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Ein eiskalter Blick, ein scharfer Schnitt

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Ich habe gelernt: Manchmal muss ich wie Kandinsky meine bekannten Bilder auf den Kopf stellen. Wir müssen ab und zu die Perspektive wechseln. Dazu braucht es Entschlossenheit.

»Manchmal musst du das Glück schon zwingen«, singt Udo Lindenberg. Wobei es das »Manchmal« in sich hat: Es kommt auf den genau richtigen Augenblick an. Die Widerstände gegen das Neue sind fast immer übermächtig. Aber im magischen Moment genügt dann doch ein kleiner Stoß, um sie fast widerstandslos in sich zusammenfallen zu lassen. Wie traumgesteuert handeln Glückskinder ohne jede Irritation und mit aller Kraft exakt dann, wenn es zu handeln gilt.

Gordion in Kleinasien, 334 vor Christus. Hunderte Brustpanzer glänzen in der Sonne, ein Wald von Lanzen ragt in den stahlblauen Himmel, kein freier Platz mehr auf dem Tempelberg an diesem Tag. Schwerter klirren, Pferde schnauben, ein Raunen geht durch die gewaltige Menge. Plötzlich erscheint der junge Feldherr. Mit straffem Schritt geht er auf das Mysterium dieser Stadt zu. Die Priester breiten es in scheinbarer Demut, aber mit listigem Lächeln vor dem Eindringling aus. Mit 30 000 Mann ist er in die einstige Hauptstadt des Phrygier-Reiches einmarschiert, ein stolzes, ein gewaltiges Heer. Doch wie viele Herrscher und Herrschsüchtige haben sie hier schon kommen und wieder gehen sehen!

Assyrer, Lyder, Meder – alles Streitmächte, vor denen einst die Welt erzitterte. Sie alle hatte der Perserkönig Dareios unterworfen und noch zahllose andere Völkerschaften. Und jenen Gewaltigen wollte nun ein dreister Grieche herausfordern? Seit wann waren denn die Götter auf der Seite der Heißsporne! Hundertschaften von Weisen und Mächtigen hatten sich bereits daran versucht, den magischen Knoten der Stadt zu lösen, das stolzeste Rätsel des Weltkreises. Die Götter lockten, so besagte es ein Orakel, mit hohem Gewinn: Es ging um den Besitz des Perserreiches. Aber am Ende standen immer Verzweiflung, Wut, Ratlosigkeit – alles war vergebens.


Deswegen war es wie in Stein gemeißelt: Auch der blutjunge Makedonierkönig würde jener Schmach nicht entgehen. Gedemütigt würden er und die Seinen übers Meer nach Hause fahren, empfangen von ihren bitterlich weinenden Weibern. Denn die Welt war nun einmal undurchdringlich in sich verschlungen wie ein Knoten. Wehe dem, der vermessen genug war, dies zu bezweifeln! Stille.

Jetzt greift Alexander entschlossen zum Schwert – und schlägt den Gordischen Knoten entzwei. Das Orakel behält recht: Er besiegt das Perserreich, doch das genügt ihm nicht, er stürmt weiter bis Indien, erst am Rande des Weltkreises erfährt er seine Grenze.

Die Folgen jenes genialen Siegeszugs lassen sich bis heute in vielen Ländern besichtigen. Die Szene am Tempelberg ist jedoch eine Legende, die niemand belegen kann – genau wie die Erfindung der abstrakten Malerei durch Kandinsky. Doch Legenden sagen mehr über die historische Wahrheit aus als manches Monument.

Feldherrn leben in enger Tuchfühlung mit dem Glück. Schließlich kann das Kriegsglück sich in jeder Sekunde wenden und sie Land, Leute und Leben kosten. Die Lehre von Gordion lautet: Aggression kann tödlich sein, aber sie ist auch – recht verstanden – Bedingung des Glücks. Denken genügt nicht. Gemacht werden muss es!

Jedes scheinbar unlösbare Problem sieht aus wie ein durch und durch in sich selbst verschlungener Knoten. Ohne Willenskraft, ohne Entscheidungsstärke und Instinkt ist dieses Knäuel nie zu durchschlagen. Jeder könnte es tun, doch nur einer hat die nötige Zielstrebigkeit.

Nur einer macht es dennoch und als Erster. Bevor eine völlig neuartige Erfolgsstory beginnt, braucht es offensichtlich einen Gewaltakt, um sich von tausend guten, aber verwirrenden Ratschlägen, von allzu exakten Berechnungen und gewiss auch dem ein oder anderen Selbstzweifel zu trennen.

»Der hat so viel Glück, dass es wehtut« – kaum einer, der diesen Spruch zitiert, ahnt, wie sehr er recht hat.

Für das Glück sind schmerzhafte Schnitte nötig. Glück hat nur, wer sich – ohne zu zögern, ohne Kompromisse – von all dem lähmenden Ballast um ihn herum und in ihm selbst trennt. Alexanders Blick war eiskalt, als er zum entscheidenden Schlag ausholte. Er sah sein Heer der 30 000 nicht mehr, er hatte das Lächeln der Priester ausgeblendet, nicht einmal die gleißende Sonne über sich nahm er wahr. Da waren nur der Knoten und er – und das Schwert. Zack. Das Glück kommt wie ein Fallbeil.

Die Karriere-Schmiede

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