Читать книгу FCKNG New Year - Grace C. Node - Страница 12

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In der schicken Rooftop Bar eines teuren Restaurants, die für die Party durch die Agentur gebucht wurde, tummeln sich elegant gekleidete Menschen zu chilliger Loungemusik und werden mit kulinarischen Köstlichkeiten des Flying Buffets versorgt, während die Escort-Ladys – alle in aufreizenden dunkelroten Kleidern – den männlichen Gästen schöne Augen machen. Zu Beginn der Party sprach der geschniegelte Agenturchef Michael Heat den Gästen sein herzliches Willkommen aus und deutete an, die Ladys wären für deren Wohl in jeglicher Hinsicht verantwortlich. Ein Umstand, der mich an den Rand der Beherrschung brachte, da ich mir lebhaft vorstellen kann, was einige der schmierigen Typen unter ›jeglicher Hinsicht‹ verstehen.

Igor hat mich vor Beginn des Events warnend angeknurrt, die Füße still zu halten, da er sich ziemlich aus dem Fenster gelehnt hat, um seinen Konkurrenten auszustechen, um den Job zu ergattern. Zähneknirschend versicherte ich ihm, er solle sich keine Sorgen machen, was ihn wenig überzeugte, denn er drohte mir, mich an den Eiern aufzuhängen, sollte ich eine ähnliche Nummer wie bei dem Hoteljob im Dezember abziehen.

Unsere Anweisungen sind simpel: Grimmig gucken, wenig sprechen und möglichst niemanden ans Bein pinkeln, es sei denn, er stört die Party oder die Gäste. Von der Sicherheit der Escort-Ladys war allerdings keine Rede, was mich alarmiert, mir jedoch die Hände gebunden sind.

Der Abend plätschert vor sich hin und bislang ist nichts Aufregendes passiert, außer dass die Gäste mit jeder Stunde lockerer werden, die Tanzfläche rappelvoll ist und einige GoGo-Tänzerinnen und -Tänzer die Stimmung anheizen. Angewidert beobachte ich, wie einige Pärchen sich befummeln, ohne sich an den umstehenden gaffenden Gästen zu stören – scheint hier zum guten Ton zu gehören.

Die rotgekleideten Escorts haben alle Hände voll zu tun, den lüsternen Kerlen Drinks zu servieren oder sie mit Kaviarhäppchen zu füttern.

Was für ein Zirkus!

Unweigerlich wandern meine Gedanken zu Carly, die zum Glück nicht hier ist, denn sie dabei beobachten zu müssen, wie sie sich einem der geifernden Typen an den Hals wirft, fühlt sich grundlegend falsch an. Die Kleine hat eine eigenartig starke Wirkung auf mich, auch wenn wir uns kaum kennen. Na ja, sie hatte mich schon an den Eiern – beim Gedanken an den grotesken Neujahrsmorgen muss ich schmunzeln.

Bislang hatte ich kein sonderlich gutes Händchen, was Frauen anbelangt. Die ersten beiden Gehversuche in Sachen Beziehung waren kurzweilig, da wir zu jung und zu naiv waren. Tja, und als ich auf Sarah traf, ging ich das Ganze etwas ernsthafter an. Es war vertraut, wir hatten Spaß, doch mit den Auslandseinsätzen hatte sie zu kämpfen. Drei Jahre ging es gut. Dann trennten wir uns. Nicht jede Frau kommt damit klar, dass ihr Kerl irgendwo im Dreck sein Leben für andere riskiert und möglicherweise in einer Kiste heimkommt.

Inzwischen hangelte ich mich von Affäre zu One-Night-Stand zu Affäre, und als ich aus der Navy geschmissen wurde, hielt mich nichts mehr in Fucking Amerika. Jocelyn und ich sind nach Vancouver gezogen, um den ganzen Mist hinter uns zu lassen, haben neu angefangen und versuchen, das Beste aus der ganzen Misere zu machen.

»Ich geh kurz pissen«, reißt mich mein Kollege aus dem Gedankensumpf und ich nicke knapp. Seufzend richte ich die Aufmerksamkeit auf das Treiben der Menge und bemerke einen jungen Kerl, der bei einer der Escorts steht, die ihm etwas ins Ohr flüstert und er ein dreckiges Grinsen aufsetzt. Schon will ich die Position wechseln, da beobachte ich, wie sie etwas aus dem tiefen Ausschnitt des Kleides fischt.

Instinktiv bewege ich mich näher auf die beiden zu, darauf bedacht, nicht aufzufallen. Die junge Frau kichert mädchenhaft, als der Typ ihr an den Arsch packt und zu sich zieht. In der Hand hält sie ein kleines Tütchen mit einer weißen Substanz – Fuck! Er nimmt es ihr mit einem diabolischen Grinsen ab und zieht sie mit sich Richtung Toiletten.

Schon will ich losstürmen, da kommt mein Kollege zurück und lässt mich wissen, dass drei weitere Escort-Ladys gerade eingetroffen sind. Irritiert sehe ich ihn an.

»Wann ist das entschieden worden?«

»Ist gerade reingekommen. Die Jungs unten an der Tür haben sie hochgeschickt. Es heißt, eines der Mädels wäre nach Hause geschickt worden und man bräuchte dringend helfende Hände.« Mit einem dreckigen Grinsen wackelt er mit den Augenbrauen.

Um mir nicht weiter die flachen Sprüche von dem Idioten zu geben, begebe ich mich auf einen Rundgang, nicht zuletzt, um dem Pärchen zu den Waschräumen zu folgen.

Mittlerweile ist die Party in vollem Gange, es wird ordentlich gebechert und die Stimmung ist auf dem Siedepunkt, als drei Tänzerinnen eine heiße Stripshow abliefern. Johlend werden sie von einer Traube Schaulustiger umringt, die sich von den fast nackten Körpern der drei aufgeilen lassen.

Meine Chance, unbemerkt auf die Suche zu gehen. Vor den Toiletten steht ein Pärchen wild knutschend, ohne Notiz von mir zu nehmen, während ein weiteres kichernd in einer der Türen, die von dem Gang abgehen, verschwindet. Ich klopfe an der Tür zur Damentoilette, doch höre nur ein dumpfes Stöhnen.

Innerlich verdrehe ich die Augen und betrete den großzügigen Waschraum. Einige Türen sind geschlossen, einige offen. Schon will ich mich umdrehen, da höre ich ein schniefendes Geräusch und ein anschließendes erleichtertes Ausatmen.

Shit, die ziehen sich hier echt ’ne Line?

Unschlüssig, ob ich eingreifen soll oder nicht, starre ich zu den Toilettentüren, als ein weiteres Schniefen ertönt, worauf ein leises Stöhnen folgt. Das Klimpern einer Gürtelschnalle und hektische Atemzüge lässt drauf schließen, dass ich gleich Zeuge eines Toilettenficks auf Koks werde, worauf ich überhaupt keinen Bock habe.

Angewidert verlasse ich die Waschräume, als ein weibliches Stöhnen einsetzt. Schnellen Schrittes trete ich den Weg zurück in die Bar an. Schon bereue ich es, mich für diesen dämlichen Job gemeldet zu haben, da sehe ich aus dem Augenwinkel einen blonden Lockenkopf, der zwischen zwei Kerlen steht. Ungläubig sehe ich genauer hin und schnappe nach Luft, denn da steht Carly in einem der weinroten sexy Kleider und lacht über irgendetwas, das einer der Kerle zu ihr sagt.

Was zur Hölle macht sie hier?

Einer der Typen legt die Hand auf ihren Hintern. Ohne dass ich es mitbekomme, stehe ich plötzlich hinter den dreien und reiße die Hand des Kerls von Carlys Po. Der fährt protestierend zu mir herum, während mich Carly mit erschrocken aufgerissenen Augen anstarrt.

»Hey, Sie Flegel. Nehmen Sie Ihre Hände von mir«, mault der Kerl mich an. Wütend fletsche ich die Zähne und baue mich zu voller Größe vor ihm auf, sodass er mich wachsam beäugt.

»Das ist ein ... Missverständnis«, flötet Carly unvermittelt und legt die Hand auf meinen Arm. »Es ist alles in Ordnung.« Dabei sieht sie mich warnend an, wobei ich erst jetzt bemerke, dass einige der umstehenden Gäste uns neugierig beobachten. Einer meiner Kollegen steht nicht weit von uns in Habachtstellung, doch ich nicke ihm entwarnend zu und er zieht sich zurück.

Der aufgebrachte Gast steht zeternd vor uns, während Carly mich stumm anfleht, keine weitere Szene zu machen. Knapp entschuldige ich mich bei den Herren. Die stacheln sich gegenseitig an und werfen mir einiges an den Kopf, das ich ignoriere, da ich mich auf Carly konzentriere, die zuckersüß lächelt und die beiden mit sich zu einer der Sitzgelegenheiten zieht.

»Was treibst du denn da?«, zischt mir Igor ins Ohr, der wie aus dem Nichts hinter mir aufgetaucht ist.

»Ich dachte ...«

Erbost funkelt er mich aus kalten Augen an. »Was habe ich dir zum heutigen Abend gesagt?! Keine idiotischen Aktionen.«

»Sie wurde belästigt«, fahre ich ihn bissig an.

»Das ist ihr verfluchter Job.«

»Scheiße, er hat die Kleine ...«

»Tyrell! Es reicht. Entweder du kommst damit klar, oder du verpisst dich von hier, kapiert?!« Stur halte ich seinem eiskalten Blick stand, muss allerdings zugeben, dass ich nichts gewonnen habe, wenn ich mich mit Igor anlege. Vor allem nicht, da jetzt auch noch Carly hier aufgetaucht ist.

So ein verfluchter Mist!

Also hole ich tief Luft, bringe mit ein paar Atemzügen meinen Puls auf Normaltemperatur und nicke grimmig. »Verstanden.«

Prüfend mustert er mich. Dann dreht er sich auf dem Absatz herum und stiefelt in Richtung der Bar, wo er sich sicherlich einen Wodka gönnen wird.

Durch die Auseinandersetzung mit Igor habe ich Carly und die zwei Typen aus den Augen verloren. Die sitzen nicht mehr auf dem Sofa und suchend schweift mein Blick durch den Saal. Aber sie ist nirgends zu sehen. Den Gedanken, den Laden zu durchkämmen, verwerfe ich, sobald ich Igor entdecke, der mich aus gebührender Distanz beobachtet.

Verdammt!

Um mich nicht noch mehr in die Scheiße zu reiten, nehme ich mit einem unguten Gefühl im Bauch meinen Posten wieder ein. Was bleibt mir anderes übrig?

Die nächsten Stunden vergehen in eintöniger Routine. Ein Rundgang, auf dem ich Carly an der Bar entdecke, die mich jedoch geflissentlich ignoriert. Immerhin arbeitet sie hier und hat keine Zeit für ein klärendes Gespräch. Ich eigentlich auch nicht, aber es brennt mir unter den Nägeln, zu erfahren, warum ausgerechnet sie hier aushelfen soll.

Diskret wird wenig später ein Mann mittleren Alters, gestützt von zwei Sicherheitsleuten, in den Fahrstuhl bugsiert. Er wirkt arg angeschlagen, Schweißperlen glitzern auf seiner Stirn und sein Gesicht ist stark gerötet. Kaum einer nimmt Notiz von ihm, ich hingegen hege den Verdacht, dass die Kombination aus zu viel Alkohol und einer der Drogen, die hier skrupellos konsumiert werden, ihm nicht bekommen sind.

Gerade als sich die Fahrstuhltüren schließen, werde ich von Igor abgepasst, der mich bei Seite nimmt. Er wirkt angespannt.

»Du hattest recht.«

»Womit?«

Sein Blick huscht an mir vorbei. »Hier stimmt etwas nicht.«

Das kommt jetzt unerwartet, aber ich will mich nicht beschweren. »Was meinst du?«

Wieder sieht er sich verstohlen um, als ob er Sorge hätte, wir könnten belauscht werden. »Wenn die Ladys sich was nebenbei verdienen wollen, in dem sie die Beine breit machen, ist das deren Problem.«

»Schon klar.«

Igors Kiefer mahlen aufeinander und die Ader an seiner rechten Schläfe tritt hervor. Er ist auf 180. »Ich habe etwas gefunden, das eine der Escortladys verloren hat.« Er öffnet seine linke Hand.

Erstaunt identifiziere ich es als das gleiche Tütchen, welches die junge Frau dabeihatte, die ich beobachtet und auf die Damentoilette verfolgt habe. Eine böse Vorahnung beschleicht mich. »So eins habe ich heute schon mal gesehen.«

Fragend hebt er eine Augenbraue. »Wo?«

»Eine der Ladys hatte auch so eines dabei.«

»Scheiße! Das ist eine echt heiße Kiste«, flucht er und dem kann ich nur beipflichten. Entweder die Ladys haben den gleichen Dealer oder hier werden systematisch Drogen ausgegeben, wenn nicht gar verkauft.

»Wie ist der Plan?«

Schnaubend steckt er die Hände in die Hosentaschen. »Wir haben hier einen Job.«

»Du willst wirklich die Augen verschließen und ...«

»Das habe ich nicht gesagt«, knurrt er angesäuert, was mir ein zufriedenes Grinsen entlockt. »Danach allerdings werden wir zwei uns unterhalten.« Damit nickt er mir zu und ich weiß genau, dass er auf dem Kriegspfad ist.

Igor Darian hat vor zehn Jahren seine Schwester an Crystal Meth verloren. Er war im Einsatz, sie lag zugedröhnt zwischen zwei Müllcontainern. Der Stoff, den sie sich spritzte, war mehr Rattengift und sie verreckte elendig daran. Nachdem Igor vom Einsatz zurückkehrte und rausfand, was mit seiner Schwester passiert war, richtete er ein Blutbad in der Stadt an, brachte die Pusher zur Strecke und gilt seither als Schlächter von Odessa. Daher rührt seine eiserne Regel, keine Drogengeschäfte.

Ihm ist meine Historie bekannt, er weiß, wer ich war und was ich getan habe. Ein Grund, warum ich für ihn arbeiten darf. Auch mein Kontakt zur DEA ist kein Geheimnis zwischen uns und ich bin sicher, darüber will er mit mir sprechen.

Als könne die Nacht nicht beschissener werden, werden zwei meiner Kollegen abberufen, da es ein Problem gibt. Nichts Ungewöhnliches, doch auf dieser Party laufen einige schräge Dinge, und so verlasse ich meinen Posten und folge ihnen zu einem der Räume, die ich bei den Toiletten gesehen habe.

»... sie hat sich geweigert«, ertönt eine aufgebrachte männliche Stimme.

»Sie ist nicht für diesen Service gebucht.« Das ist Mr. Heat.

»Es geht nur ums Ficken. Sie weigert sich, mir ...«

Die Jungs betreten den Raum, gefolgt von mir und sofort steigt mein Blutdruck, denn Carly steht mit gesenktem Blick zwischen drei Männern, der eine wild gestikulierend in ihre Richtung, ein anderer, den ich als Mr. Heat identifiziere, redet beschwichtigend auf den zweiten Typen ein, dessen Gürtel offensteht und dessen Blick glasig und abwesend ist. Als sie uns bemerken, verstummen alle. Carlys Zittern entgeht mir nicht und augenblicklich spannt sich mein Körper an.

Verflucht, was geht hier ab?

»Ah, sehr gut. Die Herren sind hier.« Mr. Heat scheint erleichtert. »Wir werden Ihnen eine Alternative organisieren, die Ihren Wünschen nachkommen wird. Seien Sie unbesorgt, ich werde mich sogleich darum kümmern«, schleimt Heat die zwei Kerle voll und ich könnte über sein kratzbuckeliges Verhalten kotzen. Die zwei grinsen dümmlich und klopfen ihm auf die Schulter.

»Das wollen wir auch hoffen. Die Party hat ja gerade erst begonnen. Aber die hier«, damit macht er eine abfällige Geste in Carlys Richtung, »solltest du rausschmeißen. Die Zuckerpuppe ist störrisch wie ein Maulesel!« Grob packt er in ihr Haar und reißt ihren Kopf nach hinten, wobei sie aufjault.

Ohne lange zu zögern, packe ich mir den Schmierlappen und drehe ihm den Arm auf den Rücken, sodass er aufbrüllt und Carly augenblicklich loslässt. Heat steht mit offenem Mund da, der zweite Kerl will sich fluchend auf mich stürzen, wird aber von einem meiner Kollegen daran gehindert.

»Ich denke, wir entschärfen die Situation jetzt«, knurre ich und schiebe den Kerl fest im Griff von Carly weg, die mich mit schreckgeweiteten Augen anstarrt.

»Was erlauben Sie sich? Wissen Sie nicht, wen Sie vor sich haben?«, keift mein Opfer mich an.

»Sie bekommen Ersatz. Also lassen Sie es gut sein«, zische ich ihm angewidert zu und drücke seinen Arm ein wenig höher, was ihn schmerzlich aufjaulen lässt.

»Ja, ja, ich ... wir sollten tatsächlich die Sache schnellstmöglich ... also ich besorge jetzt erstmal etwas zu trinken. Sie schaffen die da weg«, stammelt Heat überfordert und deutet auf Carly, die mit einigem Abstand an der Wand steht.

Bevor einer meiner Kollegen die Chance hat, lasse ich den Trottel los, der erleichtert aufatmet und sich den Arm reibt, und schnappe mir Carly.

»Wird erledigt, Sir.« Ich nicke Heat zu, der irritiert die Augenbrauen hebt und den beiden anderen die Order erteilt, eine Ruby zu holen, die sich um die Herren kümmern soll. Beim Gedanken daran, was die Kerle mit dem armen Ding anstellen könnten, dreht sich mir der Magen um, aber ich konzentriere mich auf Carly, die ich vor mir aus dem Raum schiebe.

»Wo sind deine Sachen?«, frage ich sie leise.

»Neben dem Treppenaufgang gibt es einen Aufenthaltsraum«, antwortet sie matt.

Der Raum ist vollgestopft mit Kisten, auf denen Taschen, Jacken und Schuhe stehen. Carly schnappt sich ihre Sachen und mit gesenktem Kopf trottet sie vor mir her. Während wir auf den Fahrstuhl warten, schreibe ich Igor, dass ich im Auftrag von Mr. Heat eines der Mädchen nach Hause fahren soll. Seine Antwort ist nur ein ›OK‹.

Erst als wir in der Fahrstuhlkabine stehen und die Türen sich schließen, drehe ich mich zu ihr um. »Was zum Henker hast du hier verloren? Ich dachte ...«

»Verdammt, es ist mein Job auf solchen Partys zu erscheinen. Ein paar Mädchen sind ausgefallen, da hat Heat mich angerufen. Was sollte ich machen? Ich bin auf die Kohle angewiesen, Herrgott noch mal«, zischt sie wütend und sieht zu mir hoch. Alles, was ich ihr an den Kopf werfen wollte, bleibt mir im Halse stecken, denn ein wütend roter Fleck ziert ihre Wange.

»Scheiße, Carly!«, grolle ich und hebe die Hand, doch sie zuckt vor mir weg.

Verflucht, sie hat Angst.

»Hey, ist schon gut. Ich werde dir nichts tun«, beschwichtige ich sie mit leiser Stimme. Es macht mich fertig, dass sie ausgerechnet vor mir zurückschreckt, und ich würde dem Kerl am liebsten die Visage einschlagen, der ihr das angetan hat.

Unstet huscht ihr gehetzter Blick hin und her. Haltsuchend krallt sie die Hände in ihren Daunenmantel und ich beiße die Zähne zusammen. In der Tiefgarage des Gebäudes angekommen, begleite ich sie zu meinem Auto.

Erst, als wir auf der Straße sind, seufzt sie erleichtert auf.

»Jetzt hast du mich schon wieder gerettet!«, murmelt sie und ich verbeiße mir ein Grinsen.

»Ist mein Job.« Aufmunternd zwinkere ich ihr zu und entlocke ihr ein scheues Lächeln.

Gott sei Dank!

»Danke.«

Eine Weile fahren wir schweigend weiter, bevor ich den Wagen auf dem Seitenstreifen abstelle und mich zu ihr drehe. »Meinst du, du kannst mir erzählen, was da eben vorgefallen ist?« Zwar sträubt sich alles in mir, die Details von ihr zu hören, aber ich will ihr helfen und dazu muss ich wissen, was passiert ist.

Tief holt sie Luft, sieht mich dann aber mit festem Blick an. »Ich habe mit den beiden Small Talk gehalten, ihnen Drinks geholt und sie bespaßt. Als sie anfingen, mich anzutouchen, erklärte ich höflich, dass ich nicht für diese Art der Dienstleistung zur Verfügung stünde, aber sie haben es ignoriert.« Äußerlich lasse ich mir nichts anmerken, doch innerlich brodelt der Zorn unablässig vor sich hin. »Einer von denen zog sich eine Line und ...«

»Hat er den Stoff auf der Party bekommen?«, hake ich neugierig nach und sie zuckt mit den Schultern.

»Keine Ahnung. Jedenfalls hat er mich in den Raum gedrängt, obwohl ich das nicht wollte. Der andere hat zusehen wollen, wie ich seinem Kumpel einen blase. Ich hab’ mich gewehrt, und einer von denen hat mir eine runtergehauen. Ich wurde laut und plötzlich stand Mr. Heat vor uns. Den Rest kennst du«, bekennt sie mit schamesgeröteten Wangen, was mir ins Herz schneidet.

Typen, die handgreiflich gegenüber Frauen werden, sind der letzte Abschaum für mich und verdienen die gleiche Behandlung, die sie ihren Opfern gegenüber angedeihen lassen.

»Ist das schon mal vorgekommen? Auf einem Job von Mr. Heat meine ich?«

»Es ist ein hartes Pflaster. Was glaubst du denn?«, zischt sie und mehr braucht sie nicht zu sagen.

»Hör’ mal, ich weiß, es geht mich im Grunde nichts an, aber ...« Seufzend kratze ich mir das Kinn. »... warum arbeitest du für ein Arschloch wie Heat, der seine Mädchen so behandelt?«

Sie spannt sich neben mir an, und als sie mich ansieht, bekomme ich einen Einblick in die zerstörte geschundene Seele einer jungen Frau, die in ein Leben abgerutscht ist, dass sie nicht verdient hat.

»Manchmal fickt dich das Leben und du musst das nehmen, was es dir bietet«, antwortet sie bissig. Um nicht weiter in der offensichtlichen Wunde zu rühren, die sie quält, hake ich nicht weiter nach.

Ohne sie zu fragen, wende ich den Wagen und fahre Richtung Strathcona. Sie hat heute schon genug mitgemacht, da werde ich sie nicht alleine in einer fremden Wohnung schlafen lassen.

Klar, als wenn deine Bude für sie nicht fremd wäre.

Da sie nicht protestiert, grübele ich die Fahrt über nach, wie ich mit der ganzen Situation umgehen soll. Zwanzig Minuten später parke ich den Wagen in der Einfahrt und bemerke erst jetzt, dass sie eingeschlafen ist. Sie sieht so verdammt jung und unschuldig aus. Die blonden Locken umrahmen ihr puppenhaftes Gesicht und ihre vollen weichgeschwungenen Lippen sind leicht geöffnet. Ein gefallener Engel.

Schnell steige ich aus und öffne die Haustür. Dann gehe ich zum Wagen, schnalle sie ab und hebe sie aus dem Sitz. Grummelnd lehnt sie den Kopf an meine Schulter und ich nehme wieder den Duft von Sommer und Sonnencreme wahr.

Wow!

Leise gehe ich mit ihr auf den Armen ins Gästezimmer, wo sie bereits Silvester geschlafen hat, und schäle sie behutsam aus dem Daunenmantel. Das offenherzige Kleid betont ihre sexy Kurven und einen Moment überlege ich, ob ich es ihr ausziehen soll. Aber ich widerstehe dem Drang, einen Blick auf den sinnlichen Körper darunter zu werfen, denn ich bin zwar kein Kind von Traurigkeit, aber ein Arschloch bin ich auch nicht.

Sie ist vollkommen erledigt, denn sie wacht nicht auf, als ich ihr die schwarzen Lackpumps abstreife und sie mit der Bettdecke zudecke. Bevor ich selbst auf der Couch mein Nachtlager beziehe, stelle ich ihr eine Flasche Wasser ans Bett und tupfe ihr ein kühlendes Gel auf den jetzt leicht geschwollenen Wangenknochen. Hoffentlich hilft es ein wenig.

Jocelyn ist bei einer Freundin und wird dort das Wochenende verbringen, sodass ich auf sie keine Rücksicht nehmen muss.

Die dubiosen Machenschaften in der Agentur Highlights werde ich mir gemeinsam mit Igor näher ansehen und Luke werde ich auf den Stoff ansetzen. Dass junge Frauen wie Carly in solch einem Sumpf feststecken, ist abartig und ich will dem ein Ende setzen. Auch wenn das bedeutet, tief in der Scheiße zu wühlen, um Antworten zu bekommen.

FCKNG New Year

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