Читать книгу Durch den Eisernen Vorhang - Gottfried Niedhart - Страница 7

ABSCHIED VOM KALTEN KRIEG

Оглавление

„In der deutschen Politik wird es interessanter, aber schrecklich schwierig.“ Als der Berliner Regierende Bürgermeister Willy Brandt dies im Oktober 1966 vor dem Hintergrund der kriselnden Regierung Erhard schrieb,1 konnte er nicht absehen, was „interessanter“ und „schrecklich schwierig“ für ihn persönlich bedeuten sollte. Wenig später bekleidete er das Amt des Außenministers in Bonn. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gehörte die SPD einer Bundesregierung an, der Regierung der Großen Koalition, in welcher CDU/CSU mit Kurt Georg Kiesinger den Kanzler stellten. „Interessanter“ wurde es, weil „dynamische Zeiten“ anbrachen, die nicht nur einen politischen, sondern auch einen sozialen und kulturellen Wandel einleiteten.2 Sie sind als die „zweite formative Phase“ in der Entwicklung der Bundesrepublik bezeichnet worden.3 Dazu gehörte nach der Bundestagswahl vom September 1969 auch der Regierungswechsel, der die Ära Brandt einleitete.

Die sozial-liberale Regierung mit dem SPD-Vorsitzenden Brandt als Bundeskanzler und Walter Scheel (FDP) als Außenminister erhob den Anspruch, sowohl im Innern als auch nach außen einen Neustart leisten zu können. Mit der weitgesteckten Reformagenda und der auf Erweiterung der EG zielenden Europapolitik nahm sie Vorhaben der Vorgängerregierung auf. In der Deutschlandpolitik zog sie die Konsequenz daraus, dass sich in der Bundesrepublik ein eigenes Staatsbewusstsein herausgebildet hatte. Mehrheitlich nahmen Politik und Gesellschaft den westdeutschen Teilstaat nicht mehr als Provisorium wahr, sodass auch der DDR in aller Form das Attribut eigener Staatlichkeit zuerkannt werden konnte. Die Folge war, dass es schon im März 1970 zu einem deutsch-deutschen Gipfeltreffen kam. Eng damit verbunden war eine Außenpolitik, die als Entspannungspolitik eine Normalisierung der Beziehungen zur Sowjetunion und zu den übrigen Staaten des Warschauer Pakts anstrebte. Nach den Anfängen zur Zeit der Großen Koalition erfolgte jetzt ein Durchbruch, der als „neue“ Ostpolitik zum Markenzeichen der sozial-liberalen Regierung wurde. Das deutsche Wort Ostpolitik wurde international verstanden und fand bei Politikern, Diplomaten und Journalisten aller Sprachen Verwendung. Die Ostpolitik war Teil eines globalen Trends der Ost-West-Entspannung und zugleich ein maßgeblicher Motor dieses Trends. Was „schrecklich schwierig“ bedeutete, zeigte sich, als diese Politik in der Bundesrepublik zu einer erheblichen Polarisierung führte und auch im Westen auf gewisse Vorbehalte traf.

Die Entspannungspolitik wurde in West und Ost gleichermaßen betrieben und führte zu einer nachhaltigen Veränderung des Ost-West-Gegensatzes. Mit dem Aufstieg der Sowjetunion zur Großmacht mit Weltmachtambitionen während des Zweiten Weltkriegs war dieser Gegensatz zum beherrschenden Faktor der internationalen Politik geworden. Nach dem Krieg drängte die Sowjetunion auf Gleichbehandlung als Weltmacht, die künftig im Nahen und Mittleren Osten, im Mittelmeerraum und in Osteuropa Einflusszonen beanspruchte. Aus westlicher Sicht zählte jedoch nicht das Sicherheitsbedürfnis, das Stalin für sein Land geltend machte, sondern einzig sein irritierender Machthunger. Es war kein Zufall, dass der Begriff Kalter Krieg im Zusammenhang mit den im Dezember 1946 gescheiterten Verhandlungen in der Atomenergiekommission der UNO über die internationale Kontrolle der Nukleartechnik auftauchte. Als Stalin sich aus nachvollziehbaren Gründen weigerte, den USA auch nur vorübergehend ein Monopol auf die Atombombe zuzugestehen, und stattdessen den Bau einer eigenen Bombe vorantrieb, lautete der Kommentar des amerikanischen Verhandlungsführers Bernard Baruch: „Wir sind heute inmitten eines Kalten Kriegs.“4

Durch den Eisernen Vorhang

Подняться наверх