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Lieber Mutterzunge als Vaterland

von Sybil Volks

Heimat ist für mich Sprache

Lieber Mutterzunge als Vaterland

Meine Muttersprache ist Deutsch

Doch viele Deutsche

verstehe ich in letzter Zeit gar nicht gut

„Die können ja kein Wort Deutsch“,

bemängeln Vielflieger aus Düsseldorf

an geflüchteten Sudanesen

während sie in Palma „zwei Bier!“ befehlen

„Sollen die erst mal Deutsch lernen“,

meinen Landsleute aus Leipzig

die in 30 Jahren kein Englisch lernten

„Integriert erst mal uns“, fordern sie,

als säßen sie noch immer im Aufnahmelager

des 21. Jahrhunderts

„Man wird doch noch sagen dürfen“,

wird stündlich gesagt

„man darf ja nicht mehr sagen“,

im Dauerloop geklagt

„Es gibt keine freie Presse“,

wissen Leute, die niemals Zeitung lesen

„die Staatsmedien lügen“,

rufen Facebooker aus Echokammern

„Mordsgefährlich ist’s in der U-Bahn“,

warnen Autofahrer im SUV

„Man wird doch noch sagen dürfen.“

„Ich habe nichts gegen Flüchtlinge“,

aber die meisten sind junge Männer

„Wir haben nichts gegen Moslems“,

aber die Kopftuchmädchen

aber die Machomänner

aber der Ramadan

und der Islam

„Ich persönlich kenne keinen“,

aber der Nachbar

die Kollegin der Tochter

heute Morgen auf WhatsApp

was man alles so hört

„aber man darf ja nichts mehr sagen.“

„Uns persönlich geht es gut“,

nur man fühlt sich halt nicht mehr sicher

„Noch hab ich meine Arbeit“,

doch es könnten welche kommen

„Also wir haben keine Sorgen“,

aber alles wird immer schlimmer.

Deutschland, uneinig Vaterland

Muttersprache mit gespaltenen Zungen

Mauern, von besorgten Bürgern errichtet. Jägerzäune

kreuz und quer durch „das Volk“, den geteilten Himmel,

das Netz aus dessen Deckung man digital Gift schießt

uralten Hass in den Wind sät

USERNAME JEDERMANN

Verdammt, jetzt ist es so weit. Auch ich stimme ein:

„Mir persönlich geht es zwar gut“,

aber ich fühle mich hier nicht mehr sicher

„Noch sind die Vernünftigen in der Mehrheit“,

doch ich höre die Wutbürger wachsen

„Noch schützt uns der Rechtsstaat“,

doch was, wenn die Rechten

uns auf dem Schirm, auf der Liste haben,

man eines Tages tatsächlich

„nicht mehr sagen“ darf?

Wer wird dann noch meine Sprache sprechen?

Und was sollen erst die sagen,

die schon jetzt ohne Heimat sind?

Ohne Mutterzunge noch Vaterland.

Heimat?

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