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Hasenbrot und versunkene Bratkartoffeln!

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Hermann Trox

„Papa kommt, Papa kommt“, rief ich mit voller Kraft, lief auf der Hofeinfahrt zu ihm, stellte mich auf seine Füße, hielt mich an seiner Jacke fest und wartete darauf, dass mein Vater, mich auf den Füßen balancierend, vorsichtig weiterging.

„Was gibt es denn zum Mittagessen“, fragte er mich; nach acht Stunden Arbeit auf der Zeche knurrte ihm nämlich der Magen. Strahlend schaute ich zu ihm auf, rutschte von seinen Füßen, schwankte ein wenig beim Loslassen seiner Jacke, und stürmte die sieben Steinstufen zu unserer kleinen Wohnung hoch.

Vier oder fünf Jahre alt muss ich gewesen sein, also im Jahre 1949 oder auch schon 1950. Eine arme Zeit, wie ich heute weiß. Als kleiner Dreikäsehoch damals war es mir nicht so bewusst gewesen.

Mutter hatte mein Begrüßungsgeschrei schon gehört, denn die Türen zum Hof standen auf und auch ein Fenster lud zum Hinausschauen ein.

„Es gibt Grießbrei und Bratkartoffeln dazu“, sagte meine Mutter und rührte kräftig in einem größeren Topf herum, vier Mäuler mussten gestopft werden.

Nach dem Begrüßungskuss setzte sich Vater an den Küchentisch und breitete die Zeitung aus, welche er mitbrachte.

„Hast du wieder ein ‚Hasenbrot‘ für mich mitgebracht?“ Ich schaute ihn gebannt an und musste an die Butterbrotdose aus Blech denken, packte doch die Mutter am Morgen immer die Pausenbrote hinein.

„Weiß ich nicht“, sagte Vater, knipste dabei ein Auge zu und schaute Mutter lächelnd an, „schau doch mal nach, die Dose ist wie immer in der Innentasche.“ Er zeigte auf seine Anzugjacke, welche er bei schönem Wetter immer trug und die noch auf dem Sofa lag, denn einen Kleiderstock oder eine Garderobe gab es bei uns damals nicht. Eifrig versuchte ich den Deckel der Dose zu öffnen, die ich wohlweislich vorher aus der Jacke holte. Mit meinen kleinen Händen war es Schwerstarbeit, den Deckel von der Dose zu trennen. Endlich hatte ich sie auf, wobei der Deckel auf den Boden aus Linoleum fiel. Tatsächlich lag ein halber ‚Dubbel‘ (die Hälfte zweier, in der Mitte belegt, Scheiben eines Brotes) in der Dose. Hmmm! Dieser Geruch, der aus der Dose stieg, ein fast undefinierbarer Geruch, den ich heute noch in der Nase habe. Aus der Dose roch es nach einem Gemisch von Schmalz und nach Vater!

‚Hasenbrot‘, ein Ausdruck für das nicht gegessene Pausenbrot damals, vielleicht vom ‚Osterhasen‘ entliehen, um das Brot schmackhafter zu machen.

Die Teller waren schon auf dem Tisch und der Topf dampfte kräftig. Das Brot in der Hand kletterte ich auf das Sofa und kniete mich hin, damit ich auch auf den Tisch schauen konnte.

„Warte und bleib so auf dem Sofa hocken“, sagte mein Vater zu mir und schob den Tisch mit den Tellern und dem Grießbrei ganz nah an das Sofa heran, damit ich nicht im Eifer des Gefechts hinunterrutschte!

Die Bratkartoffeln brutzelten noch, als Mutter schon den Grießbrei auf die Teller löffelte. Ja, löffelte, denn unser Grießbrei war nicht suppig wie bei den Nachbarn. Wenn der Brei erkaltete, musste ein Löffel, senkrecht in den Brei gesteckt, stehen bleiben und durfte nicht umfallen, dann war er richtig gekocht!

Mein größerer Bruder kam, von der Mutter gerufen, vom Spielen mit den Nachbarskindern herein.

Auf einem Suppenteller den noch heißen Grießbrei und auf einem Kuchenteller einige Scheiben Bratkartoffeln, natürlich aus vorher gekochten Pellkartoffeln. Richtige Bratkartoffeln müssen nämlich unbedingt aus Pellkartoffeln gemacht werden, aber dieses nur als Anmerkung!

Mit meinem kleinen Löffel nahm ich vorsichtig eine Scheibe von den goldgelben Bratkartoffeln, legte sie auf den Grießbrei im anderen Teller und schaute gebannt zu wie die Scheibe darin versank und nur ein Fettauge obenauf blieb.

„Ihhh“, rief mein Bruder und zeigte mit dem Finger auf meinen Brei, „er taucht seine Bratkartoffeln in den Grieß, das kann man doch nicht so essen, bäh!“

„Mit Essen spielt man nicht“, sagte Vater, schaute mich an und sagte nur: „Aufessen!“

Gehorsam und auch neugierig fischte ich die Scheibe Bratkartoffel wieder aus dem Grießbrei. Sie war damit bedeckt und ich … ja, ich schob den Löffel mit dem Bratkartoffel-Grießbrei-Gemisch in meinen Mund. Erwartungsvoll schauten mich alle an und mein Bruder sagte noch einmal: „bäh“ dazu, ich aber hatte eine Geschmacksexplosion in meinem Mund!

Nicht nach Grießbrei oder Bratkartoffeln, nein, probiert es selbst aus. Noch heute erbitte ich manchmal von meiner Frau diesen dicken Grießbrei und aus Pellkartoffeln gemachte Bratkartoffeln.

„Lecker“, sage ich nur, „lecker!“


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