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ZEIGE DEINE WUNDE
ОглавлениеFalk Schreiber
Zeige deine Wunde. Mache dich angreifbar. Öffne dich, breite die Arme aus, atme tief ein. Atme die Aerosole ein. Mache dich angreifbar.
Hier deine Wunde. Hier dein Körper, hier deine Infektion, hier deine Verletzung. Hier deine Angst. Aufwachen, Schlafengehen, Aufstehen, Angst. Angst vor der Krankheit, vor dem Tod, vor dem Souveränitätsverlust. Zeige deine Wunde! Gib deine Souveränität auf! Souveränitätsverlust: irrelevant werden. Unsichtbar werden. Zeige deinen Antrag: Corona-Soforthilfe für Soloselbstständige! (Aber nicht für dich, nicht für dich!) Zeige das Ablehnungsschreiben.
Hier dein Körper. Sei nackt, sei angreifbar. Es gibt hier ein Problem: Gib dem Problem einen Namen. Finde eine Lösung für das Problem, finde keine Lösung. Gehe online, schaffe Sichtbarkeiten, brich zusammen, stelle fest: Das funktioniert alles überhaupt nicht! Das trägt sich nicht, da kommt kein Geld rein, die Miete für den nächsten Monat: fällt aus. Abendessen: fällt aus. Premiere: fällt aus. Oder: Das funktioniert doch. Warum auch nicht? Warum funktioniert das eine Projekt, warum funktioniert das andere nicht?
Hier dein Leben. Es gibt nichts mehr zu gewinnen, es gibt nur noch was zu lernen. Es gibt Netzwerke zu knüpfen, Solidaritäten zu entwickeln. Es gibt Strukturen, die hinterfragt werden wollen. Es gibt Ästhetiken, die neu gedacht werden wollen. Gibt es eine Ikonografie des Lockdowns? Gibt es Images der Angreifbarkeit?
Zeige deine Wunde. Öffne dich. „Let me see your beauty broken down / Like you would do / For one you love.“ (Leonard Cohen)