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Ela Gochiashvili Der Mensch

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In diesem Haus,

im Haus der Großmutter,

hieß ich Finklein.

Das Haus stand in der Mitte des Winters.

Es schneite leise

auf den Platz wo der Ofen steht,

auf die Zäune, die Süßkirschenbäume.

Der Winter siedete in der Teekanne,

er wurde aufgebrüht,

mit den über den Dampf ausgestreckten Händen,

der dreiunddreißigjährige junge Mann,

– ein Alkoholiker und Begabter –

war mein Onkel.

Der Ex-Gulagbewohner, mein Urgroßvater,

war lange nicht mehr am Leben,

den meine Urgroßmutter

auf einer Geburtstagsparty kennengelernt hatte.

»Die Tschocha hatte er schräg über die Schultern getragen«,

erinnerte sie sich,

während ihre unglaublich

jungen blauen Augen blitzten.

Es schneite draußen ohne Unterlass …

Auf dem Dachboden gab es Unmengen von Mäusen

und »Tamro«-Birnen.

Den ganzen Winter hindurch wurden bei uns

Maiskolben entkernt,

entkernt wurden sie langsam,

dabei unterhielt man sich.

Beinah überwinterten bei uns

die Alten unserer Wohngegend:

Mascho, Nanija.

Es ist höchste Zeit, einen Tee zu trinken, sagte der Opa,

dabei legte er den Bleistift ins Buch;

wir nahmen die eingemachten Pfirsiche heraus –

sie waren zuckrig und schwer zu essen;

einen in der Kohlenglut gebackenen Kürbis

entfernte die Oma, die Asche abkratzend

und es schneite draußen …

»das Finkenvöglein möchte schlafen«,

sagte der junge Mann,

der die Hände über dem Dampf ausstreckte,

der ein Alkoholiker und folgsam war,

der mein Onkel war,

und dem

nur seine große Schwäche und Hilflosigkeit

die Kraft gab,

um aufzuhören zu leben.

… Mit den Händen über dem Dampf –

So ist er in meiner Erinnerung geblieben.

»Das Finkenmädchen möchte schlafen«,

zitterte er mit seiner Sanftheit,

Engel der Ortschaft,

dann legte sich die Oma neben mich hin,

vom Duft des Ofens und der Märchen

war sie voll.

Sie flüsterte die Geschichte von den vermissten Waisen;

auf der gekalkten Wand aber

formte sich die Welt,

die nur für mich sichtbar war,

und ich fürchtete mich …

Meine Oma, müde vom Leben,

freudloses, unglückliches Einzelkind.

Sie zeigte sich als Sorglose

und so versteckte sie sich vor den Menschen.

Sie schaffte es nicht, den Kummer aus dem Herzen zu holen,

und ihn auf alle Zäune aufzuhängen.

Eine zufluchtsuchende Katze und Kummer

darf man nicht aus Mitleid nach draußen werfen.


Heute steht auf diesem Hof

ein fremder Mann und sagt:

mein Hof,

mein Haus,

alles ist meins, meins!

Ihm gehört alles, Gott vermehre seine Nachkommen,

aber wo kann ich mich

nach meiner Kindheit erkundigen,

wo kann ich nach dem Finken fragen!

Unsere Wurzeln grub der Neusiedler heraus,

er schmiss sie über den Zaun

als nutzlos, unnötig, fremd …

Meinen Schnee,

meine Alten,

mein Dach und »Tamro«-Birnen,

wie kann ich euch einen Gruß schicken?


Was ist heute aus eurem Fink geworden?!

Niemand –

eine geduldige Frau

und

eine Dichterin des Todes,

aber ihr ist nicht zu verzeihen,

weil Gott eigentlich

etwas völlig anderes mit ihr vorhatte:

den Menschen – die Lebendgebärende.

Georgiens Herz

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