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8. Missionarische Akzente in der jüngsten CVJM-Geschichte
ОглавлениеAuf nationaler Ebene waren und sind es seit den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts Mitarbeitertagungen, Kongresse und Festivals, aber auch internationale Tagungen, die eine neue Kursbestimmung in der missionarischen Ausrichtung der Arbeit des CVJM im sich wandelnden Zeitgeist und den jeweiligen Herausforderungen ermöglichten. Einiges fand in neuen Arbeitszweigen seinen Ausdruck, anderes in Erklärungen und Grundsatzdokumenten, mit denen der CVJM einen konkreten Teilauftrag für sich angesichts bestimmter gesellschaftlicher Gegebenheiten formulierte. Dabei sind zwei Grundzüge des CVJM aus seinen Wurzeln bewahrt worden: das Weltzugewandt-Sein und die Weltoffenheit auf der einen Seite und andererseits das klare Bekenntnis zu Christus als Mitte des Glaubens verbunden mit einladender missionarischer Verkündigung und einem attraktiven Gemeinschaftsangebot.
Hervorzuheben sind aus der Fülle von Veranstaltungen, Themen und Inhalten die folgenden Aspekte:
Mit der Umsetzung der von den Weltratstagungen 1955 und 1957 beschlossenen Pläne zur Ausbreitung des CVJM besonders auf der Südhalbkugel ging eine Auseinandersetzung um entwicklungspolitische Fragen einher, die zur Annahme der „Bernhäuser Basis“ mit theologischen Thesen zum entwicklungspolitischen Auftrag des CVJM bei der Mitarbeitertagung 1971 im Bernhäuser Forst führte (Stursberg 1987: 300 f.).
Große politische Herausforderungen wie die militärische Aufrüstung und die Anliegen der Friedensbewegung in den 70er- und 80er-Jahren konnte der CVJM nicht ignorieren. Thesen zum politischen Handeln im CVJM wurden 1977 verabschiedet, und das CVJM-Friedensnetz gründete sich 1985 im Anschluss an eine Friedenstagung. Leitlinien für die Internationale CVJM-Arbeit wurden 1980 erarbeitet (Müller 2011: 95; 113).
Eine Mitarbeitertagung 1991 in Graben-Neudorf bei Karlsruhe mit dem Thema „Das Leben mitteilen“ war die erste große Veranstaltung mit Teilnehmern aus Ost und West und diente dem Zusammenwachsen sowie der Visionsentwicklung für missionarische Arbeit im wiedervereinigten Deutschland.
Bei der Weltratstagung 1998 in Frechen bei Köln wurde das Dokument „Challenge 21“ als Interpretation und Ausführungsbestimmung der Pariser Basis im Hinblick auf die globalen Herausforderungen im 21. Jahrhundert angenommen. Die Gültigkeit der Pariser Basis wurde darin bestätigt.
Der CVJM hat neben den eigenen Veranstaltungen auch zahlreiche jugendmissionarische bzw. evangelistische Projekte in Netzwerken mit anderen christlichen Jugendorganisationen durchgeführt, u. a. mehrmals den Jugendkongress „Christival“ und die Jugendevangelisation „Jesus House“.
Einen wichtigen Impuls in der Entwicklung frischer, neuer Formen der jugendmissionarischen Arbeit setzte die Einführung von TEN SING. TEN SING kommt aus Norwegen, bedeutet „Teenager singen“ und umfasst verschiedene Ausdrucksformen jugendlicher Kultur, nämlich Chorsingen, Musikband, Theaterspiel, Tanz. Dabei ist TEN SING von den Jugendlichen selbst getragen und organisiert (Jugendarbeit nicht für Jugendliche, sondern von Jugendlichen) und ist nach innen zu den Gruppenteilnehmenden hin, die vielfach keine christliche Sozialisation erlebt haben, missionarisch ausgerichtet. Eine norwegische Gruppe tourte 1986/87 ein Jahr lang durch Deutschland, um durch Workshops und Konzerte den Anstoß zur Gründung örtlicher TEN SING-Gruppen zu geben (Müller 2011: 102). Das Konzept schlug auf der ganzen Linie ein, im Herbst 1988 existierten bereits 60 Gruppen mit steigender Tendenz (Müller 2011: 103). TEN SING darf als Erfolgsmodell betrachtet werden, das sich in vielen europäischen CVJM und selbst auch in Ländern anderer Kontinente etabliert hat (vgl. Erkenberg/Konstantinidis in diesem Band).
Einen Schwerpunkt in der Schulung junger Ehrenamtlicher für moderne und kreative Formen der Evangelisation setzte der CVJM mit seinem „CVJM-Missio Center – Zentrum für Evangelisation“ in Berlin von 1993 bis 2015. In neun- bis zwölfmonatigen Kursen erlebten junge Christen eine Lebens-, Lern- und Experimentiergemeinschaft im säkularisierten Umfeld der Hauptstadt und führten evangelistische Projekte in unterschiedlichen Formen durch, in der Regel in Kooperation mit örtlichen CVJM, Gemeinden oder anderen Jugendorganisationen im Großraum Berlin, aber auch in anderen Teilen Deutschlands. Da an fast jedem Kurs drei oder vier Ehrenamtliche aus zentral- und osteuropäischen Ländern teilnahmen, waren die Kurse auch immer eine intensive ökumenische Lernerfahrung für alle Beteiligten. Nach 22 Jahren wurde die Schulung für evangelistische Arbeit in dieser Form beendet.
Ein außergewöhnlicher Bogen lässt sich vom Gründungsjahr des CVJM-Weltbunds zum Jahr 2000 schlagen. Am Rande der Weltausstellung 1855 in Paris kamen die CVJM-Vertreter zusammen und beschlossen die Pariser Basis. Im Jahr 2000 fand die Weltausstellung „EXPO 2000“ in Hannover statt. Der deutsche CVJM nutzte diesen Marktplatz der Welt für ein großes missionarisches Projekt unter der Leitung seines Generalsekretärs Ulrich Parzany in Zusammenarbeit mit der Deutschen Evangelischen Allianz und World Vision Deutschland: der „Pavillon der Hoffnung“. Unter dem Motto „Welcome to the future“ waren die EXPO-Besucher in den Pavillon, der architektonisch die Form eines Wals hatte, eingeladen zu einer Reise der Hoffnung. In einem animierten Zeichentrickfilm wurde eine moderne Interpretation des Gleichnisses vom verlorenen Sohn gezeigt. In einem Ausstellungsbereich wurden im „Fenster der Hoffnung“ Projekte der Hoffnung aus aller Welt, 25 davon aus den Partner-CVJM rund um den Globus, gezeigt, und eine Fernsehbühne ermöglichte kurze Live-Acts mit kulturellen Darbietungen, Interviews und Talkrunden (vgl. Müller 2011: 187). Für einige Wochen waren junge Mitarbeiter aus den Partner-CVJM anwesend und konnten den Besuchern persönlich etwas über ihre Hoffnung, begründet aus dem christlichen Glauben, für ihr Land und über ihre Projekte für Kinder und Jugendliche vermitteln. Damit erzielte der CVJM eine einmalige Öffentlichkeitswirkung für seine ganzheitliche missionarische Arbeit weltweit, darüber hinaus auch für seine ökumenische Weite und die Dienstbereitschaft seiner Mitglieder, denn der Betrieb des Pavillons der Hoffnung über fünf Monate war nur realisierbar, weil sich 1.400 freiwillige Helfer aus vielen verschiedenen Ländern unentgeltlich engagierten.