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Integrierte Feedback- und Lernschleifen

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Das beschriebene iterativ-inkrementelle Vorgehen ist eng verbunden mit dem kontinuierlichen Lernen als weiteres wesentliches Charakteristikum agiler Organisation. Die Qualität und mithin die Überlebensfähigkeit einer lernenden Organisation85 ist abhängig von den Möglichkeiten und den Fähigkeiten ihrer Organisationsmitglieder, sich selbstorganisiert und eigenverantwortlich zu entwickeln (vgl. auch den Beitrag von HARTMANN). Es gilt: „The purpose of an organization is to enable ordinary human beings to do extraordinary things.”86

In einem dynamischen und komplexen Umfeld erfolgt die Entwicklung bewusst empirisch in kleinen Schritten. Versuch und Irrtum, Feedback und Reflexion sind fest in der agilen Philosophie verankert und folglich auch Teil agiler Organisation. Auf diese Weise kann sich ein Unternehmen schnell und flexibel auf neue Situationen einstellen. Agile Ansätze wie Scrum, Lean Startup oder OKR (vgl. Kapitel 6) haben daher auch immer integrierte Feedback- und Lernschleifen, die die Akteure dazu anhalten, ihre Annahmen über Kundenbedürfnisse, Produkterfordernisse, Prozessaktivitäten und die eigene Zusammenarbeit in kurzzyklischen Iterationen zu reflektieren und ggf. anzupassen (z. B. Reviews und Retrospektiven).

Da es in sozialen Systemen oft an kausalen Ursache-Wirkungszusammenhängen mangelt, empfiehlt sich eine ergebnisoffene, hypothesengeleitete Herangehensweise. Dies erfordert die Bereitschaft, in Alternativen zu denken und (nur) vorläufige Annahmen zu treffen (Hypothesen) über das, was ist oder was (zukünftig) sein könnte. Hypothesen konstruieren eine Wirklichkeit, die als Grundlage für Entscheidungen dient. Sie sind regelmäßig zu überprüfen und im Bedarfsfall umzuformulieren, zu ergänzen, zu erweitern oder auch wieder aufzuheben (iterativ und inkrementell). Das gemeinsame Bilden von Hypothesen eröffnet neue Perspektiven („Mehrbrillenprinzip“) und unterstützt somit die Objektivität im Prozess.87 Durch das Überprüfen von Hypothesen wird sich schrittweise an eine Problemlösung herangetastet. Ausprobieren und experimentieren ist ausdrücklich erlaubt – getreu der agilen Philosophie: Fail early, fail fast, fail often, fail better!88

Agilität impliziert somit eine konstruktive Fehler- bzw. Lernkultur. Wenn in diesem Zusammenhang von Fehlern die Rede ist, dann sind damit nicht solche gemeint, von denen man zum Zeitpunkt einer Entscheidung bereits hätte wissen müssen, die also vermeidbar gewesen wären. Der Irrtum als Synonym für den hier benutzten Fehlerbegriff scheint daher geeigneter. Denn ein Irrtum liegt vor, wenn sich eine Annahme oder Hypothese zum Zeitpunkt einer Entscheidung später als Fehleinschätzung herausstellt. Agile Unternehmen lernen also vielmehr aus Irrtümern als aus Fehlern, denn letztere sind im engeren Sinne Verschwendung, und die gilt es bekanntlich zu vermeiden. Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder Fehler zu sanktionieren ist oder diejenigen, die ihn begangen haben, abgestraft werden sollten. Mit vermeidbaren Fehlern umzugehen hat etwas mit einem wertschätzenden Umgang zu tun, unabhängig von Methode oder Organisationsform. Ebenso geht es nicht darum, die eine richtige Hypothese zu finden oder zu bestätigen, sondern durch eine Vielfalt von Hypothesen auch zu einer Vielfalt von Perspektiven und Möglichkeiten zu gelangen, denn frei nach NIKLAS LUHMANN führt „jede Problemlösung auch zu Lösungsproblemen.“89

Viele agile Praktiken und Ansätze basieren auf dieser Vorgehensweise. Prägend ist allen voran der PDCA-Zyklus oder DEMING-Kreis mit seinen vier Phasen „Plan - Do - Check - Act“, für hypothesengeleitetes und erfahrungsbasiertes kontinuierliches Lernen und Verbessern.90 In agilen Prozessen werden einzelne, kundenrelevante Anforderungen geplant bzw. Hypothesen dazu aufgestellt (Plan), dann in kurzen Zyklen fokussiert umgesetzt bzw. getestet (Do), dazu jeweils möglichst messbares Kundenfeedback eingeholt (Check) und daraus gelernt, was wie gut funktioniert. Was empirisch belegt funktioniert, wird gefestigt, alles andere wird in den nächsten Iterationen angepasst (Act bzw. begrifflich treffender Adapt91 oder auch Learn92). Über diese Vorgehenslogik findet eine kontinuierliche Anpassung, Weiterentwicklung und Leistungssteigerung statt (vgl. Abbildung 18). Die Vorgehenslogik kann sowohl für die Optimierung des Produkts (Arbeit im System), als auch für die Optimierung der Arbeitsteilung und Koordination, d. h. der Organisation (Arbeit am System), genutzt werden.

Abb. 18: Iterative Feedback- und Lernschleifen im PDCA-Zyklus

Um zu testen, ob „Same Day Delivery“ auf positives Kundenfeedback stößt, ging man bei ZALANDO einen pragmatischen Weg. Täglich wurden im Logistikzentrum nahe der Berliner Zentrale 30 bestellte Sendungen herausgegriffen, in Autos gepackt und noch am selben Tag ausgeliefert. Sogar die Chefs schlüpften in die Rolle des Paketboten. Die ZALANDO-Mitarbeiter erhielten dadurch schnell direktes Feedback von ihren Kunden und konnten die logistischen Anforderungen eines solchen Angebots selbstständig erheben. „Wir hätten auch ein paar Hundert Leute abstellen können, die einen großen Projektplan entwerfen, wie ZALANDO innerhalb der nächsten zwei Jahre das Thema „Same Day Delivery“ aufrollt, … aber wenn wir dann am Ende feststellen, dass wir das falsche Problem gelöst haben, sind jede Menge Ressourcen verbrannt. Immer wenn wir eine … Möglichkeit erkennen … ist es für uns der logische nächste Schritt, das möglichst schnell auszuprobieren“, sagt DANIEL SCHNEIDER, Head of Onsite Customer Journey.93 Diese „trial and error“- bzw. „safe enough to try“-Mentalität sorgt für ein hohes Tempo und ist ein wesentliches Grundprinzip agiler Betriebssysteme, wie z. B. Holacracy (vgl. Kapitel 8.3).

Ein solches agiles, hypothesengeleitetes Vorgehen bedeutet auch, dass bloßes Kopieren zu kurz greift. Einfach „skippen“, eine Abkürzung nehmen oder Prozesse und Arbeitsweisen von anderen abkupfern, das kann auf Dauer nicht funktionieren. „Wir sind doch schon agil“, heißt es dann oft nach gefühlten 4-5 Sprints. Es ist, als wolle man den eigenen Film vorspulen, um schneller zum Ende zu kommen, und verdrängt dabei, dass man den eigenen Film nicht versteht. Am Ende ist man genauso schlau wie zuvor. Von außen betrachtet heißt es dann häufig abschätzig (vgl. Kapitel 2.2 und 9): „Ihr verwechselt doing agile mit being agile.“

Agile Organisation – Methoden, Prozesse und Strukturen im digitalen VUCA-Zeitalter

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