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Solidarisch gegen Diskriminierung und Gewalt
ОглавлениеDie staatliche Politik gegenüber Frauen zeichnet sich in Belarus durch eine äußerst geringe Sensibilität für ihre Bedürfnisse aus. Die Inkonsequenz der verfolgten Gleichstellungspolitik deutet darauf hin, dass die Behörden nicht in der Lage sind, eine Politik zu entwickeln, die die Gleichstellung von Männern und Frauen mit der Aufgabe der Steigerung der Geburtenrate, des aktiven Alterns und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbindet. Dementsprechend ist die Kluft zwischen normativem (Geschlechterverhältnis), offiziellem (Familienpolitik) und alltäglichem „Vertrag“ (Praxis der Verteilung sozialer Rollen) im Bereich der Interaktion zwischen Familie, Gesellschaft und Staat sehr groß.
Einerseits zielt die staatliche Politik darauf ab, die maximale Beschäftigung von Frauen zu fördern, andererseits dominieren traditionelle Vorstellungen über den Platz von Frauen in der Gesellschaft, was mit einer geringen Anerkennung der Berufstätigkeit von Frauen einhergeht.
Der Staat preist die Frau als Mutter, als Arbeitnehmerin, als Objekt sexueller Attraktivität als strategische Ressource des Landes, was zusammen mit einem Frauenanteil von 40 Prozent im Parlament als Bestätigung für das Engagement des Landes für Geschlechtergerechtigkeit, Unabhängigkeit und Demokratie präsentiert wird. Im Grunde geht es jedoch eher um Manipulation und moralische Kontrolle von Frauen durch die Behörden als um die Bereitschaft, auf neue Herausforderungen zu reagieren und gesetzliche Regelungen zu entwickeln, die die sozialen Folgen biologischer Prädispositionen ausgleichen könnten. Die indirekte Diskriminierung von Frauen in Belarus ist ein systemisches Phänomen.
Bis Frauen selbst anfangen, sich gegen konkrete Probleme und das missbräuchliche Verhalten bestimmter Obrigkeiten zu wehren, Strategien zum Schutz ihrer eigenen Interessen zu entwickeln und ihr Recht auf ein würdiges Leben zu verteidigen, werden verschiedene „Experten“ weiterhin versuchen, ihre persönliche Entscheidung „umzukehren“ und das als Akt der Fürsorge darzustellen. Ja, es besteht die Notwendigkeit, die Solidarität der Frauen um die Lösung spezifischer Probleme herum aufzubauen, denn heute gibt es in vielen Bereichen eine offensichtliche Ungleichheit.
Die Verschlechterung der Situation von Frauen steht heute nicht mehr im Fokus der Medien. In den Medien, sowohl Proals auch Anti-Lukaschenko, im In- wie im Ausland, wird vorwiegend der Frauenprotest entweder als unglaubliches Beispiel für weiblichen Aktivismus gezeigt oder als unangemessene Verhaltensmanifestation, die sowohl die belarusischen Männer, die „sich hinter den Frauen verstecken“, wie auch die Frauen selbst diskreditiert. Die Kultivierung von Symbolen der Reinheit (Weißheit) und Schönheit (Blumen) als integraler Bestandteile der neuen nationalen Symbolik korrespondiert mit der Analogie zwischen politischer Willkür und häuslicher Gewalt.
Das eingangs erwähnte Beispiel, wie die Eventmanagerin und ihre Unterstützerinnen den Frauenprotest als „Marsch der schönen Frauen“ und „Schönheit rettet die Welt“ in Marketingform verpackten, zeigt, wie die Banalität der Heteropatriarchie zu einer Quelle der Unterhaltung wird und wer die endlose Produktion von Sexismus betreibt. Die Frage, wie diese Produktion in den Ruin getrieben werden kann, bleibt offen. Bisher hört niemand wirklich zu, was die Aktivistinnen konkret zu sagen haben und wie sie ihr Wissen generieren – über sich selbst und für sich selbst, während der Aktionen, ohne ihre eigenen Rechte zu verteidigen.
Die Produktion von Wissen über unsere Rechte als Frauen ist ohne Solidarität unmöglich, weil auch das Nichtwissen bedeutsam ist, die bewusste Verweigerung, Zugang zu Wissen zu erlangen, das uns ein Verständnis darüber geben könnte, warum wir nicht die Kontrolle über unser Leben haben. Dieses Wissen – generiert aus der schmerzlichen Erkenntnis der Konsequenzen von Unwissenheit – entsteht im kollektiven Handeln: Wenn Frauen ihre Probleme anpacken und eine Gender-Agenda entwickeln, die nicht der Rechtfertigung ihrer Beteiligung an der Politik dient, sondern die Grundlage für gegenseitige Unterstützung in der Auseinandersetzung mit Gewalt jeglicher Herkunft bildet.
Aus dem Russischen von Tina Wünschmann