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Hans Jürgen Kugler: Poseidons Tränen

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Der Morgennebel zerrann. Im Frührotschein blau schimmernde Sphären über dem Ozean - Wasser, das sich im Wasser träumt, geronnen zu einem Kondensat aus Licht und Energie.

Fluide Fantasien – grenzenlos, unbegreifbar, ALLüberwindend und Grund allen Lebens. Resultat negativer Entropie.

Poseidon wandte sich ab. Sein Werk war getan, die Transformation abgeschlossen, der Prozess angestoßen. Die Quantenmatrix beendete den Programmablauf und ging auf Stand-by. Die Sphären schwebten regungslos über der Bucht. Eine weitere Generation war geboren, blau schillernde Tränen, zum Aufbruch bereit. Wieder ein Planet erfolgreich infiziert. In Bruchteilen von Äonen werden abionische Verbindungen zu immer komplexeren organischen Molekülen verschmelzen; unwiderruflich bilden sich variierende, autoreplizierende chemische Informationssysteme, Molekülketten verhaken sich zu verschlungenen Strukturen, stabilisieren neu gewonnene Substanzialität, Atmungsketten pulsieren im Elektronenfluss – kurz: Leben entsteht. Und Leben, einmal entstanden, will leben, will immer mehr Leben, will überleben. Also tötet es – für das eigene Leben, für seine gesteigerte Intensität. Das Leben ist unausrottbar, hat es erst einmal gezündet. Nicht der Tod ist sein Todfeind, sondern das Nichts. Und das findet sich nirgends – vielleicht einmal in einer unendlichen Zukunft, einer unvorstellbaren Spanne Zeit, gemessen in Jahrmilliarden, wenn der Himmel zurückfällt in Finsternis, die Sterne umflutend in seinem Verdikt. Wenn kein sichtbares Auge mehr wacht in der Tiefe der endgültigen Nacht; auch Sterne verblühen, wenn ihre Zeit gekommen ist.

Doch jetzt noch nicht. Noch wachen die Tränen Poseidons regungslos über den Wassern, gebären Leben, Zukunft und Hoffnung auf bessere Zeiten.

Poseidon erschien das alles sinnlos. Wozu Leben erschaffen, das sich selbst zerstört, immer und immer wieder und jedes Mal aufs Neue. Ein zum Scheitern verurteiltes Projekt, das sich unaufhörlich perpetuierend ständig weiter fortpflanzt. Alles Leben ist fortwährendes Leiden, eine Kettenreaktion des Schmerzes. Ein unauslöschliches Feuer, das sich selber nährt. Da wäre es doch sinnvoller, es gleich sein zu lassen. Besser nicht zu sein, als falsch zu sein.

Jetzt kann nur noch Humor helfen, dachte Poseidon und ließ dröhnend ein wahrhaft homerisches Lachen ertönen - und es regnete Feuer und Asche auf den Planeten.

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