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Der Verlust des Passes

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Als ich mich die Lehre der Pfingstler aneignete, befand ich mich zugleich in der Welt der Gegensätze. Ich wohnte im Zentrum Stuttgarts an Olgastraße und wurde daher einer großen Versuchung ausgesetzt. Gerade hier blühte das Nachtleben bis auf die Puppen. Die Prostituierten liefen herum und der Alkohol floss in Strömen. Ich konnte auch nicht immer dem Prinzip der Züchtigkeit treu bleiben, weil das Gesetz der Natur mitunter mächtiger war, als meine Willensstärke.

Ich konnte meine Einsamkeit kaum ertragen. Daher setzte ich mich immer wieder auf die Bänke zu den Polen, die keine feste Wohnadresse in Deutschland hatten. In den Neunzigern gab es in Deutschland unglaublich viele Polen ohne festen Wohnsitz. Sie waren jedem Einheimischen ein Gräuel. Die Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens funktionierten für sie gar nicht. Klauen war das einzige Ziel, das sie verfolgten. Ihre Landsleute, die in Deutschland wohnten, und die sich nach dem Gespräch mit anderen Polen sehnten wurden zu ihrer beliebten Beute. Deshalb haben sie solche Gespräche gerne geführt. Um solch eine Unterhaltung zu führen brauchte man aber den Alkohol. Der gesprächshungrige Pole war bereit, für die Spirituosen zu bezahlen. Somit hat er sich für die Gesellschaft seiner angeblich gut meinenden Landsleute geöffnet. Das war also das kriminelle Element, das aber einen guten Eindruck gemacht hat. Ein Pole, der das Gespräch in seiner Muttersprache so vermisst hat, hatte gar keine Ahnung davon, dass seine Gesprächspartner ihn einfach beklauen wollen. Dass er von seinen Landsleuten so ausgetrickst werden kann, lag ihm völlig fern. Die Straßenräuber aus Polen waren aber skrupellos und haben mit uns keine großen Umstände gemacht. Wir haben am eigenen Leib den Kontakt mit den „Touristen aus Polen“ peinlich erfahren. Mein Fall war nicht vereinzelt. Es schien mir in Ordnung zu sein, sich zu ihnen zu setzten, etwas Alkohol zu spendieren und nach einem Bruderherz zu suchen. Daraufhin wurde ich von ihnen immer wieder beklaut und war nicht in der Lage, eine Lektion daraus zu lernen und vorsichtiger zu sein, weil mich die Lust auf Alkohol blind und leichtsinnig machte.

Als ich eines Tages, nach einem gemeinsamen Umtrunk mit unbekannten Polen aufwachte, war ich ganz leer bei Kasse. Sie haben mir den Pass, Wohnungsschlüssel, Geld und Kreditkarte gestohlen und mein Konto geräumt. Ich konnte meine eigene Wohnung nicht betreten, weil die Firma, die die Tür aufmachen konnte, für diesen Service 100 DM verlangt hat. Ich war mittellos und konnte sogar meine Verzweiflung im Alkohol nicht ertränken. Ich rief die Polizei an und sagte, dass ich mit meinem Leben Schluss machen wollte, weil ich ansonsten keinen Sinn sehe, weiter zu machen. Mir gelinge nichts und ich scheitere an allen Fronten. Als ich mich schon über mein klägliches Schicksal beschwert habe, habe ich noch verlegen gefragt, ob es noch vielleicht die Rettung für mich gäbe. Der Polizist am anderen Ende der Leitung forderte mich auf, dort zu bleiben, wo ich mich gerade befinde, um auf den Krankenwagen zu warten. Im Augenblick war das Krankenauto vor Ort. Sie brachten mich ins Krankenhaus und verabreichten mir die Beruhigungsmittel. Nun konnte ich über meine Lage in Ruhe nachdenken. Ich überlegte, wie ich aus dieser Notsituation herauskommen kann. Ich ging nämlich nicht in die Arbeit. Deshalb konnte ich meinen Job verlieren. Glücklicherweise hat mich die Arztbescheinigung vor diesem Unglück geschont. Ich unternahm alle möglichen Schritte um meine Situation wiedergutzumachen. Von meiner Bankversicherung bekam ich genauso viel Geld ausgezahlt, wie von meinem Konto abgehoben wurde. Dadurch hatte ich schon ausreichend viel Erspartes, um mich einen neuen Pass fertigen zu lassen. Es war im Sommer 1995. Zum ersten Mal habe ich mich so schonungslos beklauen lassen.

Meine Alkoholsucht bekam nun einen treuen Verbündeten und zwar die sektiererische Gehirnwäsche. In meinem Fall war dieser Zusammenschluss wie ein Sprengstoff. Die Alkoholabhängigkeit und der Einfluss einer religiösen Gruppierung sorgten dafür, dass ich immer neuen Schicksalsschlägen ausgesetzt war. Ich wurde immer leichtgläubiger und griff zu so gut wie keinen Vorsichtsmaßnahmen mehr. Immer wenn ich etwas intus hatte, habe ich den Kontakt mit der Realität um mich herum verloren, was mich freilich zu einer leichten Beute für die Diebe gemacht hat.

Ich versuchte mich von dem Einfluss der, von der Sekte geprägten Geschwister zu befreien. Mir war schon ganz klar, dass gerade sie für die Störung meines psychologischen Gleichgewichts verantwortlich sind. Ich hatte jedoch nicht genügend Kraft, um sich von ihnen zu trennen. Sie strahlten eine geheimnisvolle Anziehungskraft. Sie beteten eifrig über mich, vertrieben verschiedene Dämonen und zerstörten in mir die Festungen Satans. Sie waren froh und bedankten sich bei ihrem Herrn, dass der Teufel nicht in der Lage sei, mich von ihren Armen zu entreißen. Ihre brüderlichen Arme waren für mich schlimmer als der Teufel selbst. Plötzlich war von meiner Lebensfreude keine Spur mehr zu finden. Ich war nicht mehr dazu fähig, mit meinen eigenen Problemen selbst klarzukommen. Ich wurde zum Versuchsfeld für den Kampf verschiedener spiritueller Kräfte. Ich wurde anfällig für die Unglücksfälle aller Art, die sich nun vor mir gereiht haben, ohne auf die Einladung zu warten.

Durch die Hölle in die Freiheit

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