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1 Präoperative Diagnostik und geriatrisches Assessment

Albert Lukas und Ulrich Thiem

Alte und hochaltrige Personen haben im Rahmen operativer Eingriffe ein deutlich höheres Risiko für Komplikationen und bleibende funktionelle Einschränkungen als jüngere Personen. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt darin, dass viele ältere Patienten bereits im Vorfeld viele Erkrankungen und Einschränkungen in den Bereichen Mobilität und Kognition aufweisen. Diese Einschränkungen komplizieren das Management einer unfallchirurgischen bzw. orthopädischen Versorgung ganz erheblich. In der Phase vor einer operativen Versorgung müssen solche Begleitumstände deshalb erfasst und bei der Versorgung der Patienten berücksichtigt werden. Dadurch sollen perioperativ Komplikationen vorgebeugt und postoperativ eine angemessene Weiterversorgung gewährleistet werden.

Zur Erfassung möglicher Einschränkungen beim Patienten im Vorfeld dient das umfassende geriatrische Assessment. Hierbei handelt es sich um einen multidimensionalen, multidisziplinären Diagnostikprozess, der medizinische, soziale und funktionelle Bedürfnisse von Patienten identifiziert und ordnet. Gleichzeitig stellt er aber auch die Grundlage für die Entwicklung eines Versorgungsplans einschließlich Festlegung einer Dringlichkeit der einzelnen Maßnahmen dar.

Die präoperative Phase sollte für diesen Diagnostikprozess möglichst genutzt werden. Abhängig von der Dringlichkeit des operativen Eingriffs hat man für diese Abklärung mehr oder weniger Zeit. Daher muss die präoperative Diagnostik und Versorgung in etablierten Strukturen und eingespielten Abläufen erfolgen. Die oben beschriebenen Komorbiditäten und funktionellen Einschränkungen erfordern neben der traumatologischen bzw. orthopädischen auch eine geriatrische Expertise. Die kombinierte Versorgung durch Unfallchirurgen bzw. Orthopäden, Anästhesisten und Geriater wird deshalb dem Bedarf hochaltriger Patienten gerecht und ist die Grundlage eines alterstraumatologischen bzw. orthogeriatrischen Zentrums ( Kap. VIII.1).

Merke:

Viele ältere Patienten mit einer anstehenden Operation weisen funktionelle Einschränkungen und eine Reihe von Komorbiditäten auf. Deshalb wird erst eine kombinierte Versorgung durch Unfallchirurgen bzw. Orthopäden und Geriater dem Bedarf dieser Patienten gerecht.

Bei der Erfassung von Komorbiditäten liegt ein Schwerpunkt auf Erkrankungen, die therapeutisch rasch beeinflussbar sind und/oder den perioperativen Verlauf ungünstig beeinflussen können. Hier steht die fortgeschrittene Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit verschiedener Organe bzw. Organsysteme im Vordergrund. Beispiele sind die dekompensierte Herzinsuffizienz, eine chronische Niereninsuffizienz oder eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung. Zudem leiden viele hochaltrige Patienten zum Zeitpunkt der Aufnahme ins Krankenhaus unter einer Dehydratation, die durch frakturbedingten Blutverlust noch verschlimmert werden kann. Eine Flüssigkeitssubstitution, eine Kontrolle und ggf. Korrektur vorliegender Elektrolytstörungen, die Behandlung eines akuten Nierenversagens sowie die Behandlung einer schweren Anämie sind deshalb häufig bereits präoperativ erforderlich. Zudem müssen Infektionen, unkontrollierte Herzrhythmusstörungen wie eine Tachyarrhythmie oder Blutzuckerentgleisungen präoperativ diagnostiziert und behandelt werden. Je mehr Zeit präoperativ bei nicht dringlichen Eingriffen zur Versorgung eines Patienten zur Verfügung steht, desto intensiver sollte die präoperative Abklärung und Stabilisierung erfolgen. Insbesondere Patienten mit planbaren Eingriffen sollten zunächst in einen bestmöglichen präoperativen Zustand versetzt werden.

Merke:

Präoperativ spielen insbesondere die Begleiterkrankungen eine Rolle, die therapeutisch rasch beeinflussbar sind und/oder den perioperativen Verlauf ungünstig beeinflussen.

Nach Diagnosestellung einer Fraktur kommen weitere spezifische Abklärungen hinzu. So sollten z. B. die wichtigsten Informationen zum häufig vorangegangenen Sturzereignis und seinen möglichen Ursachen erfasst werden ( Kap. IX.8). Dies ist wichtig, damit potenziell reversible oder unmittelbar therapiebedürftige Ursachen nicht übersehen werden. Besondere Bedeutung haben sturzbegünstigende Medikamente, z. B. Antihypertensiva, anticholinerg wirksame Medikamente oder Sedativa, deren unkritische Übernahme und Weiterverordnung im stationären Verlauf vermieden werden sollten. Auch andere Sturzursachen, z. B. bradykarde Herzrhythmusstörungen, orthostatische Hypotonien, eine vorliegende Aortenstenose, Hypoglykämien, kognitive Störungen oder Alkoholkonsum, haben unmittelbare Konsequenzen für die weitere Behandlung.

Zum Management von Patienten in der präoperativen Phase gehören außerdem eine adäquate, möglichst früh beginnende Schmerztherapie ( Kap. III.5) und das Management einer bestehenden Antikoagulationstherapie ( Kap. III.4). Auch präventive Maßnahmen wie die Thromboseprophylaxe ( Kap. III.4), die Prophylaxe von Dekubitalulzera oder Maßnahmen zur Prophylaxe eines Delirs ( Kap. III.7) müssen bereits präoperativ eingeleitet werden.

Merke:

Eine Reihe von präventiven Maßnahmen sollte bereits präoperativ eingeleitet werden.

Die dargestellten Aspekte der Versorgung von hochaltrigen Patienten in der präoperativen Phase verdeutlichen die Komplexität der Situation und die Herausforderung, die mit deren Management verbunden ist. Dabei ist zu betonen, dass das Ziel nicht die vollständige Behandlung und Beseitigung aller ungünstigen Begleitumstände vor der Operation sein kann. Eine umfassende Abklärung von Herzrhythmusstörungen mag internistisch wünschenswert erscheinen, wird aber insbesondere bei nicht elektiven Eingriffen zu zeitraubend sein, den Operationszeitpunkt verzögern und durch die daraus resultierende Immobilität vermutlich für den Patienten nachteilig sein.

Weißbuch Alterstraumatologie und Orthogeriatrie

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