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Haiko Pfost, Wilma Renfordt, Falk Schreiber

„Alles fühlte sich an wie nach einem Unfall“, schrieb Holger Bergmann, Geschäftsführer des Fonds Darstellende Künste, am 21. März 2020 in einem Facebook-Posting. Und so war es auch: Das Gewohnte war plötzlich zum Stillstand gekommen und bedroht. Eine Woche zuvor hatten die Theater des Landes angesichts der eskalierenden Corona-Pandemie sämtliche Vorstellungen abgesagt. Einen echten Lockdown gab es in Deutschland, Österreich und der Schweiz zwar nicht, wohl aber einen des Kulturlebens: Alle Bühnen, Konzertsäle, Ausstellungshäuser, Festivals waren durch die (insgesamt eher milden) Kontaktbeschränkungen zur Untätigkeit gezwungen. Und jetzt? Wie wollen wir nach der Krise weitermachen? Können wir aus diesen Erfahrungen lernen? Nicht nur als Gesellschaft, sondern auch als Freie Theatermacher*innen?

In den ersten Wochen des pandemiebedingten Ausnahmezustands waren die Medien voll mit Reflexionen und Statements zu dem, was die Krise an Veränderungen mit sich bringen könnte. Im August, kurz vor Drucklegung dieses Bandes, wirkt es eher so, als würde die Welt sich wie gewohnt weiterdrehen. Zu begrüßen ist das angesichts ihres Zustands nicht. Deshalb haben wir inmitten der Theater-Zwangspause Akteur*innnen der Freien Szene dazu eingeladen, in Texten und Fotos Momentaufnahmen aus einer Zeit festzuhalten, in der nichts mehr war wie gewohnt und die Frage unumgänglich wurde, wie es denn eigentlich weitergehen soll: politisch, ästhetisch, strukturell.

Die Beiträge blicken aus verschiedenen Perspektiven auf das Geschehen: Sie zeigen auf, dass vor dem Virus und auch sonst eben nicht alle gleich sind, sie fragen nach Solidarität, Ein- und Ausschlüssen. Sie behandeln die Verletzbarkeit des Körpers im Theater, die durch das Virus plötzlich offenbar wird, sie diskutieren den Status künstlerischer Existenz, deren Prekarität, so hat die Pandemie es gezeigt, ganz wesentlich von finanziellen wie sozialen Ressourcen bestimmt wird. Auf der ökonomischen Ebene fragen die Autor*innen, wie sich Kunstförderung, Honorarstrukturen und Gemeinwohl angesichts der veränderten Situation und auch darüber hinaus neu denken ließen. Und können wir das alles auch im Internet machen? Schließlich weitet sich der Blick auf die gesellschaftliche Ebene, mit Beiträgen zur Kunstfreiheit oder zur sozialen Bedeutung des Freien Theaters.

Eigentlich hatten die Impulse 2020 ihren 30. Geburtstag feiern wollen, u. a. mit einer Akademie zur Festivalgeschichte. Diese und viele andere Veranstaltungen mussten wegen der Kontaktbeschränkungen ins Folgejahr verschoben werden. Eine um den Großteil der Programmpunkte reduzierte Digitalversion des Festivals trat an die Stelle von Versammlung und Begegnung vor Ort in Köln, Düsseldorf und Mülheim an der Ruhr. Die geplante Jubiläumspublikation wurde mitsamt der Akademie vorerst auf Eis gelegt. Und so ist dieser Band nicht zuletzt ein Dokument des Verlusts, einer Leerstelle. Diese Leerstelle gilt es auszuhalten, denn nur so kann sie uns ein Spiegel sein.

Haiko Pfost, geboren 1972 im Schwarzwald, ist für die Festival-Ausgaben 2018 bis 2023 künstlerischer Leiter des Impulse Theater Festival. Er ist gelernter Industriekaufmann und hat Theater- und Religionswissenschaft sowie Psychologie in Berlin studiert. Als Festivaldramaturg arbeitete er beim Festival Theaterformen, beim steirischen herbst, bei den Internationalen Schillertagen sowie als Mitglied der Programmjury des Festivals Politik im Freien Theater. Gemeinsam mit Thomas Frank gründete er 2007 brut — Koproduktionshaus Wien und leitete das Haus bis 2013.

Wilma Renfordt ist seit 2017 Dramaturgin beim Impulse Theater Festival. 1982 geboren, wuchs sie am Rand des Ruhrgebiets auf und arbeitete nach dem Theaterwissenschafts-Studium an der FU Berlin frei als Dramaturgin, Autorin und kuratorische Assistenz, u. a. als Teil der Gruppe copy & waste. 2016/17 war sie Dramaturgin beim steirischen herbst. Falk Schreiber, Kulturjournalist. Geboren 1972 in Ulm, Studium in Tübingen und Gießen, Zeitschriftenvolontariat in Hamburg. Seit 2018 freischaffend, schreibt u. a. für Theater heute, Tanz, Nachtkritik, Hamburger Abendblatt, taz über Darstellende und Bildende Kunst. Mitglied diverser Fachjurys. Lehrt journalistische Praxis.

Lernen aus dem Lockdown?

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