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Comédie?Humaine 21st Mit den Farben des Lachens unterwegs zwischen Konstanz und Bujumbura
ОглавлениеGeorg Melich
Résumé en français: page 27
Seit 2014 bestehen Kooperationen des Theater Konstanz mit burundischen Theatergruppen. Im Mai 2014 hatte Intendant Christoph Nix auf Einladung von Minister Peter Friedrich an einer Delegationsreise teilgenommen. Es entstanden Theaterpartnerschaften zu der Gruppe Troupe Lampyre, unter der Leitung von Freddy Sambibona, und der von Marshall Impinga Rugano geleiteten Gruppe Troupe les einfoirés Sanoladante. Oft bilden biographische Erfahrungen den Ausgangspunkt für ihre Arbeiten, häufig thematisieren die jungen Theatermacher*innen direkt oder indirekt die politischen Verhältnisse in Burundi.
Im Jahr 2015 gab es massive Unruhen in Burundi. Präsident Nkurunziza kandidierte verfassungswidrig für eine dritte Amtszeit und ging mit seinem Regime massiv gegen Proteste Oppositioneller vor, in deren Folge starben, flohen und verschwanden unzählige Menschen. Unter den Protestierenden Burundis befanden sich vorwiegend junge Menschen, die eine dritte Amtszeit des Präsidenten verhindern wollten. Doch wofür kämpfte diese Generation? Und welche Rolle spielt Kultur und ihre Förderung in dieser Krisenzeit?
In den Jahren 2016 bis 2018 kooperierten das Theater Konstanz und die Troupe Lampyre für das Projekt Comédie?Humaine 21st. Der inhaltliche und ästhetische Schwerpunkt lag darin, Formen von Komödie und Komik zu untersuchen. Unter welchen Rahmenbedingungen entwickelt Komik eine subversive oder friedensstiftende Kraft? Welche Rolle kann sie in einer zunehmend labilen gesellschaftlichen Situation spielen? Welche Formen von Komik werden interkulturell geteilt?
Das Projekt begann im November 2016 in Konstanz mit einem Rechercheworkshop. Im Juni 2017 folgten theaterpädagogische Workshops in Bujumbura. Die Ergebnisse wurden in zwei Inszenierungen zusammengeführt: Die Stücke Die Farbe des Lachens und Nicht Lustig feierten im November 2017 in Konstanz ihre Premiere. Diskursveranstaltungen begleiteten das gesamte Projekt.
Für uns Schauspieler begann die Zusammenarbeit mit unseren Kolleg*innen aus Burundi im November 2016 mit einem 10-tägigen Rechercheworkshop in Konstanz. So trafen wir zusammen, sieben Künstler*innen aus zwei sehr unterschiedlichen Ländern, um uns mit Humor und Komik auseinanderzusetzen. Die erste Herausforderung war, uns auf eine gemeinsame Arbeitssprache zu einigen. In Burundi gibt es drei Amtssprachen: Kirundi, Französisch und Englisch. Englisch und Französisch werden von der Grundschule an unterrichtet. Wir entschlossen uns, für den Workshop Englisch zu nutzen – der kleinste gemeinsame Nenner. Die meiste Zeit herrschte dennoch ein großes Sprachengewirr von Englisch, Französisch, Kirundi und Deutsch. Nicht alle beherrschten das Englische gleich gut, dafür konnten andere weniger gut Französisch und manchmal war es einfacher, etwas in seiner Muttersprache auszudrücken. Dieses Durcheinander sollte uns während der gesamten Zusammenarbeit nicht nur begleiten, sondern produktiver Bestandteil der Inszenierung werden.
Wer lacht wann und worüber? Gibt es einen Unterschied zwischen deutschem und burundischem Humor? Welche Rolle spielt Komik in Kultur und Gesellschaft? Das waren Fragen, die wir uns stellten. Wir führten viele Gespräche, erzählten uns Witze aus den unterschiedlichen Kulturen, schauten Filme und luden Gäste ein, einen klassischen Clown sowie einen Zauberer. Schnell stellten wir fest, dass wir trotz unterschiedlicher Herkunft über sehr viele Dinge gemeinsam lachen konnten, dass Humor nicht unbedingt von kulturellem Background abhängt. Sobald die Komik aber politisch wurde oder eine Gesellschaftskritik beinhalten sollte, wurde es herausfordernder. Um ironische Bemerkungen zu politischen oder gesellschaftlichen Vorgängen zu verstehen und diese als komisch zu empfinden, ist es nötig, die Umstände zu kennen. Wir sprachen über die politische Lage in Burundi, über Zensur und die Bedeutung ethnischer Zugehörigkeit. Es war ein reger und spannender Austausch und so lernten wir uns in diesen Tagen recht schnell und gut kennen. Nun versuchten wir, uns spielerisch in Improvisationen mit interkulturellen Missverständnissen auseinanderzusetzen. Auch hatten wir festgestellt, dass Komik immer wieder mit Hierarchien spielt, angefangen beim Hofnarren, der sich seinem Herren gegenüber mehr erlauben darf als andere, über das Paar Weißclown und dummer August, bei dem die Hierarchie klar festgelegt ist, bis hin zu modernen Komödien, in denen der „liebenswerte Looser“ am Ende doch gewinnt. Wir improvisierten und arbeiteten an einigen Szenen aus Eugène Labiches Die Affäre Rue de Lourcine, die wir zum Abschluss des Workshops präsentierten.
Begleitend besuchten deutsche und burundische Theaterpädagoginnen gemeinsam eine Schulklasse, um mit den Schüler*innen Szenen zum Thema Komik zu erarbeiten. Diese Begegnung und die Szenen waren Ausgangspunkt für einen interkulturellen Dialog zwischen Jugendlichen aus beiden Ländern zur Frage: Was ist für dich komisch? Über erste Briefe an Schüler*innen in Burundi, welche die Gäste mitnahmen, etablierte sich zwischen den burundischen und deutschen Schüler*innen ein reger Austausch über soziale Netzwerke und per E-Mail.
Im Juni 2017 wurde die begonnene Zusammenarbeit fortgesetzt. Christoph Nix, Clemens Bechtel, die Dramaturgin Antonia Beermann und die Theaterpädagogin Stéphanie Dreher reisten nach Burundi, wo sie weitere Workshops hielten. Am Institut Français führte Antonia Beermann einen Workshop mit den Schauspieler*innen und Autor*innen der Troupe Lampyre durch, die bereits 2016 in Konstanz zu Gast gewesen waren. Neben der Erarbeitung von Szenen aus Die Affäre Rue de Lourcine wurden vor allem eigene Geschichten erzählt. Dabei fokussierten sich die Teilnehmer*innen auf den Umgang mit Tabus wie Sexualität, Religion und Politik sowie die theatrale Verarbeitung von Geheimnissen. Auch mit den gesellschaftlichen Konventionen des Humors und dem unterschiedlichen Umgang mit Humor setzten sich die Teilnehmer*innen auseinander. Dabei spielte die Frage, welchen Stellenwert Humor in Zeiten der Krise einnimmt, immer die zentrale Rolle. Auf der Grundlage dieser ersten Workshop-Tage schrieben die Autor*innen Szenen, die anschließend für eine Werkschau erarbeitetet wurden. Die Szenen dienten später als Inszenierungsgrundlage für die Stückentwicklung in Konstanz.
Parallel dazu wurde in Schulen theaterpädagogisch zur Thematik gearbeitet. In einem weiteren Workshop brachte Christoph Nix den Kindern die spezifische Komik eines Clowns nahe. Den Abschluss dieser Arbeit an der Schule bildete der Besuch der Werkschau im Institut Français. Die Schulworkshops waren ausgesprochen erfolgreich und konnten durch das theaterpädagogische Team der Troupe Lampyre bis in den Sommer 2018 weitergeführt werden.
Im September 2017, fast ein Jahr nach unserer ersten Begegnung, begann in Konstanz die Probenarbeit zu den Produktionen Die Farbe des Lachens für den Abendspielplan und das Klassenzimmerstück Nicht Lustig in der Regie von Clemens Bechtel und Freddy Sabimbona. Die Theaterleitung hatte es möglich gemacht und so war das Team in leicht veränderter Besetzung wiedervereint. Beide Stücke verarbeiteten inhaltlich die Ergebnisse der vorangegangenen Workshops.
Nicht Lustig behandelt den Umgang mit Fremdheit und die Rolle von Humor in solchen Situationen. Aus der Sicht der beiden afrikanischen Autor*innen wurde von Situationen erzählt, in denen sich die Figuren wie Außerirdische fühlten. Eine besondere Herausforderung war auch hier der Umgang mit der Sprache, weshalb der Fokus der Inszenierung auf der körperlichen Darstellung lag. Zwei Schulklassen begleiteten den Probenprozess: Die Schüler*innen gaben Feedback, das in die Probenarbeit aufgenommen wurde. Gerade durch Nachgespräche mit den französischsprachigen Schauspieler*innen war Nicht Lustig gut geeignet, als sprachpraktischer Teil in den Unterricht integriert zu werden und wurde im Oktober viele Male an unterschiedlichen Konstanzer Schulen gespielt.
In dem Stück Die Farbe des Lachens geht es um zwei Männer, die nach einer durchzechten Nacht in dem Glauben aufwachen, einen Mord begangen zu haben. Die Geschichte dreht sich im weiteren Verlauf darum, wozu man bereit ist, wenn man davon ausgeht, einen Tabubruch begangen zu haben, und was man alles tut, um diesen zu vertuschen. Der Grundansatz unserer Inszenierung war die reale Probensituation: Eine internationale Theatertruppe versucht, Labiches Die Affäre Rue de Lourcine auf die Bühne zu bringen. So begann eine herrliche Arbeit, in der wir mit vielen verschiedenen theatralen Mitteln sowohl die Geschichte des Stückes erzählten als auch die Erfahrungen aus der gemeinsamen Arbeit auf die Bühne brachten. Die drei Hauptfiguren, der Herr des Hauses Lenglumé, seine Frau Norine und sein „Komplize“ Mistingue, traten doppelt auf die Bühne, in einer burundischen und in einer deutschen Version. Auch die sprachliche Herausforderung, die wir im Workshop und in der Probenarbeit erlebt hatten, brachten wir auf die Bühne. In einigen Szenen gab es Übertitel, in einer Szene spielten die burundischen Kolleg*innen, während wir live übersetzten. Aus dieser Mehrsprachigkeit ergab sich eine ganz eigene Komik. Am 21.10.2017 feierten wir eine sehr gelungene Premiere in Konstanz, die Komödie bereitete Zuschauer*innen und Darsteller*innen Spaß, gleichzeitig vermittelte das Stück einen Einblick in unsere Zusammenarbeit.
Die Kooperation musste damals vorzeitig beendet werden. Wenn ich nun mit dem Abstand von ein paar Jahren zurückblicke, erinnere ich mich gerne an die gemeinsame Zeit. Für mich waren die intensive Zusammenarbeit und Begegnung mit diesem internationalen Team eine ganz besondere Bereicherung.
Die Farbe des Lachens, Konstanz 2017. / La couleur du rire, Konstanz 2017. Fotos: Ilja Mess