte ich hoch?«.

Adam antwortet »Ich sehe drei Gicht verseuchte Wurstfinger! Du solltest das Saufen lassen, MIR! Aber vorher trinken wir noch einen.«.

Munter und amüsiert lacht der alte Russe namens MIR und reicht ihm sein Monoggle zurück.

»Hähähähä!!! Mach dir keine Sorgen, Ivy-Mädchen! Ihm fehlt nichts. Aber wegen des Kiefers sollte er zum Arzt, sonst fällt ihm noch sein loses Mundwerk runter. Was wollt ihr beide trinken?«

Ivy antwortet »Wasser!«.

Adam antwortet »Zwei Wodka! Und streich das mit dem Wasser! Ivy trinkt auch einen Wodka. Macht zusammen drei.«.

Ivy vereitelt Adams Versuch vom klapprigen Plastikstuhl aufzustehen und erwidert »Das Wasser war für dich gedacht. Und ich will nichts trinken.«.

»Du bist nicht meine Mutter!« stöhnt Adam vor lauter Kopfschmerzen.

»Nein, ich bin deine Assistentin...« kontert Ivy und fügt hinzu »...und deine Freundin und als solche sehr besorgt um dich. Und jetzt bleib gefälligst sitzen!«.

Adam versucht widerwillens aufzustehen und sieht Ivy mit Hundeaugen an und versucht mit Süßholzgeraspel seine Ratte doch noch zu einem Freundschaftstrinken umzustimmen. »Ach, komm, Ivy! Wenn du wirklich meine Freundin bist, warum trinkst du dann nicht mal wenigstens einen mit mir?«.

Ivy erhebt besorgt und mütterlich beide Zeigefinger und macht ihren Kompromiss »Na schön, ich hol uns zwei Drinks und du bleibst brav da sitzen. OK? Sonst fällst du wieder hin und bekommst eine Gehirnerschütterung.«.

»Du bist die beste, Ivy!« sagt Adam und hält sich einen Sack mit Eiswürfel gegen die Stirn, die er soeben neben sich auf einem der Bartische entdeckt hat. Wer weiß wie lange Ivy und MIR schon versucht haben ihn wieder wach zu kriegen. Schade, dass in der Bar nicht so viel los ist. Na ja, es ist gerade Mittag geworden und die meisten Stühle stehen noch umgekehrt auf den Tischen. Fast alle Möbel hier bestehen aus verschlissenem Metall, Kunststoff und Glas. Holz ist in der Kolonie schwer zu beschaffen. Für Holz muss man reich sein und MIR ist kein Holzscheißer. Aber was MIR mit Bling Bling zu kämpfen hat, macht er locker mit seinem Scharm und seinen fetzigen Kehlenätzer wieder wett. MIR verdünnt Ivys Drinks immer, weil sie das Zeug nicht so gut verträgt. Na ja, MIR denkt eben mit. Seine Bar liegt zwischen den Slums und den Wohnblocks der Mittelschicht. Ivy kehrt inzwischen mit zwei Bieren zurück. Dabei hat Adam ausdrücklich Wodka verlangt. Aber andererseits hat man von einem kühlen Blonden viel länger etwas. Außerdem ist harter Stoff nicht gerade empfehlenswert für jemanden, der vor kurzem bewusstlos war. Ivy hat mit dem Bier sowohl an das gesellschaftliche Beisamensein als auch an Adams Gesundheit gedacht. Ivy ist so eine gute Assistentin, dass Adam sich manchmal wünscht lieber ein Rattenkerl zu sein. Aber das sind wahrscheinlich eher spontane Ausschweifungen und Adam will nicht zu viel Zeit mit diesen Gedanken verschwenden, da er die Gesellschaft eh schon zu sehr mit seinen Ideen und Kommentaren provoziert. Die Gesellschaft auf Eden-2 geht bereits auf die Barrikaden, wenn ein jüdischer Wissenschaftler, wie sein Vater mit einer katholischen Fabrikangestellten, wie seiner verstorbenen Mutter, sympathisiert. Letztere hat diese Aktion sogar das Leben gekostet. Die Bewohner von Eden-2 streiten sich wie zu Lebzeiten auf der Erde um die belanglosesten Differenzen. Nationalstolz, der auf Eden-2 völlig absurd ist, da auf Eden-2 sowieso jeder unter der gleichen Kuppel lebt, es sei denn er ist dauerhaft in einem Außenposten stationiert. Aber selbst die haben ihren Ursprung unter der Kuppel und wollen irgendwann dorthin auch zurück. Dann noch die Hautfarbe. Ja, die Leute hassen sich wegen ihrer Hautfarbe. Hier gibt es Schwarze, Weiße, Araber, Asiaten, Russen und sogar Mexikaner. Nur eben in geringerer Zahl und auch eher um unseren Genpool zu vergrößern. Aber unser dämlicher Rassismus vereitelt jedes Zusammenleben. Diese Idioten würden nur wegen ihres Rassenstolzes in Kauf nehmen, dass die menschliche Spezies durch Inzucht ausstirbt. Und dann auch noch diese Religion. Nach so vielen Jahrtausenden Menschheitsgeschichte war die Ausprägung unterschiedlicher Glaubensrichtungen und das Bedürfnis anderen den eigenen Glauben aufzwingen zu wollen eines der Top-10-Gründe einen epischen Krieg anzufangen und ein maßloses Blutbad anzurichten. Ressourcenknappheit ist einer der Hauptgründe sich zu bekriegen und dieser ist wenigstens verständlich. Denn es geht um das Sichern des eigenen Überlebens. Aber Nationalität, Rassismus, Religion. Ohne jeden Sinn und Verstand bringen sich die Menschen immer wieder wegen dieser Dinge um. Und in dem Moment, wo Adam mit Ivy zusammen an einem Tisch in einer Bar sitzt und mit ihr anstößt, stellt er sich die rein wissenschaftliche Frage „Warum töten wir uns deswegen? Welchen Sinn macht es für eine Spezies sich wegen solcher Dinge selbst auszurotten?“. Man will meinen, dass die Rebellion der Pflanzen, das Exodus-Projekt und der gemeinsame Überlebenskampf auf einem neuen Planeten die Menschen zusammenschweißen sollte. Und anfangs war das auch so. Aber sobald es den Menschen wieder besser geht und sie anfangen es sich bequem zu machen, suchen sie einen neuen Grund sich in die Hoden zu treten. Ist es vielleicht Langeweile? Will der Mensch aussterben? Wir machen den gleichen Scheiß wie auf der Erde und das aus den gleichen niederen Gründen wie damals. Vielleicht brauchen die Menschen einen gemeinsamen Feind, wie in dem Comic „Watchmen“ (Moore & Gibbons 1987) oder dem Film „Independence Day“ (Emmerich & Devlin 1996). Die Menschen nehmen sich die eigene Rasse und Kultur so sehr zu Herzen, dass sie die Gründe, sich zu töten, gar nicht hinterfragen. Der Mensch kommt mit anderen Tieren besser klar als mit anderen Menschen. Aber das ist ein absurdes Verhalten. Mensch und Hund gehen gemeinsam auf die Jagd. Mensch und Katze teilen sich gemeinsam ein zu Hause. Wenn ein Mensch mit einer Ratte gemeinsam ein Bier kippen kann, warum können zwei unterschiedliche Menschen dann nicht aufhören sich stumpfe Gegenstände über die Schädeldecke zu ziehen? In diesem Moment fragt sich Adam, warum er Sinclair mit einem Glas beworfen hat. Für ihn war die Antwort klar. Er hatte einen Grund. Sinclair war ein Arsch und er hat Ivy geschlagen. Aber das Schlimmste von allem. Er war nicht seiner Ansicht. Adam war klar, wenn er diesen Rassenkrieg für immer beenden will, muss er die Menschen zu seinesgleichen machen. Muss sie überzeugen, muss sie überreden so zu denken wie er. Aber das ist so widersprüchlich und heuchlerisch, dass Adam Kopfschmerzen bekommt. Er würde quasi die Leute dazu bringen, aufzuhören den Glauben aufzuzwingen, indem er ihnen seinen Glauben und seine Ideale aufzwingt. Ist die menschliche Spezies eine Sackgasse? Eine Zwickmühle? Um dieser Zwickmühle zu entgehen muss man wohl in höheren Dimensionen denken. So wie die Plage, die keinen Rassismus kennt, da sie keine Rassen bildet. Jeder kann sein oder werden, was er will. Das bräuchte die Menschheit. Eine Macht, die jede genetische Grenze bricht. Aber warum zerbricht er sich gerade darüber den Kopf? Er und Ivy sitzen gemeinsam an einem Tisch. Er entschließt sich einfach dazu den Rest des Tages zu ruhen und die Gesellschaft von Ivy der Ratte und MIR dem Barkeeper zu genießen. Nach dem Bier kommt noch ein Bier und dazu eine Schale mit Pistazien. Hin und wieder verirrt sich mal ein Gast in die Bar und bleibt für einen Drink aus dem mal schnell ein zweiter und ein dritter, vierter, fünfter Drink wird. Ein Roboter kommt in die Bar und liefert ein Paket ab. Da drin sind Gläser. Ja! Wenn man eines auf Eden-2 bekommt, dann ist es Glas. Für die Herstellung braucht man nur Sand und Feuer. Beides findet man auf diesem Wüstenplaneten zu Genüge. Adam und Ivy beginnen nach ihrem jeweils zweiten Bier Dart zu spielen. Sie sind nicht besoffen, aber leicht freundlich gesoffen. Deswegen kichern und lachen beide bei dem Versuch auch nur Ansatzweise die Zielscheibe zu treffen. Ivy benutzt zum Werfen ihren Rattenschwanz, kann diesen aber nach zwei Bier so schlecht koordinieren, dass sie den Pfeil gegen die Tür der Herrentoilette wirft. Zwei weitere Gäste treffen ein und beginnen ein Gespräch. Inzwischen ist Nachmittag und die Bar voller Gäste. Mittlerweile sitzen Adam und Ivy wieder an der Bartheke.

Adam murmelt Ivy etwas ins Ohr »Der Misky Wixer wiskt wissen Whüsky!«.

Ivy kann sich ihr Lachen nicht verkneifen und lacht vollen Herzens in Adams Ohr zurück.

»Was sollte das denn werden?« fragt sie ihn.

»Ivy, da ich aus dem SOD geflogen bin, sollten wir zwei einen Laden aufmachen.«

»Was willst du denn verkaufen?«

»He-man-Figuren! Genauso muskulös und genau so knapp bekleidet. Aber mit den Gesichtern von Jeremy Needle, Gabriel Voyage und Sinclair.«

»Was?« lacht Ivy.

»Ja, und sie sollen sprechen können. So was... wie,... „Wenn wir uns vereinen, werden wir noch muskulöser.“«


Abb. 6: Eden-2-Kolonie.

3

Im gleichen Moment sind Adams Vater, Kane, und Kalle Erlmeyer auf dem Weg zu MIR`s Bar, die übrigens den gleichen Namen „MIR`s“ trägt. Die zwei sind nämlich auf der Suche nach Adam. Und Ivy hat seinen Vater zuvor kontaktiert. Sie passieren dabei den Stadtteil mit den Raffinerien und Kraftwerken und kommen an einer Unfallstelle vorbei. In einem der Kraftwerke scheint ein Fusionsreaktor explodiert zu sein. Neben zahlreichen Passanten, die die Einsatzkräfte aus der Ferne beobachten, werden auch Kane und Kalle zu Schaulustigen.

Kane fragt neugierig einen der Passanten »Was ist denn hier passiert?« und beobachtet gleich wie die Einsatzkräfte ein Loch an der Fassade des Reaktorgebäudes sichern.

Am Rand des Loches sind schwarze Brandspuren zu erkennen, was auf eine Explosion hindeutet. Der Passant, offensichtlich indischer Abstammung, antwortet mit aufgerissenem Blick »Das weiß man noch nicht genau! Angeblich soll es eine Explosion im Reaktor gegeben haben. Aber es gab keinen Knall. Niemand hat etwas gehört.«.

Kane streicht sich nachdenklich den Vollbart.

»Könnte ein Betriebsfehler gewesen sein. Der Reaktor war jedenfalls schon mehrere Jahre in Betrieb. An der Konstruktion kann es jedenfalls nicht gelegen haben.« kommentiert Kalle.

Kane antwortet daraufhin »Hmm, ich glaub nicht, dass das eine Explosion war. Jedenfalls kann dadurch nicht das Loch entstanden sein. Sieh mal, Kalle! Die Trümmerteile am Loch wurden nach innen geschleudert. Was immer das Loch verursacht hat, es kam von außerhalb des Gebäudes.«.

Kane schaut nach oben auf die Unterseite der Kuppel.

Kalle sagt zu ihm »Ein Himmelskörper kann das nicht gewesen sein, Kane. Den Einschlag hätte jeder mitbekommen. Auch wir.«.

Nun kehren Kane und Kalle der Unfallstelle den Rücken zu und gehen weiter in Richtung MIR`s.

4

Angekommen an der MIR`s betreten Kane und Kalle den Eingang der Kneipe. Das erste, was sie dort erblicken, ist ein Adam Steinberg, der auf einem Barhocker am Tresen hockt und mit einem Dartpfeil auf den Hintern einer Frau zielt, als wolle er ihn dort gleich zur Landung bringen. Direkt neben ihm sitzt die leicht angetrunkene Ivy mit dem Kopf auf dem Tresen, umzingelt von drei leeren Bierflaschen.

Noch bevor Adam den Pfeil fliegen lassen kann, zuckt er leicht erschrocken zusammen, als sein Vater ihn ruft »Adam! Hier steckst du also.«.

Adam dreht seinen Kopf leicht in die Richtung seines Vaters, um ihn mit einem Auge zu erblicken und antwortet »Was soll ich denn sonst tun? Arbeiten?«.

»Na, und wessen Schuld ist das?« fragt Kane.

»Bist du hier, um mir einen Vortrag zu halten, Paps?« erwidert Adam.

»So, du siehst also nicht ein, einen Fehler begangen zu haben!?« erwidert Kane.

»Im Vergleich zu den Fehlern, den diese Kolonie begeht, war das ja wohl ein Sandkorn am Strand.« antwortet Adam.

»Sag mal! Meintest du das vorhin ernst mit den Insekten? Siehst du das in uns, wenn du mit uns redest? Ich finde es ziemlich unangebracht, Menschen mit Ungeziefer zu vergleichen.« kommentiert Kane.

Adam richtet seinen Rücken auf, um zu antworten »Wieso? Letztendlich verhalten sie sich wie Tiere. Alles was die Kolonisten tun, dient dem Zweck auf möglichst faule Weise dem Selbsterhaltungstrieb nachzugehen. Du willst mit mir über Menschlichkeit reden? Allein das Wort ist absurd. Weil ihr Menschen noch nicht einmal wisst, was ihr damit meint. Benutzt aber dieses willkürlich definierte Wort, um euch von den Tieren zu unterscheiden. Aber mit welcher Begründung? Das allein grenzt an Arroganz.«.

»Wir sind doch keine Tiere. Wir Menschen haben ein Bewusstsein und ein Selbstbewusstsein. Das unterscheidet uns von den Tieren.« erklärt Kane.

»Okay, Paps! Angesichts der Tatsache, dass Bewusstsein und Selbstbewusstsein bloß evolutionäre Schritte der Hominiden waren, was wäre, wenn eine andere Spezies die gleichen Eigenschaften entwickelt? So wie diese Ratte, die hier neben mir sitzt und die du erschaffen hast. Würdest du sie als Mensch bezeichnen?« argumentiert Adam.

Kane antwortet mit erhobener Hand »Nein! Sie ist genetisch gesehen eine Ratte.«.

»Aha!« kommentiert Adam »Jetzt ist Menschlichkeit plötzlich eine Frage der Genetik. Jetzt wo ich mit meinem Ivy-Beispiel dein Bewusstseinskriterium in Frage gestellt habe, geht es plötzlich darum, dass der Mensch ein phylogenetisch abgeschlossenes Taxon ist. Das ist jetzt natürlich sehr praktisch für dich. Und so machen das alle Menschen. Weißt du was? Ich glaube, ihr Menschen dreht und wendet euch die Definitionen des Wortes „Mensch“ nur ständig so, wie´s euch gerade in den Kram passt. Aber in Wirklichkeit wisst ihr gar nicht, was einen Menschen zum Menschen macht, weil ihr nie eine klare Definition festgelegt habt. Das Wort „Mensch“ ist dadurch vollkommen bedeutungslos. Merkt ihr das denn gar nicht? Bewusstsein oder Genom? Entscheidet euch mal endlich, ihr Wörterbuchschänder!«.

Kane ergreift erneut mit erhobenem Finger das Wort »Ein Mensch hat sich evolutionär, so wie du es beschrieben hast, so weit entwickelt, dass er ein Bewusstsein und ein Selbstbewusstsein bekam. Das ist der evolutionäre Schritt, durch den er sich vom Tier unterscheidet.«.

»Nein, Paps! Der Mensch kann sich nicht von den Tieren unterscheiden, weil er von den Tieren abstammt und sich ins Reich der Tiere einordnen muss.« erwidert Adam bevor er sich geduldaufbringend mit der Hand an die Schläfe reibt. Dann versucht Adam es erneut mit einem Funken Hoffnung »Okay, also wir sind uns einig, dass der Mensch ein Primat ist. Richtig?«.

»Richtig!«

»Primaten gehören in die Gruppe der Säugetiere. Richtig?«

»Richtig, mein Sohn!«

»Säugetiere sind, wie der Name schon sagt, Tiere!«

»Du hast es erfasst!«

»Dann muss doch logischerweise der Mensch zu den Tieren gehören. Oder?«

»Nein, wir haben ein Bewusstsein und ein Selbstbewusstsein! Das haben Tiere nicht. Warum kapierst du das nicht?« erklärt Kane.

In diesem Moment hat Adam Steinberg gerade jeden Funken Hoffnung für die Menschheit verloren. Er sitzt fassungslos mit aufgerissenen Augen da und sieht zu seinem Vater rüber, der seine pro menschliche Denkweise vertritt und ihr ohne irgendein Argument der Selbstverständlichkeit huldigt, dass sich der Mensch eindeutig von der Tierwelt erhebt, weil dieser vollkommen und nicht hinterfragbar sei.

Adam gibt seinen Vater auf, greift zum nächsten halbvollen Bierkrug und bevor er diesen kippt, denn nach diesem Gespräch braucht Adam das, kommentiert er noch ein letztes mal »Okay, weißt du was? Vergiss es! Du kapierst es nicht, Daddy!«.

»Komm schon! Warum kapierst du das nicht?« fragt Kane.

Adam leert erst einmal das Glas, bevor er weiter redet »Okay, Paps! Beantworte mir einfach folgende Frage! Warum sollte das Bewusstsein ein Merkmal sein, das Tiere nicht haben können?«.

»Die Regel hab ich nicht gemacht, mein Sohn!«

»Und wer dann?« fragt Adam »Irgend so ein Bürgermeister aus Texas, der seinen christlichen Bewohnern Honig ums Maul geschmiert hat, damit diese an ihm besser kleben bleiben, wenn sie ihm den Arsch lecken?«.

»Nein! Ich denke, Gott hat diese Regel gemacht!« antwortet sein Vater.

Und wieder musste sich Adam ein Dogma anhören. Dann wurde er laut.

»ACH, LECK MIR DOCH DIE EIER, DAD!«

»WIRFST DU SONST WIEDER MIT GLÄSERN?«

»NEIN, DAS IST EINE KNEIPE. HIER GIBT ES REGELN.«

5

Im gleichen Moment als Adam und Vater das wohl interessanteste Vater-Sohn-Gespräch seit der Gründung der Kolonie führen, nähert sich wutentbrannt auch Sinclair der MIR`s mit schwitzenden Achseln und rotem Gesicht. Er stolpert voller Unachtsamkeit über eine Bordsteinkante und steht dann wieder auf. Die Bordsteinkante hat bei ihm nichts bewirkt. Sinclair ist unaufhaltsam. Er klopft sich den Staub von den Klamotten und geht geradewegs auf die Eingangstür der MIR`s zu. Er durchstößt sie wie ein geiler Bulle den Geburtskanal einer Kuh. Da steht er nun da, wird aber vollkommen ignoriert, weil Adam und Kane viel zu sehr damit beschäftigt sind, sich wie konkurrierende Schimpansenmännchen anzuschreien. Wären sie im Wald unter sich ohne jede Regel der Gesellschaft, sie würden sich mit Exkrementen bewerfen. Sinclair räuspert, aber niemand hört ihn. Er räuspert lauter, so dass man ihn doch hört, aber niemanden interessiert es. Sinclair mag zwar der Forschungsleiter der SOD sein, aber im Tierreich ist er definitiv nicht das Alphamännchen. Dann erhebt Sinclair die Stimme und brüllt »STEINBERG! ICH MUSS MIT IHNEN REDEN.«.

Adam antwortet schnell, aber nicht mit den von Sinclair erhofften Worten »HALTEN SIE IHRE SCHEIß FRESSE UND VERPISSEN SIE SICH, SIE ARSCHLOCH!«.

»ADAM!!!« erwidert sein Vater.

»WAS?« fragt Adam.

Dann wischt er sich den Schweiß von der Stirn, greift zum Schnapsglas, das da noch auf dem Tresen steht und leert es bevor ein anderer es tut. Dabei war das noch nicht einmal sein Glas. Dann beruhigen sich alle wieder.

»Sagen Sie was Sie wollen, Sinclair!« fordert Adam mit fuchtelnder Hand.

Sinclair kommt sofort zum Punkt »Die Protokolle. Wo sind Ihre Daten Steinberg?«.

Adam hält sich die Hand vor den Mund und fängt an zu Kichern.

Sinclair ist gar nicht amüsiert und fragt »Was ist so witzig? Sie wollen mir doch nicht weis machen, dass Sie die ganzen Jahre über nie protokolliert haben!?«.

Adam sieht sich Sinclair an wie ein sadistisches Raubtier, das mit seiner Beute spielt und antwortet mit einem fiesen Grinsen »Doch! Ich habe protokolliert. Und zwar genau hier!«.

Adam zeigt mit seinem Zeigefinger auf seine Schläfe. »Alle Daten und alle Erkenntnisse meiner Arbeit stecken hier drin.«.

»Oh, nein! Sie haben kein fotografisches Gedächtnis!« mault Sinclair ihm entgegen.

»Nein! Das vielleicht nicht, aber ich habe ein gutes Gedächtnis!« antwortet Adam.

»Ich glaube Ihnen nicht. Beweisen Sie es, Steinberg!« fordert Sinclair auf.

Adam reibt ein wenig am Gestell seines Monoggles und runzelt nachdenklich die Stirn mit nach oben gerichtetem Blick. Er greift nach einem Stift aus seiner Laborkitteltasche, geht zu Sinclair, greift seine Hand und schreibt ihm zwei Zahlen mit je 14 signifikanten Stellen hinter dem Komma auf seine Handinnenfläche.

»Das sind die Koordinaten von Kalles letztem Vortrag. Die Höhen- und Breitengraden des Plagenestes B-4X.«.

Kalle sieht sich die Zahlen genau an und Sinclair fragt ihn »Stimmt das, Doktor Erlmeyer?«.

Kalle antwortet »Jepp, das kommt so in etwa hin. Bei den Nachkommastellen kann ich das nicht genau sagen, weil ich die Zahlen selber nicht so exakt im Kopf habe.«.

Sinclair ist nicht sehr erfreut über die Erkenntnis, ein Genie vor sich stehen zu haben. Er wirft Adam einen stechenden Hassblick zu und Adam erwidert diesen mit einem spottenden „Fick dich selbst!“-Blick, mit hochgezogenem Mundwinkel und zwei unterschiedlich weit geöffneten Augenlidern. Dabei hebt er den Brustkorb hervor und steckt sich zur Krönung noch die Hände in die Hosentaschen. Adam bemerkt wie Ivy hinter seinem Rücken applaudierend mit den Händen klatscht. Es ist völlig natürlich, dass ein Weibchen dem Gewinner zujubelt, nachdem zwei Schimpansen ihre Schwanzlängen verglichen haben. Und es ist ebenfalls natürlich, dass das Männchen mit dem größeren Schwanz diesen Moment des Erfolges auskostet. Adam dreht sich zum applaudierenden Weibchen Ivy um und verbeugt sich vor seinem Publikum.

Sinclair muss schlucken bevor er fortfährt »Also gut, Steinberg! So ungern ich das auch zugebe. Aber offensichtlich benötigen wir Ihre Dienste doch noch. Wenn Sie sich bei mir entschuldigen, können Sie gerne wieder Ihren Dienst antreten.«.

Adam erwidert »Ich nehme Ihre Entschuldigung an, Sinclair! Aber damit ist es nicht getan. Sie haben sich wie ein Riesenarschloch aufgeführt und dafür erwarte ich eine Wiedergutmachung.«.

Sinclair bebt vor Stöhnen und Knurren und sein verachtender Blick lässt seine Stirn wie die eines Klingonen aus Star Trek wirken (Wise et al. 1979). Dann muss er es aussprechen.

Worte die sein Selbstbewusstsein und seinen Stolz wie Holz in 1molare Salzsäure verätzen lassen »~Also schön!~ Was kann ich denn für Sie tun?«.

»Ich möchte, dass Ivy Ihnen eine reinhauen darf.« antwortet Adam.

Die Kneipengäste, die das Spektakel schon eine Weile beobachten, waren schon vorher sehr aufmerksam. Doch diejenigen, die bisher nur mit einem Ohr zugehört haben, drehen ihre Gesichter nun ebenfalls in voller Aufmerksamkeit in Richtung Sinclair, Steinberg und Ivy. Adam setzt aber noch einen drauf »Und zwar hier und jetzt. Vor allen Leuten.«.

Sinclair sieht sich um und blickt dann zur verängstigten Ivy, die den Eindruck macht, als wüsste sie gar nicht wie ihr geschieht und wie sie auf diese Umstände reagieren soll. Sie wirkt leicht irritiert.

»Abgemacht!« antwortet Sinclair übermütig mit einem Schulterziehen »Wie schlimm kann das schon werden. Ich mach mir eher Sorgen um Ihre Ratte, dass sie sich die Pfote verletzen könnte.«.

Adam fordert Ivy mit einer Handbewegung auf aufzustehen und zu ihm zu kommen. Sie folgt der Aufforderung und reicht Adam ihre Pfote. Adam greift sie und positioniert sie zu Sinclair. Ratte und Peiniger stehen sich nun erneut gegenüber und der Peiniger wird zum Gepeinigten. Adam massiert Ivy mit beiden Händen die Schultern wie ein Trainer seinen Boxchampion und sagt »Denk dran, dass der Kerl dir zuerst in die Fresse geschlagen hat. Es ist nur gerecht.«.

Sinclair hebt das Kinn und sieht Ivy hochnäsig und dominant in die Augen. Dann kommt eine kleine Backpfeife, für die ein Zuschauer sein Geld zurückverlangen würde. Es war eher eine sanfte Berührung als ein Schlag und Sinclair erwidert es mit einem grunzenden Kichern.

»Nein! Fester, Ivy!« sagt Adam.

Ivy schlägt nochmal zu etwas schneller, aber auch ohne Wumms.

»Nein, Ivy! Du musst ihm voll auf die Fresse hauen!« fordert Adam.

Aus Sinclairs Kichern wird ein spottendes Lachen. Dieses Lachen kann Ivy jedoch gar nicht leiden und lässt sie erinnern wie wenig Respekt sie von den Leuten bekommt und wie sehr man im Besprechungsraum auf sie herabgeschaut hat. Dann folgt ein wuchtiger Schlag mit dem Sinclair nicht rechnet. Ivy schlägt ihm genau seitlich gegen den Unterkiefer. Sinclair fällt nach hinten gegen den Türrahmen vom Eingang, kann aber noch geradeso ein „zu Boden fallen“ verhindern. Er behält das Bewusstsein, was die Sache, aber noch schlimmer macht. Denn bewusst bekommt er mit, wie die Gäste, der Barkeeper MIR, Adam, Kane, Kalle und Ivy ihn dabei beobachten von einer Rattenlady niedergeschlagen worden zu sein.

Sinclair richtet wütend seinen Kragen und verlässt die Kneipe mit einer Bemerkung »Sie haben, was Sie wollten, Steinberg! Jetzt machen Sie sich an die Arbeit, Sie Choleriker!«.

Nachdem das Bier, der Schnaps, der Wodka und die Scotchflasche bezahlt sind, verlassen alle das MIR`s. Adam klopft Ivy stolz auf den Rücken und kommentiert »Das war für den Anfang nicht schlecht, aber beim nächsten Mal müssen Zähne fliegen.«.

»Bitte halt mich das nächste Mal da raus und mach das selbst, Adam!« erwidert Ivy.

Kane Steinberg geht nochmal auf Adam und Ivy zu und hält sie für ein weiteres Gespräch an »Ivy, ich muss noch etwas mit dir bereden.«.

»Was denn?« fragt Ivy.

»Es geht um ein Zuchtprogramm. Ich habe jetzt einige Rattus sapiens-Exemplare gezüchtet und anstatt sie noch weiter im Reagenzglas zu züchten, will ich einige Ratten miteinander kreuzen. Ich möchte dich gerne in das Zuchtprogramm integrieren.« antwortet Kane.

Während Ivy mit einem überraschten Blick den Mund nicht mehr zu kriegt, reagiert Adam mit einem leichten kurzen Würgen, als ob ihm die Nachricht etwas Kotze hochkommen ließe.

Ivy stottert vor Scham »Äh, äh, äh... ähm! I...I...Ich..., äh....«.

Adam ergreift das Wort »Du musst nicht antworten. Ich kann gleich sagen, dass das eine blöde Idee ist. Tut mir Leid, Paps, aber Ivy muss mir im Labor helfen. Außerdem ist Ivy ein Prototyp. Du weißt gar nicht, ob Ivy kompatibel ist.«.

Kane antwortet darauf »Deswegen will ich es ja ausprobieren. Außerdem hab ich sie ja dafür geschaffen.«.

Adam erwidert »Nein! Nein! Sie ist ein Prototyp. Das heißt, du hast Sie geschaffen, um zu gucken, ob die Erschaffung möglich ist. Das heißt, Ivy hat ihre Schuldigkeit damit getan.«.

»Hier geht es nicht um Schuldigkeit. Hier geht es um maximale Ausbeute. Ivy soll über sich hinaus gehen.« sagt Kane.

»Sie ist meine wissenschaftliche Assistentin. Wie weit hinaus soll sie denn noch gehen?«

»Sie ist aber vor allem eine Dame, die das Recht auf eigenen Nachwuchs hat.«

»Vielleicht solltest du sie erst mal fragen, ob sie das überhaupt will.«

Kane zieht die Schultern nach oben und antwortet darauf »Ich muss sie nicht fragen. Sie ist mein Eigentum.«.

Adam erhebt den Zeigefinger vor dem Gesicht seines Vaters und will noch etwas hinzufügen, aber bevor er ein Wort sagen kann, legt Ivy sanft die Pfote auf Adams Zeigefinger und drückt diesen wieder runter, während sie ihn unterbricht »Das ist schon in Ordnung, Adam! Ich hab nichts dagegen, das mit unserem Vater zu bereden.«.

»Ja, aber...« stottert Adam.

Bevor Adam noch ein weiteres Wort sagen kann, hält Ivy ihren Zeigefinger vor seinem Mund und unterbricht ihn »Ä ä... Kein „Aber“! Das ist meine Angelegenheit und die unseres Vaters. Und wenn du mich respektierst, dann mischst du dich nicht ein. Verstanden? Ich kann für mich selbst sprechen.«.

»Sicher?« antwortet Adam wider willens.

»Geh schon mal vor, Adam! Ich werde das mit deinem Vater unter vier Augen bereden. Geh schon mal ins Labor! Bereite die Aminosäure-Isolation vor, die wir für morgen geplant haben und dann geh nach Hause! Ich komme dann nach und wir können noch etwas Keyboard spielen. Und arbeite nicht solange!« zieht Ivy ihren Adam auf.

Während Ivy und Kane über dieses Zuchtprogramm sprechen und sich immer weiter von Adam distanzieren, bleibt Adam an der Stelle stehen, steckt die Hände in die Hosentaschen mit vorgestrecktem Brustkorb und erhobener Nase. Mit der Pose will er verdeutlichen, dass er ein Mann ist, der Veränderungen akzeptieren kann und dass er die Dynamik und die Philosophie des Lebens als Wissenschaftler versteht und dass das alles völlig normal ist. Das sagt ihm zumindest sein Verstand. Aber der Mensch hat auch noch ein Unterbewusstsein und das würde so gerne auch noch etwas dazu sagen. Adam unterdrückt dieses Gefühl, denn er ist ein perfekter Mensch, der diese Situation völlig rational betrachtet. Und das ist so bedauerlich.

Dr. Patchwork und die Insekten

Подняться наверх