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Bombardiert mit der Liebe

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Gebt Acht, dass euch niemand mit seiner Philosophie und falschen Lehre verführt, die sich nur auf menschliche Überlieferung stützen und sich auf die Elementarmächte der Welt, nicht auf Christus berufen.

(Brief an die Kolosser, 2:8)

Am Anfang von jedem Treffen wurden die Lieder gesungen, und der Herr wurde verherrlicht. Die Menschen, die die Begegnung führten, sorgten dafür, dass niemand mit zweitrangigen Angelegenheiten beschäftigt war, die seine Aufmerksamkeit ablenken konnten. Die besonders Frommen beteten mit geschlossenen Augen und majestätisch erhobenen Händen. Es ging ihnen vielleicht darum, mehr Kraft von Gott zu erhalten, die Herzen der Schwachen zu ermuntern oder um beide Dinge zugleich. Das Gruppengebet wurde immer wieder unterbrochen, weil die Leute einander in die Arme fielen, sich drückten und küssten. Man konnte nur nicht zwischen einem väterlichen und einem Judaskuss unterscheiden. Es herrschte die Atmosphäre der allgegenwärtigen Liebe. Die Anwesenden überschütteten sich mit den biblisch geprägten Komplimenten wie z. B. „Gott liebt dich und hat einen schönen Plan für dich”, oder: „Das ist gar kein Zufall, dass du heute hier mit uns bist“. Das war einfach eine ganz andere Welt, frei von alltäglichen Sorgen, die uns immer wieder plagten.

Ich guckte neidisch auf die heiteren Gesichter um mich herum. Alle waren ähnlich. Man hatte den Eindruck, dass sie alle die gleiche Energie ausstrahlten. Sie funkten auf der gleichen Wellenlänge, die mir leider nicht bekannt war. Nur mein Antlitz machte nicht mit und ließ sich nicht mit diesem Glanz anstecken. Auch ihr Lachen war irgendwie komisch, nicht spontan. Ich fühlte mich in dieser Herde wie ein Versager, aber zugleich wurde ich von vielen Leuten mit tröstlichen Worten aufgemuntert: „Gregor! Gott liebt dich! Kehre um zum Herrn! Gregor, du musst dich ändern!“ Immer wieder bekam ich die gleichen Floskeln zu hören. Wieso sollte ich mich ändern? Was sollte ich überhaupt damit anfangen?

Mein Glaube war offenbar zu schwach, um mich von all diesen Aussagen auf einmal überzeugen zu lassen. Meine Seele wurde von verschiedenen widersprüchlichen Gefühlen gequält. Ich war mal ganz hilflos und versuchte mal, die Freude zu täuschen, und mal war ich vom Hass ergriffen. In solchen Momenten legten sie mir die Hände auf den Kopf und beteten für mich mit Pietät und Ehrfurcht, damit ich von der Kraft des Teufels befreit und unter den Schutz Gottes geführt werden würde. Mit dem Schutz Gottes meinten sie ihre liebevollen Arme.

Besonders die Ältesten der Gemeinde konnten hier brillieren. Sie beteten mit Engelsprachen. Diese Rede war unverständlich und zwar nicht nur für die Leute, sondern auch für den Teufel selbst. Da der Satan nicht wusste, wofür diese Leute beteten, konnte er die Folgen des Gebets nicht verhindern. Dadurch konnte seine Macht zu Fall gebracht werden. Daran glaubten sie zumindest. Sie waren davon sogar felsenfest überzeugt.

Ich glaube, dass viele, die mit diesen übernatürlichen Sprachen beteten, selbst nicht genau wussten, wofür sie beteten. Außer viel Heulen, Jammern, Geplapper und Seufzen konnte ich kaum etwas vernehmen. Das war ein großer Schwarm von Bienen, Ameisen, Ringelnattern, Schakalen… Die Stimmen, die die verblendeten Menschen von sich gaben, konnten nicht von einer einzigen Tierart erzeugt werden. Bei einem so tiefen Gebet schaltete sich das Bewusstsein aus und somit konnten verschiedene komische Dinge passieren. Es folgten die transzendentalen Zustände mit vielen Visionen wie nach einer ordentlichen Dosis Marihuana. Die Leute um mich gerieten in einen spirituellen Gruppenrausch. Solche Zustände kann man nur mit geschlossenen Augen erreichen, sonst funktioniert es nicht.

Nach einem langen Durcheinander des Gebets konnte man wieder vereinzelte Worte in der menschlichen Sprache vernehmen. Am Anfang wurden diese Worte etwas schüchtern und ohne Kontext ausgesprochen. Es sah so aus, als ob die aus diesem Rausch allmählich heraustretenden Leute wieder die menschliche Sprache gelernt und dafür etwas Zeit gebraucht hätten. Nachdem einige schon ihre Muttersprache „wieder beherrscht hatten“, sprachen sie Prophezeiungen in Bezug auf Gruppenmitglieder bzw. Gäste aus. Es ging hauptsächlich darum, die Leute zum Handeln und zum Gehorsam gegenüber dem Guru zu bringen, weil der Höchste es so wollte. Angeblich sprach Gott selbst durch die „Propheten“. Dann führte der Älteste der Gemeinde die Vorlesung zur Bibelauslegung. Er erklärte, wie man bestimmte Bibelstellen verstehen sollte.

Als ich die Bibelstellen selbst genauer analysierte, hörten mir die Leute aufmerksamer als dem Leader zu. Das gefiel dem Ältesten natürlich nicht. Kaum war ich gekommen, schon lenkte ich die Aufmerksamkeit auf mich. Die Leader hatten eine harte Nuss zu knacken. Sie entschieden sich dafür, mich subtil zum Schweigen zu bringen, damit ich etwas Demut und Gehorsam gegenüber den Vorgesetzten lernte. Ich hielt dies für Einschränkung meiner spirituellen Freiheit, aber solche Regeln galten in dieser Gemeinschaft, und man musste sich anpassen. Jeder musste warten, bis er gefragt wurde und sollte sich darauf konzentrieren zu lernen und aufmerksam zuzuhören. Ich konnte es aber nicht erdulden von den Dummen belehrt zu werden. Ich gab es ihnen ausdrücklich zu verstehen. Daraufhin geriet ich immer wieder in ernsthafte Konflikte mit den Anführern und fanatischen Mitgliedern solcher Gruppen. Diese Fanatiker waren manchmal strohdoofe Schafe, die die Leader blind unterstützten. Manchmal hätte ich in dem Gespräch mit den Sektierern beinahe zu dem überzeugendsten Argument gegriffen, und zwar zu einem Schlag ins Gesicht mit der offenen Hand.

Ich muss mit Erstaunen zugeben, dass sie von mir nie genug hatten, obwohl meine Auseinandersetzungen mit ihnen nicht zur Seltenheit gehörten. Anscheinend wollten sie mich um jeden Preis anwerben. Es war ihnen klar, dass ich eine kostbare Beute war. Sie wollten meine Eigenschaften zur Verbreitung ihres „erlösenden“ Glaubens anspannen. Auch wenn ich immer wieder nicht mit ihnen einverstanden war, besuchte ich lieber ihr Gotteshaus als die Kneipen. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, was das schlimmere Übel war. Manchmal flüchtete ich mich nach einer solchen Evangelisation in der Pfingstgemeinde ins Komasaufen, um mich an der Gehirnwäsche abzureagieren. Ich wusste damals noch nicht, dass man ihre Lehre genau so nannte und dass diese verheerende Folgen für die menschliche Psyche hat.

Die Kraft der Überzeugung, die eine Gruppe gegen das Individuum anwenden kann, ist eine unmenschlich starke Macht. Meine Lage war noch schwieriger, da meine eigenen Geschwister aktiv an dieser Manipulation beteiligt waren. Auf diesem Weg lassen sich derart große spirituelle Kräfte erzeugen, denen auch eine sehr starke Person nicht widerstehen kann, es sei denn, sie verlässt dieses Milieu rechtzeitig. Ich wusste es gar nicht und bemerkte es nicht, als ich endlich den Köder der Sekte schluckte.

Auf dem ersten Blick sieht solch ein Gebetstreffen einer Gruppe ganz harmlos aus. In der Tat werden die Leader regelmäßig ausgebildet und erfahren, wie man das Treffen gestalten soll. Sie wissen, wie man die Leute manipuliert und demütigt, um dem Kerl dann zu helfen, sich von dem Fall zu erheben und sein Wertesystem auf den Kopf zu stellen. Die vorher gedemütigten und zum Nervenzusammenbruch geführten Personen sind dann von liebevollen Gefühlen umgeben. Und plötzlich passiert etwas Unglaubliches. Diese Personen fangen an ihre Verfolger, ihre Anführer zu verehren. Man muss für diese Gehirnkontrolle einen hohen Preis zahlen, weil sie im Endeffekt die Depersonalisation bzw. einen Identitätsverlust zur Folge haben kann. Dann bekommt man quasi ein neues Bewusstsein. Das wiederum führt zur Desintegration der Persönlichkeit. Wenn sich das Opfer schon in solchem Zustand befindet, ist es für die Sekte meist ein leichtes Spiel, die von dieser Person früher erworbenen Werte aus dem Gehirn zu entwurzeln. Wenn auch diese Manipulation zustande kommt, wird die Person empfänglich für Suggestion und Lehre neuer Art.

Darüber hinaus gibt es einen Faktor, der das Opfer zur Selbstvernichtung führt. Durch regelmäßige Mantren macht man das Gehirn des Opfers rein von allem, was dort bisher verankert war. Es wird affirmativ mit einer neuen Ordnung ersetzt, indem der Mensch immer die gleichen Botschaften zu hören bekommt. Man erlangt dadurch das Gefühl der Glückseligkeit. Diese Zustände sind noch angenehmer als der durch Alkohol, Drogen bzw. andere Suchtmittel erzeugte Rausch. Obwohl wir es hier mit einer sehr destruktiven Wirkung zu tun haben, merken das viele Leute nicht, weil sie gleichzeitig auf einem richtigen Trip, in einem ekstatischen Zustand sind und viele schöne Erlebnisse erfahren. Jeder, der durch die Gehirnwäsche einen solchen Zustand – eine himmlische Lethargie – erlangt, ist absolut davon überzeugt, dass Gott in ihm auf diese Art und Weise wirkt. Die Person in diesem Zustand ist auch für Suggestionen von noch höherer Stufe anfällig. Das Individuum hat dann keine Autonomie und Kontrolle mehr. Es kann sich nicht von der ihm auferlegten Ideologie sowie von den in der Gemeinschaft geltenden Werten distanzieren. Wichtig ist, dass niemand in einer solchen Gruppe individuell und unabhängig denken darf. Das kommt nicht in Frage. Die Person, die die Realität nicht eigenständig wahrnehmen kann, ist passiv, unterwürfig und unkritisch. Sie nimmt die neue Lehre wie ein Schwamm auf. Sie glaubt an alles und vertraut allen Mitgliedern der Gemeinde. Lässt das Opfer die Gehirnwäsche regelmäßig über sich ergehen, so kann dies destruktiv sein und zu Gehirnschäden führen. Nach einiger Zeit fängt das Gehirn an auf pathologischer Weise zu funktionieren. Man nimmt die Welt anders wahr. Die Emotionen und sinnliche Eindrücke, die man spürt, sind ganz anderer Natur als früher. Alles ist anders! Der Mensch schwebt nur unbewusst in der Realität. Er funktioniert halbwegs zwischen der realen Welt und dem manipulierten Wachzustand. Er ist bereit sein Leben für etwas zu opfern, was tatsächlich gar nicht existiert. Der starke Glaube an etwas, was nicht existiert, wird durch das tiefe Gemeinschaftsgefühl verstärkt. Man befindet sich in einer anderen Welt, vermeintlich frei von Sorgen. In der Tat ist einfach ein anderes Bewusstsein im Spiel, das keinen Bezug auf die reale Welt haben kann. Um Menschen in diesen Zustand zu bringen, lernen die Anführer verschiedene Manipulationstechniken. Die Eliten dieser Kirchen machen eine entsprechende Ausbildung.

Ich weiß etwas davon, weil ich einige Schulungen dieser Art selbst absolvierte. Es gab einige Momente in meinem Leben, in welchen ich die Strategie des Feindes lernte, um etwas mehr über ihn zu erfahren. Er nahm mich für seinen Mann und bot mir die Ausbildung an.

Die Folgen der von den Pfingstlern geübten „christlichen Aufklärung“ sind verheerend. Viele „Kandidaten für Erlösung“ enden auf der geschlossenen Psychiatrieabteilung. Sie leiden überwiegend an der paranoiden Psychose. Schizophrenie und Depression kommen auch vor, und auch sie bringen verheerende Folgen.

Seit 1996 schaute ich mich die Pfingstler in Stuttgart genauer an. Besonders interessant für mich als Mann waren natürlich die deutschen Mädels. Anfangs waren sie nicht so schlecht. Sie reagierten ganz normal, und man konnte sich das gemeinsame Leben mit ihnen gut vorstellen. Nach einigen Jahren waren sie schon aber die Wracke des Menschen – von ihrer Weiblichkeit und Anmut blieb nicht viel übrig. Sie wurden von dem ihnen auferlegten Denkmuster versklavt. Die erzwungene Denkweise verdrängte die immer wieder zum Vorschein kommenden weiblichen Gelüste. Ihr Gewissen machte ihnen Vorwürfe wegen der Liebesbeziehungen, die sie wegen der Sekte nie eingehen konnten.

Noch früher waren sie niedlich, aufreizend und lebensvoll. Mit der Zeit wurden sie enttäuscht, niederschlagen, verdrängt und machen den Eindruck von etwas verrückten Wesen. Üblicherweise starrten sie abgestumpft auf einen Platz. Ihre Gesichter waren ausdruckslos, seelenlos. Wie verwelkte Blumen schienen sie schon keine Hoffnung mehr zu haben, dass irgendwann ein Tropfen lebensspendenden Wassers auf sie fallen würde. Ihnen fehlten der Mut und die Kraft, den Platz zu verlassen, wo sie bei lebendigem Leibe begraben wurden. Einst freuten sie sich darüber, dass sie in ihrem Leben Gott und Wahrheit entdeckten. Vermeintlich aufgeklärte und mit der neuen Lehre erfreute Frauen, die mal eine riesige Hoffnung auf die Erlösung hatten. Im Laufe der Zeit ließ ihr Enthusiasmus nach. Er erstarrte auf ihren Gesichtern wie der fest gewordene Bleichkalk oder der saure Pudding. Manchmal versuchten sie, ein gekünsteltes Lächeln zu zeigen. Das klappte aber in der Regel nicht, weil ihre immer düsteren und traurigen Augen den elenden Zustand von ihren stark gequälten Seelen widerspiegelten. Diese Seelen sind auf diesem Planeten schon nicht mehr zu retten. Alle diese Eindrücke zeigten eine tragische Lage dieser Frauen, die gar nicht zu beneiden war. Die Liebe von Pfingstlern führte sie zu diesem Zustand. Ironischerweise erfolgte dies im Namen Gottes! Der wahre Gott hatte damit aber gar nichts zu tun. Leider klammerten an dieser falschen Wahrheit immer mehr Opfer der Pfingstbewegung und verschiedener Bewegungen der Erneuerung im Geist fest. Was für ein Paradox!

An dem Punkt, wo die letzte Schutzmauer der katholischen Kirche endet, kann die richtige Hölle losbrechen. Diese Lage kann man durch falsches Verständnis der Bibel erreichen. Die religiösen Scharlatane, die den Leuten eine Falle stellen, sprechen das fundamentalste Bedürfnis des Menschen an, und zwar das bewusste oder unbewusste Begehren danach in der Gegenwart Gottes zu verweilen. Diese Sehnsucht ist in uns vorprogrammiert, ganz unabhängig von unseren Weltanschauungen. So ist unsere menschliche Natur.

Ich beschrieb die Folgen der psychischen Manipulation, die die Sekten ausüben, um den Menschen im Namen von ihren egoistischen Interessen zu verändern. Wenn die Vernunft den Glauben nicht stützt, können schreckliche Dinge passieren.

Glaube und Vernunft sind wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt”

(Johannes Paul II)

Durch die Hölle in die Freiheit

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