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1 Einführung

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Wer hätte gedacht, dass die Definition von Grenze sich in dem Zeitraum, in dem ich an diesem Text gearbeitet habe – genauer, im zweiten Quartal des Jahres 2020 –, so grundlegend wandeln würde und Grenzen für eine Generation, die den Begriff nur noch in der abstrakten Begrifflichkeit der Sprachengrenze kannte, zumindest zeitweise wieder zu einer unüberwindbaren Barriere werden würden, wie sie seit dem Ende der Teilung Europas 1990 eigentlich auf diesem Kontinent der Vergangenheit anzugehören schien. Was 2015 zum Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung bereits sichtbar und mit dem Brexit Realität wurde, dass das Schengener Abkommen und die Entwicklung in Richtung immer offenerer Binnengrenzen nicht unumkehrbar sind, erfährt nun in der Pandemie-Krise zwischenzeitlich einen traurigen Höhepunkt. Um es an einem Beispiel aus Albert Raaschs universitärem Wirkungsumfeld zu illustrieren: Die Grenzstation Goldene Bremm ist nun zum Zeitpunkt, an dem ich diesen Text schreibe, wieder so unüberwindbar wie einstmals die DDR-Grenze. Niemand außer LKWs kommt vorerst durch und der 8. Mai war dieses Jahr nicht wie üblich der „Nationalfeiertag” des Saarbrücker Einzelhandels. Die Schließung der Grenzen zwischen Deutschland und Frankreich, und nicht nur dort, hat allerdings auch gezeigt, wie eng eine Region wie SaarLorLux inzwischen zusammengewachsen ist und wie vielfältig und vielschichtig die Bindungen und die grenzübergreifende Infrastruktur sind.

Ein Teil des Wirkens von Albert Raasch bezog sich auf fremdsprachliche Erfahrungen und Projekte in Grenzregionen – so der Untertitel eines von ihm herausgegebene Tagungsbandes (Raasch 2000). Der Band eröffnet den Blick auf eine Fülle regionaler und lokaler Initiativen und Projekte, deren Vielfalt immer noch beeindruckt. Es ging ihm in diesem Arbeitskontext, den er geprägt hat wie kein anderer, und an den in diesem Kontext aus aktuellem Anlass erinnert werden soll, stets um Sprachen und Lernerfahrungen in Regionen, in denen Wittgensteins viel zitiertes Wort „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“ (Wittgenstein 1922: Satz 5.6) dezidiert keine Gültigkeit hat.

Mit diesem Text ist keine umfassende Bilanz der Entwicklung der Sprachendidaktik und -praxis in Grenzregionen intendiert. Es soll lediglich eine Reihe sprachenpolitischer und fremdsprachendidaktischer Meilensteine im Zusammenhang dargestellt werden, in denen sich das Arbeitsfeld der Mehrsprachigkeitsdidaktik weiterentwickelt hat. Im ersten Teil des Beitrags soll zunächst die allgemeine Entwicklung in der Grenzregion Saar-Lor-Lux-Rheinland / Pfalz-Wallonie“ dargestellt werden. Anschließend werden die Entwicklungen des Forschungs- und Arbeitsfeldes Sprachdidaktik in Grenzregionen am Beispiel der Dissertation von Dorothea Spaniel-Weise (2017) über die Entwicklung im deutsch-tschechischen Grenzraum skizziert werden. Abschließend soll dann der Beitrag des Companion Guide (2018) zum „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen“ für die Entwicklung der Didaktik und Methodik des Lernens fremder Sprachen, der 2020 auf Deutsch erschienen ist, erörtert werden.

Die Menschen verstehen: Grenzüberschreitende Kommunikation in Theorie und Praxis

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