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PROBLEMFRONT

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Michael Rudolf

In den spärlich bemessenen Stunden der Muße gedenken wir alle gern der schönen Kindheit, damals, als alles noch irgendwie in Ordnung war, nur heute eben haut aber auch gar nichts mehr hin. Helfer haben sich darauf spezialisiert, in der Kindheit sogenannter Patienten herumzuwühlen, um unerklärlichem Hautpilz, Progenie, Nudismus oder Stuhlverhalten auf die Schliche zu kommen.

Das haben wir natürlich nicht nötig, wenn es an die Bewältigung von Sachverhalten an unserer Problemfront geht, und seien sie auch noch so unwichtig.

Natürlich war auch meine Kindheit schön, wie bei jedem anderen Kind auch, aber es hatte ja alles just dann ein Ende, als wir die ersten Zigaretten in Brand setzten. Intensiveres Forschen vergegenwärtigte mir jedoch einige Sachverhalte, die uns stutzig machen müssen. Beispielsweise weiß mein Oheim zu berichten, daß ich, während er schlief, seine aus der Bettdecke herausragenden Füße ausschließlich mit der Nase untersucht habe. Auf Parkplätzen soll ich in Wartestellung an den Auspüffen abfahrender Automobile ausgeharrt haben, auch delektierte ich mich zu Silvester unter Ausrufen der Verzückung am Gestank pyrotechnischer Erzeugnisse, niemals aber an deren Krach, streunte ich gern um die Tankstellen unserer Stadt, um ungehemmt Benzin inhalieren zu können. Und selbst heutzutage macht mir das Zubereiten von Speisen am heimischen Herd mehr aufgrund der Koch- und Bratendüfte Laune – und nicht in erster Linie wegen des Endergebnisses, welches dann noch gegessen werden muß.

Ich meine aber, daß sich damit sehr wohl gar nichts erklären läßt, obwohl meine immer mehr ausufernde Narkolepsie schreiend Erklärung heischt und ich meine Sozialisierbarkeit fürderhin stark anzweifle. Ach, weiß der Ullmann warum! Führe ich insgeheim gewonnene Erkenntnisse logisch weiter, so kann es nur unter der Decke sich sammelnder körpereigener Geruch sein, der mich zwischen die Bettfedern nagelt. Natürlich ist das sehr bedenklich. Der Schritt zur Analfixation ist so weit nicht mehr. Und was ist das nächste? Sexuelle Abirrungen? Burmesisches Latschenfieber? Bergmann-Pohl?

Ich bleibe dran.

Kowalski 1/1993


Der Mann mit den 999 Gesichtern

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