Читать книгу BELARUS! - Группа авторов - Страница 22

„Ihre Sache“: Die Besonderheiten des belarusischen Arbeitsmarktes

Оглавление

In gewissem Sinne ist es von Vorteil, in Belarus Frau zu sein. Umfragen zufolge sind Frauen gebildeter und glücklicher als Männer. Auch das Beschäftigungsniveau der Frauen liegt höher als bei den Männern, allerdings hat sich das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen in den letzten 9 Jahren auf fast 30 Prozent erhöht. Zu Beginn des Jahres 2020 lag der Frauenanteil der in der Produktion Beschäftigten bei 37,6 Prozent. Im Dienstleistungssektor (Kultur, Bildung, Gesundheitswesen, Verbraucherdienstleistungen, Personentransport) steht es umgekehrt: 68,2 Prozent Frauen und 31,8 Prozent Männer.

Einerseits stellt der hohe Beschäftigungsgrad der Frauen am belarusischen Arbeitsmarkt – 84 Prozent der Frauen im arbeitsfähigen Alter arbeiten – eine Verdienstmöglichkeit dar. Andererseits ist der Lohnunterschied mit einer horizontalen und vertikalen Geschlechtertrennung verbunden, die auch die Daten von Belstat bestätigen. Im horizontalen Schnitt wird „männliche“ Beschäftigung (Industrie) normalerweise höher bezahlt als „weibliche“. Schaut man sich die Vertikale an, ist die Übermacht der Männer in den höheren Etagen der Führung und Verwaltung auch in den „weiblichen“ Sektoren, zum Beispiel dem Gesundheitswesen, offensichtlich.

Diese Situation in Belarus führt dazu, dass auch die größtmögliche Beschäftigung den Frauen kein wirtschaftliches Wohlergehen garantiert und auch keine Arbeitnehmerinnensicherheit gewährleistet ist. In Krisenzeiten, wenn die „Effizienz des Staatshaushaltes erhöht“ werden muss, fallen Frauen Kürzungen als Erste zum Opfer.

In Belarus sind Frauen 182 Berufe aus 42 Arbeitsbereichen gesetzlich verboten, da die schädlichen Einflüsse der Produktionsumgebung ein Risiko für die Reproduktionsgesundheit der Frau haben können. Der stellvertretende Minister für Arbeit und Soziales Aliaksandr Rumak sagt, „die Beibehaltung dieser Liste trägt der staatlichen Priorität für den Gesundheitsschutz der Beschäftigten Rechnung, vor allem der weiblichen, vor dem Hintergrund der demografischen Situation.“

Doch der Staat sollte die Interessen aller Bürger ohne Ausnahme schützen, nicht nur die der Frauen, als hätten diese ein „anfälligeres“ Reproduktionssystem. Warum sorgt sich der Staat nicht um die Reproduktionsgesundheit der Männer? Die Lebenserwartung der Männer liegt in Belarus 10 Jahre unter derjenigen der Frauen.

Im Moment wird das EU-Projekt „Employment and vocational training in Belarus“ durchgeführt, in dem Angebote der Berufsbildung und die Anforderungen des Arbeitsmarktes besser aufeinander abgestimmt werden sollen. Im Rahmen dieses Projektes wurde die Fotoausstellung „Ihre Sache“ initiiert, die zwölf Porträts von Frauen zeigt und die dazugehörigen Geschichten erzählt, wie sie Försterinnen, Fräserinnen, Elektrikerinnen, Schweißerinnen usw. wurden. Interessant ist, dass ein Teil der Berufe in der Ausstellung auf der oben erwähnten Liste der verbotenen Berufe stehen. Das Paradox besteht darin, dass die Belarusin eine Ausbildung in diesen Berufen machen kann, jedoch später nur eine Anstellung bekommen kann, falls Fachkräftemangel herrscht und der Arbeitgeber eine spezielle Zertifizierung durchläuft. Alternativ kann eine Frau sich auch als Unternehmen oder Selbständige registrieren und damit die Liste umgehen.

Am 9. Oktober wurde auf der Sitzung des Nationalrats für Genderpolitik beim Ministerrat der Republik Belarus das Handlungskonzept zur Geschlechtergleichstellung für 2021 – 2025 besprochen. Im Anschluss teilte die Ministerin für Arbeit und Soziales, Iryna Kascievič, mit, dass die Liste der für Frauen nicht zugelassenen Berufe möglicherweise abgeschafft wird.

BELARUS!

Подняться наверх