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Demokratie- und Freiheitsdiskurse als Bestandteile der europäischen Geschichte

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Begriffe, die zu den zentralen Bestandteilen unserer politischen Kultur zählen, reichen, wie der aus dem Griechischen stammende Begriff der Politik selbst, weit in die europäische Geschichte zurück. In zentralen Texten ihrer Erinnerungskultur von Solon, Kleisthenes, Perikles über Platon und Aristoteles, Thomas von Aquin, Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham bis zu Max Weber und Jürgen Habermas spielten und spielen sie eine Rolle. Der Begriff der Demokratie ist bekanntlich kein deutsches Wort, ihn verdanken wir der griechischen Sprache und Kultur. Noch heute erweist sich die Antike für Europa als unverzichtbarer Bezugspunkt, fasziniert die attische Demokratie mit ihrem Prinzip, Macht breit zu verteilen, ihrem hohen Grad an bürgerlicher Partizipation und einer enormen Wertschätzung rhetorischer Kompetenz. Damals galten Rede- und Überzeugungskunst als unverzichtbare Voraussetzung politischen Erfolgs und im Wettbewerb zu erringender Autorität. Die Polis der Athener gilt in Schulen und Universitäten zurecht als eine unverzichtbare Referenz bei der Erkundung demokratischer Herrschaftsformen. Sie kannte bei allen Differenzen zu modernen Demokratien sowohl direkte Elemente, in denen das Volk (der demos) unmittelbar an Entscheidungen beteiligt war, als auch repräsentative Institutionen, in denen Vertreter anstelle des Volkes handelten und allgemein verbindliche Entscheidungen trafen. Dies gilt, obgleich in Athen Instrumente moderner Demokratien wie Parlament und Parteien unbekannt waren, und von einer Gleichheit aller Bewohner der Polis keine Rede sein kann.6 Auch an den Wahlen zum Rheinisch-Deutschen Nationalkonvent 1793 konnten nicht alle teilnehmen. Frauen, Knechte und Mägde waren bei der Konstituierung dieses auf deutschem Boden erstmals nach allgemeinem Wahlrecht gewählten Parlaments nicht zugelassen. Alle selbständigen Männer ab 21 Jahren konnten ihre Stimme abgeben, freilich erst nach einer verordneten und gegebenenfalls erzwungenen Eidesleistung.

Auf Etappen der europäischen Freiheitsgeschichte verweist auch der Begriff der Republik, den wir bekanntlich römisch-republikanischen Traditionen verdanken.7 In der europäischen Vormoderne konnte dieser auch auf monarchische Regierungsformen bezogen werden. Im modernen Sinne verstand aber bereits in der Renaissance Niccolò Machiavelli die Republik als Gegenpol zur Herrschaft von Fürsten und Monarchen. Auf die Begründer und Verteidiger der Republik, wie an die sich opfernde Lucretia und den ersten Konsul L. Junius Brutus, der die eigenen nach der Monarchie strebenden Söhne hatte hinrichten lassen, wurde immer wieder in Freiheitskämpfen der Moderne erinnert. Mit den Begriffen Demokratie und Republik sind wie mit anderen für unsere politische Kultur unverzichtbaren aus der Antike stammenden Worten nicht nur spezifische Vorstellungen von Verfassungen, sondern auch komplexe Rezeptions- und Wandlungsprozesse der jeweiligen Inhalte verbunden. Mit dem Ausgreifen Europas in die Welt spielen sie längst nicht mehr nur dort eine Rolle, wo sie ursprünglich diskutiert, entwickelt und in Verfassungen und politischen Systemen umgesetzt wurden.

Die Mainzer Republik und ihre Bedeutung für die parlamentarische Demokratie in Deutschland

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