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1.3.2 Probleme der Satellitenmeteorologie

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Jede Fernerkundung beinhaltet das Problem, dass die gemessene Information – bei der Satellitenmeteorologie immer eine Strahlungsgröße – auf die eigentlich interessierende Ursache zurückgeführt werden muss. Das gemessene Signal muss in die gesuchte Größe „invertiert“ werden.

Strahlung von der Sonne oder einer künstlichen Strahlungsquelle wird in der Atmosphäre gestreut und absorbiert sowie am Boden reflektiert. Weiter werden von der Materie in der Atmosphäre und dem Boden Photonen emittiert und auch wieder gestreut und absorbiert. Die am Oberrand der Atmosphäre austretende Strahlung ist durch diese Prozesse eindeutig bestimmt. Wenn alle strahlungsrelevanten Eigenschaften der Substanzen in der Atmosphäre und am Boden bekannt sind, kann das Strahlungsfeld, und damit auch die für die Fernerkundung zu nutzende Strahlung am Satelliten, genau berechnet werden. Dies geschieht mithilfe von Computermodellen, die alle Prozesse des Strahlungstransports auf dem Weg von der Strahlungsquelle zum Satelliten berücksichtigen. Dieser Weg, von den Eigenschaften von Atmosphäre und Boden zum Strahlungsfeld am Satelliten, ist eindeutig. Er wird häufig als „Vorwärtsrechnung“ bezeichnet (Abb. 1.3). Der umgekehrte Weg, von einer am Satelliten gemessenen Strahlungsinformation zu den verursachenden meteorologischen oder geophysikalischen Eigenschaften, ist im Allgemeinen nicht eindeutig. Diese sogenannte „Rückwärtsrechnung“ oder „Invertierung“ ist immer mehr oder weniger unsicher und fehlerbehaftet, da unterschiedliche Kombinationen von Atmosphären- und Bodeneigenschaften das gleiche Signal am Satelliten ergeben können oder zumindest Signale, die sich im Rahmen der Messgenauigkeit nicht unterscheiden lassen.


Abb. 1.3

Zum Unterschied zwischen Strahlungsübertragungsmodellierung und Invertierung

Das prinzipielle Problem der Invertierung lässt sich gut mit dem des Fährtensuchers vergleichen: Wenn ein Tier mit all seinen Eigenschaften bekannt ist, können seine Fußabdrücke vorhergesagt werden. Aber umgekehrt ist es nur bedingt möglich, aus den Fußabdrücken auf die genauen Eigenschaften des Tiers zu schließen (Abb. 1.4). Aus der Tiefe des Eindrucks kann vielleicht auf sein Gewicht geschlossen werden. Und wenn nur eine Spezies in der Umgebung vorkommt, die die vorliegende Spur verursachen kann, ist es klar, dass die Spur auch von solch einem Tier stammen muss. Wenn aber verschiedene Tiere ähnliche Spuren hinterlassen können wird die Invertierung, nämlich der Rückschluss auf das verursachende Tier, unsicher. Und selbst bei Kenntnis der Tierart kann eine detailliertere Angabe, wie z. B. seine Farbe, nicht gemacht werden, solange nur die Spur und keine Zusatzinformation, wie eine verlorene Feder, vorhanden ist.


Abb. 1.4

Zur Unsicherheit der möglichen Ursache eines zu interpretierenden Signals (nach einer Idee von Bohren und Huffman, 1983).

In der Satellitenmeteorologie ist die Problematik der Invertierung, nämlich zu klären was die gesuchte Ursache für das gemessene Signal ist, eher noch größer als bei dem Tierspur-Beispiel. Häufig sind sehr viele Parameter von Boden und Atmosphäre am Strahlungsübertragungsprozess beteiligt, und verschiedene Kombinationen dieser Parameter können am Satelliten nahezu gleiche Signale erzeugen. Das liegt insbesondere daran, dass der Sensor von dem ganzen in den Weltraum gelangenden Strahlungsfeld immer nur einen sehr kleinen Ausschnitt erfasst, eben die Strahlung in Richtung zum Satelliten, und diese nur bei den tatsächlich gemessenen Wellenlängen. Weiter ist zu beachten, dass jede Messung mit einer gewissen Messunsicherheit behaftet ist, was die Qualität der Invertierung prinzipiell beschränkt.

Ein Beispiel für eine einfache Invertierung stellt die im sichtbaren Spektralbereich erfolgte Satellitenmessung einer hellen Wolke dar, unter der Voraussetzung dass die Wolke den ganzen Bildpunkt ausfüllt und der Untergrund dunkel ist, z. B. Ozean. Wenn die Frage lautet: „Ist dieser beobachtete Bildpunkt bewölkt oder nicht?“, so kann die Antwort in einem solchen Fall sicher gegeben werden. Unsicherer wird die Invertierung, wenn die Wolke sich über einer schneebedeckten Oberfläche befindet und damit im sichtbaren Spektralbereich nicht sauber zwischen Wolke und Boden unterschieden werden kann. Hier hilft es, Messungen aus Spektralbereichen zu nutzen, in der Wolke und Schnee unterschiedliche Signale hervorrufen, und diese zu kombinieren. Ein anderes Problem bei der Invertierung ergibt sich, wenn Wolken so klein sind, dass sie nur einen Teil des Bildpunkts ausfüllen und damit am Satellit ein Mischsignal aus Strahlung von Boden und Wolken gemessen wird. Auch in einem solchen Fall helfen Zusatzinformationen, nämlich Messwerte von Pixeln mit eindeutigen Verhältnissen (Kap. 4.4.7 und 6.2.3).

Die Interpretation der fernerkundeten Signale ist umso aufwendiger, je detaillierter die gesuchte Information und je anspruchsvoller die Fragestellung ist. So ist zum Beispiel der Bedeckungsgrad durch Wolken leichter und mit weniger Information zu bestimmen als die Größenverteilung der Tropfen in der Wolke.

Um aus den gemessenen Strahlungswerten die gesuchte Größe abzuleiten, werden Invertierungsalgorithmen („Retrievals“ oder „Retrieval Algorithms“) entwickelt. Hierzu werden Sensitivitätsstudien durchgeführt, bei denen mittels Strahlungstransportmodellierung die Strahlung L am Satelliten berechnet wird, und zwar für ein möglichst umfassendes Spektrum denkbarer Kombinationen aller relevanter Parameter Pi der Atmosphäre und des Bodens. Dabei wird die Stärke der Änderung der Strahlung dL für mögliche Änderungen jedes Parameters dPi bestimmt. Je stärker das zu messende Signal auf die Änderung eines Parameters Pi reagiert, desto besser ist dieser mittels Fernerkundung bestimmbar. Die anderen Parameter sind die „Störparameter“, die das Signal ebenfalls beeinflussen, aber nicht gesucht sind. Bei Änderung ihres Wertes sollte sich das gemessene Signal möglichst wenig ändern. Die diesbezüglich nicht zu vermeidenden Abhängigkeiten ergeben die Unterbestimmtheit der Invertierung.

Am Satelliten wird immer „nur“ Strahlung gemessen. Die Eigenschaften dieser Strahlung werden zwar durch die Parameter von Atmosphäre und Boden eindeutig bestimmt, aber der Rückschluss von der Strahlung auf die Parameter ist nicht trivial und mit Unsicherheiten behaftet. Diese „Invertierung“ von mittels Satelliten gemessenen Werten in die gesuchte meteorologische Größe erfolgt mithilfe von „Retrieval Algorithms“.

Mithilfe der Sensitivitätsstudien wird also ermittelt, ob und wie stark die zu messende Strahlung durch die verschiedenen Parameter beeinflusst wird, d.h. wie sensitiv die Strahlung reagiert. Damit kann auch bestimmt werden, wie sich der Einfluss des gesuchten und der unerwünschten Parameter ändert, wenn die Messbedingungen verändert werden, zum Beispiel durch Wahl anderer Wellenlängen. So wird eine für die aktuelle Fernerkundungsfrage optimale Messung konzipiert, wobei natürlich immer auch die technische und finanzielle Realisierbarkeit berücksichtigt werden muss. Damit gilt für die meisten satellitenmeteorologischen Fragestellungen, dass eine Unsicherheit durch Störparameter reduziert werden kann, es aber nicht möglich ist, sie vollständig zu vermeiden.

Die für die Entwicklung der Invertierungsalgorithmen verwendeten Sensitivitätsstudien zeigen, ob und wie die Hinzunahme weiterer Information einen Ausweg aus dem Dilemma fehlender Eindeutigkeit bietet. Immer genutzte Basisinformation sind natürlich die Winkel, unter denen die Strahlung der Sonne einfällt, und die Richtung der am Satelliten gemessenen Strahlung. Verbessert werden kann eine Invertierung durch zusätzliche Messungen, durch die die aus den Störparametern resultierende Unsicherheit reduziert oder gänzlich eliminiert werden kann. In der Satellitenmeteorologie kann die Zusatzinformation aus Messungen in mehreren Kanälen resultieren, d.h. bei verschiedenen Wellenlängen oder Polarisationsrichtungen, aber auch bei unterschiedlichen Winkeln, unter denen die Strahlung aus der Atmosphäre austritt.

Je mehr unabhängige Information zur Verfügung steht, desto genauer kann der gesuchte Parameter bestimmt werden und desto besser kann die Unsicherheit durch die nicht genau bekannten Störgrößen reduziert werden.

Eine weitere wichtige Zusatzinformation bietet die Möglichkeit, Fernerkundung nicht nur passiv durch Messung der von Sonne und Erde stammenden Strahlung zu betreiben, sondern auch aktiv, das heißt, zur Fernerkundung Strahlung zu verwenden, die am Satelliten selbst erzeugt wird. Ein anderes Beispiel für die Verbesserung der zu gewinnenden Informationen ist die gleichzeitige Beobachtung eines Areals mit einem Radiometer mit spektral hoher und räumlich schlechter Auflösung und mit einem zweiten, mit räumlich hoher aber spektral schlechter Auflösung. So kann aus dem räumlich hoch aufgelösten Bild die Bewölkung ermittelt werden, und die spektral hoch aufgelöste Information kann benutzt werden, um auch in bewölkten Bildpunkten Atmosphäreneigenschaften zu bestimmen. Die nahe liegende Frage, warum nicht gleich sowohl räumlich als auch spektral hoch aufgelöst gemessen wird, beantwortet sich mit der dann zu geringen Energie der einzelnen Messgrößen (Kap. 4.3.2), was dazu führen würde, dass die gesuchte Information im Detektorrauschen untergeht.

Bei manchen Fragen ist es auch möglich, zusätzliche Vorabinformation hinzuzuziehen, die nicht aus Satellitenmessungen stammt. Dies kann grundlegende geographische Information sein, wie die Kenntnis von Wasser oder Land als untere Randbedingung, oder das Ergebnis der Modellierung eines meteorologischen Parameters. Beispielsweise kann die Höhenverteilung eines Spurengases, die mittels eines Modells vorhergesagt wurde, durch die Fernerkundungsinformation an den tatsächlichen aktuellen Zustand adaptiert werden. Bei komplexen Phänomenen, wo nicht alle Störparameter bekannt sind, ist es manchmal möglich, einen Invertierungsalgorithmus durch den Vergleich von Satellitendaten mit unabhängig bestimmten Werten des gesuchten Parameters zu „trainieren“. Hierzu werden verschiedene Werte des gesuchten Parameters, zum Beispiel bestimmt aus Bodenmessungen, mit den Messwerten am Satelliten verglichen und nachfolgend genutzt, um die Konstanten zu optimieren, die in dem mittels Sensitivitätsstudien ermittelten Algorithmus den Zusammenhang beschreiben.

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