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Prolog

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Angefangen hat es schon einmal damit, dass ich keinen richtigen Namen habe … Bis zu meinem sechsten Lebensjahr war mein Vorname – und daran bestand für mich kein Zweifel – Grischka, was wohl auf eine intuitiv-romantische Entscheidung meiner Eltern im Geiste der Siebzigerjahre, genau genommen, des Jahres 1969 zurückgeht. Mit Schulbeginn habe ich dann erfahren, dass ich laut Geburtsurkunde Christina Marion heiße. Zu alledem war auch mein Nachname aufgrund einer Beamtenschlamperei falsch geschrieben, nämlich Voß. Ich gehörte also nicht einmal zur selben Familie wie meine Eltern …

Damals durfte man seine Kinder noch nicht auf poetische Namen wie Majolie oder Bluesky taufen, daher haben meine Eltern wohl hektisch im Namensregister geblättert und sind gerade einmal bis zum Buchstaben C wie Christina (die Christliche) gekommen. Marion haben sie mich nach der Mutter meines Vaters benannt.

Von einem Tag auf den anderen wurde ich nun mit einem mir völlig fremden Namen gerufen, und meine Mutter verwendete ihn ab diesem Zeitpunkt, wenn sie besonders wütend auf mich war, quasi als Schimpfwort. Eine Zeit lang kämpfte ich noch verzweifelt um meinen richtigen Namen. Ich bastelte mir zum Beispiel T-Shirts, auf denen Grischka stand, aber irgendwann wurden mir die ewig gleichen Fragen – »Ja, aber wieso heißt du dann Christina im Pass und was ist Krisska für ein komischer Name? Man kann ihn ja nicht einmal aussprechen!« – zu dumm.

Ich gründete den sogenannten inneren Kreis von Menschen, die mich Grischka nannten und mir sehr nahestanden, Familienmitglieder etwa oder Theaterfreunde, und den sogenannten äußeren Kreis, der aus Menschen bestand, mit denen ich amtlich, gewissermaßen also offiziell verkehrte, Mitschüler etwa, Lehrer, später auch Kollegen und Arbeitgeber.

Als ich sechzehn Jahre alt war, schenkte mir ein Freund das Buch Grischka und sein Bär, und ich erfuhr, dass Grischka die Koseform des russischen Namens Grigori war, eines Männernamens also. Nach dem Tod meiner Eltern im Jahr 2014 entdeckte ich beim Räumen ihres Hauses einen kleinen Ordner, in dem meine Großmutter Marion alle Briefe meiner Eltern aufbewahrt hatte. In diesen Briefen fand ich endlich die Bestätigung für ein Gefühl, das mich zeitlebens begleitet hatte: Ich hätte eigentlich ein Sohn werden sollen. Ich hatte also nicht nur keinen richtigen Vornamen, sondern auch noch das falsche Geschlecht!

Mein Vater schrieb am 4.3.1969 in Braunschweig an seine Mutter Marion:

Liebstes Muggelchen!

Vergiss nie, dass wir deinen Rat immer brauchen und die Heimat, die du uns gibst! Wir brauchen dich unendlich!

Der Mümmelmann bekommt die wunderbarste Großmutter der Welt! Und wir beide haben die wunderbarste und liebste Mutter der Welt in dir! So ein kleines Kerlchen würde eigentlich gerade noch zu unserer kleinen Familie passen. Er soll Kai Oliver heißen oder Marc Oliver, wenn er ganz dunkle Haare haben sollte …

Wer nicht kämpft, hat schon verloren

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