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4. Gestaltung des Workshop-Designs auf der Basis des Reiss-Profile-Teamergebnisses: Case Study

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Ein besonderes Bonbon bietet der Einsatz des Reiss Profiles in einer Teamentwicklung für den Berater / Trainer auch in der Vorbereitung des Workshops. In diesem Abschnitt wird beispielhaft beschrieben, welche Schlussfolgerungen der Berater aus dem Teamprofil ziehen kann und wie sich das auf die Gestaltung des Workshops auswirkt. Der konkrete Ablauf des Workshops wird anhand eines realen Beispiels der Geschäftsleitung eines mittelständischen Unternehmens vorgestellt und erläutert.

Schlussfolgerungen aus dem Reiss-Profile-Teamergebnis

Als Beispiel soll im Folgenden das Teamprofil der erweiterten Geschäftsführung (1. Ebene plus Prokuristen) eines mittelständischen Unternehmens (mit dem Schwerpunkt Vertrieb) dienen. Ausgangspunkt für den Auftrag war der Wunsch des CEO, eine stringentere und effizientere Diskussionskultur in diesem Gremium zu erreichen. Vereinbarte Maßnahmen und Projekte sollten termingerecht umgesetzt werden. Die Mitglieder der Geschäftsführung (im Folgenden kurz: GF) sollten abgestimmter und weniger eigeninitiativ vorgehen sowie ein stärkeres Kostenbewusstsein entwickeln. Der CEO war besorgt über einige heftigere Auseinandersetzungen und Konflikte in den letzten Monaten. Der Ablauf des Teamentwicklungsprozesses orientierte sich im Wesentlichen an dem im Abschnitt Generelle Vorgehensweise beim Einsatz des Reiss Profiles (siehe Tabelle) skizzierten Vorgehen. Zum Einsatz kam die Business-Variante des Reiss Profiles (siehe Tabelle).

Der Blick auf das Neugiermotiv der TN sowie auf das durchschnittlich niedrige Anerkennungsmotiv (mit niedriger Standardabweichung 0,59) legte nahe, dass in den meisten Fällen mit einer kurzen Feedbackzeit zu rechnen war. Tatsächlich verliefen die Feedbackgespräche in der Regel kurz und schmerzlos, lediglich der CEO zeigte sich tiefer interessiert. Er hatte im Vorfeld auch entschieden, das Reiss Profile für die Teamentwicklung zu verwenden. Betrachten wir nun das Teamprofil genauer.

Teamprofil der erweiterten Geschäftsleitung eines mittelständischen Unternehmens

∎ Das Profil des CEO unterscheidet sich in einigen Motiven deutlich von denjenigen der übrigen Mitgliedern der GF (Teamorientierung, Neugier, Ordnung, Rache / Kampf, Status, Emotionale Ruhe). Das lässt seinen Wunsch nach mehr Struktur in Besprechungen, weniger Einzelkämpfertum und nach dem Einhalten von Vereinbarungen verstehen. Und seine Sorge, das Team könne in Zukunft noch mehr in Konflikte abrutschen.

∎ Es gibt im Team eine hohe Ausprägung für Macht (+1,16; mit der niedrigsten Standardabweichung S = 0,41) sowie Ziel- / Zweckorientierung (+0,85, allerdings bei mittlerer Standardabweichung S = 0,64). Das macht Alleingänge im Vorgehen trotz eines gemeinsamen Beschlusses, langwierige Diskussionen mit Absteckung des Terrains und individuell sinnvolle Uminterpretationen von Beschlüssen verständlich. Das ebenfalls hoch ausgeprägte Motiv Rache / Kampf (+1,01) weist auf die Konfliktfreudigkeit der Teilnehmer hin (allerdings bei mittlerer Standardabweichung S = 0,70, u. a. wegen des niedrigen Wertes des CEO).

∎ Generell gibt es ein hohes Interesse an Kontakt und Gesprächen untereinander (Beziehungsmotiv relativ hoch und gleichmäßig ausgeprägt, +0,70; S niedrig mit 0,59).

∎ Feedback als Mittel zur Veränderung der Gesprächskultur oder zur stringenteren Einhaltung von Regeln scheint bei dem durchschnittlich eher niedrig ausgeprägten Anerkennungsmotiv des Teams (- 0,71; S = 0,59) wenig effektiv.

∎ Nicht zuletzt scheut der CEO vermutlich die Auseinandersetzung mit den übrigen Mitgliedern der GF (Rache / Kampf CEO - 0,35; Emotionale Ruhe CEO +0,63).

Das bedeutete für die methodische Gestaltung des angedachten Workshops, die Unterschiede zwischen dem Teamprofil und dem CEO-Profil herauszuarbeiten. Da ich im Kick-off-Meeting das O.K. aller TN für die spätere Offenlegung der Reiss Profiles bekommen hatte, entschied ich mich hier, den CEO im Vorfeld des Workshops mit dem Durchschnitts-Teamprofil zu konfrontieren. Dazu wurde eine entsprechende Abweichungsanalyse zwischen seinem und dem Teamprofil verwendet. Aufgrund der Erkenntnisse aus dem Teamprofil kam es in Absprache mit dem CEO zu folgenden inhaltlichen, methodischen und strukturellen Rahmensetzungen:

∎ Die TN sollten Gelegenheit haben, ihre persönliche Sichtweise zu bestimmten Themen deutlich zu positionieren. So wurden nach dem Kick-off und dem Vorliegen des Teamprofils ihre Präferenzen zu wesentlichen Rahmenbedingungen des Teamworkshops abgefragt und berücksichtigt (Macht mit hoher Ausprägung: + 1,16). Möglichkeiten zur Positionierung sollten auch im Workshop selbst gegeben sein.

∎ Trotz der kleinen TN-Zahl sollten genügend Möglichkeiten zu Einzelarbeit oder Zweierdiskussionen vorhanden sein (Teamorientierung mit - 0,26 eher durchschnittlich ausprägt, wenn man den CEO weglässt, sogar: - 0,44).

∎ Das Seminar sollte flexibel gestaltet sein und vor allem praktische Ergebnisse für die Zusammenarbeit bringen (Ziel- / Zweckorientierung hoch: 0,85); Informationen durch den Trainer sollten eher ziel- und nutzengerichtet sein und nicht zu sehr in die Tiefe gehen (Neugier durchschnittlich: 0,00; allerdings S = 0,68).

∎ Es sollte genügend Raum für Gespräche bleiben (Beziehungen mit Tendenz zu hoher Ausprägung: +0,70). Daher wurde der eintägige Workshop mit Anreise am Vorabend und geselligem Beisammensein kombiniert. Das Essen war dabei eher Begleitmusik (Essen: - 0,27; S = 0,56), allerdings stellte das Sterne-Restaurant einen entsprechend geschätzten Rahmen dar (Status: +0,73; S mit 0,43 sehr niedrig). Auch das Seminarhotel als solches (bekannt, hoher Standard, einzigartig = statusorientiert, keine Notwendigkeit des Sammeln / Sparens: - 1,08; bei S = 0,49) wurde nach dem Teamprofil ausgewählt.

∎ Das Seminar sollte am späten Samstagnachmittag enden. Dann waren auch die Ehefrauen der Teammitglieder auf freiwilliger Basis eingeladen (Familie: +0,49; allerdings mit S = 0,69).

∎ Im Seminar selbst wurden keine körperlich herausfordernden Outdoor-Übungen eingeplant, obwohl das in den Erwartungen einzelner Mitglieder der GF gewünscht worden war (Körperliche Aktivität hatte sehr unterschiedliche und extreme Ausprägungen – hier beträgt die Standardabweichung 1,18).

Der Workshop-Fahrplan

Nach den Vorgesprächen mit dem CEO sowie der Erwartungsabfrage per Mail an die anderen Mitglieder der GF wurden folgende Zielsetzungen für den Workshop definiert:

∎ Die Herausforderungen in der Zusammenarbeit der GF-Mitglieder sind angesprochen, verstanden und allen bekannt. Dazu zählen insbesondere mangelnde Effektivität, schlechte Diskussionskultur und das Nichteinhalten von Vereinbarungen.

∎ Die erarbeiteten Lösungen orientieren sich an den Notwendigkeiten und den Reiss Profiles aller GF-Mitglieder.

∎ Die GF stimmt wichtige Themen intern ab, bevor Einzelentscheidungen getroffen werden, und legt entsprechende Kommunikationsstrategien fest. Vereinbarungen werden eingehalten und umgesetzt wie besprochen. Regeln zur Zusammenarbeit in der GF sind erstellt.

∎ Die GF-Mitglieder geben sich gegenseitig Feedback auf der Basis der 16 Lebensmotive aus dem Reiss Profile. Die individuellen Reiss Profiles der GF-Mitglieder sind untereinander bekannt.



Insgesamt zeichnete sich der Workshop durch zunehmendes Verständnis und lockeres Umgehen mit den Lebensmotiven aus. Immer wieder wurden einzelne Beiträge der GF-Mitglieder durch Benennungen des dahinter liegenden Motivs kommentiert. Zielerreichung bzw. Erwartungserfüllung wurden in der abschließenden Feedbackrunde durchgängig als »hoch« bezeichnet. Die erarbeiteten Lösungen wurden drei Monate später in einem Follow-up als tragfähig und erfolgreich eingeschätzt. Als Realisierungsquote (geplante vs. umgesetzte Maßnahmen innerhalb des vorgegebenen Zeitraums) wurde ein Durchschnittswert von 79 Prozent erreicht. Das lag um mehr als 35 Prozent über dem Realisierungsgrad von vereinbarten GF-Maßnahmen vor dem Workshop.

Die 16 Lebensmotive in der Praxis

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