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Extrem – Vermeidung der Mitte

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Etwas ist extrem, wenn eine Steigerung davon kaum vorstellbar ist. Antipop begibt sich mit Vorliebe in die Extreme. Das ganz Leise, das ganz Laute, das ganz Langsame, das ganz Schnelle, das ganz Kurze, das ganz Lange, das ganz Einfache, das ganz Komplexe, das ganz Hohe, das ganz Tiefe, das ganz Helle, das ganz Dunkle, das ganz Maßvolle, das ganz Maßlose, das ganz Lineare, das ganz Verschlungene, das ganz Allmähliche, das ganz Plötzliche, das ganz Freie, das ganz Gebundene, das ganz Dionysische, das ganz Apollinische. Und so fort. Der Rest folgt daraus (würde Nietzsche sagen).

Anders ausgedrückt: Lauheit ist des Antipops Ruin. Antipop meidet den gefälligen Ausgleich, das leichthin Versöhnliche, den faulen Kompromiss, den billigen Konsens. Schieflagen sind jederzeit, auch wenn es unbehaglich wird, erwünscht. Aus der Balance zu kippen, ist kein Unglück, sondern eine erfreuliche Gelegenheit, die Perspektive zu wechseln. Widersprüche werden nicht in Harmonie aufgelöst, sie behalten ihr Recht und werden ausgetragen. Antipop ist sperrige Musik, ein Stück unangepasste Außenwelt, ein wahrhaftes Gegenüber, das einen nicht für dumm verkauft. Irgendetwas daran bleibt immer ungenießbar, ein verstörender Rest, der sich nicht eingemeinden lässt. Antipop widersteht der bequemen Rezeption.

Weil die Mitte höchstens als Kreuzung auf den Weg in die Extreme genutzt wird, polarisiert Antipop die Hörerschaft, die sich an den Extremrändern naturgemäß ausdünnt. Die seit je an extreme (avantgardistische, experimentelle) Musik herangetragene Vorhaltung, sie bediene nur Minderheiten, sei elitär, unzugänglich usw., orientiert sich im Grunde am Mittelmaß, dem Ende von Antipop. Braxton hat dem nie nachgegeben. Er hat gelernt, die Spaltung seines Publikums ohne Verbitterung zu akzeptieren:

„I’ve never wanted to be in a position where my work is greeted in the middle. And I’ve discovered in the last forty years that my work is either embraced or is hated. There’s no middle ground. How fortunate I am that my work doesn’t provoke a mediocre response. Part of the challenge for me as far as maturing is to understand that I’m blessed with my allies and I’m blessed with the opposition. I say hooray for both groups.“ (BRAXTON 2009, 94 b-d)

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