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WOLFGANG DOBRAS Die Mainzer Republik – Ausgewählte Ereignisse und ihre archivalische Überlieferung

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Huber 2016; ders. 2017.

Die neun Monate der Mainzer Republik vom Oktober 1792 bis Juli 1793 zählen zu den am besten dokumentierten Epochen der Mainzer Geschichte. Die wichtigsten Quellen hat Heinrich Scheel in zwei Bänden 1975 und 1981 auf über 1.400 Seiten ediert.1 Gleichwohl handelt es sich dabei nur um einen kleineren Teil dessen, was sich an Schriftgut zur Mainzer Republik erhalten hat.

An erster Stelle ist die Publizistik zu nennen. Die Mainzer Republik löste mit über 400 pro- und antirevolutionären Flugschriften und einem Dutzend periodisch erscheinender Zeitschriften2 eine wahre publizistische Flut aus und schuf damit eine vorher nicht gekannte Dimension gesellschaftlicher Politisierung und politischer Öffentlichkeit (Abb. 1). Zur Publizistik kommen umfangreiche Darstellungen der Ereignisse hinzu, die unmittelbar nach dem Ende der Mainzer Republik gedruckt wurden. Sie sind überwiegend aus der Siegerperspektive geschrieben: So erschien schon 1794 mit kurfürstlichem Imprimatur die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen des Mainzer Professors der Kameralwissenschaft Bernhard Sebastian Nau, der in seinem vierten Band ausführlich auf Mainz eingeht und auch Teile der Protokolle des Mainzer Jakobinerklubs ediert hat.3 Die in 12 Heften 1793/94 veröffentlichte „Darstellung der Mainzer Revolution“ des Mainzer Hofgerichtsadvokaten Anton Hoffmann ist sogar bis heute eine zentrale Quelle für die Geschichtsschreibung über die Mainzer Republik geblieben:4 Hoffmann erlebte als Augenzeuge bis zu seiner Deportation im April 1793 die revolutionären Vorgänge und dokumentierte sie akribisch. Obwohl in einem polemisierenden Stil aus einer dezidiert antirevolutionären und prokurfürstlichen Perspektive geschrieben, bietet seine Darstellung auf über 1.000 Oktavseiten eine derart intime, andernorts nicht überlieferte Detailkenntnis der Personen und Ereignisse, dass sein Werk nicht übergangen werden kann, aber entsprechend kritisch zu nutzen ist.5


Abb. 1: Rede des Pariser Konventskommissars Antoine-Christophe Merlin de Thionville vom 12. Januar [richtig: 13. Januar] 1793 zur Errichtung eines weiteren Freiheitsbaumes in Mainz, Mainz: Druckerei des St. Rochus-Hospitals 1793. Die Buchstaben „FG“ für „Freiheit“ und „Gleichheit“ auf dem Titelblatt sind der Abklatsch einer von den Mainzer Jakobinern geprägten, ansonsten nicht mehr erhaltenen Metallplakette, die an die symbolträchtige Zerstörung des kurfürstlichen Gerichtssteins auf dem Höfchen durch die Revolutionäre am 3. November des Vorjahres erinnern sollte.

Nicht weniger beeindruckend ist die archivalische Überlieferung: An erster Stelle zu nennen ist der in den Farben der Trikolore gebundene, sich über die Zeit vom 17. bis 31. März 1793 erstreckende Protokollband des Rheinischdeutschen Nationalkonvents, des ersten nach allgemeinem Männer-Wahlrecht gewählten Parlaments auf deutschem Boden (Abb. 2). In einer noch zu schreibenden Geschichte der Demokratie in Deutschland in 100 Objekten dürfte dieser Band nicht fehlen. Von ähnlich großer Bedeutung sind die Protokolle des kurz nach der Übergabe von Mainz an den französischen General Custine am 23. Oktober 1792 gegründeten Mainzer Jakobinerklubs, der „Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit“: Die insgesamt drei ebenfalls blauweiß-rot gebundenen Bände spiegeln die z. T. heftig und kontrovers, fast immer mit enthusiastischem Engagement geführten Diskussionen und Debatten dieser Demokraten wider.6


Abb. 2: Band mit den Protokollen der Sitzungen des Mainzer Nationalkonvents, 17. bis 31. März 1793.

Die große Masse der Überlieferung machen jedoch Verwaltungsakten mit unzähligen Sitzungsprotokollen, Berichten, Verhören, Reskripten, Weisungen, Rechnungen, Eingaben, Verordnungen und Proklamationen aus. Sie ermöglichen nicht nur Einblicke in Hintergründe und Umstände der Revolutionierung, sondern auch in den Verwaltungsalltag, der z.B. im Winter 1793 nicht nur von den Vorbereitungen zur Parlamentswahl bestimmt war, sondern auch von dem verzweifelten Bemühen um ausreichende Brennholzzufuhr nach Mainz, damit die Bürger die kalte Jahreszeit überstehen konnten. Verwahrt werden diese Akten zum einen in dem Archiv der während der neun Monate amtierenden Mainzer Stadtverwaltung, der Munizipalität. Dieses befindet sich im Mainzer Stadtarchiv und zählt über 100 Einheiten, vor allem Protokolle der Sitzungen der Munizipalen sowie die Beilagen zu den verhandelten Themen. Zum anderen handelt es sich um Akten, die von den kurfürstlichen Regierungsbehörden im Zuge ihrer strafrechtlichen Untersuchungen gegen die Mitglieder des Mainzer Jakobinerklubs nach der Wiedereroberung von Mainz seit dem Sommer 1793 produziert worden sind. Diese insgesamt 872, sog. Klubistenakten liegen heute im Staatsarchiv Würzburg und stellen den größten Quellenfundus dar, aus dem die Forschungen zur Mainzer Republik geschöpft haben. Verloren sind dagegen die Protokolle und Akten der obersten zivilen Verwaltung der Mainzer Republik, der für den gesamten Landstrich zwischen Landau und Bingen zuständigen Allgemeinen Administration. Sie fielen einschließlich der Mitgliederliste des Mainzer Jakobinerklubs der Bombardierung des Staatsarchivs Darmstadts im Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Der Verlust relativiert sich aber insofern, als sich die Korrespondenzen der Allgemeinen Administration zumindest in den Akten der Mainzer Munizipalität, also in der Gegenüberlieferung, sowie teilweise in den Papieren des Vizepräsidenten der Administration und gleichzeitig eines der führenden Köpfe der Mainzer Republik, nämlich Georg Forsters,7 greifen lassen. Weitere relevante Bestände befinden sich im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien mit Akten zu den Militäraktionen und zur Wiedereroberung von Mainz durch die Reichsarmee im Sommer 1793, und natürlich in den Archives Nationales in Paris; hier vor allem die Akten des Pariser Nationalkonvents, der die revolutionäre Entwicklung in Mainz ja maßgeblich bestimmte.8

Last but not least wäre noch auf die zahlreichen Ego-Dokumente zu verweisen, vor allem Korrespondenzen wie den mustergültig edierten Briefwechsel Georg Forsters.9 Hinzu kommen Tagebücher, bei denen im Gegensatz zu den gut erforschten Korrespondenzen noch mancher Schatz zu heben ist. So ist vor kurzem das Tagebuch des Weimarer Hofbediensteten Johann Conrad Wagner von der Germanistin Edith Zehm ediert worden.10 Wagner hat von 1792 bis 1794 an dem Feldzug der alliierten Streitkräfte gegen Frankreich als Verwalter der Feldkasse teilgenommen und auch die Belagerung von Mainz im Sommer 1793 erlebt. Sein Tagebuch diente Goethe als Erinnerungsstütze bei der Abfassung seines autobiografischen Werkes „Campagne in Frankreich 1792“.11

Aus diesen unzähligen Quellen habe ich für meinen Überblick drei Beispiele ausgewählt, von denen jedes ein charakteristisches Licht auf die Mainzer Republik wirft. Ich werde mich zunächst mit der Verwaltung der Mainzer Republik beschäftigen, danach auf den Jakobinerclub als politische Bewegung eingehen, um mich schließlich im letzten Teil den ersten allgemeinen, auf dem Prinzip der Volkssouveränität beruhenden Gemeinde- und Parlamentswahlen in Deutschland zuzuwenden. Die Forschungs- und politische Diskussion um die Mainzer Republik bleibt bei diesem quellenorientierten Überblick ausgespart.12

Die Mainzer Republik und ihre Bedeutung für die parlamentarische Demokratie in Deutschland

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