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Die Nachfolge RUDI TUTZ JUN. IM INTERVIEW MIT INES ZIMMERMANN
ОглавлениеI. Z.: Stand es immer fest, dass du den Betrieb übernehmen würdest?
Rudolf Tutz jun., Foto: privat
Rudi Tutz: Nein, überhaupt nicht. Zunächst habe ich angefangen, Architektur zu studieren. Doch nach dem Tod der Mutter brauchte mein Vater Hilfe im Betrieb. Ich brach das Studium ab, machte die Ausbildung über den zweiten Bildungsweg und legte die Meisterprüfung ab. Von Anfang an habe ich mich auf den Bau historischer Instrumente konzentriert und baue heute mit zwei Mitarbeitern in Teilzeit vorwiegend Klarinetten und Traversflöten. Wir haben sehr viele Aufträge für Klarinetten, vom Chalumeau bis zur romantischen Klarinette.
Weder von der Vater- noch der Mutterseite war zuvor die Nachfolge jemals thematisiert worden und ich empfand keinen Druck. Trotzdem glaube ich, dass es meinen Vater freute, als ich dazu kam. Für mich war der Einstieg ins Geschäft im Rückspiegel gesehen die viel interessantere und passendere Arbeit als mein ursprünglicher Wunsch, Architekt zu werden. So habe ich viel mehr Freiheit und weniger Sachzwänge. Instrumentenbau vereinigt so viele Talente, dass man ganz verschiedene Sachen daraus machen kann. Bei der Architektur sind Entwurf und Design höchstens zehn Prozent der Arbeit. Und dann kommen Emotionen, Geld, Auflagen, Neid, Politik und was weiß ich dazu. Noch dazu sitzt man den ganzen Tag vor dem Computer. Nichts für mich.
Von Anfang an habe ich das Geschäft unabhängig von der Arbeit meines Vaters in eine Richtung entwickeln können, die mir lag. Schon zu seinen Lebzeiten richtete ich die Firma auf den Instrumentenbau aus. Als meine Mutter noch lebte, managte sie das Geschäft. Wir hatten acht Angestellte und bedienten den Handel und den Orchesterservice, doch der Strukturwandel in der Branche war schon deutlich zu spüren; mit Handel und Reparaturen war kaum mehr Geld zu verdienen, die Internetkonkurrenz und die Euroumstellung taten ein Übriges. Der Instrumentenbau, der stets das Hobby meines Vaters gewesen war, das er abends und am Wochenende betrieb, wurde so zu unserem Hauptgeschäft.
I. Z.: Was magst du über Deine Erfahrung, von Deinem Vater zu lernen, erzählen?
R. T.: In unserem Betrieb gab es viele gute Mitarbeiter, die wie ich angehalten wurden, selbstständig zu arbeiten: Das Resultat dieser Arbeit wurde vom Vater beurteilt und manchmal auch kritisiert.
Für ihn war das Resultat das alles Entscheidende. Auf welchem Weg man dahin gekommen war, war nicht so wichtig. Mein Vater hat mir Dinge ganz kurz gezeigt: „Schau, so mache ich’s“, sagte er, und dann hieß es: „Jeder, wie er will.“ Und wenn ich manchmal gefragt habe „Wie macht man es am besten?“, war die Antwort oft: „Ich weiß es selber nicht.“ Eigentlich stimmt das. Es ist eine fast buddhistische Herangehensweise.
I. Z.: Das klingt antiautoritär.
R. T.: Das war es auf jeden Fall. Mein Vater hat so gut wie nie jemandem etwas vorgeschrieben. Und was auch noch positiv war, war seine Bereitschaft, jederzeit alles anders zu machen. Das kam bei ihm öfters vor und meist wurde es dann sehr gut. Für mich bedeutete, nicht zu einer Struktur gezwungen zu werden, kreativen Freiraum.
Und diese Denkweise habe ich beibehalten: Ich produziere nie viel vorher, habe eine kurze Warteliste und komme damit gut zurecht. So bin ich flexibel, Neues sofort umzusetzen.
I. Z.: Glaubst du, dein Vater hat dich bewusst so im Unklaren gelassen, damit du die Chance hast, dich aus dir selbst zu entwickeln?
R. T.: Nein, so hat er nicht gedacht. Mein Vater war ein Künstler und bildhauerisch außergewöhnlich begabt. Die Qualität seiner Schnitzereien verschlägt einem den Atem, sie sind wunderschön.
Rudolf (III) Tutz, Fuchs, Schnitzarbeit (1956), Foto: Daniel Jarosch
Und dabei war er noch unglaublich schnell. Einmal hat er zwei reich verzierte Gahn-Flöten an einem Tag gebaut, die Köpfe am Nachmittag geschnitzt – jeder andere hätte dafür eine Woche gebraucht und das Ergebnis wäre lange nicht so schön. Das gilt auch für seine Museumskopien und Lindes Geburtstagsflöte. Er arbeitete eben mit einer seltenen Mühelosigkeit und Leichtigkeit. Hinter den meisten Projekten steckte keine finanzielle Motivation, sondern die Verneigung eines Meisters vor den handwerklichen Künsten der vergangenen Generationen – und der handwerkliche Stolz, dies nachbauen zu können. Zu meinem Vater sind die Leute mit einem Mundstück gekommen und er hat zu diesem Mundstück ein Instrument gebaut. Am Ende kamen bei diesen Projekten schöne, einzigartige Instrumente heraus. Für einen Künstler ist das genug.
Rudolf (III) Tutz, Hand, Schnitzarbeit, Foto: Daniel Jarosch
Ich bin kein Künstler und ob ich ein guter Handwerker bin, müssen andere entscheiden. Jeder muss seinen eigenen Weg finden und ich habe eben andere Stärken. Ich habe Respekt vor den Modellen, die ich baue und arbeite nach eigenen Plänen.
I. Z.: Wirst Du die Arbeit mit den Musikern, die Deinem Vater beim Instrumentenbau zur Seite standen, fortsetzen?
R. T.: Es spricht nichts dagegen, aber es gibt noch keine konkreten Pläne. Als eines seiner letzten Projekte hat mein Vater an wesentlichen Verbesserungen der Bassettklarinette gearbeitet.
Die moderne Klarinette ist schon ziemlich ausgereizt und egalisiert, wie die modernen Flöten. Ich habe häufig mit Profiklarinettisten zu tun, die es lieben, historische Klarinette zu spielen, weil der Klang interessanter und angenehmer ist. Gute Musiker können mit allem Musik machen. Mit der modernen Welt der Klarinettisten kenne ich mich gut aus, es ist mir dort nichts fremd.
Rudolf (III) Tutz, Blockflöte (1999) nach dem Nürnberger Meister Johann Benedikt Gahn (1674–1711), Foto: Daniel Jarosch
Heute sind wir viel vernetzter. Ich stehe in Kontakt zu vielen Kunden. Ich schätze diese Offenheit, denn ich halte nichts davon, Ideen zurückzuhalten. Mir geht es besser, wenn ich mit den Menschen rede. Es gibt keine Betriebsgeheimnisse, denn jeder baut trotzdem seine eigenen Instrumente. Barthold Kuijken und seine Schüler sind für unsere Werkstatt die Hauptqualitätsgeber. Das sind diejenigen, die am meisten Zeit mit uns verbracht haben und auf die wir am meisten Wert legen. An diesem Standard orientieren wir uns und entwickeln uns weiter.
Mein Respekt vor den Musikern ist groß. Die kriegen so ein Holzteil von mir und machen etwas daraus. Sie benutzen es als ihr Werkzeug, um Musik zu machen.