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Diskussionswürdige Einschätzungen und Haltungen der Generation Y mit Vorschlägen zur Optimierung

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Nachfolgend stellt der Herausgeber eigene persönliche Sichtweisen aus praktiziertem Umgang mit der jungen Generation vor und macht Vorschläge zur Optimierung. Zugrunde liegen umfassende Erfahrungen mit der Generation, sowohl aus Studienprogrammen zum Management für Ärzte (MHM®- Krankenhausmanagement für Ärzte) als auch aus der Erstellung von Publikationen zum Krankenhaus und integrierten Versorgungseinrichtungen. Darüber hinaus konnten vielfältige Hinweise aus der praktischen Arbeit von Klinikärzten mit Vertretern der Generation in die Überlegungen einbezogen werden.

• Systemveränderung

Die Fokussierung auf Systemveränderung wird häufiger von Arbeitgebern unterstellt. Dies wird in Einzelfällen von der jungen Generation zwar durch eigene Überlegungen gelegentlich befördert, die bisherige Organisationsstrukturen in Frage stellen könnten (»Krankenhaus als Team«, »Jeder Mitarbeiter muss bei allem mitentscheiden«). Breite Gültigkeit hat diese Behauptung jedoch nicht. Es geht der jungen Generationen vor allem um sinnvolle und längst überfällige Strukturveränderungen!

Eine Diskussion zu Veränderungen der Krankenhausstruktur ist dringlicher denn je. Die Generation setzt hier Maßstäbe. Sie hat den Mut, Schwächen des Gesundheitssystems aufzuzeigen und deren Beseitigung einzufordern. Augenmaß ist aber auch hier erforderlich. Denn viele Krankenhäuser sind hier bereits auf gutem Wege. Vielerorts wird schon, ergänzend oder auch abweichend zur funktionalen Aufbau- und Ablauforganisation im Krankenhaus, auf mehr Prozessorientierung und flache Hierarchien abgestellt (Einrichtung Interdisziplinärer Behandlungszentren in Universitätsklinika, integrierte Versorgungskonzepte; therapeutische Teams, in denen Ärzte und Pflege auf gleicher Augenhöhe zusammenarbeiten). Damit sind erste Schritte für eine Neupositionierung des Krankenhauses auf den Weg gebracht, auch im Hinblick auf Krisen wie Corona.

• Selbstbewusstsein

Das Selbstbewusstsein erscheint nicht immer dem Tun und Handeln Einzelner zu entsprechen. Es steht gelegentlich in nicht angemessenem Verhältnis zu vorhandenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen. Konfliktbereitschaft ist durchaus breiter ausgeprägt. Auch in der ärztlichen Tätigkeit, insbesondere zu Beginn ärztlicher Karriere, ist die Hinterfragung eines angemessenen Selbstbewusstseins für den Arzt selbst, aber auch für eine gute Patientenversorgung, durchaus zielführend.

Übersteigertes Selbstbewusstsein kann in einem für die Patientenversorgung nicht geeignetem Selbstmanagement sichtbar werden, das mehr das »eigene Ich« in den Mittelpunkt stellt, als die Belange des Patienten berücksichtigt. Dem sollte im Hinblick auf die Notwendigkeit geordneter Abläufe im Krankenhaus vorgebeugt werden (Schulungen im Medizinstudium oder im Krankenhaus zu einem Patientenbezogenen Selbstmanagement).

• Anspruchshaltung zu Arbeitsbedingungen

Die Forderung nach Schaffung guter Arbeitsbedingungen (Work-Life-Balance) ist uneingeschränkt berechtigt. Gewohnheitsbedürftig erscheint jedoch die durchaus verbreiterte Orientierung der jungen Generation auf besondere Freiräume (freie Tage für Forschung oder Habilitation, Nebentätigkeiten oder soziales Engagement). Entsprechende Vorstellungen bedürfen sicherlich der Reflexion. Orientiert werden muss sich aber immer am Machbaren und Möglichen. Dabei muss, besonders vor dem Hintergrund von Krisen wie Corona, berücksichtigt werden, dass sich Krankenhäuser (auch aus den Erfahrungen der Corona-Krise) strukturell und personell zur Bewältigung von Krisen massiv verändern müssen. Freiräume im gewünschten Sinne werden, auch aufgrund weiter zunehmenden Fachkräftemangels und begrenzter Finanzkapazitäten, kaum realisiert werden können.

Die Ausrichtung auf besondere Freiräume könnte ein Grund dafür sein, dass Führungskräfte die Generation Y gelegentlich als »faul« bezeichnen. Der immer größer werdende Mangel an Ärzten lässt besondere Freiräume allerdings schon jetzt nicht zu. Unabhängig davon: Die Durchführung von Forschungsarbeiten bzw. Habilitationen musste bisher neben der Tätigkeit in der Patientenversorgung durchgeführt werden. Tendenzen der Selbstverwirklichung Einzelner in äußerst schwierigen Zeiten erscheinen deshalb weder sinnvoll noch umsetzbar.

• Hierarchie- und Titelorientierung

Ungeachtet der Fokussierung auf umfassende Teamorientierung und Teamtätigkeit, findet sich Hierarchie- und Titelorientierung bei der Generation Y wie bei anderen Generationen auch.

Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Generationen scheint im Hinblick auf diesen Aspekt somit nicht zu bestehen. Ämter mit Privilegien werden auch in dieser Generation angestrebt. Dies könnte die gerne in den Raum gestellte Fokussierung »auf Gleichheit für alle im Team« konterkarieren.

• Teamorientierung und Einzelentscheidung

Einschätzung zur Teamarbeit und zum Team erscheinen nicht immer überzeugend.

Teamorientierung liegt in der Regel nur dann vor, wenn ein gemeinsames Ziel erreicht werden soll. Sie ist weniger gegeben, wenn sich eine mit einer Einzelaufgabe beauftragte Person (z. B. aufgrund fachlicher Unsicherheit oder besonderem Hang zum Perfektionismus) umfassend durch Gruppenmitglieder unterstützen lässt und dies einen zeitraubenden Prozess erfordert.

Angemessener wäre für diesen Fall die Verwendung des Begriffes »Schwarmorientierung« wie er im Tierreich bei Fischen bekannt ist (Schutz des Einzelnen innerhalb des Kollektivs Schwarm). Für notwendige schnelle Entscheidungen (wie sie im Krankenhaus umfassend erforderlich und unverzichtbar sind) ist dies allerdings keine Alternative zu echter Teamorientierung. Erstere würde Zeitverlust bedeuten und damit den Arbeitsfluss beeinträchtigen, beispielsweise im Hinblick auf die notwendige schnelle Anfertigung intraoperativer Berichte. Es wäre fahrlässig, wolle man erst alle Beteiligten im Operationsteam die Richtigkeit des Berichts bestätigen oder verneinen zu lassen.

• Ärztliche Tätigkeit als vorübergehende Aufgabe

Dies beinhaltet eine gelegentlich erkennbare Sicht von Medizinstudierenden und Neueinsteigern ins Krankenhaus, die den Herausgeber überrascht hat.

Dies deckt sich allerdings mit dem Anspruch auf mehr Freizeit und die Forderung nach Freistellung für Forschungstätigkeiten, ehrenamtliche Tätigkeiten und Nebentätigkeiten in sehr unterschiedlich orientierten medizinischen Feldern. These: Unterschiedliche Lebensphasen sollten mit neuen Aufgaben verbunden werden können. Vom Grundsatz her ist dagegen überhaupt nichts einzuwenden, denn neue Aufgaben erweitern das Blickfeld.

In Bezug auf die Notwendigkeit einer dauernden Sicherung der Abläufe in Krankenhäusern zur Gewährleistung hoher Patientensicherheit, ist dies jedoch keine gute Zukunftsperspektive für das Krankenhaus. Institutionen der Patientenversorgung bedürfen verlässlicher Ärzte, die möglichst dauerhaft in der Patientenversorgung tätig sind.

• Verlässlichkeit

»Komme ich heute nicht, komme ich morgen« ist eine Einstellung, die sogar bis in die Tätigkeit im OP hineinreichen kann. So konfrontierte seinerzeit ein Assistenzarzt den Operateur mit der Aussage: »Ich muss in einer halben Stunde gehen« (obwohl die Dauer der Operation noch für etwa eine Stunde terminiert war). Dies ist sicher eher ein Einzelfall. Weniger Einzelfall bezogen dürften Beobachtungen sein, die sich auf nicht erfolgte Einhaltung von Vereinbarungen, z. B. Abgabe und Fertigstellung von Berichten o. ä. beziehen.

Das Krankenhaus sollte hier zügig nach dem Prinzip reagieren: »Wehret den Anfängen«. Eine Haltung, wie aufgezeigt, verträgt sich nicht mit den Notwendigkeiten einer verlässlichen und qualitativ hochwertigen Patientenversorgung.

• Feedback

Die intensive Fokussierung der Generation Y auf »Feedback« erscheint gelegentlich erstaunlich. Nicht immer erfolgen zeitnah Rückäußerungen zu dringlichen Fragen seitens der Arbeitgeber und Kooperationspartner. Diese erfolgen vielmehr häufiger gar nicht, verzögert oder nur auf Nachfrage. Feedback ist keine Einbahnstraße. Es ist nur dann ein sinnvolles Instrument der Kommunikation, wenn »in beiden Richtungen« Informationen zeitnah ausgetauscht werden. Gerade im Krankenhaus ist dies unerlässlich! Besonders auch innerhalb des ärztlichen Teams hat es hohe Bedeutung (Kap. 11)

• Affinität zum Ausland

Bereits bei Medizinstudierenden (auch im PJ) ist eine hohe Affinität zu anglo-amerikanischer Literatur und auf in den USA realisierte Konzepte zur Patientenversorgung feststellbar. Die Kenntnis entsprechender Anstrengungen ist selbstverständlich von hohem Wert (von Anderen lernen).

Es sollte aber reflektiert werden, dass im Ausland (und hier vor allem den USA) angewendete Konzepte in Deutschland aufgrund anderer struktureller Gegebenheiten in deutschen Krankenhäusern häufig nicht oder nur schwer realisierbar sind (z. B. derzeit nicht mögliche wirkliche »Gleichstellung« von Pflege und Ärzten aufgrund fehlender gesundheitspolitischer Festlegungen in Deutschland).

• Gebrauch von Fremdwörtern

Auffallend erscheint eine manchmal überbordende Anwendung von »Fremdwörtern«, die keine Fachtermini im engeren Sinne sind und deren Nutzung an sich obsolet ist, da es einprägsame deutsche Begriffe dafür gibt.

Da Ärzte ohnehin mit einer Vielzahl von Fachtermini agieren müssen (auch in der Betreuung von Patienten), stellt sich die Frage, inwieweit dieser Katalog für den täglichen Gebrauch erweitert werden sollte. Lernen sollten Ärzte, vor allem im Hinblick auf den Arzt-Patient-Dialog und Rücksprachen mit Angehörigen, mit möglichst wenig Fachbegriffen umzugehen. Nur auf entsprechender Basis ist z. B. Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) mit Einbindung des Patienten zur Auswahl einer Therapie zielorientiert möglich.

• Haltung gegenüber ärztlichen Institutionen

Eine kritisch-wertende Haltung z. B. gegenüber ärztlichen Institutionen wie Ärztekammern, Kassenärztlichen Vereinigungen oder Fachgesellschaften und eine damit verbundene breite Reflexion, was diese (auch für den ärztlichen Nachwuchs) tun bzw. unterlassen, ist nur recht eingeschränkt identifizierbar.

Sie ist aber durchaus sinnvoll, sofern sie in angemessener Form kommuniziert wird. Es ist zwingend, dass gerade die junge Generation, die ja die Zukunft des Krankenhauses maßgeblich mitbestimmen wird, Vorschläge zur Optimierung von Ausbildung und ärztlicher Tätigkeit macht. Beispielhaft agiert hier die Bundesvertretung der Medizinstudierenden e. V. (bvmd), der die Autorinnen und Autoren dieses Buches angehören. Auf breiter Basis legt sie ärztlichen Körperschaften und der Gesundheitspolitik zielführende und umsetzbare Vorschläge zur Optimierung von Medizinstudium, Praktischem Jahr (PJ) und Ärztlicher Weiterbildung vor und entwickelt diese zielorientiert weiter. Gleichermaßen konfrontiert sie Gesundheitspolitik und ärztliche Institutionen mit der Notwendigkeit Korruption zu beschränken und zu bekämpfen. Insgesamt ein guter Weg, der zur Nachahmung (auch von Institutionen der Pflege) empfohlen werden kann.

Abschließend sei bemerkt, dass ein nachhaltiger Umgang mit der deutschen Sprache im Kontext von Patienten orientierten Berichten, Masterarbeiten und der Anfertigung wissenschaftlicher Arbeiten nicht immer unproblematisch zu sein scheint. Ursachen für die Defizite in Grammatik und Ausdruck zu eruieren, führt wenig weiter. Es stellt sich allerdings die Frage, wie Ärzte mit Schwächen wie aufgezeigt Medizinstudierende oder Doktoranden bei der Anfertigung von Berichten und der Durchführung wissenschaftlicher Arbeiten fundiert betreuen können. Sinnvoll wäre die Integration einer Lehrveranstaltung »Anfertigung von Berichten und Wissenschaftliches Arbeiten« in das Medizinstudium.

Die junge Ärztegeneration zeigt Flagge

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