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Kommunikation, Sprache und Sprechen

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Obwohl im allgemeinen Sprachgebrauch die Begriffe Kommunikation, Sprache und Sprechen oft wenig differenziert werden, haben sie doch recht unterschiedliche Bedeutung und gerade für das Verständnis der vielfältigen Probleme, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit speziellen Beeinträchtigungen haben, ist eine Unterscheidung sehr wichtig.

Mit Kommunikation bezeichnen wir alle Verhaltensweisen und Ausdrucksformen mit denen wir mit anderen Menschen bewusst oder unbewusst in Beziehung treten1. Kommunikation umfasst deshalb viel mehr als nur die verbale Sprache.

So können Nähe und Distanz Vertrautheit oder Befremden ausdrücken; mit Berührung, Anfassen und Anblicken können Interessen deutlich werden. Kummer, Schmerz, Freude oder Wut zeigt sich mit entsprechender Mimik. Auch Körperhaltung, Erblassen und Erröten oder verweinte Augen können etwas über unser Befinden aussagen, erfordern aber eine kontextbezogene Interpretation. Zustimmendes oder ablehnendes Kopfnicken bzw. -schütteln oder Achselzucken ist situationsabhängig zu verstehen. Wie wir uns anziehen – ob festlich oder sportlich, Trauerkleidung, typische Trend- oder Peergruppenmode – drückt Vorhaben, eine bestimmte Stimmung oder auch Einstellung aus. Mit Gestik betonen wir unsere Ansichten, lenken das Interesse, zeigen Emotionen und verdeutlichen Gesagtes. Schon das kleine Kind zeigt – wenn auch ohne entsprechende Intention – mit seinem Verhalten seine Bedürfnisse, Vorlieben, Schmerz und Abneigung.

Alle diese Formen der Kommunikation sind vorwiegend nur situationsgebunden zu verstehen und bedürfen der besonderen Interpretation. Dabei werden innerhalb enger personaler Beziehungen, in einem Kulturbereich oder in der gleichen Peer-Gruppe diese verschiedenen Zeichen noch relativ gut verstanden, aber bei größerer Distanz, stärkeren Normabweichungen oder speziellen Beeinträchtigungen wird die erforderliche Interpretation oft erschwert und kann leicht misslingen. Deshalb können sich durch abweichende mimische, gestische und körpersprachliche Kommunikationsformen nicht nur in internationalen Beziehungen Störungen ergeben, sondern es gilt zu bedenken, dass auch Kinder mit migrationsbedingten anderen Erfahrungen verunsichert auf scheinbar allgemein verständliche »Kommunikationskulturen« reagieren können.

Zu den wichtigen individuellen Grundlagen der Kommunikation gehören – mit unterschiedlicher Relevanz – die sensorischen Fähigkeiten Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken, Riechen, aber auch kinästhetische, propiozeptive und vestibuläre Wahrnehmung. Gelernt werden muss dabei die spezielle erfahrungsgebundene Bedeutungsgebung dieser über die Sinne aufgenommenen Eindrücke und ihre Koordinierung sowie »Sensorische Integration«.

Auch die mögliche Einflussnahme durch Blickkontakt, mimischer und gestischer Ausdruck, das abwechselnde Handeln in Interaktionen (turn-taking) sowie das Einhalten von alters- und kulturtypischem Kommunikationsabstand (Proxemik) zählen zu den basalen Kompetenzen, die in sozialen Beziehungen erworben werden.

Sprache ist ein speziesspezifisches Kommunikationssystem, das auf festgelegten Symbolen beruht. Gleich ob es sich dabei um Gebärden, Wörter oder optische Zeichen handelt, repräsentieren diese Symbole die Dinge, Handlungen, Abfolgen und Beziehungen. Sprache ist eine wesentliche Grundlage für das bedeutungsbezogene Verarbeiten von Wahrnehmungen, damit flüchtige Sinneseindrücke gespeichert werden können. Sie ist wichtig für das Vergleichen und Bewerten, für das Erinnern sowie die Bildung von Kategorien und sie ist eine wesentliche Voraussetzung für vielfältige kognitive Leistungen.

Allerdings sind diese Funktionen nicht gebunden an die Lautsprache, sondern an das Vorhandensein eines differenzierten Symbolsystems. Deshalb können Menschen ohne Lautsprache auch mit anderen Sprachsystemen wie Gebärden, Symbolsysteme oder Sprechausgabegeräte entsprechende kognitive Fähigkeiten entwickeln. Deshalb sind ein gutes Sprachverständnis und eine normale Sprachkompetenz – wie zahlreiche Beispiele belegen – keineswegs abhängig von der Sprechfähigkeit (vgl. Nolan 1989, Lemler 2013).

Als eine wesentliche Voraussetzung für das Erlernen von Sprache gilt die Bereitschaft zur sozialen Interaktion, die Entwicklung von Objektpermanenz und ein gewisses Symbolverständnis. Mit dem differenzierten Aufbau des Vokabulars (Lexik) ist auch die genaue Bedeutung zu erwerben (Semantik). Dabei unterstützt die Betonung (Prosodie) ganz wesentlich das Verstehen, wie das Gesagte gemeint ist (Lob, Tadel, Zweifel, Ironie). Auch die verschiedenen grammatischen Strukturen (Fragen, Passivsätze) müssen verstanden werden. Unabhängig vom Kontext ist zu lernen, sprachliche Mitteilungen zu erfassen und angemessen darauf zu reagieren (Pragmatik).

Sprechen bezeichnet das Produzieren der hörbaren Sprache. Dazu ist erforderlich, dass die sprachtypischen Normlaute gebildet, zu Wörtern verbunden und bedeutungsbezogen benutzt werden. Sprechen ist ein besonders effektives und differenziertes Mittel der Kommunikation. Das Erlernen erfordert sowohl vielfältige basale Voraussetzungen als auch spezielle motorische und kognitive Fähigkeiten.

Für die normale Realisierung von Sprechen sind viele verschiedene Aspekte wichtig. So müssen die einzelnen Laute korrekt gebildet werden (Artikulation), bei der Wortfolge und Satzstruktur sind Regeln zu beachten (Syntax) und mit den geäußerten Wörtern werden Absichten verbunden (Pragmatik). Auch die Sprechfüssigkeit (Stottern, Poltern), die Lautstärke, Betonung (Prosodie) und Resonanz (Näseln) sind wichtig für eine ungestörte Kommunikation.

Ein besonderer Aspekt bezieht sich auf Regeln der Konversation. So ist zu beachten, wie und wann Nachfragen gestellt werden können und wann ein Sprecher unterbrochen werden darf, wie ein Gespräch begonnen, ein Thema bestimmt oder gewechselt werden kann. Missverständnisse müssen korrigiert und unterschiedliche Annahmen geklärt werden können. Die (Vor)Kenntnisse des Gesprächspartners bei einem Thema sind zu berücksichtigen. Auch gilt es angemessene Höflichkeitsformen zu beachten – das bezieht sich auch auf situationsgerechte Wortwahl und das Verwenden von typischen Peer-Gruppenausdrücken.

Bedeutung hat auch das Verhältnis von Gesprächsthema und aktueller Tätigkeit. Während beim kleinen Kind gemeinsame Gespräche überwiegend kontext- und handlungsgebunden sind, indem wir verbalisieren, wohin das Kind blickt oder womit es sich gerade beschäftigt oder indem wir eigene Tätigkeiten kommentieren, löst sich mit zunehmendem Alter des Kindes das Gespräch von der aktuellen Handlung und von der Situation (so kann beim gemeinsamen Kochen über einen Film gesprochen werden oder beim Essen über Erlebnisse in der Schule).

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