Читать книгу FCKNG New Year - Grace C. Node - Страница 11
ОглавлениеBrummend schiebe ich die Hand, die über meine nackte Brust zu den Boxershorts wandert, beiseite. Doch eine zweite Hand greift in meinen Schritt – o Mann, fühlt sich das gut an. Jetzt wird mein Schwanz durch die Shorts massiert ... mhhh, daran könnte ich mich gewöhnen. Aber wer ...
Geschockt reiße ich die Augen auf, packe dabei das zarte Handgelenk, und ein entsetztes weibliches Keuchen lässt mich stutzen.
»Was zum Teufel ...«
»Ich wollte nicht ... ich dachte ...«
Vage fallen die Sequenzen der gestrigen Nacht in meinem schlaftrunkenen Hirn zu einem Bild zusammen. Die blonde Party-Crasherin.
Verflixt! Da war ja was.
»Wieso bist du nicht im Bett?«, blaffe ich sie mit trockener Kehle an und sie presst verschämt die Lippen aufeinander.
»Ich konnte nicht mehr schlafen, und da dachte ich, weil du mich doch gestern gerettet hast ...«
Stöhnend richte ich mich von der Couch auf und fahre mir mit der Hand über das Gesicht. Sie hockt in einem viel zu großen T-Shirt – meinem T-Shirt – am Ende des Sofas, auf dem ich geschlafen habe, und starrt mich mit einer Mischung aus Faszination und Vorsicht an.
»Du dachtest was?«, hake ich nach.
Ein scheues Lächeln ziert ihren hübschen Mund. »Also du hast mich freundlicherweise hier übernachten lassen, und als Gegenleistung wollte ich dir etwas Entspannung verschaffen.« Frech grinsend deutet sie auf meine Morgenlatte, die unübersehbar gegen meine Shorts drückt.
»Hör’ zu, Kleine. Meine Latte lass mal meine Sorge sein«, brumme ich, kann mir jedoch einen prüfenden Blick auf ihre schlanken Beine nicht verkneifen.
Schmollend schiebt sie die Unterlippe über die Oberlippe und sieht erschreckend hinreißend aus. Das kann ich absolut nicht gebrauchen. Schon gar nicht, wenn jeden Moment Jocelyn hier reinplatzen könnte.
»Geh’ duschen, ich mache uns Kaffee und dann ...« Sie jetzt zu duzen, ist unter den gegebenen Umständen angebracht, und ihr scheint es nichts auszumachen – tja dann. Da sie keine dauerhafte Adresse hat, lasse ich einfach offen, wo sie hingebracht werden will. Gestern Nacht habe ich sie ins Gästezimmer verfrachtet. Jocy habe ich einen Zettel geschrieben, damit sie, falls sie früher heimkommt, nicht einen Schock bekommt, wenn eine wildfremde Frau im Haus herumgeistern sollte, und als Carly – äh Ms. Price – eingeschlafen ist, fuhr ich zurück zum Club, habe dafür gesorgt, dass die letzten Gäste um fünf Uhr heimfahren, und der Crew bei den Aufräumarbeiten geholfen. Wieder daheim ging ich schnell duschen und habe mich auf die Couch im Wohnzimmer verzogen. Das runtergekommene Appartement von Igor, in dem ich für gewöhnlich hause, ist kein Ort für eine junge Frau, also habe ich sie hierhergebracht.
Etwas eingeschüchtert sieht sie mich an, huscht dann aber ins Gästebad und ich falle ächzend zurück aufs Sofa. Unglücklicherweise pocht besagte Morgenlatte heftig und ich könnte mich ohrfeigen, Carly mitgenommen zu haben. Mein ausgeprägter Beschützerinstinkt verbot mir allerdings, sie in dem Zustand sich selbst zu überlassen.
Grummelig gehe ich ins Hauptbadezimmer, putze mir die Zähne, und ziehe mir die Jogginghose sowie ein frisches T-Shirt an, bevor ich kopfschüttelnd über die bescheuerte Situation in die Küche stapfe, um den Kaffee aufzubrühen.
Wenig später kommt Carly in ihrem gestrigen Partyoutfit rein und ich stelle ihr einen dampfenden Becher vor die Nase. Sie gießt sich einen Schluck Milch ein und seufzt erleichtert, als sie den ersten Schluck nimmt.
»Das mit ... ähm, dem Angebot ...«
»Machst du so etwas häufiger? Fremden Typen einen Blowjob anbieten?«
Eine leichte Röte ziert ihre Wangen und sie senkt den Blick auf ihren Kaffeebecher. »Ehrlich gesagt, nein.«
»Und warum hast du es dann mir angeboten?«
Jetzt sieht sie mich direkt an und ich stelle bewundernd fest, wie zerbrechlich schön sie wirkt. »Ich dachte, dir würde es gefallen«, murmelt sie.
Ich hebe forschend eine Augenbraue, mustere sie eindringlich, denn sie hat etwas an sich, das mir tatsächlich gefällt. »Wenn ich einen Blowjob oder eine schnelle Nummer wollte, würde ich die Girls im Venom Velvet aufsuchen. Aber du wirkst nicht wie eine von denen.«
Ihre Wangen brennen nun und ich verbeiße mir ein Schmunzeln. »Nein, ich bin keine von DENEN. Ich arbeite bei Highlights und ...«
»Moment, der Escort-Agentur?«, frage ich nun neugierig.
»Ja, warum? Willst du mich buchen?«, schießt sie zurück und ich grinse sie an.
»Das könnte ich mir nicht leisten.«
»Woher willst du das denn wissen?«, hakt sie nach und sieht mich erwartungsvoll an.
»Ich hatte beruflich mit einigen deiner Kolleginnen zu tun«, gebe ich kryptisch zurück, denn ich will versuchen, über sie etwas mehr zu der verletzten Lady rauszubekommen. Auf der Homepage der Agentur wurde ich nicht fündig und da ich Zivilist bin, bekomme ich natürlich keinerlei Auskunft über die Damen. Vielleicht ist es ja ein Wink des Schicksals, dass mir Carly Price in die Arme gefallen ist.
Leicht neigt sie den Kopf und mustert mich wachsam. »Engagiert dich Mr. Heat für Jobs?«
»Nein. Er kennt allerdings meinen Vermittler flüchtig. Da gibt es wohl ein paar Überschneidungen.« Ausweichend zucke ich mit den Schultern. Sie nickt stumm, während sie ihren Kaffee schlürft. »Also, wo soll ich dich absetzen?«, hake ich nach und sofort verändert sich ihr Gesichtsausdruck. Sie stellt den Becher ab und ist schon durch die Tür, um im Gästezimmer ihre Jacke zu holen. Ich gehe ihr nach, doch sie drängt sich bereits an mir vorbei. »Hey, du musst nicht sofort ...«
»Danke für die Übernachtung und den Kaffee.« Damit rauscht sie aus der Haustür und lässt mich perplex stehen. Als ich die Tür aufreiße, ist sie spurlos verschwunden. Das gibt’s doch nicht.
Dieses Fucking New Year beginnt genauso erbärmlich, wie das letzte Jahr endete. Missmutig überlege ich, wie ich an die Kleine rankomme, da fällt mir wieder ein, dass Paul Wilson gestern im Red Continental war. Natürlich! Der Troublemaker müsste sie kennen und kann mir sicher verraten, wo ich sie finde. Da ich allerdings keine große Lust habe, in den Biker Club zu fahren, um nach ihm zu fragen, hoffe ich darauf, dass er im Boxclub aufschlägt. Dort haben wir uns kennengelernt, als er mit bloßen Fäusten auf den Sandsack einschlug und sich die Hand verstaucht hat. Anfängerfehler.
Um nicht untätig an diesem Samstag rumzuhocken, schnappe ich mir meinen Laptop und recherchiere über den Yuppie Dennis Randall, der für die Firma seines Vaters als Projektmanager auftritt. Da Randall offensichtlich bei der hiesigen Polizei Rückendeckung erfährt, muss es eine Verbindung von Randall Senior zum Chief geben. Nachdenklich zücke ich das Telefon und wähle Igors Nummer.
»Scheiße, wie spät ist es?«, krächzt der wenig später in den Hörer.
»Frohes Neues, du klingst grauenhaft.«
»Tyrell, was zum Teufel willst du?«, mault er angefressen und ich höre eine weibliche Stimme im Hintergrund protestieren.
»Was weißt du über Horatio Randall?«
»Ehrlich, das hatten wir doch schon. Lass die Finger von dem Kerl. Das meine ich ernst.« Wenn er mich derart warnt, bin ich auf der richtigen Spur.
»Komm’ schon. Die Nummer mit der Kleinen war voll daneben und die Polizei steckt mit ihm irgendwie unter einer Decke.«
»Nicht dein verficktes Problem.«
»Ich mache es aber zu meinem Problem.«
Wieder ertönt die Frauenstimme im Hintergrund. Igor blafft etwas auf Ukrainisch, und eine Tür fällt krachend ins Schloss. »Scott, ich kann dich gut leiden. Aber mit Leuten wie Randall legt man sich nicht an.«
»Sein Sohn verprügelt Frauen, nimmt Drogen und wird auch noch von der Polizei gedeckt. Das wird er wohl nicht zum ersten Mal gemacht haben. Also warum zum Teufel ist dir das scheißegal?«
Igor seufzt genervt und ich weiß, ich habe gewonnen. Der harte Hund war bei der ukrainischen Special Operation Forces, gilt als Verhörexperte und kennt die halbe Unterwelt der USA, was den Waffen- und Schmuggelhandel anbelangt. Sein weitreichendes Netzwerk beschert ihm fette Aufträge und in den letzten acht Jahren hat er sich ein florierendes Unternehmen in Sachen Security Management aufgebaut. Die einzige unumstößliche Regel bei ihm: keine Drogen. Auch wenn es eine Menge Kohle einbringt, hat er immer die Finger von solchen Geschäften gelassen.
»Da du eh keine Ruhe geben wirst, und bevor ich dich aus irgendeiner beschissenen Situation rausboxen muss, verrate ich dir ein wenig mehr darüber, wie das hier so läuft.« Geräuschvoll gähnt er mir ins Ohr. »Randall Senior hat sein Vermögen nicht nur mit den Immobiliengeschäften gemacht. Der Alte hat vor einer Ewigkeit eine alte Schiffswerft gekauft und sie für gutes Geld an die bösen Jungs verpachtet. Damit sicherte er sich sowohl die Moneten wie auch den Schutz der Untergrundbosse. Die wiederum haben die Polizei bei den Eiern, denn wie du weißt, sind die Zeiten hier hart und Mäuler wollen gestopft werden. Also drücken die Bullen so viele Augen wie nötig zu, sacken einen Scheck ein und Randall kann auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Er hat viel für die Stadt getan, Kinderspielplätze, ein Jungendheim und der ganze Mist, der sich auf einem Pressefoto gut macht.«
»Verdammt, wenn Drogen im Spiel sind ...«
»Glaub’ mir, ich finde es genauso zu, Kotzen. Aber mit den Typen legst du dich besser nicht an.«
»Ich muss die Kleine finden, die von dem Junior zusammengeschlagen wurde. Eine Brünette. Arbeitet für die Escort Agentur Highlights.«
»Alter, du machst mich fertig. Das Jahr hat noch nicht mal richtig angefangen und du willst den Helden spielen«, brummt er.
»Komm’ schon.«
»Na schön, ich hör mich mal um. Aber wenn das eine Sackgasse ist, lässt du es gut sein, verstanden?!«
»Geht klar.«
Damit legt er auf und ich wähle eine weitere Nummer.
»Scott, du lebst ja noch.«
»Hey, schön dich zu hören, Mann.« Ich quatsche mit Luke, dem Scharfschützen meines ehemaligen Platoons, der jetzt eine Karriere bei der DEA vor sich hat. Ihm verrate ich, was ich von Igor erfahren habe, und er spitzt die Ohren.
»Wenn das wahr ist, könnte ich die Fühler ausstrecken.«
»Es ist heikel. Die Informationen basieren auf Hörensagen.«
»Schon klar. Ich werde mich umhören. Inoffiziell versteht sich.«
»Du hast was bei mir gut.«
»Erst mal abwarten. Dann sehen wir weiter«, schnaubt er.
»Wie geht es den Kindern?«, lenke ich das Thema auf etwas Erfreuliches und bekomme einen groben Abriss, was bei ihm so los ist. Er hat eine tolle Frau und zwei süße Mädchen, die sein ganzer Stolz sind. Eine mutige Entscheidung, aber die beiden könnten glücklicher nicht sein.
Ich verspreche, dass ich die beiden in Houston, meiner Heimatstadt, demnächst besuchen komme, auch wenn ich keinen Schimmer habe, wann genau das sein wird.
Darüber ist es bereits Nachmittag und ich frage mich, wo Jocy steckt. Sie wollte feiern gehen, und im Red Continental vorbeischauen, doch durch die Aktion mit Carly habe ich sie wohl verpasst. Gerade als ich sie anrufen will, kommt sie summend zur Tür reinspaziert und ich muss über ihren verträumten Gesichtsausdruck schmunzeln.
»Wer ist der Kerl, und muss ich ihm die Nase brechen?«
Erschrocken fährt sie zusammen, fällt mir dann aber um den Hals und drückt mir einen Kuss auf die Wange.
»Dir auch ein frohes neues Jahr, Bruderherz«, flötet sie, ohne auf meine Stichelei einzugehen. Das hat sie in den letzten Jahren perfektioniert, das kleine Biest.
»Frohes Neues. Wo kommst du denn her?«, frage ich neugierig, während sie zum Kühlschrank geht und sich die Wasserflasche schnappt.
»Das geht dich kaum etwas an. Aber ich hatte Spaß, danke der Nachfrage,« antwortet sie kichernd und mir sträuben sich die Haare zu Berge beim Gedanken an einen Typen, der meine kleine Schwester vernascht. Sie hasst es, wenn ich den großen Bruder in Sachen Liebesleben raushängen lasse, aber seit sie vier Jahre alt ist, habe ich auf sie aufgepasst. Bis heute. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sie angehende Juristin ist.
»Aber wie ich sehe, hattest du auch Gesellschaft«, zwinkert sie mir zu und deutet auf den zweiten Kaffeebecher, der noch auf der Theke steht.
Mist, sie hat eine echte Spürnase.
»Ich habe nur eine junge Frau vor dem sicheren Erfrierungstod bewahrt«, verteidige ich mich.
»Klar. Und es ist nichts gelaufen. Erzähl’ das dem Ofen«, schnaubt sie belustigt und ich hebe abwehrend die Hände.
»Sie war betrunken, hatte Streit im Club und kein Geld fürs Taxi.«
»Und da musste sie hier übernachten?«, gluckst Jocy, was mir auf die Nerven geht, doch ich hab’s nicht besser verdient.
»Ja, weil ... sie hat keinen festen Wohnsitz und ...«
»O Mann, deine Ausreden sind ja noch erbärmlicher als meine damals in der Highschool, wenn ich geschwänzt habe.« Schadenfroh lacht sie mich aus und ich muss zähneknirschend zugeben, dass es tatsächlich bescheuert klingt.
»Schon gut, du hast gewonnen«, gebe ich mich geschlagen, was sie mit einem fetten Grinsen feiert.
Dann gähnt sie herzhaft und streckt sich. »Komm, lass uns auf der Couch faulenzen und Filme gucken, wie damals«, schlägt sie versöhnlich vor. Da ich heute ohnehin in der Randall-Sache nicht weiterkomme, folge ich ihr ins Wohnzimmer, wo sie sich unter eine Decke neben mir zusammenrollt und wenig später einschläft.
~***~
Ein paar Wochen danach
»Das war echt gut. Du hast einen ordentlichen Schwinger.« Jeff grinst mich schief an, als wir nach einer schweißtreibenden Trainingseinheit keuchend nebeneinanderstehen und ich mir mit dem Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht wische.
»Du aber auch.« Freundschaftlich klopfe ich ihm auf die Schulter und entledige mich des durchnässten Trainingsshirts.
»Lust, was essen zu gehen?«, fragt er und nickend stimme ich zu. Mit einem Mal wird sein Blick von etwas hinter mir gefesselt und neugierig drehe ich mich um.
Das gibt’s doch nicht!
Carly Price sieht sich suchend um und jeder Kerl im Raum gafft sie an. Kein Wunder. Sie sieht einfach zum Anbeißen aus und ich zwinge mich, sie nicht ebenso lüstern anzustarren, wie alle anderen.
Unterschwellig keimt verletzte Eitelkeit auf, da sie an Neujahr so einfach verschwunden ist. Aber wir kennen uns im Grunde ja auch gar nicht. Damit schiebe ich das dumpfe Gefühl beiseite und beobachte sie fasziniert.
Sie fragt einen der Typen im vorderen Bereich etwas, der ihr ein anzügliches Lächeln zuwirft, auf das sie jedoch nicht eingeht. Dann deutet er in unsere Richtung. Mit einem Nicken bedankt sie sich und kommt auf uns zu.
Jeff stößt einen leisen Pfiff aus, was ich auf sonderbare Weise unangebracht finde.
»Hey, Scott«, begrüßt sie mich mit einem warmen Lächeln, das mir unter die Haut geht.
»Hi, Carly. Was verschlägt dich denn hierher?«, frage ich und kann mir das dämliche Grinsen nicht verkneifen, als ihr Blick über meinen glänzenden Oberkörper wandert.
Jeff neben mir räuspert sich und ich stelle die beiden einander vor. »Ich gehe duschen. Wir sehen uns dann in der Bar. War schön dich kennenzulernen, Carly«, verabschiedet er sich wenig später und wirft mir einen vielsagenden Blick zu.
»Also, was verschafft mir das Vergnügen?« Neugierig betrachte ich sie und stelle fest, wie sehr sie mir gefällt.
Sie tritt verlegen von einem auf den anderen Fuß. »Ich ... hab dich gesucht.«
»Hier bin ich.«
Nervös knetet sie die Hände, um sie dann in die Hosentaschen zu stecken. »Ja, ich ... es ist ...« Unsicher sieht sie sich um. »Können wir reden?«
Ihr merkwürdiges Benehmen weckt eine latente Unruhe in mir. So verhalten sich für gewöhnlich Menschen, die vor etwas oder jemandem weglaufen. An Silvester sagte sie, sie sei vom Venom MC geflüchtet – weiß der Himmel warum – aber ich habe das dumpfe Gefühl, dass ihre Nervosität etwas mit dem Biker-Club zu tun haben wird.
»Gib mir einen Moment«, brumme ich und deute auf die Umkleiden. »Ich dusche kurz, dann reden wir.« Schnell nickt sie und setzt sich auf eine der Bänke, die an der Wand vor den Umkleiden stehen, während ich in Windeseile dusche und in den Jogginganzug schlüpfe. Als ich mit geschulterter Sporttasche zu ihr komme, springt sie erleichtert auf und folgt mir auf den Parkplatz.
»Wo wohnst du denn jetzt?«
Bei der Frage schießt ihr Blick zu Boden. Die Kleine macht den Eindruck, als hätte sie etwas ausgefressen, denn ähnlich benimmt sich Jocelyn, wenn sie Mist gebaut hat. Wir steigen ein und ich lasse den Motor an, damit die Heizung läuft, während sie mir hoffentlich erzählt, was ihr auf dem Herzen liegt.
»Man erzählt sich, dass du damals bei diesem Job einem der Mädchen geholfen hast, richtig?«, beginnt sie und ich werde augenblicklich hellhörig.
»Schon möglich. Meinst du die, die nicht auf dem Revier erschienen ist, um eine Aussage zu machen?« Stumm nickt sie. »Ja. Warum interessierst du dich plötzlich dafür?«
Einen Moment presst sie die Lippen aufeinander, als wolle sie die Worte zurückhalten, die ihr auf der Zunge liegen. Dann sieht sie mich an und ihr Blick ist angsterfüllt.
Shit!
»Ich ... habe etwas gehört, was ich nicht hätte hören sollen.«
»Und das wäre?«, frage ich leise, denn ich merke, wie angespannt sie ist.
Mit einem tiefen Atemzug strafft sie die Schultern, bevor sie antwortet. »Eine Kollegin und ich waren vor zwei Tagen zur Nachbesprechung in der Agentur. Wir sollten unseren Scheck erhalten, dann bekam Mr. Heat unverhofft Besuch und ...« Sie stockt und schluckt schwer. »Meine Freundin ist abgehauen und ich ... ich bin auf Toilette gegangen. Als ich an Mr. Heats Büro vorbei kam, habe ich gehört, wie ...« Ihre schlanken Finger zittern und ich lege ihr die Hand auf die Schulter. Ihr ganzer Körper bebt.
Scheiße, was ist hier los?
»Schon gut«, versuche ich sie zu beruhigen.
»Dieser Mann bei ihm ... sie haben darüber gesprochen, dass er ein neues Mädchen braucht. Eines, das mehr aushält, damit keine Anzeige erstattet würde, falls es einen weiteren Vorfall geben würde.«
Wut kocht in mir hoch und ich habe deutlich die Nacht in der Suite mit Dennis Randall vor Augen, wie er sich an der jungen Frau vergeht.
»Ich wusste nicht, was ich tun sollte«, bekennt sie kleinlaut und sinkt in sich zusammen.
»Hey, ist okay«, beschwichtige ich sie und halte mühsam den Zorn im Zaum. »Hat dieser Heat das mitbekommen. Dass du das Gespräch gehört hast, meine ich?«
Sie schüttelt den Kopf. »Sie konnten mich nicht sehen. Danach bin ich sofort geflüchtet. Bei meiner Kollegin habe ich ... sie hat mir angeboten, für die nächsten Wochen auf ihrer Couch zu übernachten. So lange, bis ich etwas Festes gefunden habe.«
Wenigstens haust sie nicht auf der Straße.
»Weißt du zufällig den Namen des Mädchens, das ich damals ...«
»Nein. Sie ist angeblich beurlaubt.«
Grimmig nicke ich. So wie ich die Sache sehe, hat man ihr sicher Geld geboten, wenn sie den Mund hält und die Stadt verlässt. So läuft es meistens. Hauptsache die miesen Geschäfte gehen ungestört weiter.
»Hast du eine Ahnung, wann der nächste größere Job der Agentur ansteht?«
Einen Moment überlegt sie, nickt dann. »Ja, es gibt eine Party in drei Wochen. Da werden wohl viele Highroller erwartet und fünfzehn Mädchen sind gebucht.«
»Wer stellt die Security?«
»Ich bin nicht sicher«, zuckt sie mit den Schultern.
»Bist du auch gebucht?« Sie schüttelt den Kopf und mir fällt ein Stein vom Herzen. »Schön, ich werde mich drum kümmern. Wenn alles gut läuft, bekomme ich raus, wer der Typ ist, der bei deinem Chef war.«
Hoffnungsvoll sieht sie mich an. »Das würdest du tun?«
»Was soll ich sagen. Aus Ärger konnte ich mich noch nie wirklich raushalten«, grinse ich sie schief an und ein scheues Lächeln erhellt ihr hübsches Gesicht.
»Du bist halt der Heldentyp«, meint sie verschmitzt, wobei ich mich schüttele.
»Oh, ich bin kein Held. Ganz und gar nicht.«
Mit einem forschenden Blick mustert sie mich und ich frage mich, was ihr dabei durch den Kopf geht.
Schnell zücke ich mein Telefon. »Damit du nicht in den Boxclub musst, hier ist meine Nummer«, biete ich ihr an.
Wir tauschen die Nummern aus und ich schlage ihr vor, sie zu ihrer Freundin zu fahren, was sie dankbar annimmt.
Als wir vor einem mehrstöckigen Wohnkomplex halten, dreht sie sich zu mir. »Danke. Fürs Zuhören und ...«
»Dafür musst du dich nicht bedanken. Und noch ist ja nichts passiert.«
»Trotzdem. Nicht jeder hätte mir zugehört«, bekennt sie kleinlaut.
»Falls dir noch etwas einfällt, ruf einfach an, okay?!«
»Okay«, lächelt sie tapfer und springt aus dem Wagen.
Nachdenklich fahre ich in meine Bruchbude, wo ich Igor anrufe. Zwar knurrt er angesäuert, er hätte keine Zeit, als ich aber die Agentur Highlights erwähne und das bevorstehende Event, hört er die Kasse bereits klingeln und verspricht, sich um den Auftrag zu kümmern. Keine Ahnung, wie er das anstellen will, da es sicherlich schon ein Unternehmen gibt, das die Leute bereitstellt, aber Igor ist ein gewiefter Aasgeier, der mit schmutzigen Tricks immer ein Ass aus dem Ärmel ziehen kann, wenn es drauf ankommt.
Am darauffolgenden Tag schickt er mir die Einsatzdaten für die Party, die Carly erwähnte und ich bin einmal mehr von seinem Talent beeindruckt.
Damit bekomme ich endlich die Chance, die Fühler auszustrecken.
Ein Anfang.