Читать книгу FCKNG New Year - Grace C. Node - Страница 10
ОглавлениеGrölend stehen die Partywütigen vor der Absperrung und verlangen Einlass. Es ist bitterkalt in dieser Silvesternacht und die Weiber frieren sich in ihren knappen und leichten Kleidchen sicher den Arsch ab, aber die Order lautet: Einlass Punkt 20 Uhr. Also stehe ich mit abschätzigem Blick neben meinen Jungs vor dem Club und beantworte die immer wiederkehrenden Fragen stoisch mit »Nein!«
Beim Gedanken daran, dass Jocelyn mit ihrer Horde Mädels hier aufkreuzt, kann ich innerlich nur die Augen verdrehen. Sie sollte auf einer netten Party bei netten Leuten sein, anstatt sich mit diesem geifernden Partyvolk abzugeben, die einen auf dicke Hose machen, nur um eine wie sie ins Bett zu kriegen. Sie wird nicht in den Club kommen. Auf keinen Fall! Eher friert die Hölle zu.
Zumindest war das mein letztes Wort, als ich um 18 Uhr losgefahren bin und ich ihren Wutausbruch gegenüber meiner Order ignoriert habe. Aber wie ich sie kenne, wird sie meine Warnung in den Wind schießen, und ich darf mal wieder den Retter spielen, wenn es hart auf hart kommt. Seit sie ihren Praktikumsplatz bei einer höchst renommierten Anwaltskanzlei angetreten hat, habe ich sie kaum zu Gesicht bekommen. Tja, das Küken wird flügge.
Wachsam lasse ich den Blick über die Menge schweifen, taxiere jeden ganz genau, um mögliche Störenfriede zu enttarnen. Doch erstaunlicherweise sind nur einige bereits angeheitert, ohne weiter aufzufallen. Das übliche Vorglühen für eine wilde Partynacht. Eine junge dunkelhaarige Schönheit zwinkert mir zu und versucht, mich mit ihrem Schmollmund und dem einstudierten kessen Augenaufschlag dazu zu bewegen, ihr meine Aufmerksamkeit zu schenken. Da beißt das Girlie bei mir jedoch auf Granit. Ihre Kleidung ist teuer und ihre Freundinnen stehen ihr in nichts nach – verdammte Rich-Kids.
»Hey, mein Hübscher, was muss ein Mädchen wie ich tun, um einen Kerl wie dich dazu zu bewegen, sie reinzulassen?«, richtet sie sich mit quietschiger Stimme an mich.
Distanziert mustere ich sie, wie eine der Spritlieferungen, die wir heute Nachmittag im Hinterhof in Empfang genommen haben. »Süße, bei mir gibt es keine Ausnahmen. Einlass 20 Uhr.« Und damit wende ich mich ab und einer der schweren Jungs tritt an meine Stelle.
Einen letzten Rundgang durch die Location gönne ich mir, prüfe, ob alle Notausgänge frei sind, die Barkeeper alles haben, was sie brauchen und die VIP-Bereiche durch meine Leute gesichert sind. Solche Abende bringen gutes Geld und ich kann jeden Penny gebrauchen. Seit ich vor einigen Monaten die Leitung des Sicherheitsteams hier im Club übertragen bekam, läuft es deutlich ruhiger ab. Bisher waren die Jungs eher ein ungeordneter Haufen breitschultriger Kerle, die böse gucken konnten. Dann hat Jeff mich im Boxclub angesprochen und ich habe ... die Zügel etwas angezogen.
»Hey Scott, willst du noch einen Drink?«, fragt mich Laila, unsere Chef-Barkeeperin und zwinkert mir aufmunternd zu. Die rassige Latina hat den Laden voll im Griff und ist nie um einen Flirt verlegen. Mit ihrem freizügigen Dekolleté, das den Umsatz ordentlich in die Höhe treibt, bekommt sie auch jede Menge Spaß, dem sie nicht abgeneigt ist.
»Danke Süße, später vielleicht.« Grinsend sehe ich sie an. Sie kann einen gestandenen Kerl locker unter den Tisch trinken, und das ist bei einer Körpergröße von vielleicht ein Meter siebzig erstaunlich.
»Du weißt ja, wo du mich findest.« Frech zwinkert sie mir zu und ich nicke bloß, bevor ich mir von der Technik das Go hole, dass alles startklar ist.
Punkt 20 Uhr öffnen wir den Club und lassen die Meute herein. Von meinem Posten oben am VIP Bereich aus kann ich alles gut überblicken. Schnell füllt sich der Saal, die Musik dreht auf und an den Bars tummeln sich die Gäste.
Über mein Head-Set rufe ich die einzelnen Stationen an, um mir den aktuellen Status durchgeben zu lassen. Keine besonderen Vorkommnisse. Sehr gut. Eine halbe Stunde später ist der Laden rappelvoll und es herrscht Einlassstopp. An der Tür gibt es die üblichen Krawallmacher, die sich über unsere Order hinwegsetzen wollen, aber die Jungs haben alles im Griff. Um mir die Beine zu vertreten, gehe ich runter zur Tür, wobei ich die Tanzfläche außen umrunde, Stammgästen zunicke und ein wachsames Auge auf die kleinen Grüppchen junger Männer habe, die hier und da zusammenstehen. Aber bislang ist alles entspannt. Von der Garderobe schnappe ich mir meinen Parker und gehe zur Tür. Zeit für einen Rundgang.
»Sir, ich muss Sie bitten, zurückzutreten«, höre ich Jeff, der einen laut lamentierenden Kerl mit zwei Frauen vor sich hat. »Der Laden ist voll. Sie sind leider zu spät. Wir können niemanden mehr reinlassen.«
»Komm’ schon, Jungchen. Ich hab’ hier ... Hundert Dollar. Damit kannst du mit deiner Süßen einen draufmachen, wenn du jetzt ein Auge zudrückst«, bietet er Jeff mit einem überheblichen Lächeln an, der den großspurigen Kerl ohne jegliche Gefühlsregung mustert.
»Wie schon gesagt, kein Einlass. Haben Sie Verständnis.«
»Wie wär’s mit ... äh, hundertfünfzig Dollar.«
»Sir, ich bin nicht käuflich.«
»Elender Pisser. Was für ein arroganter Arsch bist du denn? Wenn dein Boss das hört, dass du mich nicht reinlässt, wird dir das noch leidtun. Also ...«
»Gibt’s hier ein Problem?«, frage ich ruhig und baue mich neben Jeff auf, verschränke die Arme vor der Brust und sehe auf den Idioten herunter, der einen Kopf kleiner ist als ich.
»Nein, kein Problem. Nur jemand, der glaubt, mit Geld alles lösen zu können.«
»Wer bist du denn? Der verblödete Bruder von Hulk?«, spottet der Störenfried und innerlich verdrehe ich die Augen über seine Leichtsinnigkeit. Jeff ist ausgebildeter Bodyguard mit Kampferfahrung und ein eher ruhiger Typ. In Aktion willst du ihn allerdings nur erleben, wenn er auf deiner Seite steht.
»Sir, wir können das auf zivilisierte Weise regeln, oder wir rufen die Cops, sollten Sie weiterhin den Betrieb hier stören«, stelle ich dem Idioten in Aussicht, der wutschnaubend von seinen zwei Mietzen vom Eingang weggezogen wird.
»Die Cop-Nummer zieht immer«, meint Jeff grinsend und ich klopfe ihm freundschaftlich auf die Schulter.
»Tja, manchen Typen muss man nur klarmachen, dass sie nicht über dem Gesetz stehen.«
Damit stapfe ich einmal um den Club herum, verscheuche zwei Penner, die sich auf den Stufen zum Keller eine Flasche billigen Fusel teilen wollen und gehe zur Rückseite des Clubs, um dort nach dem Rechten zu sehen. Noch dreieinhalb Stunden bis Mitternacht. Dann ist dieses beschissene Jahr endlich zu Ende.
Die Hände in den Jackentaschen vergraben, stapfe ich durch die Dunkelheit, als ich eine Gestalt am Hintereingang wahrnehme. Für gewöhnlich ist das der Ausgang des Personals und da alle arbeiten, ist die Frage, wer zum Teufel da gerade den Club betreten will?
Ich sehe mich um, kann allerdings niemanden vom Personal entdecken. Schnellen Schrittes gehe ich zu der schweren Metalltür und betrete den Gang, der in den hinteren Teil des Clubs führt. Durch die verglaste Tür sehe ich gerade noch, wie ein großer dunkelhaariger Kerl mit einer Blondine in einem silbernen Kleid unschlüssig vor der Menschenmenge steht. Als ich die Tür aufstoße, verschwinden sie bereits zwischen den Tanzenden und fluchend setze ich mich in Bewegung.
Ein paar Stammgäste halten mich auf und innerlich koche ich vor Wut, dass mir die beiden Streuner durch die Lappen gegangen sind. Da der Kerl eine Kutte trägt, wird er hier auffallen wie ein bunter Hund und ich gebe den Jungs per Funk die Order, die Augen nach ihm aufzuhalten.
Bedauerlicherweise pöbelt ein Besoffener Laila an, die ihm auf Grund seines desolaten Zustandes keinen harten Drink mehr ausschenken will. Nach einem kurzen, sehr eindeutigen Schlagabtausch mit dem Typen, auf den sein Freund einredet, schnappe ich ihn und bugsiere ihn aus dem Club. Jeff hat schon ein Taxi gerufen, in das ihn sein Freund hievt und sich bei uns grummelnd entschuldigt. Für die zwei ist Silvester gelaufen.
Als ich endlich wieder im Club bin, gibt mir einer meiner Leute die Info, dass der Dunkelhaarige an einer der Nebenbars steht, und sofort steuere ich durch die Menge zu dem ungebetenen Gast. Zwei Männer, einer davon ist der gesuchte Eindringling, sind in eine hitzige Diskussion verstrickt, und der zweite Kerl hält den Dunkelhaarigen fest im Griff. Der zappelt wütend herum und dreht mir dann das Gesicht zu.
Verdammt, den Kleinen kenne ich doch. Hat ein Händchen, sich in die Scheiße zu reiten mit seiner großen Klappe und ist Mitglied der berüchtigten Vancouver-Venom-Bikertruppe. Auf die Typen kann ich getrost verzichten.
»Paul, sag’ mal was ist hier los? Und wie zum Teufel kommst du hier rein?« Dabei fällt mein Blick auf den anderen Typen und sofort bin ich in Habachtstellung.
Cole Mitchell, arrogantes Arschloch und leider einer der besten Helikopter Piloten der Royal Canadian Air Force, die uns damals in einigen Einsätzen begleitet haben. Scheiße, den Wichser kann ich gar nicht brauchen.
»Cole!«, nicke ich ihm missbilligend zu.
»Scott!«, erwidert er kühl meine wenig herzliche Begrüßung.
Paul blickt zwischen uns hin und her und wird dann von Cole weggeschubst.
»Verzieh’ dich und lass dich bloß nie wieder in ihrer Nähe blicken«, ruft Cole ihm hinterher. Bevor ich mir Paul schnappen kann, flüchtet er geschickt durch die Menge.
»Hey«, brülle ich ihm hinterher und nehme die Verfolgung auf. Dieser Abend entwickelt sich allmählich zu einer verdammten Schnitzeljagd. Ich dränge mich durch die Leute, suche nach dem großgewachsenen dunklen Schopf, von dem jedoch jegliche Spur fehlt.
»Nimm’ deine Finger von meinem Mann, du blöde Ziege«, höre ich eine grelle Frauenstimme und drehe mich in deren Richtung.
»Vielleicht solltest du IHN an die Leine nehmen, wenn er es nötig hat, andere Weiber anzubaggern.« Eine zierliche Blondine in einem silbernen Kleid, das jede Menge ihrer wohlgeformten Beine zeigt, steht lässig an der Bar mit einem Drink in der Hand und sieht die dunkelhaarige Kontrahentin, die sich vor einen dämlich grinsenden Kerl gedrängt hat, abschätzig an.
Sieh’ einer an! Da ist ja die Party-Crasherin, die ich suche.
»Ach ja? Du hast dich ihm ja praktisch an den Hals geworfen.«
»Schätzchen, das würde ganz anders aussehen. Also mach’ die Biege, denn ich will meinen Drink genießen«, erwidert die Blondine mit einem arroganten Lächeln und dreht sich um, wird aber von der keifenden Brünetten gepackt.
Bevor ich eingreifen kann, fährt die Blonde erstaunlich behände zu der Angreiferin herum, packt deren Arm und dreht ihn ihr auf den Rücken, dass ich Sorge habe, sie kugelt ihr den Arm aus.
Auf Cat-Fights kann ich gut verzichten, aber schon haben sich um die Zwei johlende Schaulustige versammelt.
Shit!
»Fass mich noch einmal an, BITCH, und ich breche dir die Nase. Und jetzt verpiss dich«, zischt die Blondine und stößt die Brünette in die Arme ihres Loserfreundes, der äußerst einfältig aus der Wäsche guckt.
»Ma’am, Ihr Verhalten ist unangemessen.« Die Blondine dreht sich mit einem wütenden Blick zu mir um.
WOW!
Aus großen, haselnussfarbenen Augen starrt sie mich streitlustig an.
»Ach ja? Ich werde angegriffen und beleidigt, weil ein Typ MICH anbaggert, und ich soll mich ›unangemessen‹ verhalten haben, weil ich mir das nicht gefallen lasse?« Stolz reckt sie den Kopf und sieht zu mir auf, denn trotz der mörderischen High Heels, die sie trägt, reicht sie mir gerade mal bis zum Kinn.
»Sie stören mit Ihrem Verhalten den Clubbetrieb.«
»Hm, den Leuten scheint die kleine Show gefallen zu haben.« Kess zwinkert sie mich an, und ich muss gestehen, dass ich ihren Mut sehr bemerkenswert finde. Grimmig starre ich auf sie herab.
»Ich muss Sie auffordern, mir zu folgen.«
Ihre Augen verengen sich und sie hebt missbilligend eine fein gezeichnete Augenbraue.
»Als Gast dieses Hauses werde ich mich beim Inhaber über IHR Verhalten einer Dame gegenüber ...«
Mit einem Schritt bin ich ganz dicht vor ihr, sodass sie die hübschen Augen aufreißt und ich sie fast mit dem Körper berühre. Aber nur fast. Leider steigt mir ein betörender Duft in die Nase, der mich für eine Sekunde zögern lässt. Ein Duft, der an Sonnencreme mit einer Zitrusnote erinnert.
Ich beuge mich zu ihrem Ohr. »Wir beide wissen, dass Sie sich durch den Personaleingang hier reingemogelt haben, was bedeutet, dass Sie meinem Boss 90 Dollar schulden. Also schlage ich vor, Sie begleiten mich, ohne eine Szene zu veranstalten. Anderenfalls werde ich sie hier raustragen, und das wollen Sie ganz sicher nicht, Lady.«
Damit trete ich wieder einen Schritt zurück und bemerke zufrieden, wie sie mich mit offenem Mund anstarrt. Ein überaus hübscher und verlockender Mund, wie ich feststellen muss, dessen volle rote Lippen von einer rosigen Zunge benetzt werden.
Sie schätzt ihre Lage ein, ihr Blick wirkt unstet und sie schwankt ein wenig. Offenbar hatte sie einen Drink zu viel. Ihre Stirn kräuselt sich und sie hebt den Zeigefinger, um ihn mir in die Brust zu piksen.
»Na schön, Mister! Aber ich komme nur mit, weil Sie ...« Blinzelnd verzieht sie das Gesicht. »... so gut riechen.« Sie schmunzelt kess, will einen Schritt nach vorne machen, kippt mir jedoch unvermittelt in die Arme.
Verdammt, die Kleine ist sturzbetrunken.
Die umstehenden Gäste verfolgen neugierig unseren Schlagabtausch, und um nicht noch weiter für Belustigung zu sorgen, packe ich sie sanft an den Oberarmen, wobei sie mich ansieht.
»Wo ist Ihre Handtasche?«
Grinsend zuckt sie die Schultern. »Hab keine.«
»Womit haben Sie die Drinks ...?«
Sie legt mir einen Finger auf den Mund und mir stockt der Atem. Die Kleine spielt offenbar gerne mit dem Feuer. Wäre ich ein krankes Arschloch, würde ich leichtes Spiel mit ihr haben.
»Ist es in diesem Schuppen verboten, wenn einem Mädchen ein Drink ausgegeben wird?«, fragt sie mit einem verschmitzten Gesichtsausdruck, der sie wahnsinnig jung wirken lässt.
»Nein, ist es nicht. Aber Sie benötigen einen Ausweis, um hier reinzukommen. Wo ist Ihrer?«, hake ich nach und verziehe keine Miene, als sie sich gegen mich lehnt, ich ihren warmen zierlichen Körperbau wahrnehme und die Zähne zusammenbeiße, denn er fühlt sich verflucht sinnlich an.
»Wenn du willst, verrate ich es dir. Aber dazu musst du die Hand in mein Höschen ...«
»Das reicht jetzt«, knurre ich genervt von ihrem Spielchen und zerre sie hinter mir her zum Büro, das sich im ersten Stock des Gebäudes befindet. Da ich keinen Bock habe, die Bullen zu rufen, werde ich sie nach Hause bringen lassen.
Seufzend lässt sie sich auf einen der Stühle vor dem Schreibtisch fallen und wirkt plötzlich ziemlich angeschlagen. Nachdenklich beobachte ich sie. Mit einem leichten Kopfschütteln hole ich eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank, der in der Ecke hinter dem Schreibtisch steht, und gieße ihr ein Glas Wasser ein.
»Hier, runter damit.«
Skeptisch beäugt sie das Glas, das ich ihr vor die Nase halte und schnuppert daran. Verdenken kann ich es ihr nicht, da das Pflaster hier in Vancouver hart sein kann, und eine gesunde Vorsicht ist nie verkehrt. Um ihre Sorge zu zerstreuen, trinke ich einen Schluck und reiche ihr das Glas erneut. Ihre misstrauische Miene klart auf und gierig stürzt sie das Wasser herunter. Ich hole die ganze Flasche und sie genehmigt sich ein weiteres Glas.
»Also, wie heißen Sie, Ma’am?« Ich lehne mich mit dem Hintern gegen die Tischplatte und verschränke die Arme vor der Brust. Wieder klebt ihr wachsamer Blick an mir.
»Du kannst mich nennen, wie du willst«, säuselt sie auf einmal mit einem anzüglichen Lächeln auf den Lippen und mir reißt der Geduldsfaden.
»Schluss mit der Scheiße! Ich habe keine Zeit, den Babysitter für eine betrunkene Partycrasherin zu spielen. Also: Name und Adresse, dann rufe ich Ihnen ein Taxi, das Sie zu Hause absetzt.« Harscher als gewollt fahre ich sie an und beim Klang meiner grollenden Stimme zuckt sie zusammen.
Es scheint, als hätte ich mit meiner Verbalattacke ihren Kampfgeist gebrochen und sie senkt den Blick. Mist, so wollte ich sie nicht angehen, aber Herrgott mit ihrer Provokation an einem Abend wie diesem erwischt sie mich auf dem falschen Fuß.
»Carly Price. Mein Name ist Carly Price. Ich ... es ist nicht nötig, dass Sie ein Taxi rufen. Ich wohne nicht weit von hier«, murmelt sie leise. Ihre gesamte Körpersprache schreit förmlich ›Panik‹, und ich frage mich, wovor sie weglaufen will.
»Es sind -5°Celsius da draußen und es schneit. Das Taxi ...«
Sie springt auf und schüttelt energisch den Kopf, wobei sich eine Haarsträhne ihrer honigblonden Locken aus der Hochsteckfrisur löst. »Nein, ich ... ist schon gut, ich laufe.« Damit stöckelt sie zur Tür und knickt mit dem Fuß um. In zwei Sätzen bin ich bei ihr und verhindere gerade so, dass sie auf dem Boden landet.
Verdutzt sieht sie mich an, als ich sie hochhebe. »Das ist schon das zweite Mal, dass ich Sie vor einem Sturz bewahre«, brumme ich, genieße allerdings erneut den sommerlichen Duft ihres Parfums und stelle fest, dass sie fast nichts wiegt.
»Sie sind ein wahrer Held.« Sie schmunzelt verträumt, wobei ich bei dem Wort ›Held‹ zusammenzucke.
»... in Anerkennung der außerordentlichen Tapferkeit und herausragender Dienste im Einsatz die Medal of Honor an Sergeant Scott Tyrell ...«
»... hiermit gegen den direkten Befehl im Kampfeinsatz verstoßen. Die damit einhergehende Gefährdung der gesamten Mission sowie der Einheit und die Verweigerung eines direkten Befehls des diensthabenden Commander Mike Thorne führt unweigerlich zu der Entlassung aus der U. S. Navy!«
Mit einem tiefen Atemzug verscheuche ich die Geister der Vergangenheit und bringe Abstand zwischen uns.
»Bitte, ich ...« Verlegen räuspert sie sich. »Ich habe kein Geld fürs Taxi.«
Entgeistert sehe ich sie an. Dafür, dass sie betrunken ist, spricht sie erstaunlich deutlich. Verdammt, ich kann sie auf keinen Fall in dem Zustand allein durch Vancouver laufen lassen.
»Einen Moment«, brumme ich und rufe Jeff an, um ihm mitzuteilen, dass ich kurz wegmuss. Er übernimmt, ohne groß Fragen zu stellen, meine Stellvertretung, und ich schnappe mir den Autoschlüssel sowie die Jacke.
»Ihr Jacke ist an der Garderobe?«, frage ich, doch sie schüttelt den Kopf.
»Sie lag auf dem Barhocker. Keine Ahnung.«
O Mann, die Kleine macht mich fertig.
Ich rufe an der Bar an und wenige Augenblicke später kommt einer der Barkeeper mit einer Daunenjacke zu mir ins Büro.
»Na schön. Ich bringe Sie jetzt nach Hause.«
Wir treten auf den Gang und ich dirigiere sie durch das Labyrinth der Gänge zum Parkplatz, auf dem mein Wagen steht. Die eisige Luft in der die ersten Schneeflocken tanzen, knockt sie förmlich aus, denn keine vier Schritte später, krallt sie sich haltsuchend in meine Jacke.
»Nicht ... so schnell. Mir ist ...« Ruckartig zuckt ihr Oberkörper nach vorne und sie kotzt mir fast auf die Füße.
Scheiße noch mal!
Wimmernd und mit einem angeekelten Gesichtsausdruck wischt sie sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Tut mir leid«, wispert sie matt und ich reiche ihr ein Taschentuch. Zum Glück hat sie es hier und nicht in meinem Wagen gemacht.
»Besser jetzt?«, frage ich angesäuert und sie nickt.
Mit Blick auf die Uhr ist es eine Viertelstunde vor Mitternacht. Zeit, die Kleine ins Bett zu verfrachten und diese beschissene Nacht endlich hinter mich zu bringen.
Wir steigen ein und ich frage sie nach ihrer Adresse.
Flehend sieht sie mich an. »Ich ... hab keine.«
Verwirrt blinzele ich. »Wie bitte?«
»Also ich ... wohne zurzeit in einem Zimmer bei ...« Sie stockt. »Beim Vancouver Venom MC.«
Heilige Mutter Gottes, das wird ja immer besser!
»Fuck.«
»Da bin ich abgehauen – na ja, seit heute Nacht. Und ... es wäre nicht förderlich, wenn ich da aufschlage. Also ...«
Mit einem tiefen Atemzug fahre ich mir mit der Hand über das Gesicht und würde am liebsten auf das Lenkrad einschlagen. Sie ist die Old-Lady irgendeines Bikers und bringt mich damit in eine Situation, die ich gar nicht schätze. Allerdings kann ich sie derart angeschlagen nicht auf der Straße hocken lassen und die Kohle für ein Hotelzimmer habe ich auch nicht parat.
Verflucht noch eins!
Scott, du bringst dich mal wieder selbst in Schwierigkeiten. Wie immer.
Resigniert über die Situation fahre ich in Richtung Strathcona. Was bleibt mir anderes übrig.