Читать книгу Fremdsprachendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin - Группа авторов - Страница 41
1 Impressionen eines Missverhältnisses oder Missverständnisses
ОглавлениеGrammatik als Teil von Sprache ist in allen Ansätzen des Fremdsprachenlehrens und -lernens ein Dreh- und Angelpunkt, ob sie nun als zentraler Inhalt und Ziel des Unterrichts angesehen oder ob ihr eher eine unter- oder nachgeordnete Bedeutung beigemessen wird. Verkompliziert wird die Diskussion um die Rolle von Grammatik dadurch, dass es neben dem unterschiedlichen Gewicht von Grammatik auch verschiedene, nicht immer klar ausgesprochene Vorstellungen gibt, was darunter überhaupt zu verstehen ist: Besonders mit der allmählichen Durchsetzung des Kommunikativen Ansatzes ab den 1970er Jahren werden formale und funktionale Grammatik, linguistische und didaktische Grammatik gegenübergestellt, und insbesondere wird „kommunikative Grammatik“ eingefordert (vgl. Rösler, 2007). Gerade bei dieser Bezeichnung bleibt offen, ob damit kommunikative Grammatik als Unterrichtsinhalt oder ein auf Kommunikation basierender Unterricht der grammatischen Inhalte gemeint ist (vgl. Rösler, 2007, S. 45). Die Verweise auf die „dienende Funktion“, die Piepho (1974, S. 61) der Grammatik hinsichtlich der Kommunikationsfähigkeit der Lernenden schon in der Mitte der 1970er Jahre zuwies, haben sich bis in das zweite Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts erhalten.
Interessant ist nun, dass im Anschluss an die Etablierung des Kommunikativen Ansatzes in den 1970er und 1980er Jahren eine längere Diskussion zustande kam, die Grammatik und Kommunikation als Gegenpole darstellte (vgl. Rösler, 1983). Ab den 1990er Jahren scheint in Deutschland in der Fremdsprachendidaktik und Sprachlehrforschung weder diese stark vereinfachende Gegenüberstellung noch die Grammatikvermittlung als generelle Herausforderung eine große Rolle zu spielen (vgl. Königs, 2011). Gleichzeitig wirkt die Grundannahme einer Unterordnung von Korrektheit der Formen unter freie, selbstbestimmte Kommunikation (vgl. Gnutzmann, 2005) auf der Ebene der Unterrichtspraxis weiter. Diese liegt beispielsweise einigen der Fragen zugrunde, die von Referendar/innen gemeinsam mit ihren Seminarlehrkräften in einem Forschungsprojekt formuliert wurden: „Ist ein kognitives Erarbeiten der isolierten Formen in einem kompetenzorientierten Unterricht zeitgemäß? […] Welchen Stellenwert haben einfache, geschlossene Aufgaben gegenüber offenen, kreativen Aufgaben?“ (Kolb & Angelovska, 2017, S. 328). Diese Fragen spiegeln viele Unsicherheiten über die Rolle von Grammatik im Fremdsprachenunterricht wider. Einige Facetten der gegenwärtigen Diskussion sollen im Folgenden für Englisch und Französisch als den beiden Fremdsprachen der Bildungsstandards gemeinsam angeschnitten werden. Zu vielen der ausgewählten Teilaspekte hat Daniela Caspari wichtige Impulse für den Französischunterricht, aber auch für den Fremdsprachenunterricht insgesamt gegeben.