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Teil A
Einführung Herzlich willkommen
ОглавлениеDie Exerzitien auf der Straße sind ein Geschenk des Lebens. Wir üben, die liebende Gegenwart Gottes auf der Straße wahrzunehmen, indem wir achtsam, offen und hörend auf die Straße gehen. In uns wird ein Prozess angestoßen, durch den wir aufmerksamer werden für das, was uns „zufällig“ begegnet oder in uns wach wird. Unsere eigene Sehnsucht weist uns den Weg. Mit ihr tasten wir uns an unsere Wirklichkeit heran. Unterstützt von „zufälligen“ Ereignissen unterwegs, begegnen wir den Brüchen und Fragen unseres Lebens. Dann spüren wir oft, wie das Leben selbst uns einlädt, über unsere eigene Wirklichkeit zur Einheit mit anderen zu finden, die wir mehr und mehr als Brüder und Schwestern erfahren. Mitten in der Unsicherheit, sie als Geschwister anzunehmen, entdecken wir überraschend auf der Straße das Geschenk der Liebe, die Quelle des Lebens. Wir nehmen die liebende Gegenwart Gottes auf der Straße wahr und ziehen auf diesem heiligen Boden unsere Schuhe aus.
Aus dem reichen Schatz der vielen Erfahrungsberichte von Exerzitien auf der Straße ist dieses Buch entstanden. Wir laden die Leser_innen1 ein, im offenen Raum der Straße aufmerksam die eigenen Erfahrungen wahrzunehmen, mitsamt Umgebung und inneren Bewegungen.
Die Übungen der Straßenexerzitien haben ihren Ursprung in der christlichen Tradition der Exerzitien (lateinisch exercitium = Übung). Ignatius von Loyola (geboren am 31.5.1491 im Baskenland/Spanien, gestorben am 31.7.1556 in Rom) entdeckte diesen Übungsweg besonders in den neun Monaten, in denen er in der kleinen Stadt Manresa am Fuße der Pyrenäen als Obdachloser lebte. Danach pilgerte er nach Jerusalem und gründete die Gesellschaft Jesu, den Jesuitenorden.
Die Straßenexerzitien werden in diesem Buch vor allem aus der Perspektive der Übenden dargestellt, die aus allen sozialen Schichten und vielfältiger religiöser Praxis kommen. Fünf Exerzitienbegleiter_innen führen in den Übungsweg ein und haben die Texte der Übenden zusammengestellt. Doch zu Anfang erzählen sie selbst ihren persönlichen Zugang zu diesem Exerzitienweg. Danach folgt das Herzstück des Buches mit den spirituellen Erfahrungsberichten in drei Abschnitten, die dem Ablauf der Exerzitien entsprechen: das Entdecken der eigenen Sehnsucht, das Übertreten der lebenseinschränkenden Grenze und schließlich die Rückkehr in den Alltag nach der Begegnung mit der Quelle des Lebens.
Eingeleitet werden die Abschnitte mit spirituellen Hinweisen dazu, was in der jeweiligen Zeit bei den Einzelnen anstehen könnte. Gedichte von Markus Roentgen stehen am Ende der jeweiligen Wegstrecke. Einzelne längere Erfahrungsberichte, die sich auf die gesamte Zeit der Straßenexerzitien beziehen, schließen sich an.
Auf die spirituellen Erfahrungen folgen Reflexionen zu zentralen Bibelstellen auf dem Weg der Straßenexerzitien und zudem spirituelle und gesellschaftsbezogene Reflexionen. Als Nachwort schrieb Klaus Mertes einen persönlichen Beitrag, in dem er aufzeigt, wie die Straßenexerzitien für ihn als Jesuiten zum Schlüssel des Verständnisses ignatianischer Exerzitien wurden. Im Anhang finden sich Hinweise zu Literatur und Material im Internet.
Bei den in ihrer Form sehr unterschiedlichen Erfahrungsberichten wurden die Verfasser_innen so genannt, wie sie es sich wünschten: mit vollem Namen, mit Vornamen, Decknamen oder auch einfach nur mit einem Buchstaben. Die anderen Texte wurden gemeinsam verfasst. Für die Einführung und die Deutungen der Bibeltexte fühlte sich Christian Herwartz verantwortlich, für die Einleitungen zum Abschnitt „Die eigene Sehnsucht entdecken“ waren es Elisabeth Tollkötter und Katharina Prinz, für „Über die eigenen Grenzen gehen“ Katharina Prinz und Christian Herwartz, für den Abschnitt „In den Alltag gehen“ Maria Jans-Wenstrup (nach vorbereitenden Gesprächen mit Marita Herwartz), die auch die Erfahrungsberichte zusammenstellte. Katharina Prinz schrieb den Text zu den theologischen Reflexionen und Josef Freise formulierte die gesellschaftlichen Kontexte auf der Basis von Beiträgen aller Redaktionsmitglieder.
Marita Herwartz unterstützte das Entstehen dieses Buches mit ihren Begleiterfahrungen besonders in den Exerzitien für Paare. In der Vorbereitungszeit erlitt sie einen Gehirninfarkt und fiel in ein längeres Koma. Wie durch ein Wunder ist sie wieder auf den Beinen, doch die Gestaltung des Buches hat sie uns überlassen. Hannah Schnur hat Korrekturen und Rückmeldungen vieler umsichtig eingearbeitet. Allen, die auf diese und andere Weise bei der Verwirklichung dieses Buches mitgewirkt haben, danken wir herzlich.
Wir Herausgeber_innen sind im christlichen Glauben verwurzelt. Wir sehen in Jesus den von Gott geliebten und seine Liebe weiterschenkenden Menschen. Weil er als Auferstandener in und unter uns lebt, können wir ihn auch heute entdecken. In den Straßenexerzitien erfahren wir oft: Jeder Mensch ist ein Geschenk der Liebe. Er oder sie hat diese Liebe empfangen und kann sie weitergeben. Wir hoffen, dass dieses Buch nicht nur Christ_innen anspricht, sondern, wie die Exerzitien auf der Straße in der Praxis gezeigt haben, auch Menschen anderer Religionen und Weltanschauungen, also viele, die auf der Suche nach dieser Liebe sind, die uns Menschen untereinander und mit der Schöpfung verbindet.
1 Wir verwenden in diesem Buch eine gendergerechte Sprache. Mithilfe eines Unterstriches sollen alle sozialen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten, Lebensformen und Hintergründe einbezogen werden.