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Grußwort der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache

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Ich freue mich sehr, dass die Tagung „Zwischen Verfolgung und Selbstbehauptung – schwul-lesbische Lebenswelten im 20. Jahrhundert” in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache stattfinden konnte. Mein großer Dank gebührt den Organisator_innen vom Arbeitskreis Schwule Geschichte Dortmunds und dem Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher.

Dass die Steinwache mit ihrer Geschichte als Polizeigefängnis in Demokratie und Nationalsozialismus der passende Ort für eine solche Tagung ist, haben die jüngsten Forschungen von Frank Ahland ein weiteres Mal deutlich unterstrichen. Etwa 650 Männer wurden auf Grundlage des § 175 StGB in diesen Jahren verschärfter Verfolgung hier eingeliefert, weil Staat und Gesellschaft meinten, sich in ihr Privatleben einmischen zu dürfen oder zu müssen. Viele kamen von hier aus vor Gericht und in Justizgefängnisse, Zuchthäuser oder wurden direkt in Konzentrationslager deportiert und bezahlten den Hass oder das verquere Pflichtbewusstsein ihrer Verfolger nicht selten mit dem Leben. Bei der Aufarbeitung dieses Verfolgungsgeschehens stehen wir für Dortmund und für das Ruhrgebiet immer noch weitgehend am Anfang.

Aber natürlich geht es nicht nur um die NS-Zeit, wenn wir über homophobe Verfolgung durch Staat und Gesellschaft sprechen. Der nationalsozialistische Staat hat mit seiner Verschärfung des § 175, der radikalen Ächtung und Verfolgung letztlich nur das zugespitzt, was bis heute virulent ist, nämlich den immer wieder auch gewalttätigen Hass auf sexuelle Differenz. Dieser fordert weiterhin überall auf der Welt zahlreiche Opfer. Denn auch wenn wir mittlerweile in der liberalsten Gesellschaft leben, die es je auf deutschem Boden gegeben hat, sind wir doch auch hier weit davon entfernt, dass Menschen öffentlich, zu jeder Zeit und an jedem Ort ohne Angst verschieden sein können.

Es ist ein elementarer Bestandteil der Liberalisierung einer Gesellschaft, die eigene Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Dazu gehört in unserem Fall auch, dass wir das historische Verfolgungsgeschehen, seinen Kontext und seine Ursachen aufarbeiten, analysieren und nicht zuletzt versuchen, den Opfern posthum ihre Würde zurückzugeben.

Dabei ist Forschung immer der erste Schritt, um zunächst aufzuarbeiten, was passiert ist. Gleichzeitig braucht es aber auch ein öffentliches Thematisieren und Diskutieren dieser Vergangenheit, sei es durch Ausstellungen, Veranstaltungen, Tagungen wie diese, Texte etc. Dadurch tragen wir zur gesellschaftlichen Diskussion über die unabgeschlossene, bis in die Gegenwart reichende Vergangenheit bei und gestalten eben auch das Selbstverständnis unserer Gesellschaft mit. Dies werden wir versuchen, im Rahmen der Neukonzeption der Steinwache aufzugreifen und umzusetzen. Hier wird es auch darum gehen, nicht nur die genuin nationalsozialistische Verfolgung zu thematisieren, sondern auch Kontinuitäten der Zeit vor 1933 und nach 1945, also die Fragen nach einem Wandel sowie nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden aufzuwerfen und zu beantworten. Dabei wird es nicht nur um das Wirken der Polizisten, die Festnahmen aufgrund von § 175 vornahmen, und ihre Opfer gehen. Die unmittelbaren Verfolger der Dortmunder Kriminalpolizei handelten ja nicht isoliert, sondern waren genau wie heute eingespannt in ein gesellschaftliches Netzwerk, waren angewiesen auf die Kooperation weiterer staatlicher Institutionen, wie beispielsweise der Justiz, deren Staatsanwälte Homosexuelle anklagten und deren Richter sie verurteilten. Gleichzeitig waren es aber auch unterschiedliche Teile der Gesellschaft, die am Verfolgungsgeschehen teilnahmen. Es waren Anzeigen, die einen Verfolgungsvorgang initiierten und Menschen in die Hände der Polizei brachten. Es war eine Gesellschaft, die das Verfolgungsgeschehen zumindest tolerierte, wenn nicht gar forcierte und weder 1933 noch 1945 ausgetauscht wurde. Somit ist der Blick ausschließlich auf die Staatsorgane genauso wie ausschließlich auf die NS-Zeit ein verkürzter.

Ich hoffe, dass die hier vorgestellten Forschungsergebnisse erst der Anfang sind, dass von ihnen Impulse für weitere Forschungen ausgehen und die entsprechenden Kooperationen weiterhin fruchtbar sein werden. Gleichzeitig ist es wünschenswert, dass sie auch in möglichst vielfältiger Weise Anstoß für weitere gesellschaftliche Diskussionen sein werden.

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Jörg Litwinschuh, Andreas Pretzel

Zwischen Verfolgung und Selbstbehauptung

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